Briefwechsel Eck - Übersicht Reformationsgeschichte
Nr. 19

Eck an die Theol. Fakultät Tübingen

Ingolstadt
10-02-1515


Tübingen UA 12/14 Nr 16 (Autograph)
OBERMAN, Werden 426f
Vgl. WURM, Zinsstreit 155

Eck hat erfahren, daß die Tübinger Fakultät ihr Endurteil über einen Vorläufer seines späteren Großen Zinstraktats vorbereitet und ermahnt sie zu einem eindeutigen Urteil. Eck hat auch die Kölner Fakultät um ein Gutachten gebeten. Der Eichstätter Bischof hat sowohl den Disputationszettel wie auch eine geplante Disputation über den Zins unter Berufung auf das Urteil der Mainzer Fakultät, das B. Gabriel und seine Räte leider mißverstanden haben, verboten. Seine eigene Anfrage in Mainz hat ergeben, daß weder an seinen Thesen noch an der Disputationsabsicht Ecks etwas gegen göttliches Recht verstößt. Eine Kopie dieses Gutachtens liegt bei seinem Rottenburger Onkel und kann von diesem angefordert werden. Der in Augsburg gewährte Zins ist weder Sünde noch Wucher. Eck hat inzwischen eine ausführliche Rechtfertigungsschrift konzipiert, sie aber aus Zeitmangel noch nicht ins Reine schreiben können. Diese enthält 105 Argumente, die gegen die Sündhaftigkeit des »Contractus Augustanus« sprechen.



In Domino IESU bene agere.

Scriptum est ad me, Colendissimi patres, hoc die datarum litterarum, quomodo sckemma (1) nostrum super Augustano contractu (2) quinque de centum, cum rudi faetura (3) nostra argumentorum in partem affirmativam (4), vestro absolutissimo sit oblatum iudicio.

Quod si ita est, hortor vos patres et fratres in Christo, ut eam velitis in negotio navare operam, quo Deo laudem, animabus salutem et vobis honorem pariatis immortalem. Nam et meis praeceptoribus almi studii Coloniensis (5) haec eadem misi (6), qui doctores ad revidendum commiserunt et sacra facultas theologica omne auxilium est pollicita: fuit autem mihi magna controversia cum Episcopo Eistettensi ratione disputationis desuper publicatae et ab eo inhibita qui se retulit ad consilium facultatis Moguntinae (7), ab episcopo et suis consiliariis non bene intellectum. Unde coactus fui mittere ad facultatem Moguntinam, quae pro temporis angustia docte ut mihi videtur rescripsit, meum consilium nihil continere iuri divino vel humano contrarium et disputationem esse perficiendam.

Copiam harum litterarum reperietis apud patruum meum Rottenburgi (8) plebanum (9), qui vobis eam petentibus non dubito morem geret. Consiliumm tamen dant de abstinendo a contractu, sed hoc ultimum non satisfacit dubioso animo (10). Non enim queritur an iste contractus sit consulendus vel non, sed an isti contrahentes de facto Augustae illo contractu peccent nec ne et an tales sint reputandi usurarii vel non.

Quare, si petentibus vultis satisfacere absolute, erit respondendum de contractu proposito; habeo adhuc sesquicentena argumenta in partem negativam (11), occupationibus obrutus nondum ad mundum rescripsi, alias quam libenter vobis communicarem. Namm paternitatibus vestris libenter, in quibuscumque possem, gratificarer, uti etiam spero de dominationibus vestris quod in necessariis michi non deessent.

Valeant excellentiae vestrae observandi praeceptores. Et Eckium vestrum commendatum habete.
Ex Auripoli VIII. die Februarii (12) Anno huius saeculi XV.

E.P. discipulus et frater, d. Eckius Auripolensis
Procancellarius et Canonicus Eistettensis.

Addidi copia literarum Moguntinarum (13) quamvis satis mendosam, sed nunc non erat mihi alia, occupationibus involuto.

[In dorso:] Venerabilibus et egregijs dominis, Decano et toti facultati Theologicae studii Tubingensis, preceptoribus et fratribus suis Colendissimis.

Im Herrn Jesus Gutes tun!

Es erging an mich, verehrte Väter, dieses Schreiben unter dem Datum der Briefe, um so unser Schema über den Augsburger Kontrakt zum Fünf-Prozent-Zins, unseren Rohentwurf der Argumente auf dem Weg zu positiven Thesen, Eurem Endurteil zu unterwerfen.

Da die Dinge so stehen, ermahne ich Euch, meine Väter und Brüder in Christus, Ihr wollet bei dieser Aufgabe Hilfe leisten, um dadurch bei Gott Lob, das Heil für die Seelen und für Euch unsterbliche Ehre zu erlangen. Ich habe nämlich das Gleiche auch meinen verehrten Lehrern an der Kölner Hochschule geschickt, die zur Durchsicht Doktoren bestellten; die Heilige Theologische Fakultät hat mir jede Hilfe zugesagt. Es gab nämlich zwischen mir und dem Bischof von Eichstätt eine große Kontroverse um die oben genannte Disputation; sie wurde von ihm verboten unter Berufung auf den Ratschlag der Mainzer Fakultät, der vom Bischof und seinen Räten nicht recht verstanden wurde. Daher war ich gezwungen, an die Mainzer Fakultät zu schreiben, die in Anbetracht der Kürze der Zeit wie mir scheint wohlbegründet geantwortet hat, daß mein Ratschlag nichts enthalte, was göttlichem oder menschlichem Recht engegen wäre; die Disputation dürfe somit stattfinden.

Eine Abschrift dieses Schreibens findet Ihr bei meinem Onkel, dem Rottenburger Pfarrer Martin Maier, der Euch, wenn Ihr darum ersucht, gern widerfahren wird, woran ich nicht zweifle. Sie geben dennoch den Rat, von dem Kontrakt Abstand zu nehmen, doch für einen zweifelnden Geist ist das keine endgültige Entscheidung. Es wird nämlich nicht untersucht, ob jener Kontrakt in Anspruch genommen werden darf oder nicht, sondern ob jene Kontraktpartner, die in Augsburg den Kontrakt geschlossen haben, nun sündigen oder nicht, und ob man sie als Wucherer ansehen soll oder nicht.

Wenn Ihr daher dem Wunsch der Fragesteller voll entsprechen wollt, wird zum vorgelegten Kontrakt Stellung zu nehmen sein: ich habe bis jetzt sechshundert Argumente für seine Ablehnung, diese jedoch aus Zeitmangel noch nicht ins Reine geschrieben; andererseits würde ich gern mit Euch in Verbindung treten. Gern würde ich Euren Paternitäten nach Kräften danken, wie ich auch von Euren Herrschaften hoffe, daß sie mich in dieser Notlage nicht im Stich lassen.

Lebt wohl, des Gehorsams würdige Lehrer! Und laßt Euch Euren Eck anempfohlen sein!

Aus Ingolstadt, 8. Februar 1515.

Eurer Paternitäten Schüler und Bruder Dr. Eck,
Prokanzler in Ingolstadt und Domherr von Eichstätt.

Ich habe eine Abschrift des Mainzer Gutachtens beigefügt, das einige Mängel hat, jedoch habe ich momentan aus Zeitmangel kein anderes Exemplar zur Hand.


1. OBERMAN, Werden 185 bezieht >sckemma< fälschlich auf die Ingolstädter Disputationsthesen zur Zinsfrage, Eck indes nennt separate Disputationsthesen >scheda< (z.B. Brief 09-1516). >Schema< gebraucht er in ECK, Großer Zinstraktat fol 238r für die Schrift als Ganze: »Regestum Continuum eorum quae in hoc skemmate continentur,... Proloquium introductorium skemmatis, in quo ponitur quid moverit Eckium ad scribendum«; cgl. auch op. cit. fol 229v sowie für den ersten überlieferten Teil des Großen Zinstraktats op. cit. fol 128v: »Et ex hijs omnibus sufficienter arbitror sotensum istum contractum Ticij in skemmate descriptum esse aequum et licitum...«; weitere Belegstellen sind ECK, Physica fol 19r mit Verweis auf das >scemma quinque pro centum<, ähnlich ECK, Summula fol 42r. Nun kann sich der Ausdruck hier nicht auf den zeitlich späteren Großen Zinstraktat beziehen, sondern muß einen Vorgänger etwa in Form von ECK, Quod ille contractu zum Großen Zinstraktat meinen, incorporiert jenem >libellus scholasticus<, welcher auch den Mainzern vorlag: vgl. OBERMAN, Werden 428. Er ist in der dort aufgeführten Form nicht überliefert.

2. Eck bezeichnet den Vertrag aus objektivem und subjektivem Grund als augsburgisch: Objektiv, weil der contractus trinus mit 5-Prozent-Zins dort in seinen Augen erfolgreich praktiziert wurde: ECK, Großer Zinstraktat fol 128r: >Nullus enim doctorum quod meminerim, improbat contractum Ticij talibus circumstantijs vallatum et limitatum, sicut nos eum proposuimus, et solet celebrari in civitate Augustana...<; subjektiv, weil die Fugger in Augsburg Eck um ein Gutachten ersucht hatten: ECK, Consilium (A) fol 2v: >Oblatus est mihi in praesentia casus a conpluribus viris reputatus difficilis, in quo at aliqui non paenitendae eruditionis viri hac nostra tempestate adversa et pugnantia scripsere. Rogatus ego, ut et meum tenue iudicium post tantos heroes, divini ac humani iuris Antistes conferrem...<; vgl. PANTALEON 111: >questionem a Fuggero oblatam<.

3. OBERMAN, Werden 184 bezieht >faetura< auf ECK, De contractibus, was nicht zu halten ist. Erstens spielte die nicht in Reinschrift überlieferte Skotus-Vorlesungsnachschrift ECK, De contractibus keine öffentliche Rolle (mehr), zudem entstammen die vermeintlich daraus von OBERMAN (über METZLER) zitierten >schmeichelnden Bemerkungen< nicht wie angegeben aus ECK, De contractibus, sondern aus ECK, Großer Zinstraktat fol 119r. Das >cum< ist wohl nicht additiv, sondern inklusiv zu verstehen: hier ist kein neues Werk gemeint, sondern immer noch das von den Tübingern so bezeichnete scholastische Libell. Vgl. auch Brief 19-02-1516.

4. OBERMAN, Werden 184 bezieht die >pars affirmativa< (wahrscheinlich in Anlehnung an PÖLNITZ, Kapital 693; DANIEL u.a., Handschriften 200; Inhaltsangabe bei SCHLECHT, Zinsverbot 473ff) auf die 1. Centurie von ECK, Großer Zinstraktat, was nur annähernd zutreffend ist, da die >pars affirmativa< nur den kleineren Teil in der 1. Centurie, aber den Hauptteil in der 2. Centurie hat. Das von Eck bezeichnete >kunstlose Erzeugnis der Argumente für den bejahenden Teil< bezieht sich also auf eine Vorform des 1. Teils des Großen Zinstraktates: vgl. ECK, Großer Zinstraktat fol 95r: >prima pars Articuli quarti rationes inducit contractum licitum affirmantes quinque de centum. Pro parte affirmativa...<; vgl. auch Ecks Register op. cit. fol 233v: >Articuli quarti prima pars rationes habet affirmativas duodecim principales et LXIIIJ partiales<. Einen direkten Vorläufer finden wir in ECK, Quod ille contractus (vgl. DANIEL u.a., Universitätsbibliothek 200), der in Aufbau, Sprache und Gedankengang ECK, Großer Zinstraktat fol 95r-128v entspricht bzw. ähnelt. Der >Libellus scholasicus< der Mainzer, den in ähnlicher Form auch andere Universitäten bekommen haben, enthielt so neben einem Brief, den Ingolstädter Thesen zum Zins, wohl einen Traktat, der hauptsächlich aus einer Liste mit positiven Argumenten wie in ECK, Großer Zinstraktat und ECK, Quod ille contractus bestand.

5. Zu Ecks Studium in Köln s. Brief 03-05-1506.

6. Nicht erhalten. Zur Bestellung von Gutachtern ohne Fassung eines Endgutachtens s. G:R:TEWES, Kölner Bursen. Auch andere Universitäten erhielten Ecks Anfrage: vgl. PANTALEON 111: >...suoque consilio et conclusionibus a se scriptis ornata, anno 1514 ad Academias Coloniensem, Moguntinam, Haidelbergensem, Tubingensem, necnon ad exteras quoque ut Parisiensem et Bononiensem transmisit, cuius negotij a plerisque Academijs et aliquando a privatis quoque Theologis et Iureconsultis sibi consentiens habuit responsum.< Eine solche Liste auch in ECK, Großer Zinstraktat fol 229v: >Examinet haec nostra meditata, doctaParrhisiorum schola, totius Christiani Imperij Athen (Brief 18-03-1517). Revideat haec erudita Bononia studiorum mater (Brief 01-05-1515). Ad trutinam revocent celebres Germaniae nostrae Academiae, in quibus bonarum litterarum stipendia merui, Coloniensis, Heidelbergensis, Friburgensis, Tibingensis et Ingoldstattensis (Brief 28-02-1515). Addo his Moguntinarum Gymnasium, quod studium meum non adeo improbat. Iudicet super omnia sancta sedes Apostolica, et ea sedens Leo X. Pont. Max. ad quem pertinet dubia de novo emergentia decidere.<

7. S. o. Brief 10-01-1515.

8. Zu Ecks Onkel Martin Maier vgl. Brief 23-10-1513.

9. Vgl. zur Stellung des "Leutpriesters" in der kirchlichen Hierarchie ECK, De primatu Petri fol 35v: >1. Papa; 2. Patriarcha; 3. Primas; 4. Archiepiscopus; 5. Episcopus; 6. Archipraesbyter; 7. Plebanus; 8. Adiutor.<

10. Ecks Anliegen, eine unsichere Rechtslage zu klären, wird auch im Kopf der Disputationszettel von Ingolstadt und Bologna deutlich: >...ut veritas (quam ita diligenter inquirimus) aliquando in praesenti casu inveniatur<;  vgl. Brief 10-10-1514.

11. Dies bezieht sich auf Vorarbeiten zu ECK, Großer Zinstraktat fol 129ff, im Register als >secunda pars articuli quarti habet sex ordines in negativam continens centum et quinque rationes partiales< bezeichnet (op. cit. fol 235v). D.h., Eck konnte in der Reinschrift, beendet am 09-03-1515, die Anzahl der Argumente noch vergrößern. Zum Inhalt vgl. SCHNEID, Zinsverbot 482ff und Zasius' Kenntnis dieser Argumente in Brief 28-02-1515.

12. Am 18-04-1515 bat der württembergische Kanzler Dr. Georg Lamparter, Schwiegersohn Jakob Fuggers (vgl. OBERMAN, Werden 181-184), die Universität Tübingen um Unterstützung und Subscription des Gutachtens Ecks (ediert in OBERMAN, Werden 430), ohne die Beziehung Ecks zu Jakob Fugger hintanzustellen: >Dominus Jacobus Fugger...consuluit in eadem materia Dominum Doctorem Eckium...cuius consilium vos vidistis.<

13. S.o. Brief 10-01-1515.