Briefwechsel Eck - Übersicht Reformationsgeschichte
Nr. 15

Eck an Gabriel von Eyb, B. von Eichstätt

Ingolstadt
10-10-1514


Leipzig UB, RatsB Rep. II. Vol. 73c (Autograph): ECK, Friderici I. Suevi cognomento Barbarosse Caes. semper Aug. et Imp. gloriosissimi vita a Ioanne Eckio theologo Suevo tumultarie congesta. Ad Reverendissimum Patrem et dominum Gabrielem de Eybe Aureatensis Ecclesiae praesulem dignissimum patronum suum. Eckiana diligentia extemporarie congestum Anno gratiae sesquimillesimo XIIII = METZLER Nr 4A

Eck hat innerhalb von drei Tagen handschriftlich eine Biographie des Kaisers Friedrich I. Barbarossa zusammengestellt. Wie der berühmte Chronist Barbarossas, Otto von Freising, ein Onkel des Kaisers war, so ist auch Bischof Gabriel von Eyb dem gegenwärtigen Kaiser Maximilian wert und teuer, so daß er ihn schon öfter um Rat ersucht hat. Ähnliches gilt für seine Vorgänger auf dem Eichstätter Bischofsstuhl aus dem Geschlecht derer von Eyb. Mit der Widmung möchte Eck auch Gabriels Vorfahr, dem Humanisten und Autor der »Margarita poetica«, Albrecht von Eyb, seine Reverenz erweisen.



Reverendissimo in CHRISTO patri et domino, Gabrieli de Eybe (1) Aureatensis (2) ecclesiae, praesuli dignissimo ac domino suo observando Ioannes Eckius Theologus eiusdem in Cancellariatu Ingoldstadiensi Vicarius (3) Faelicitatem optat.

Accipe Antistes dignissime Faederici primij Suevi (4) Cognomento Barbarossae (5) gloriosissimi imperatori vitam, ex tempore et »velotius quam Asparagi (ut aiunt) coquantur« (6), a nobis congestam. Desideravi plurimum Ottonis Frisingensis (7) Episcopi librum (8) quem aliquando ea de re legimus (9), fuit enimvero Otto ille Friderici I. patruus (10), ei adprime familiaris sicut et tu Maximiliano Caesari Pio Faelici Augusto es charissimus, quare in arduis rebus gerendis te ut macte consilio praesulem, saepissime evocat. Quemadmodum et priores Reverendissimi paternitatis tuae, Ioannes (11) et Wilhelmus (12) Episcopi praeclaris functi legationibus Friderici III. Augusti fuere maxime accepti, ut quasi peculiare sit ecclesiae tuae praesules divis Imperatoribus Augustis esse familiarissimos (13).
Hanc ergo trium feturam dierum (14), dignissime praesul, sereno suscipias vultu, et eam vel postremo loco inter reliquam suppellectilem patrui tui reponas. Alberti de Eybe (15) doctissimi viri ac antiquissimae familiae (16) tuae alterum ornamentum (17), quod opus multae profecto lectionis, »Margaritae Poeticae« (18), ab eo laboriosissime desudatum, satis superque commonstrat.

Valeat excellenss dominatio tua Reverendissime pater et princeps. Et Eckium commendatum habe.

Ex ingolstadio VI. Idus Octobres (19).


Dem ehrwürdigen Vater in Christus und Herrn Gabriel von Eyb, Bischof von Eichstätt, wünscht Johannes Eck, Theologe und Vizekanzler in Ingolstadt, alles Gute.


Nehmt, ehrwürdiger Bischof, hiermit die Lebensbeschreibung des ruhmvollen Kaisers Friedrich I. mit Beinamen Barbarossa entgegen, die in großer Eile und »schneller als die Asparagen kochen können« von uns zusammengestellt wurde. Das meiste verdankte ich dem Buch des Bischofs OTTO VON FREISING, das wir einst gelesen haben, war doch jener Otto der Onkel Friedrichs I. und pflegte mit ihm so vertrauten Umgang wie Ihr mit Kaiser Maximilian, weshalb dieser sehr oft in schwierigen Fragen Euren Rat zu seiner Zufriedenheit einzuholen pflegt. Wie ja auch Eure Vorfahren, die Bischöfe Johannes und Wilhelm, im Dienst Kaiser Friedrichs III. als Legaten sehr angesehen waren, so daß es als besonderes Privileg der Bischöfe von Eichstätt gelten kann, in enger Bindung zu den Kaisern zu stehen.

Dieses Schriftchen, die Frucht dreitägiger Mühen, möget Ihr, lieber Bischof, heiteren Sinnes entgegennehmen und es [in Eurer Büchersammlung] an die letzte Stelle hinter den Werken Eures Onkels, des gelehrten ALBRECHT VON EYB, plazieren, der die zweite Zierde Eurer Familie war, was an seinem vielgelesenen und mit Mühen erarbeiteten Hauptwerk, der »Margarita Poetica«, überdeutlich wird.

Eure Exzellenz, ehrwürdiger Vater und Fürst, lebt wohl, und laßt Euch Euren Eck empfohlen sein.

Aus Ingolstadt, 10. Oktober 1514.



1. GABRIEL VON EYB (29-09-1455 Arberg - 01-12-1535 Eichstätt), Fürstbischof von Eichstätt (1496-1535), Ecks Vorgesetzter und Herr als Kanzler der Universität Ingolstadt und Bischof, hatte in Eichstätt einen kleinen Humanistenkreis um sich (vgl. FINK-LANG, Humanismus 50f), zu dem unter anderen auch die Vettern des Bischofs, die Brüder Adelmann zählten. Dieser Kreis sah sich mit einer älteren lokalen Eichstätter Tradition in der Historiographie (Albrecht von Eyb, Ulrich Pfeffel, vgl. op. cit. 233ff) konfrontiert und nahm sie wohl, wenn auch eher rezeptiv, auf, wie nicht nur die Widmung dieses historischen Werks an Eyb belegt, sondern auch die Hervorhebung der historischen Interessen bei dem Eichstätter Erhard Truchseß (vgl. Brief 02-03-1513). Im Oktober 1514 verbot der Fürstbischof, beeinflußt durch Dritte, nach ECK, Großer Zinstraktat fol 156r »semilitterati Episcoporum consules et alij quidem Theologastri« eine von Eck angesetzte Zinsdisputation in Ingolstadt (zum Hintergrund vgl. Briefe 19-12-1514, 18-02-1515; PÖLNITZ, Kapital 691; OBERMAN, Werden 178 u. 188f). 1518 schrieb Eck im Auftrag des Fürstbischofs seine Obelisci zu Luthers 95 Thesen (vgl. Brief 05-11-1517). Zu Spannungen kam es dann auch im Zusammenhang der Verkündigung der Bannandrohungsbulle Exsurge Domine (vgl. DRUFFEL, Exsurge Domine 573f; 583f). 1535 hielt Eck die Leichenrede auf Eyb: ECK, Pro antistite, die wie üblich auch eine Vita und Würdigung bietet. Bgl. K. MAIER: LThK 3 (3.A.), 1139 (Lit.).

2. Eichstätt. Vgl. ECK, Pro antistite fol B2r: >Aureatensis dico ecclesiae, veteri nomenclatura, antequam Aureatum ab Hun[n]is duce Attilia [!] cum laureato et alijs celebribus Germaniae civitatibus esset vastatum<.

3. Zum Vizekanzellariat vgl. Brief 1514.

4. Zum Schwabenlob vgl. die Briefe 18-04-1514, 13-10-1516 und 03-12-1519.

5. FRIEDRICH I. BARBAROSSA (1122-1190), Herzog von Schwaben 1147-1152, seit 1152 König, 1155 zum Kaiser gekrönt. Seine Rolle für das bayerische Herzogtum betrachtet Eck in ECK, Apologia fol A4r, seinen Kampf für die Befreiung des Heiligen Landes in ECK, Sig Kaiserlicher Maiestat fol Dv. Über ihn und den Schwur vgl. ECK, Iuramenti fol B2v u. [K5r].

6. ERASMUS, Adagia 2605.

7. OTTO VON FREISING (1112 Neuburg b. Wien - 22-09-1158 Morimont), Geschichtsschreiber; um 1137 zum Zisterzienserabt gewählt, bald darauf (1138) Bischof von Freising. Er schrieb 1143-1146 seine »Chronica (Historia de duabus civitatibus)«, eine Weltchronik auf der Grundlage der Geschichtsphilosophie Augustins. 1156/57 verfaßte er die unvollendeten »Gesta Friderici«: vgl. Ottonis Chronica« (LAMMERS) XXIV-XXXIV sowie »Ottonis Gesta Friderici« (SCHMALE). Zu Person und Werk s. W. HECHBERGER: LThK 7 (3.A.), 1220f; LMA 6, 1581ff; TRE 25, 555-559 (Lit.).

8. Der erste Druck der »Gesta Friderici« erfolgte im März 1515 durch Johannes Cuspinian (vgl. CUSPINIAN, Briefwechsel [ANCKWICZ], 55-58; »Ottonis Gesta Friderici« (SCHMALE) 75 u. 77). Zum Zeitpunkt unseres Briefes ist indes noch kein Kontakt Ecks mit dem Wiener Humanisten nachgewiesen; eine persönliche Verbindung wurde erst während der Wiener Disputation geknüpft (vgl. Brief 09-1516), als Cuspinian Eck einen Denar Friedrich Barbarossas schenkte (»Friderici quoque primi imperatoris Barbarossae effigiem in numismate acividissime comtemplabar«; zum numismatischen Interesse Ecks vgl. ECK, De coelo fol 20r). Zum späteren Verhältnis Ecks zu Cuspinian vgl. Brief 09-11-1516 u.10-02-1520; zu Ecks historischen Quellen vgl. Brief 18-04-1514.

9. Die »Gesta Friderici« waren als Handschrift im süddeutschen Einzugsbereich mehrfach zugänglich, am ehesten wird Eck (der die »Gesta« schon im »Chrysopassus« zitiert hatte: ECK, Chrysopassus fol F2r) das Exemplar Konrad Peutingers zugänglich gewesen sein, entweder über das Kloster Ottobeuren - Peutinger übersandte die Handschrift im März 1509 dem Kloster (vgl. PEUTINGER, Briefwechsel [KÖNIG] Nr. 59) - oder über Peutinger direkt. Letzteres ist wahrscheinlicher, denn Konrad Peutinger soll Eck ja nicht nur mit einem Empfehlungsbrief für die Ingolstädter Professur versehen haben (vgl. Brief 1514), sondern Eck betrachtete Peutinger in historischen Fragen als allererste Autorität (vgl. ECK, Chrysopassus fol I6r u. Ov) und zog seine historischen Kenntnisse aus dem persönlichen Kontakt mit dem Augsburger (vgl. ECK, Chrysopassus fol Ov: »...ut Chunradus Peutinger Augustanus iureconsultus et Antiquarius in convivalibus suis prodit«); dieser schickte ihm die »Tabula Peutingeriana« (vgl. Brief 18-04-1514) und besorgte Eck auch für seine Arbeit an Dionysius Areopagita Texte (vgl. EPINEY-BURGARD, Pseudo-Dionys 8 Anm. 5). Weiterer Anhaltspunkt für unsere Annahme ist die Tatsache, daß Eck Peutinger in einer Rede von 1511 unter die Humanistenn zählt, die vergessene Autoren ans Licht bringen (wiewohl in der Liste auch Cuspinian genannt wird). Zum Verhältnis Peutinger-Eck vgl. auch Brief 19-12-1514. Ecks Selbstverständnis als Textauffinder und -kritiker widerspiegelt seine Selbstbezeichnung als »scrutator bibliothecarum« (Brief 18-11-1514), sein Auffinden des Sentenzenkommentars des Bandinus in Melk (Brief 09-09-1517), seine Kenntnis der Abhängigkeit von Gregor von Rimini und Pierre d'Ailly (Brief 22-09-1516). Zu Ecks Interesse für Genealogie und Heraldik vgl. Brief 18-03-1517.

10. Otto von Freising war der Onkel Friedrich Barbarossas: »Aus der ersten Ehe seiner Mutter, der salischen Kaisertochter Agnes, mit dem Staufer Herzog Friedrich von Schwaben hatte Otto König Konrad III. zum Halbbruder. Sein Neffe aus diesen Familienverbindungen war Kaiser Barbarossa.«: »Ottonis Chronica« (LAMMERS) XXIV.

11. JOHANN III. VON EICH (14445-1464).

12. WILHELM VON REICHENAU (1464-1496). Weitere Äußerungen Ecks zur Eichstätter Bistumsgeschichte in: ECK, Fünft Tail Predig fol a2rv.

13. In Maximilians Politik spielten die Reichsfürsten eine wichtige Rolle. Gabriel von Eyb unterstützte im Gegensatz zu anderen, in abwartender oder ablehnender Haltung verharrenden Reichsfürsten auch den Römerzug des Kaisers. Zudem war er als Mitglied des Schwäbischen Bundes Partner Maximilians. Vgl. NEUHOFER, Eyb 56f u. 72.

14. Zur manchmal "bedenklichen Geschwindmacherei" Ecks (so bereits K. PRANTL. vgl. GREVING, Gelehrter XIII) vgl. Brief 18-03-1512. Ecks Aussage ist hier glaubwürdig, da als Grundlage seiner Schrift die »Gesta Friderici« gelten; ähnlich verhält es sich mit ECK, Sarmatien: Brief 12-04-1518, wo er in »trey tag« MIECHOWS Schrift über Geographie und Kultur Osteuropas »behendt geschriben unnd geteütscht« haben will (Handschrift ECK, Sarmatien fol 2v).

15. ALBRECHT VON EYB (1420-1475), Onkel des Gabriel von Eyb, prägende Gerstalt des deutschen Frühhumanismus: vgl. SPINDLER (Hg.), Handbuch 3/1, 573f. Vgl. ECK, Pro antistite fol Bv: »Albertus de Eyb doctor, qui humanitatis literas (ut vocant) Germaniae invexit, ut liber ab eo aeditus 'Margaritae Poeticae' abunde testatur« ECK, Orationes tres fol B4r (Zusatzliste zur Rede »De nobilitate«: »Albertus de Eib Francus orientalis, Utriusque Iuris insignibus decorus, politioribus tamen literis ac poesi inprimis deditus ut 'Margarita Poetica' eo autore excusa demonstrat. Ex eadem familia hodie est episcopus Eistettensis Gabriel de Eib Utriusque iura insignia in studio Papiensi adeptus omnino in hoc albo connumerandus.« Irrtümliche Angaben bei OBERMAN, Werden 194.

16. Die Familie gehörte zu altem fränkischem Uradel.

17. Vgl. ECK, Pro antistite fol Brv: »Attulit tamen profecto familiae suae maius ornamentum quam ex illa susceperit, quod primus ex illa ad apicem praesulatus ascenderit

18. Albrechts »Margarita Poetica«, eine Anleitung zur Redekunst, 1459 verfaßt, 1472 gedruckt, wurde zu »einem beliebten Nachschlagewerk für Rhetoren und Epistolographen«: SPINDLER (Hg.), Handbuch 3/1, 573. Vgl. auch Brief 09-1516: »...vir singularis eruditionis et peramoeni ingenii, quod in eleganti et mirifico opere 'Margaritae Philosophicae' suo marte elucubrato facile omnibus ostendit

19. Das Datum ist wichtig für die Interpretation des Briefes im Hinblick auf das Verbot der Ingolstädter Disputation (vgl. Brief 19-10-1514 Scheurl an Trutfetter: SCHEURL, Briefbuch 134). Als Datum der Disputation nahm OBERMAN, Werden 189 Anm. 88 »ca. den 15. Oktober« an, PÖLNITZ, Kapital 691 den »Oktober 1514«. Ausgangspunkt für diese Überlegungen sollte jedoch eine bisher auf 1513 datierte Disputationsankündigung sein (METZLER, Orationes funebres LXXIII; KUCZYNSKI-WEIGEL, Flugschriften 58), mit dem Titel: »Disputabitur haec quaestio cum conclusionibus et alijs appendicibus per Joannem Eckium Theologum Auripoli procancellarium, tam paratum doceri quam docere, ut veritas (quam ita diligenter inquirimus) aliquando in presenti casu inveniatur. [In fine:] Ingolstadij die sexta mensis Octobris (1513).« Dieses Thesenblatt bezieht sich auf die Ingolstädter Thesen von 1514, denn der gleiche Wortlaut findet sich auf dem bisher nicht beachteten Vorblatt zu ECK, Großer Zinstraktat fol 94r. Die Frage bleibt, ob der 06-10-1514 der Disputationstermin oder der Termin der Ankündigung der Disputationsthesen im Druck war, die in der Regel acht Tage vorher veröffentlicht wurden (vgl. BORN, Disputationen 3), was den Disputationstermin für den 13-10-1514 oder einen Tag später vermuten ließe. Der hier vorliegende Brief ist also nach oder vor dem endgültigen Disputationsverbot geschrieben, quasi als sedatio oder captatio benevolentiae für den Bischof. Da die anderen Eckschen Disputationszettel als Datum stets den Endtermin der Disputation bringen, ist als Disputationstermin der 06-10-1514 anzunehmen; Ecks Schrift diente also der Schadensbegrenzung nach dem Disputationsverbot durch den Bischof. Da kurz nach Abfassung der Eckschen Handschrift Cuspinians Druck der »Gesta Friderici« erschienen, erübrigte sich wohl eine Drucklegung der Schrift Ecks, wenn sie überhaupt je beabsichtigt war.