Briefwechsel Eck - Übersicht Reformationsgeschichte
Nr.17
München BSB, Oefeliana 209 (Autograph)
OEFELE, Briefe 448f; PEUTINGER, Briefwechsel (KÖNIG) 249ff
S.P. Praestantissime Ecki. Fuggerus (3) litteris
tuis (4) edoctus, volebat ut exemplum
brevis apostoli (5) scriberem,
dictavi quod potui, vides, reliquum quod in margine est,
Ilsungus ipse volebat et bene, quod adderem. Fuggerus hortatu
meo ut spero (6) Romam mittet, et ita
mittet, ne atrati isti homines
facile recognoscant, se non solum Imperatores vel Reges sed et
Tyyrannos esse, ea scilicet conhibentes quae animis nostris ad
felicitatem perpetuam conducant. Ludunt boni, ut ita dicam
veritatis oppressores, nescio qua alea, mercatores taxant, qui
contractu hoc tuo innocentissimi sunt, nec eodem usuram gerunt,
ut ille Cynicus dicebat: »Luxandas non esse habenas fraudibus
usurariorum« (7). Non sunt
usurarii mercatores, qui de centum
solvunt quinque (8), recipientes,
viduae, infantes, pupilli,
orphani (9) et qui ob divitias
sacerdotum multa deglutientium nec
redditus nec alia bona emere possunt, quibus etiam id, quod
habent, absque lucro in usus necessarios absumere improbatur;
fecit felicem Salvator noster eum, qui ex Talentis V alia
quinque et qui ex duobus alia duo lucro suo addidisset
(10).
Mercator, qui de centum solvit quinque, nescio quo iure et
usurarius et fraudulentus appellari possit. quid hoc est,
non velle vel etiam publice disputare (13),
quid vel quale in
contractu tuo (14) sit peccatum - res
pulchra, sed stupenda, tu iure
ais, non peccatum - hic latrat peccatum; res etiam inter vos
sacerdotes invidia agitur et odio. Torquemur nos a vobis laici,
inquirimus veritatem, nescio quo modo inquirendo eam vel
offendimus vel laedimus; sed si Episcopus non vult, ut
intelligam veritatem, accusabitur, credo, et condemnetur ab
eruditione Christiana, quae omnino veritatem ipsam fovet et
publicatam iri vult (15). Si Episcopus
curat, ut lateat, vae animae
suae et complicum; sed haec postea; Tu vale et bene sperare, iterum vale. Tuus Peutinger. |
Beste Grüße! Vortrefflicher Eck: Fugger, der durch Dein Schreiben eingeweiht war, wollte,
daß ich
ein Konzept für ein apostolisches Breve verfaßte. Ich habe
es
aufgesetzt, soweit ich es vermochte. Das, was Du als
Randbemerkung vorfinden wirst, wollte Ilsung selbst gern von mir
hinzugefügt haben. Fugger wird es auf meine Ermahnung hin, wie
ich hoffe, nach Rom senden und zwar so, daß die
heruntergekommenen Subjekte dort nicht sofort erkennen, daß sie
nicht nur Kaiser und Könige, sondern auch Tyrannen sind, die
wahrhaftig dem im Wege stehen, was unseren Seelen zur ewigen
Glückseligkeit zuträglich wäre. Diese guten Leute - ich
möchte
sie Unterdrücker der Wahrheit nennen - bedienen sich eines
unbekannten Würfelspiels, wonach sie die Kaufleute mit
Gebühren
belegen, die Eurem Kontraktentwurf zufolge gänzlich schuldlos
sind und ihm zufolge nicht Wucher betreiben, wie jener Kyniker
LUKIAN es ausdrückte: »Die Zügel dürfen sich
durch die
Betrügereien der Wucherer nicht verheddern«. Um
Wucherer handelt
es sich nicht bei Kaufleuten, die den Fünfprozent-Zins
einlösen
und zurückbehalten, sowie Witwen, Kindern, Säuglingen,
Waisen,
die wegen des Reichtums der Priester, die viele ausplündern,
weder Einkünfte haben noch andere Güter kaufen können
und bei
denen nicht geduldet wird, daß sie das, was sie haben, ohne
Profit für nützliche Zwecke verwenden. Unser Erlöser
nennt
denjenigen selig, der aus fünf Talenten weitere fünf und aus
zwei weitere zwei als seinen Gewinn hinzugefügt hat. Ich
weiß
nicht, mit welchem Recht ein Kaufmann, der fünf Prozent Zins
erhebt, Wucherer und Betrüger genannt werden kann. Was nun die Ablehnung auch der öffentlichen Disputation darüber betrifft, an welchen Stellen in Eurem Kontrakt es sich genau um Sünde handelt: eine feine, aber verblüffende Angelegenheit, wie Du mit Recht sagst, aber keine Sünde. Dieser [der Bischof von Eichstätt] ruft, es sei Sünde; die Sache wird aber auch von Euch Priestern mit Neid und Haß behandelt. Wir Laien werden von Euch gequält; wir suchen die Wahrheit. Da wir nicht wissen, wie wir sie suchen sollen, stoßen wir auf sie oder wir verletzen sie. Wenn aber der Bischof nicht will, daß ich die Wahrheit erkenne, wird er, so glaube ich, von der christlichen Weisheit angeklagt und verurteilt, die die Wahrheit überhaupt postuliert und will, daß sie offenbar wird. Wenn der Bischof veranlaßt, daß sie verborgen bleibt: wehe seiner Seele und der seiner Komplizen! Darüber aber später! Ich wollte gern, daß das, was Fugger nach Rom schreibt, von Dir geheimgehalten bleibt, damit nicht jemand in Rom gegen Dich konspiriert; ich hoffe, daß Dir aus diesem Konflikt unsterbliches Lob erwächst. Mache daher so weiter: zuerst das Konzept des apostolischen Breve, wie es Fugger verlangte; als zweites, was ich hinzugefügt habe, da es unserem Ilsung und auch mir nötig erschien; das übrige, das Deine Fürsten betrifft, wirst Du von Ilsung erfahren. Sende mir bitte diese meine Possen zurück, die ich allzu eigensinnig und von Niedergeschlagenheit befallen (die ich bei der Abfassung des Entwurfs noch nicht hatte) geschrieben habe, zumal nachts. Du lebe wohl und sei guter Hoffnung! Noch einmal: Lebe
wohl! Dein Peutinger. |
1. KONRAD PEUTINGER (15-10-1465 Augsburg - 28-12-1547 ebd.), Humanist und Politiker, politisch für Augsburg und in Handelssachen besonders für die Fugger tätig, interessiert in historisch-antiquarischen Fragen, hatte Ecks Berufung an die Universität Ingolstadt unterstützt (vgl. Brief 1514: das Empfehlungsschreiben gilt als verloren, ebenso ein vorangegangenes Schreiben, auf das P. Bezug nimmt), stand mit ihm in geographisch-historischen Fragen in Kontakt (vgl. Brief 10-10-1514), arbeitete mit ihm in der Zinsfrage zusammen, verfaßte dann im Herbst 1517 neben Eck ein Gutachten für Kaiser Maximilian zu "einigen Geheimnissen des Glaubens" (JOACHIMSEN, Peutingeriana 271). Später kühlte das Verhältnis auf dem Hintergrund der Causa Lutheri ab, und auch im Streit zwischen Eck und Zasius trat P. an die Seite des Zasius.: vgl. Brief Peutinger an Zasius 08-05-1519 (PEUTINGER, Briefwechsel [KÖNIG] 309ff). Zu Person und Wirken s. H. SMOLINSKY: LThK 8 (3.A.), 154; H. LUTZ, P. Beitr. zu einer polit. Biographie. Augsburg 1958; B. TRAUTNER, Willibald Pirckheimer u. C.P.: Pirckheimer Jb. 5 (1989/90) 109-139.
2. SEBASTIAN ILSUNG, Augsburger Kanonikus, Mitglied der Sodalitas Augustana, Richter des Schwäbischen Bundes und politischer Berater der bayerischen Herzöge: vgl. LUTZ, Peutinger 109 und SCHLECHT, Anfänge 27 (Lit.). Eck kannte I. spätestens seit dem Besuch der ersten Visitationskommission zur Universitätsreform 1512, der dieser angehört hatte: vgl. SEIFERT, Statuten 88. Ilsung hatte in seiner >Consultatio< (1513?) ebenso den 5-Prozent vertreten: Vgl. ECK, Großer Zinstraktat fol 101v: » ...ita eleganter et laconice dixit d. Sebastianus Ilsung in consilio suo 'Incipiente'...«. Dieses Gutachten zusammen mit ECK, Consilium ist in der Augsburger StB cod 391 aufbewahrt, wo Peutinger zudem die Gutachten von dem Nürnberger Anton Kreß (1513) gegen den 5-Prozent-Zins und Johannes de Monteferrato (1516) für den 5-Prozent-Zins gesammelt hatte. Vgl. SCHLECHT, Anfänge 26ff; ASSEL, Zinsverbot 72f. Zum weiteren Verhältnis Eck-Ilsung s. Brief 19-02-1516.
3. JAKOB FUGGER (1459-1515) aus dem berühmten Augsburgischen Handelsgeschlecht, tätig in Darlehensgeschäften mit fast allen geistlichen einschließlich der römischen Kurie und weltlichen Größen, ebenso mit der Betreuung von Ablaßgeldern. Über Eck versuchte er die theoretische Begründung eines in der Praxis längst üblichen 5-Prozent-Zinssatzes, zunächst bei bestimmtenn Darlehensgeschäften (contractus trinus: vgl. Brief 28-02-1515) zu erreichen. Nach ersten Kontakten 1514 hatte Eck am 11-09-1514 für Jakob Fugger ein Gutachten für den 5-Prozent-Zins bezogen auf den contractus trinus verfaßt: ECK, Consilium: Autograph Ecks in Freiburg UB Hs. 610, fol 1r-28r; Abschrift in Augsburg StB cod 391 fol 1r-46r. Die Identität Ecks mit einem gleichnamigen Ablaßhändler der Fugger 1513/14 hält GREVING, Pfarrbuch 185 u.a. für nicht gegeben; anders SCHULTE, Fugger 1, 158. Wohl im Januar 1514 fand eine Zinsdisputation de licitis usurandis mit Stephan von Brescia und Zenesius bei den mit den Fuggern verbundenen Karmelitern in Augsburg statt: vgl. SCHOTT, Carmeliterkloster 205; DUGGAN, Meckau 27 u. PANTALEON 111: >invitatus a Carmelitis Augustae cum Sinesio Italo multorum cum admiratione largissime disputavit. Ibi tum potissimumm Fuggeris innotuit, semperque in posterum eos benignos et liberales hospites est expertus.< Es folgte die Protektion der Disputation in Bologna 1515, ersichtlich schon an der Reiseroute mit Umweg über Augsburg und dem Reisebegleiter Ecks, dem Fuggerfaktor Hieronymus Iphofer: vgl. PÖLNITZ, Kapital 695. Vor dem 17-04-1516 (vgl. Brief 17-04-1516) übergibt Eck Jakob Fugger ein Exemplar seiner >Orationes tres< mit eigenem Widmungsvermerk: es handelt sich um das Exemplar in der Fürstl. Fuggerschen Schloßbibliothek Babenhausen/Schwaben: vgl. PÖLNITZ, Kaufleute 203. Ecks Präsentation für Kanonikat und Pfarrstelle an St. Moritz durch die Fugger am 29-01.1518 erledigte sich bereits im August 1518, da Eck die Stelle nicht persönlich antreten wollte und konnte: vgl. KIESLING, Gesellschaft 304; PÖLNITZ, Kapital 701. Eck widmete Fugger am 12-04-1518 die von dem Kaufherrn in Auftrag gegebene Schrift ECK, Tractat (Druck) bzw. ECK, Sarmatien (Hs.): vgl. Brief 12-04-1518. Zu einem Empfehlungsbrief für die Leipziger Disputation vgl. PÖLNITZ, Kapital 702; SEIDEMANN, Leipzig 39. Später spielt das Fuggersche Kontor in Rom eine Rolle beim Geldtransfer der Herzöge für Eck: Brief 19-10-1523 und in Venedig bei der Übermittlung von Büchern: Fugger besorgte für die Abfassung von ECK, Dialectica NIFOS Übersetzung des Aristoteles: vgl. ECK, De generatione fol 58v und SCHMITT, Aristotle 165. Vgl. die Briefe an Hieronymus Aleander vom September 1534 bzw. 10-03-1535 (Rückgabe entliehener Bücher). Zu weiteren Kontakten Ecks zu den Fuggern vgl. ECK, Meteorum fol 96v u. 109v. Die Überbetonung der Rolle der Gunst der Fugger für den frühen Eck durch ROWAN, Faith 85ff ist verfehlt: vgl. die Briefe 28-02-1515 u. 19-03-1517.
4. Verloren. Generell zum Briefverkehr Ecks mit den Fuggern Brief 13-08-1514.
5. Dieser Brevenentwurf ist abgedruckt bei OEFELE; Briefe 450ff; vgl. auch LUTZ, Peutinger 107 bes. Anm. 70.
6. Hier wird offensichtlich, daß das Verhältnis Jakob Fugger-Eck noch keineswegs eindeutig ist: vgl. LUTZ, Peutinger 107 Anm.70.
7. LUKIAN; Ecks Definition von Wucher (usura) bewegt sich ganz in traditionellen Vorstellungen, wenn er mit BIEL usura als >lucrum principaliter ex mutuo intentum< bezeichnet: ECK, De Contractibus fol 269v-272r; vgl. SCHNEID, Zinsverbot 322f.
8. Während Eck den 5-Prozent-Zins nur für den contractus trinus (vgl. Brief 28-02-1515) erlaubt wissen wollte, votierte Peutinger generell für eine Perspektive des 5-Prozent-Zinses bei Darlehensverträgen aller Art und damit für den gewinnbringenden Charakter des Geldes: vgl. BAUER, Gutachten 189f.
9. Vgl. Dtn 14, 29; Ex 22, 22-26; beides auch Belegstellen vom Zins.
10. Vgl. Mt 25, 20-23.
11. Ecks Äußerungen gegen die Pfründenhäufung in ECK, Schiff fol XXIIv: >In dem geistlichen stand geschicht es auch da samlet einer das kat [=bös, schlimm] zusammen durch vil pfründen, das er damit mög bischoff werden, spant allenthalb das netz uß, in allen stifften ist er thumher...<
12. Zu Ecks Kritik an theologisch ungebildeten Kanonikern vgl. Brief 18-04-1514.
13. Zum Verbot des Eichstätter Bischofs und Kanzlers der Universität Ingolstadt, die Zinsmaterie an der Universität im Oktober 1514 im Rahmen einer Disputation zu behandeln, vgl. Briefe 10-10.1514, 18-02-1515 und Brief Ende 1515.
14. Gemeint ist der contractus trinus (vgl. Brief 28-02-1515), Peutinger aus ECK, Consilium bekannt.
15. In dem Entwurf zu dem Breve hatte Peutinger zusätzlich ein rechtlich schwerwiegendes Argument mit dem Verweis auf die Universitätsstatuten und Ecks Doktorprivilegien gebracht: OEFELE, Briefe 451: >...ut, non obstante cuiuscunque impedimento, iuxta tenorem vestrae universitatis et eciam doctoralium privilegiorum...< Schon hier, und nicht erst in den Tübinger Dokumenten (OBERMAN, Werden 189) wird damit grundsätzlich das Recht der Doktoren der Theologie auf freigewählte Disputation thematisiert: vgl. auch Brief 18-02-1515 u. 03-04-1517.
16. Ob der Brevenentwurf nach Rom gelangt ist und dort eine Reaktion erfolgte, ist unbekannt: OEFELE, Briefe 446: >Das Vorhaben mit den Breven scheint unterblieben zu sein.<
17. Tatsächlich handelt es sich hier um die Vorlage für ein Breve. Jakob Fugger hatte die Arbeit an dem Entwurf an Peutinger übertragen, die Zusätze Ilsungs sind in Marginalien gesetzt: vgl. LUTZ, Peutinger 107 Anm. 70. Der Plan, neben der Aufhebung des Disputationsverbotes in Ingolstadt, ein zweites Breve mit grundsätzlicher Erlaubnis einer Behandlung der Zinsfrage zu erwirken, wurde wohl von Peutinger schon im Konzept fallengelassen, die entsprechende Passage ist gestrichen: OEFELE, Briefe 452.
18. Neben der Initiative aus Rom sollte der Eichstätter Bischof durch die bayerischen Herzöge unter Druck gesetzt werden. Am 05-02-1515 sandte Wilhelm von Bayern seine Räte Leonhard von Eck, Jörg von Au und Anselm Göttinger mit fünf Beschwerden nach Eichstätt. Der letzte Punkt betraf Ecks Disputation. Gabriel von Eyb antwortete am 09-03-1515: er habe den Herzögen Ludwig und Wilhelm nach Beratung mit seinen Oberen, dem Domkapitel und den Gelehrten aus seiner Umgebung schriftlich geantwortet, dabei bleibe er: SAX, Eichstätt 229ff.