Briefwechsel Eck - Übersicht Reformationsgeschichte
Nr. 012
ECK, Chrysopassus praedestinationis. Augsburg, Miller, 1514, fol ar = METZLER Nr 4
Schon öfter hat Croaria Eck ermuntert, seine Schrift »Chrysopassus« drucken zu lassen und sie den bayerischen Herzögen zu widmen. Er hofft, daß das Werk der Universität Ingolstadt zur Ehre gereichen wird. Da er Ecks Berufung auf die Ingolstädter Professur befürwortet hatte, lag es für ihn nahe, ein Urteil über das Werk abzugeben. Es ist geeignet, Eck bei den Herzögen weitreichende Gunst zu erlangen.
Nobilis viri Hieronymi de Croaria Utriusque Iuris
Doctoris et
Sueviae Triumviri (2)
ad Ioannem Eckium Auripoli Procancellarium (3)
Epistola. Hortatus sum te saepe doctissime vir, quo altissimam illam praedestinationis materiam, quam in nostro archigymnasio litterario non sine merita laude es professus (4), conscriberes, atque lima tua expolires acerrima, Illustrissimisque Bavariae principibus (5) dicatum protinus ederes. Sperabam enim elaboratum hoc opus et Achademiae nostrae fore ornamento et commoditati omnibus (6), ut quod de abstrusissimo praedestinationis mysterio non pauca complectatur secretiora ac rara, quae continentissimas vigilias (7), annixissima studia multijugamquae lectionem (8) exposcant, fecique eo libentius quam te superioribus annis ceu virum doctum praefatis princibus commendavi (9). Es itaque obsecutus mihi, et illustre monumentum (quod »Chrysopassum praedestinationis« appellare placuit) mihi pellegendum exhibuisti. Quod salvatim (crebro enim aggestissima forensium negotiorum moles me a ceptis avocabat (10)) pellustravi, et dici non potest quantum placuerit, tot profunda Authorum sensa, artificiosum rerum ordinem, solutionesque argutissimas impendio mirabar. Ea quippe quae doctores alii partim prolixius partim strictius quam rei arduitas ferat, tractarunt; tu mira quadam ingenii acrimonia collegisti, repugnantius coadunasti, perfecisti mutilata, brevia dilatasti, diffusiora iusto contraxisti, obscurisque dedisti lucem. Et ut summatim dicam: Ita absolvisti omnia, ut liquido appareat quam fueris in tuo legendi munere prae caeteris diligens, et adeo apertus ut ad docendum natus videare (11). Perge quaeso praecellentissime doctor, et multas subinde eiusmodi foeturas ex tui ingenii officina deprome. Illaque primigenia (12), quae indefesso labore (13) perpulchre quidem, et supra quam tua aetas admittat (14), excoluisti, latissime extende (15). Et tibi principes nostros arctissime demereberis, et praemia a Deo Optimo Maximo tandem accipies opulentissima. Vale. |
Brief des edlen Herrn Hieronymus von Croaria, Doktor beider Rechte, kaiserlicher Bundesrichter in Schwaben, an Johannes Eck, Prokanzler in Ingolstadt. Oft habe ich Euch, lieber Doktor, ermahnt, Ihr möget
jene anspruchsvolle Materie über die Prädestination,
über die
Ihr in verdienstvoller Weise an unserer Hochschule Vorlesungen gehalten
habt, niederschreiben, sie in präziser und ausführlicher Form
wiedergeben und zugleich mit der Herausgabe den edlen bayerischen
Herzögen widmen. Ich hoffte nämlich, die Abfassung dieses
Werkes werde eine Zierde für unsere Hochschule und zum Nutzen
aller sein; und weil das tiefgründige Geheimnis der
Prädestination nicht wenige verborgene und schwer zugängliche
Probleme umfaßt, die ununterbrochene Nachtarbeit, mühevolle
Studien und vielfältige Lektüre erforderte, habe ich Euch um
so lieber in
den vergangenen Jahren als Gelehrten für diese Aufgabe den oben
genannten
Herzögen empfohlen. Ihr habt daher dem Auftrag auch entsprochen
und
mir das prächtige Werk mit dem Titel »Chrysopassus
praedestinationis« zur Begutachtung übergeben. Dieses
habe ich eilends (wenn auch alle
Augenblicke von der sich türmenden Last meiner Pflichten als
Richter
abgelenkt) durchgesehen, und ich kann nicht ausdrücken, wie sehr
es
mir gefallen hat: mit Erstaunen nahm ich die große Zahl
tiefgründiger
Auffassungen der theologischen Schriftsteller, die kunstvolle
Gliederung
und die scharfsinnigen Schlußfolgerungen wahr. Haben freilich
andere
Autoren teils länger und breiter, teils bündiger im Ausdruck,
als
es die schwierige Materie erträgt, abgehandelt, so habt Ihr mit
bewundernswerter
Geistesschärfe das Material gesammelt, Widerstreitendes
ausgesöhnt,
verkürzt Dargestelltes verbessert, zu kurz Geratenes
ausführlicher
wiedergegeben, Dunkles erhellt. Um es kurz zu sagen: alles ist Euch so
gelungen
und von solcher Sorgfalt, wie bereits Eure Vorlesungen gegenüber
anderen
gezeigt haben: es ist somit offensichtlich, daß Ihr zum Lehrer
geboren
seid. Macht so weiter, lieber Doktor, und bringt in Zukunft vieles
Ähnliches
in der Werkstätte Eures Geistes hervor. Und so sorgt dafür,
daß
dieses Euer Erstlingswerk, das Ihr unermüdlich und schön und
über
das hinaus, was Euer jugendliches Alter erwarten lassen würde,
fertiggestellt
habt, möglichst weite Verbreitung findet. |
1. Gründe für die Datierung: der
Brief gibt durch den Verweis auf die Widmung an beide Prinzen (»principibus«)
als terminus post quem den 13-03-1514 vor (Münchner Landtag,
Beendigung der Alleinherrschaft Wilhelms IV. : RIEZLER, Bayern 4, 3ff).
Außerdem steht er inhaltlich durch den Verweis auf die Widmung
dem Brief 18-04-1514 nahe, muß aber nicht zwingend nach dem
Schatzgeyerbrief geschrieben sein
2. HIERONYMUS DE CROARIA (gest. 1527), aus
angesehener Konstanzer Familie, war nach Studien in Basel und Italien
1486 als Doctor utriusque iuris in Tübingen eingetragen, wurde
1491 Ordinarius iuris civilis. 1497 als Kanonist nach Ingolstadt
berufen, lehrte er dort bis 1508 und wieder 1509-16. Einflußreich
war der 1500 auf seine Veranlassung erfolgte Druck der Akten und
Beschlüsse des Konstanzer Konzils. 1503 wurde er Rat am Hof
Albrechts IV.; 1506 bekam er einen Bestallungsbrief auf Lebenszeit.
Höhepunkt seiner Arbeit für den Schwäbischen
Bund war die Einsetzung als kaiserlicher Bundesrichter des
Schwäbischen
Bundes: vgl. FINKE, Juristenfakultät 139-146 und SEIFERT,
Universität
43 Anm. 19
3. Das Eichstätter Professorenkanonikat wurde
vom Fürstbischof von Eichstätt als Kanzler der
Universität Ingolstadt vergeben, der Inhaber war gleichzeitig
Vertreter des Kanzlers (Prokanzler, Vizekanzler) bei Promotionen etc.
(vgl. Brief 18-04-1514), die Verleihungsurkunde für Eck ist
abgedruckt bei NEUHOFER, Eyb 75. Gabriel von Eyb hatte Eck am
16-11-1510 nach dem Empfang des Empfehlungsschreibens von Hg. Wolfgang
zum Prokanzler bestimmt, und das Domkapitel erklärte sich unter
Vorbehalt zur Zahlung der Pfründenleistungen bereit. Nach dem Tod
von Ecks Lehrstuhlvorgänger Zingel im Jahre 1508 war es zwischen
Universität und Kapitel zu Spannungen wegen einer Ablösung
des Kanonikats gegen eine Pension gekommen; die Entscheidung stand noch
aus: vgl. SEIFERT, Statuten 283 und DERS., Universität 75. Zum
Kanonikat vgl. auch die Briefe 02-03-1513, 18-04-1514
4. 1512/13: vgl. Brief 02-03-1513
5. Eck hatte 1512 eine Widmungg für den
bayerischen Fürsten Wilhelm geplant: vgl. die Unterschrift unter
dem Holzschnitt auf dem Titelblatt des »Chrysopassus«:
»Wilhelmo Illustrissimoo Principe Baioariam
gubernante...G.D.XII.« Er mußte jetzt allerdings der
neuen unklaren politischen Situation Rechnung tragen, die darin
bestand, daß Wilhelms Brüder Ernst und Ludwig mit
Unterstützung der Herzoginmutter Kunigunde sowie der
Landstände die durch die Primogeniturordnung von 1506 bestimmte
Alleinherrschaft und Vorrangstellung Wilhelms anfochten: vgl. Brief
18-04-1514; GREVING,Gelehrter 4ff; SPINDLER, Handbuch 2, 297-301
6. Über eine weitere Verbreitung und
Rezeptionn
des Werkes ist wenig bekannt. Zwar nennt Johannes ALTENSTAIG im »Vocabularius
[Lexicon Theologicum]« 1517 Eck besonders auf der Grundlage
der Rezeption des »Chrysopassus« »vir
nostra
tempestate theologus clarissimus« (PFNÜR, Communio
151),
aber von den Wittenberger Theologen wird die Theologie Ecks nicht
rezipiert,
was für die Leipziger Disputation 1519 von Wichtigkeit ist: Brief
13-09-1516;
MOORE, Protean. Trotzdem gehörte der »Crysopassus Eccij«
zu den am 10-12-1520 am Elstertor zu Wittenberg verbrannten
Büchern: GERICKE, Verbrennungstat 39 Anm. 2 u. 40
7. Eck betont seine nächtlichen Studien immer
wieder: Briefe 18-04-1514, 19-02-1516, ECK, Chrysopassus fol Y4r:
»...si quid vero minus decorum aut probatum offenditur,
ignoscendum est Eckio, qui etsi non optima usquequaque sit assecutus,
nihil tamen de labore, vigilijs et studio praetermisit, ut ea
adipisceretur.«
8. Vgl. Ecks Liste mit 93 unmittelbar und 85
mittelbar oder nicht benutzten Schriftstellern in ECK, Chrysopassus fol
b2rv. Vorbilder für eine solche Liste könnten hier Konrad
Wimpina oder Jodokus Trutfetter
gewesen sein; WIMPINA, Epithoma (1508) und TRUTFETTER, Summule 1500.
Vgl.
NEGWER, Wimpina 115, BEBEL, Commentaria fol 84rv; ECK, Explanatio
XLVIII,
PLITT, Trutfetter 12ff. Eck hat nachweislich Trutfetters Schriften
verwendet
9. Aufgrund der Situation in Freiburg (vgl. Brief
18-03-1512) hatte sich Eck bei Gelegenheit (»a casu«:
ECK, Ratione studiorum: CCath 2, 46) und auf gut Glück (»forte
fortunam«: ECK, Replica fol 54r), wahrscheinlich »petitis
Augustae a Conrado Peutingero Iureconsulto literis«
(PANTALEON 110; vgl. Brief 19-12-1514) der Disputation und Predigt
gestellt: vgl. Brief 18-03-1512 und ECK, Physica fol 35r). Die Resonanz
war sehr gut. Croarias Empfehlung wird parallel zu jener der
Universität durch den Rektor Simon Reibeisen gelaufen sein: vgl.
SEIFERT, Statuten 494f
10. Neben den oben aufgeführten
Tätigkeiten entwickelte er eine »umfangreiche private
Gutachtertätigkeit«: FINKE, Juristenfakultät 145:
u.a. war er 1498-1518 Ratskonsulent der Stadt Nürnberg
11. Eck selbst identifizierte sich voll mit seinem
pädagogischen Auftrag: vgl. SEIFERT, Logik 36 und die Briefe
19-02-1516 und 18-03-1517. Er bringt dies auf den Punkt in ECK, Schutz
red fol E3v: »...ich will ein schulmaister mein lebtag bleyben«;
vgl ebd. fol L2v und Q3v; ECK, Replica fol 55v: »...sed malui
perpetuo humile vitam agere
in academijs quam vacare otio in magnis ecclesijs, hanc partem mihi
elegi,
etiam si minus lucrosam...«
12. Als Eck im Brief 13-03-1540 Contarini anbot,
ihm
alle seine Werke zu übersenden, und er eine Liste beilegte, setzte
er
neben seine »Libri Joh. Eckij contra ludderanos«
als
theologisches Erstlingswerk den »Chrysopassus« mit
auf die Liste: »Praeter haec scripsi 'Chrysopassum
praedestinationis'...«
13. Vgl. o. Anm. 7
14. Ecks jugendliches Alter wird auch thematisiert
von Urbanus Rhegius (Gedicht: ECK, Chrysopassus fol [c4v]) und Heinrich
Bebel (Gedicht: ECK, Chrysopassus fol Bb4r). Eck selbst kokettiert gern
mit seiner Jugend, z.B. indem er seinen Reden sein absolutes Alter
beigibt: ECK, Orationes fol [a6v,], ECK, Orationes tres fol B3r, Dr.
Expliziet tut er das auch in den Briefen 18-04-1514 und 01-05-1515.
Vgl. auch seine Polemik gegenüber Osiander in ECK, Schutz red fol
[L4v] hinsichtlich seines frühen Bibelstudiums
15. Eck selbst hatte bei positiver Aufnahme
für später größere und bessere Arbeiten in
Aussicht gestellt: ECK, Chrysopassus fol b4: »Nam si ista non
improbaveritis, cum maturior
aetas advenerit, uti ita meliora edere curabimus.«