Briefwechsel Eck - Übersicht Reformationsgeschichte
Nr. 16

Eck an Papst Leo X.

Ingolstadt
18-11-1514:


Begleitbrief zu ECK, De vera Paschae celebratione. Augsburg, Miller, 1515 = METZLER Nr 5

Eck empfielt dem Papst sein Gutachten zur Kalenderreform, ein Thema, das gerade auf dem 5. Laterankonzil in Rom behandelt wird. Die Umstände der verspäteten Zusendung entschuldigt er mit seinem jugendlichen Alter, seiner Zeitknappheit und der Verzögerung des die Angelegenheit der Kalenderreform berührenden Schreibens des Papstes an Kaiser Maximilian, von dem er erst jetzt eine Kopie erhalten hat. Eck möchte mit seinem Gutachten den Gegnern des Papstes entgegentreten, jedoch seine Thesen dem Papst und dem 5. Laterankonzil unterwerfen.



Habes Pontifex Optime Maxime (1) diorthosim celebritatis paschalis (2), quam obiter pro virili ingenii mei (3) et iuvenili aetatula (4) mea quantum et brevitas temporis et occupationum multitudo (5) patiebatur, avidissime congressi (6), nam tardissime ad me pervenit Apostolicarum litterarum copia (7), Deum autem Optimum Maximum precor ut cepta illa et alia maiora Sanctitas Tua ad honorem Dei ac Christianae religionis exaltationem, foeliciter perficere prestet. Et haec mea quantulacunque scripta, adversus sanctissimi propositi Sanctitas Tua calumniatores a me zelo fidei et amoris in Sedem Apostolicam edita, clementi animo suscipiat Sanctitas Tua cui sicut iure debeo, ita ultro volo esse subiecta. Id pro firmo ac vero amplexurus quod sedes Petri, Romana ecclesia et tu ei presidens cum sacro Lateranensi concilio, censetis ac principitis amplectendum. Deo Gloria. Ingolstadij XI. Kal. Decemb. Anno gratiae M.D.XIIII.

Ioannis Maioris Eckius procancellarius Auripolitani studii (8) etc.

Heiliger Vater!

Ihr habt nun den Osterfestkalender in Händen, den ich beiläufig mit Eifer angefertigt habe, soweit ich als Mann von zartem jugendlichem Alter es vermochte und es die Kürze der Zeit und die Vielfalt meiner Aufgaben zuließen, denn erst sehr spät erreichte mich eine Abschrift des päpstlichen Schreibens.

Ich bitte aber Gott, daß Er Sorge trägt, daß Eure Heiligkeit jenes Beginnen und andere größere Unternehmungen zur Ehre Gottes und zum Lobpreis der christlichen Religion glücklich vollenden möge.

Und dieses mein Schriftchen, das von mir gegen die Verleumder dieses Plans Eurer Heiligkeit mit Eifer und Liebe zum apostolischen Stuhl herausgegeben wurde, möge Eure Heiligkeit gnädig aufnehmen, denn ich bin sowohl rechtlich verpflichtet wie auch aus freien Stücken bereit, mich Eurem Willen zu unterwerfen. Ich stehe fest und in Wahrhaftigkeit dazu, was der Stuhl Petri, die Römische Kirche und ihr Haupt zusammen mit dem heiligen Laterankonzil darüber urteilt und anzunehmen befiehlt. Ehre sei Gott!

Ingolstadt, 21. November im Jahr der Gnade 1514.


1. LEO X. (Giovanni de' Medici; geb. 11-12-1475 Florenz; 11-03-1513 Papst; gest. 01-12-1521 Rom), humanistisch gebildet, zu Nepotismus neigend und sein geistliches Amt teilweise vernachlässigend; Ecks Bild von seiner Persönlichkeit ist geprägt von der Achtung für sein Amt, sein Vorgehen gegen Luther und sein Wohlwollen gegenüber den bayerischen Herzögen und seiner eigenen Person im Hinblick auf seine Pfründenwünsche. Erst mit dem späteren persönlichen Kontakt 1520-21 wuchs seine Verehrung: vgl. ECK, Dt. Schriften (ZOEPFL) 11; Briefe 01-05-1523 und 13-03-1540. Zu Person und Wirken s. G. SCHWAIGER: LThK 6 (3.A.), 825ff; EC 7, 1150-55; TRE 20, 744-748 (Lit.); R. BÄUMER, Leo X. und die Kirchenreform: M. WEITLAUFFF-K. HAUSBERGER (Hg.), Papsttum u. Kirchenreform. FS G. SCHWAIGER. St. Ottilien 1990, 281-299.

2. Die Kalenderreform war durch das 5. Laterankontil (1512-1517) angestoßen worden, da >lunae discursus notatur ex diuturnitate temporum aliquibus minutis partibus non exacte numeratis, a suo recto tramite deflexisse, atque propterea iam ab alibus annis rectam Paschae observationemm, quae ab his duobus praecipue pendet, a prima ecclesiae institutione quandoque declinasse< (Brief Leos X. in: ECK, Pascha fol a2r). Deshalb folgte der Beschluß: >Nos peritissimos Theologiae et Astrologicae viros consulimus< (op. cit. fol a2rv). Kaspar Schatzgeyer OFM stellte Eck lat. und hebr. Kalendarien zur Verfügung (op. cit fol [c5v]; vgl. Brief 20-03-1514). Das Gutachten Ecks, nach KAUSCH, Fakultät 156 das erste nachweisbare Gutachten der Theol. Fakultät Ingolstadt, wird auch erwähnt in ECK, De coelo fol 30rr (vgl. SCHAFF, Physik 34). Auch später achtete Eck bei seinen bibliothekarischen Nachforschungen auf Materialien zur Kalenderreform: vgl. ECK, Aggaeo Propheta fol G3rv: >Ego etsi non indiligens scrutator bybliothecarum, non tamen memini aliud vidisse quam [Kalendarium Hebraicum] Strabi illius, ex celeberrimo Benedictorum coenobio Tegerseensi...<

3. Die Aufgabe wurde Eck in Ingolstadt übertragen, da er durch seine astronomischen und mathematischen Kenntnisse ausgewiesen war (Brief 1505); auch machte Albrecht Dürer Eck seine für Stabius entworfene Sternkarte zum Geschenk, die Christoph Scheurl nach Ingolstadt brachte: ECK, Physica fol 23r; vgl. SCHLECHT, Spottgedichte 219 Anm. 3. Zu Ecks Leidenschaft für die seines Erachtens vernachlässigte Mathematik vgl. ECK, Dialectica 2, fol 30r, 60r, 83r, 169r; Brief 09-1516; seine verschollene >Epitome in Arithmeticam<: GÜNTHER, Geograph Anm.14; seine mathematischen Kenntnisse in ECK, De coelo: vgl. GÜNTHER, Geograph 150). B. HUBMAIER lobte in einem Gedicht Ecks Kenntnisse in der Theologie, Logik, Rhetorik, Mathematik und Astronomie: ECK, Orationes tres fol a2r.

4. Zum Topos des jugendlichen Alters vgl. Brief 1514.

5. Eck steckte im November 1514 mitten in der Zinsproblematik; nach dem Verbot seiner geplanten Disputation über den Zins in Ingolstadt (vgl. Briefe 10-10-1514; 19-12-1514; 10-01-1515; 18-02-1515; 28-02-1515; 26-05-1515) galt es hier rasch eine Rücknahme zu nerwirken. Zudem hatte im November 1514 der >Chrysopassus< die Presse verlassen, und Eck wird mit dem Vertrieb und der Werbung für sein erstes theologisches Hauptwerk beschäftigt gewesen sein.

6. Der Brief Maximilians (vgl. u. Anm. 7) hatte die Behandluntg des Themas zur religiösen und nationalen Pflicht erklärt: ECK, Pascha fol a3v: >Cum itaque re haec ad divini cultus debitam observantiam, et eorum quae collapsa sunt reparationem, erratoremque emendationem pertineat,...mandavimus..., ut nationi nostrae Germanicae consilio et discussione sua decus pariat, quam nobis in scriptis ad manus consiliarij et secretarij nostri Iacobi de Bannissis vel proficiendo ad ipsam decimam sessionem ad Kal. decemb. iuxta sum. Pont. requisitionem transmittetis.<

7. Der Brief Leos X. (durch Jacobus Sadoletus) an Kaiser Maximilian, datiert Rom 21-07-1514 (ECK, Pascha fol a2r-a3r), war erst zusammen mit dem Brief Maximilians (durch Jacobus de Bannissis) an die Universität Ingolstadt, datiert Innsbruck 21-10-1514 (op. cit. fol a3v) angekommen. Eck hatte die Briefe am 15-11-1514 bekommen (op. cit. fol [a4r]); am 21-11-1514 schon schreibt er als Peroratio unser hier vorliegendes Empfehlungsschreiben, da das 5. Laterankonzil sich am 01-12-1514 mit der Frage befassen sollte (op. cit. fol 3av). Obwohl nichts über die Verarbeitung des Eckschen Gutachtens bekannt ist, muß davon ausgegangen werden, daß Eck sein Gutachten handschriftlichh pünktlich absandte, lediglich der Druck erfolgte dann erst am 11-05-1515 durch Veranlassung von Michael Knab.

8. Auch andere deutsche Universitäten reichten ihre Gutachten ein, so Wien durch Andreas Stiborius und Georg Collimitius Tannstetter (vgl. Brief 09-11-1516: ASCHBACH, Humanisten 106f; Freiburg durch Johannes Brisgoicus (BAUER, Frühgeschichte 45). Eventuell geht auch Ecks Freundschaft mit Paul von Middelburg (vgl. GÜNTHER, Geograph 153f Anm. 11) auf die Kalenderreform zurück. Eck sieht sich in der Sachfrage in ECK, De coelo fol 30r mit Tannstetter und Middelburg einig: vgl. GÜNTHER, Geograph 160 Anm. 49.