Briefwechsel Eck - Übersicht Reformationsgeschichte
Nr. 5
Eck an Herzogin Kunigunde von Bayern
Ingolstadt 18-03-1512 (1):




Fassung A: München BSB Cgm 46, IV: ECK, Das schef der rew (1512) Dt. Kurzfassung zu GEILER VON KAISERSBERGS Predigtreihe >Navicula paenitentiae< (Abschrift);
Fassung B: Druck: München UB, 2 Germ 118: METZLER Nr 2: ECK, Das schiff des heils
Briefmappe 1, 149f; ECK, Schiff (ARLT), 24
Widmung zu METZLER Nr 2: ECK, Das schiff des heils. Straßburg, Grüninger, 24-08-1512
 

Nachdem Eck vor gerade zwei Jahren durch Herzogin Kunigundes Sohn, dem bayerischen Herzog Wilhelm, und seine Freiburger Universität erfahren hat, er sei auf die Bibellektur an der Theologischen Fakultät der Universität Ingolstadt berufen worden und ihm zudem zu Ohren gekommen war, Kunigunde neige nach dem Tod ihres Gemahls zum Klosterleben, möchte er ihr als Dank und geistliche Stärkung eine Übersetzung und Auslegung des >Schiffs der Reue< seines verehrten Lehrers und Straßburger Predigers Geiler von Kaisersberg schenken.

 
 
FASSUNG A (2):

Der durchlewchtigen Hochgebornen Fürstin unnd frawen (3) Frawen Kunigunden (4) Hertzogin in Obern unnd Nydern Bayren unnd meiner G. frawen Entbewt ich Johann von Eck heiliger schrifft (5) zu Ingolstat Ordennlicher (6) lerer vil hayls unnd gegen Got mein armes gebet.

Durchlewchtige Hochgeborne genädege fraw. 
Nach dem ich bey kurtz verschynen zeiten von E.F.G. son den durchlewchtigen hochgebornen fürsten unnd herren herren Wilhelm (7) unnd meinem gnädigen herren von Freyburg aus dem Breyssgey (8) alher gen Ingolstat seiner F.g. loblicher universitet zu verwesen ein lectur in der heiligen geschrifft genädiglich erfordert (9) unnd da selb unlang vernomen wie sich E.F.G. nach ires gemahels hochloblicher abschaide (10) von der welt gantz in ain beschawents wesen unnd leven sich abgezogen (11), hab ich als obgedachter fürstlicher gutheit ingedenck Got dem Herren zu lob unnd eer nachmals E.F.G. hochloblichen guten fursatz zu meren diss gegenwürtig schef der Buss unnd penitenz (12) So weylandt der geystlich vatter unnd Hochberümbt doctor Johannes Geyler von Kaysersperg (13) mein lieber maister säliger zu Strassburg gepredigt (14) in dise figur (15) mit kurtzer außlegung (16) [eilens] (17) getewtscht (18) da ich hie mit E.F.G. wie wol ein klaine gab yedoch der zeyt gleichformig zusende getraw unnd gantz ungezweyfelter hoffnung E.F.G. werden solchs alles von mir genädiger maynung aufnemen.

Geben zu Ingollstat am XVIII. tag des mertzen

Im XII. jar.
 
 
 
 
 
 
 
 

 

FASSUNG B:

Der durchleuchtigen und hochgebornen Fürstin und frawen fraw Kunigunden Hertzogin in obern und nider Baiern und meiner gnedigen frawen Enbeut ich doctor Johann von Eck, heiliger geschrifft zu ingolstat ordenlicher lerer, vil heils und gegen Gott mein arnes gebet.

Durchleuchtige Hochgeborne Fürstin gnedige fraw. 
Nach dem ich by kurtzverschinen zeiten von euwern Fürstlichen gnaden Sone, den durchleuchtigen hochgebornen fürsten und Herren her Wilhelm und meinem gnedigen lieben herren von Friburg uß dem Bryßgew alher gen Ingoltstat seiner fürstlichen gnaden löbliche universitet zuverwesen, ein Lector in der heiligen geschrifft genediglich erfordert und daselbst unlang vernumen, wie sich E.F.G. nach irer abschide von der welt gantze in ein beschauwents wesen und leben sich abgezogen, hab ich als obgedachter fürstlicher gutheit yngedenck Got dem herren zu lob und Eer nochmals euren fürstlichen gnaden Hochloblichen fürsatz zumeren. Dis gegenwürtig schiff des heils der penitentz, so wylant der erwirditg geistlich her und hochberümpt Doctor Johannes geiler von Keisersperg mein lieber meister selig zu Straßburg gpredigt, in dise figur mit kurtzer ußlegung allens getütst. Das ich hiemit E.F. gnaden (wie wol ein kleine gab) yedoch der zeit gleichförmig zusende guter unnd gantz ungezweiffleter hoffnung, E.F.G. werden solichs alles von mir gnediger meinung uffnemen.
 

wa es dan euwern fürstlichen gnadenn gefallen ist, wan ich me zeit hab dan yetzt (19) und Hab ich in willen, das in die leng ußzulegen, nit alein uß Doctor keiserspergs, sunder auch auß anderen götlichen lerern mit vil anderen bysplin und leren (20). Und dass Euren fürstlichen gnaden dan zuschicken (21), gnediglich uff zenemen.
 

Geben zu Ingoldstat Am XVIII. tag des Mertzen nach der geburt unsers herren Jhesu cristi Tusentfünffhundert und XII. jar.
 

 

Der durchlauchten wohlgeborenen Fürstin und Frau, Frau Kunigunde, Herzogin in Ober- und Niederbayern etc, meiner gnädigen Frau, entbiete ich, Johann von Eck, Ordinarius der Heiligen Schrift in Ingolstadt, meinen Gruß und Gott mein armseliges Gebet.
 

Durchlauchte wohlgeborene Fürstin, gnädige Frau!

Nachdem ich vor kurzem durch Euer Fürstliche Gnaden Sohn, dem durchlauchten wohlgeborenen Fürsten und Herren Wilhelm etc, meinem gnädigen Herrn, von Freiburg im Breisgau nach Ingolstadt an seine hervorragende Hochschule zwecks Verwaltung eines Lektorats in der Heiligen Schrift berufen wurde und dort erfahren habe, daß sich Eure Fürstlichen Gnaden nach dem Gedächtnistag des Todes Eures Gemahls ganz von der Welt zurückgezogen habe, um ein Leben der frommen Betrachtung zu führen, habe ich in Anbetracht der Güte Eurer Fürstlichen Gnaden und zum Lob Gottes des Herrn und auch, um Eurer Fürstlichen Gnaden lobenswerten guten Vorsatz noch zu stärken, dieses hier dargebrachte Schriftchen >Schiff der Buße<, das einst Doktor GEILER VON KAISERSBERG, mein verstorbener verehrter Lehrer, zu Straßburg gepredigt hat, zusammen mit einer kurzen Auslegung ins Deutsche übertragen. Ich sende Eurer Fürstlichen Gnaden hiermit diese, wenn auch kleine, so doch für die Gelegenheit passende Gabe zu, voller Hoffnung, Eure Fürstliche Gnaden werden dieses Geschenk wohlwollend aufnehmen.

Sollte es Eurer Fürstlichen Gnaden gefallen, will ich, wenn ich mehr Zeit erübrigen kann als jetzt, eine ausführlichere Auslegung anfügen, nicht allein aus den Schriften Geilers von Kaisersbergs, sondern auch aus anderen geistlichen Lehrern mit vielen anderen Beispielen und Lehrmeinungen, und das dann Eurer Fürstlichen Gnaden zusenden.

Gegeben zu Ingolstadt am 18. März im 12. Jahr.

1. WIEDEMANN und GREVING datieren irrtümlich 13-03-1512; vgl. SCHAUERTE, Bußlehre 2.

2. Beschreibung der beiden Fassungen in ECK, Schiff (ARLT) 13-18. - ARLT hat plausibel drei Stufen der Genese der Eckschen Übertragung rekonstruiert: 1. erschien eine zweiseitige Auslegung mit dem Holzschnitt und einer Dedikation (>Uszlegung der figur<); 2. wurde eine längere Fassung handschriftlich für Kunigunde von Bayern verfaßt (Cgm 46); 3. erfolgte der nun nochmals vermehrte Grüningerdruck (als Probedruck für eine geplante Gesamtausgabe) mit Einlage von 1.. Die Exemplare von 1. reichten nicht aus, so daß sie in einigen Drucken fehlen. Vgl. ECK, Schiff (ARLT) 19-22 mit ausführlicher Argumentation.

3. Wie üblich entspricht bei der doppelten Nennung von "Frau" die erste Nennung der Anrede, die zweite gehört zum Titel.

4. KUNIGUNDE VON BAYERN (gest. 1520), Tochter von Kaiser Friedrich III., gegen dessen Widerstand sie 1487 den Wittelsbacher Albrecht IV. heiratete; z.Z. der Abfassung des Briefes zwar im Kloster, griff sie dennoch weiterhin in die aktive Politik ein: RIEZLER, Baiern 3, 500-503 und Brief 18-04-1514.

5. Eck, der am 19-06-1509 in Freiburg das Lizentiat der Theologie erlangt hatte, legte am 22-10-1510 ebendort unter Johann Brisgoicus auch die Prüfung zum "doctor in der heyligen schrifft" ab: vgl. SEIFERT, Universität 74f.; ECK, Ratione studiorum: CCath 2, 44.

6. In Freiburg hatte Eck lediglich eine außerordentliche Professur inne (vgl. BAUER, Frühgeschichte 74); man hatte ihm dort eine ordentliche Professur versprochen, ihn indes wiederholt hingehalten (vgl. ECK, Replica fol 54r), so daß er sich andernorts umsah. Vor der Bewerbung in Ingolstadt war er 1507 auch mit der Universität Basel, wo er auch disputierte, in Verbindung getreten, indes zerschlug sich die Sache: vgl. PANTALEON 110 (Text bei Brief 13-10-1516; vgl. Brief 05-11-1517) und MAYER, Freiburg 18; zur Baseler Disputation ECK, Dialectica 1 fol 66v.

7. WILHELM IV. VON BAYERN (1508-50, zur Person vgl. Brief 18-04-1514) war allerdings zum Zeitpunkt von Ecks Berufung noch minderjährig; die Berufung erfolgte daher durch den Vormundtschaftsregenten Hg. Wolfgang: vgl. SEIFERT, Universität 74f; DERS., Statuten 494f.

8. Zur Schreibweise vgl. ECK, Dialectica 1 fol 49r: >Bebelius voluit (si bene memini) ut hodie dicimus Algey, Hegey, Brisgey...<

9. Entsprechend dem Procedere einer Bewerbung auf diese Stelle durch eine Probedisputation (über die Rechtfertigung der ohne Taufe verstorbenen Kinder) am 07-10-1510 und eine Gemeindepredigt: vgl. ECK, Ratione studiorum: CCath 2, 47. Zur Berufung vgl. Brief Anfang 1514 und Brief 18-04-1514.

10. Albrecht IV. war am 18-03-1508 in München verstorben: vgl. B. RALL, Albrecht IV.: NDB 1, 157.

11. Kunigunde war einige Tage nach Albrechts Begräbnis (02-04-1508) gegen den Willen ihrer Umgebung in das Franziskanerinnenkloster in München (Pütrichschwestern zum Hl. Christopherus) eingetreten: vgl. GELDNER, Bücherbesitz 118.

12. Diese Deutung der Buße erfolgt auf dem Hintergrund des vierfachen Schriftsinnes: ECK, Postilla, Ander Theil fol 239 (die erste Predigt am fünfften Sontag nach der H. Dreyfaltigkeit): >Sittiglich (morali sensu) legt man die Schiff auch auß auff die Penitentz...< Damit ist auch die angefragte Verbindung (KLAIBER, Geiler 250) der Bemerkung Ecks zum Jahr 1512 in ECK, Ratione studiorum: CCath 2, 49: >Tum animum appuli ad moralia, Gersonem evolvens et Kaiserspergium< zum >Schiff der Reu< zu bejahen.

13. GEILER VON KAISERSBERG (16-03-1445 - 10-03-1519), elsässischer Theologe und bedeutender Prediger: vgl. F. RAPP: TRE 12, 159ff. Eck, der anläßlich seiner Priesterweihe in Straßburg weilte und später noch mindestens zweimal dorthin reiste (ECK, Elementarius fol [B 6v]: >Ter fui in Alsatia<) stand in persönlichem Kontakt zu ihm und erinnert sich in seinen Werken oftmals an persönliche Begebenheiten: vgl. Brief 03-12-1519 Anm. 1 sowie die Zusammenstellung einiger Begebenheiten bei KLAIBER, Geiler.

14. Geiler hat die Predigtreihe am 20-02-1501 in Straßburg begonnen. Sie erschien 1511 bei Jacob Otther unter dem Namen >Navicula penitentie< als leteinischer Druck: vgl. ECK, Schiff (Arlt) 12. Eck hat später selbst eine Passionspredigt in Anlehnung an Geilers Auslegung gehalten. Vgl. den Hinweis vor ECK, Postilla, Der erste Theil 292ff: >Der Passion Christi. Das ist: Ein Summarische außlegung deß Leiden und Sterben Christi JEsu unsers Erlösers, wie solchs von den vier Evangelistenn beschrieben und von D. Johann Ecken gepredigt ist worden.< Nachfolgende Ausführungen der Passion orientieren sich an dem Bild der Schiffsleiter: vgl. ECK, Schiff fol Vv-Vr >Von der Stegen oder Leitern an das schiff deß Heils<. S. dazu auch seine Predigtskizzen im Predigtbuch: BRANDT, Predigttätigkeit 27.

15. Die Annahme ARLTS (ECK, Schiff [ARLT] 21), Eck habe den Holzschnitt in Ingolstadt in Auftrag gegeben, ist nicht zu verifizieren; plausibel erscheint, eine Initiative in Straßburg zu suchen. Eine Äußerung aus späterer Zeit zeigt, daß es allein dem Drucker (Grüninger) oblag, dem Eckschen Text die Holzschnitte zuzuordnen: ECK, Postilla. Der erste Theil, (Passion) 291: >...ich hab etwan vor XVJ. Jaren ein Passion auß viel Göttlichen Lehrern und Byblischer Geschrifft gezogen, den hat mir der Trucker eingemischt unter deß Keyserspergers 'Penitentz Schiff'...<. Eine Abbildung des Holzschnitts in >Dr. Eck< (Stadtarchiv Ingolstadt) 41.

16. Diese Stelle bezieht sich auf die erste und kürzeste Version der Auslegung: Edition in ECK, Schiff (ARLT) 114ff, dem Vorläufer zu dem Buch.

17. Zusatz Fassung B (s.u.). Wenn wir der These ARLTS folgen, ergeben sich in der Tat sehr knappe Abstände zwischen der ersten und der zweiten Textstufe. Denn wenn der Widmungsbrief am 18-03-1512 verfaßt und danach gedruckt wurde, die Fassung Cgm 46 aber >in der vasten 1512< (vgl. ECK, Schiff [ARLT] 78) entstand, bleibt als Terminus ante quem eben ein Zeitraum von wenigen Tagen nach dem 18-03-1512, der Ostertag dieses Jahres, wobei zu beachten ist, daß Eck in den Kartagen wohl kaum nur mit >vasten< datiert hätte. Der in Frage kommende Zeitraum (etwa 23-02-1512 bis etwa 04-07-1512) spricht allerdings nicht gegen die These, da Eck gleichsam als Schnellschreiber gelten muß: vgl. Wendungen in den Briefen 10-10-1514, 18-03-1517, 19-03-1517, 09-09-1517, 05-11-1517, 24-01-1518 u.ö.

18. In der Endredaktion wurde vom Drucker hinsichtlich der Grammatik, Formulierung und Orthographie in die Ecksche Übertragung eingegriffen: vgl. den Straßburger Dialekt, Belege bei ECK, Schiff [ARLT] 12. Im Widmungsbrief vom 30-11-1536 zu ECK, Bibel fol 3v moniert Eck die Eingriffe des Druckers in seinen deutschen Text.

19. S.u. Anm. 21.

20. Eck hatte neben eigenen Zusätzen von Boethius, Bonaventura, Holcot und Gerson noch zahlreiche andere Zeugen und Zitate beigebracht: vgl. ECK, Schiff [ARLT] 20. Diese Fassung sah Eck durchaus nicht nur als katechetische, sondern auch als dogmatische Studie an, wie seine Querverweise zeigen: vgl. ECK, Chrysopassus fol L4r.

21. Vgl. hierzu auch ECKs Aussage im >Chrysopassus< fol Z2r, die die von ARLT aufgestellte These stützt: >...navicula poenitenti quam nos sub epitomate in formam capitulorum et quatuor partium redactam, multis refectis, conpluribus additis, plerisque mutatis ideotismate Germanico hac estate illustrissimae principi nostrae Kunegundae duci utriusque Baioariae et divi Caesaris MAXEMILIANI sorori nuncupatim dedicavimus<. Auch wenn nach GREVING das Futur hier nicht bedeuten soll, daß bei Niederschrift dieses Passus das >Schiff des Heils< noch nicht abgeschlossen war, so gibt es doch verschiedene Hinweise, daß Eck zu diesem Zeitpunkt schon mit Vorarbeiten zum >Chrysopassus< beschäftigt war: vgl. GREVING, Gelehrter 16 Anm. 4 und 18 Anm. 2 u.6.