Briefwechsel Eck - Übersicht Reformationsgeschichte
Nr. 24

Nikolaus Ellenbog an Eck

Ottobeuren
22-10-1515:



Stuttgart LB cod hist 4 Nr 99, fol 207r-208r(Autograph)
Briefmappe 1, 150f; BIGLMAIR-ZOEPFL (Hg.), Ellenbog. Briefwechsel: CCath 19/21 (Münster 1938), 136f Nr 93

Simpert, der Bruder des Ottobeurener Abtes Leonhard Wiedemann, hat unlängst nach seiner Rückkehr von einer Hochzeit in Ingolstadt berichtet, daß sich Eck bei ihm beschwert habe, von Ellenbog keinen Brief erhalten zu haben. Dieser entschuldigt sich, daß er geglaubt habe, die Hochzeit fände in Dillingen statt. Er legt im übrigen Wert auf Briefkontakt mit Eck; er erinnert ihn daran, daß er bei seinem jüngsten Besuch in Ottobeuren auf der Rückreise von Bologna dem Abt und ihm eine Abhandlung über die neu entdeckten Inseln und das Heilsschicksal ihrer Bewohner versprochen habe. Ellenbog verweist in diesem Zusammenhang auf ein Textzitat aus den Briefen des Faber Stapulensis.


Frater Nicolaus Ellenbog (1) Ioanni Eckio theologo S.

Reversus Simpertus (2) de nupcijs Pelagij Propst (3), quae istic (4) sunt celebratae, indigne te tulisse refert, quod nullas a nobis acceperis literas, perinde contemptui te habeamus omnes. Ego sane ut pro me respondeam, nuptias non Aureopolis (5), sed in Tillingen (6) celebrandas putavi. Eapropter excusatum me hac in re esse velim.

Certo certius enim tibi persuadeas velim, quia, si sensero literas meas tibis non omnino displicere, posthac crebras (7) dignationi tuae, virorum doctissime, mittam.

Caeterum tu hinc abiens (8) abbae (9) meo et mihi promiseras te nobis missurum sintagma tuum (10) de insulis novissime his temporibus inventis (11),an inter salvandos aut reprobandos iudicandi (12) sint et an fides sit eis christiana annunciata (13). Sed huius quaestionis enodacionem, et tuam desuper acuratam (quid enim non emunctum et elaboratum a te exit?) decisionem necdum accepimus.

Legi ego apud Iacobum Fabri Stapulensem, quia sint idolatrae, quod, si verum est, extra omnem controversiam cum idolis suis perpetuis reservantur cruciatibus. Quid (inquit Stapulensis) Calecutianis cananoritis, Taprobanitis et id genus idolatris Indis bestialius? (14) Deum coeli nullo honore prosequendum putant, omnem venerationis cultum maligno tribuunt atque deberi credunt, et nomine maligni celebrant deformi statuae multicorni prominentibus dentalium more dentibus, longis instar rapacis gryphis unguibus horrendae, cuius pabulum finguntur animae, quarum quasdam dentibus atterit, quasdam unguibus rapit. Huic, inquam, statuae genua curvant, thura adolent, sanguinem litant (15). Ad publicum commutationis usum tali horrenda effigie aera signant. Talibus circumsepto funere monstris parentant, et multo (16) maiorem addunt stulto populo laetitiam augentque funeralem pompam, quasi sit eis summa voluptas, quod abiens anima multos tales sit habitura comites, talibus angelis ducibus se beatos putant.

Thorum nesciunt, nisi prius (id quidem et poscentibus et volentibus) stupratum. Moriones (17), id est stultos, et omni aevo rationis impotes sanctorum veneratione prosequuntur. Bestiae proculdubio sunt
(18).

Vale bene. 22. Octobris 1515

Bruder Nikolaus Ellenbog grüßt den Theologen Johannes Eck.

SIMPERTUS hat nach seiner Rückkehr von der Hochzeit des PELAGIUS PROPST, die in Ingolstadt gefeiert wurde, berichtet, Du habest es mit Unwillen aufgenommen, von uns keinen Einladungsbrief erhalten zu haben, so als schätzten wir Dich alle gering. Um für mich selbst zu antworten: ich habe geglaubt, die Hochzeit finde nicht in Ingolstadt, sondern in Dillingen statt. Halte mich daher in dieser Sache für entschuldigt.

Du sollst gewiß und überzeugt sein: sollte ich merken, daß Dir meine Briefe nicht gänzlich mißfallen, werde ich von nun an Deiner Würdigkeit und Gelehrsamkeit häufig Briefe senden!

Weiterhin: Du hattest bei Deiner Abreise von hier meinem Abt und mir versprochen, uns Deine Auflistung der jüngst neu entdeckten Inseln zu senden und darlegen, ob ihre Bewohner zu den Erlösten oder den Verworfenen zu rechnen seien und ob ihnen der christliche Glaube verkündet worden sei. Doch haben wir die Entwirrung dieses Problems und Deine sorgfältige Entscheidung darüber (was nämlich arbeitest Du nicht fein aus?) noch nicht erhalten.

Ich selbst habe bei JAKOB FABER STAPULENSIS gelesen, daß sie als Götzenanbeter - falls das wahr ist - unbestreitbar zusammen mit ihren Götzenbildern ewigen Qualen entgegengehen. »Was (so Stapulensis) ist bestialischer als die heidnischen Riten der Bewohner von Calicut und von Ceylon und andere derartige indische Götzenkulte? Dem Gott des Himmels meinen sie ohne Ehrerbietung zu gehorchen; allen Anbetungskult widmen sie dem Bösen und glauben, dazu verpflichtet zu sein, und im Namen des Bösen feiern sie bei einer unförmigen, mehreckigen Statue, aus der wie Zähne Spitzen herausragen, gleich wie die Klauen eines schreckenerregenden Greifvogels, dessen Futter die Seelen darstellen, von denen er einige mit den Zähnen zerreißt, einige mit den Krallen greift. Vor diesem Bildnis, so betone ich, beugen sie die Knie, verbrennen Weihrauch und bringen Blutopfer dar. Für den Gebrauch durch die Gläubigen stellen sie davon schreckliche Abbilder aus Bronze her. Mit solchen Monstern umgeben sie auch ihre Totenfeiern, und sie bereiten dem einfältigen Volk noch größere Freude, daß die scheidende Seele viele solcher Begleiter ins Jenseits hat; sie fühlen sich glücklich, solche Geleitengel zu besitzen.

Eine Eheschließung kennen sie nicht, wenn nicht vorher Unzucht getrieben wurde (sie wollen das und tun es freiwillig). Geistesgestörte und alle, die des Vernunftgebrauchs nicht mächtig sind, verehren sie wie Heilige. Es sind zweifelsfrei Bestien.«

Leb wohl! 22. Oktober 1515.


1. NIKOLAUS ELLENBOG OSB (CUBITENSIS, CUBITUS; 18-03-1481 Biberach - 06-06-1543 Ottobeuren), nach Studien in Heidelberg, Krakau und Montpellier (ZOEPFL, Ottobeuren 234f)seit 1504 im Kloster Ottobeuren, 1506 ebd. Priester. Er war humanistisch gebildet und hatte vielfältige Interessen (Astronomie, Astrologie, Medizin, Mathematik). Im Kloster hatte er wichtige Ämter inne (Prior, Ökonom, Novizenmeister, Bibliothekar). Zur Person vgl. H. SMOLINSKY, Ellenbog: LThK 3 (3. A.), 606f; NDB 4, 454; DSp 4, 597ff; DHGE 15, 236f; Contemporaries of Erasmus 1, 428; A. KOLB (Hg.), Ottobeuren. Kelheim 1986, 88-91. Obwohl Ellenbog und Eck zur gleichen Zeit in Heidelberg studierten (Ellenbog wurde dort am 12-07-1497 immatrikuliert), ist eine so frühe Bekanntschaft unwahrscheinlich. Eck hebt Ellenbog im Brief 24-10-1516 als >in bonis literis famatus et eruditus< hervor.

2. Wohl der Bruder des Ottobeurener Abtes Leonhard Wiedemann Simpert, 1513-1519 Pfarrer der Marktpfarrei Ottobeuren; vgl. CCath 19/21 (Münster 1938), 136 Anm. 3.

3. Zu PELAGIUS PROPST vgl. CCath 19/21, 101 Anm. 1.

4. In Ingolstadt.

5. Auripolis: Ingolstadt.

6. Dillingen a.d. Donau.

7. Der Briefwechsel Ellenbog-Eck, der bis zum 08-10-1542 siebenunddreißig überlieferte Briefe zählt, ist der umfangreichste im gesamten Briefwechsel Ecks. Ellenbog erwies sich als Freund der humanistischen Epistolographie: so verbat er sich von dem Memminger Schulmeister Paulus Hepp 1523 deutsche Briefe und empfahl den Novizen das Üben im Briefeschreiben: vgl. ZOEPFL, Ottobeuren 246.

8. Eck hatte nach dem 14-08-1514 auf der Rückreise von Bologna in Ottobeuren Station gemacht: vgl. ECK, Orationes tres fol [D4rv]: >...in Sueviam venimus ad patriam et patrem XIIIJ die Augusti. Ubi ad patriam ventum est, die sequenti (quae dive virginis assumptione celebris erat) concionem popello feci. Ottenburensem dein abbatem venerandum Leonhardum adiens ad fratres duos feci iussu eius sermones, optione materiae data. Illinc discedens Chartusiam petij in Buchsheim...<

9. Zu Abt LEONHARD WIEDEMANN vgl. Brief 03-06-1506, dort auch die Hintergründe von Ecks Beziehung zu Ottobeuren.

10. Im Brief 17-04-1516 teilte Eck Ellenbog mit, aufgrund seiner Arbeitsbelastung habe er seine Meinung noch nicht niederschreiben können, was wohl auch später nicht geschah: vgl. Brief 11-02-1518. Es finden sich jedoch in der Frühzeit verschiedene kleinere Stücke zu diesem Thema (s.u.Anm.11). Spuren für Ecks kosmographisches Interesse finden sich noch 1519/20: ECK, Primatu Petri fol 106v: >Dein ad rationem Cosmographicam videbantur mihi quaedam nomina civitatum restituenda, quare fideliter transcripsi, sicut in codice reperi, nihil immutans<. (Zur Unterschriftenliste des Konzils von Chalcedon). Vgl. ECK, Postilla. Der erste Theil. Die erste Predigt am vierdten Sontag in der Fasten fol 228 (zur biblischen Geographie des Sees Genezareth) und ECK, Postilla. Erste Theyl Fest. Am Fest der heyligen drey König fol 118: >Diß ist der große stoltz Cosmographus (sc. Luther), der weist wie weit von jedem ort zu dem andern sey: Saba ligt serr unden am Roten Meer, ist wol 15 grad von Jerusalem...und dieser new Postierer fert auff einem Bock in vier tagen auß dem Morenlandt und Saba biß gen Jerusalem.<

11. Hier ist wohl weniger an die aktuellen Entdeckungen der Portugiesen gedacht (Briefmappe 1, 150 Anm. 4; CCath 19/21, Münster 1938, 137 Anm. 1), sondern an die Gesamtheit der jüngeren Entdeckungen der Spanier und Portugiesen. Ecks Quellen sind Aeneas Sylvius Piccolomini und die im Fernhandel tätigen Augsburger Kaufleute (vgl. Brief 13-08-1514). Sein Tübimger Lehrer, der Chronist Johannes Naucler Vergenhans, bei dem Eck 1501 Magister artium geworden war, hat ihn über Amerigo Vespuccis Entdeckungen in Kenntnis gesetzt: ECK, Ratione studiorum: CCath 2, 41 Anm. 5; DERS., Großer Zinstraktat fol 153r: >...mille reperies talia apud Doct. Americus Vesputius novas Insulas invenit antea incognitas sicut et alij Naucleri per Serenissimos Lusitaniae et Castiliae ac Legionis reges emissi...< Vgl. ECK, De coelo fol 23r und 35v. Schon in seiner Freiburger Kosmographierepetition findet sich Vespucci nicht nur im später beigefügten Castmeistergedicht von 1510 (vgl. SCHLECHT, Anfänge 31: Amerika als vierter Erdteil), sondern auch in ECK, Introductorium breve cosmographicum fol 14r: >Sed Temporibus nostris Regia classis Lusitaniae nunc Portugallia dicta, Alberico [!] Vesputio ductore scrupulum omnibus deposuit. Eius enim navigatione inventa est ea Zona Habitata a magna multitudine Hominum<: vgl. GÜNTHER, Geograph 144 Anm. 27 und ECK, Introductorium breve cosmographicum fol 26r (geographischer Appendix der Neuen Welt) und DERS., Physica fol 46r mit Verweis auf seine Kosmographie.

12. Vgl. bereits ECK, Chrysopassus fol L3v: >Sed ex hijs non habetur neminem posse salvari nisi baptisatum, quod convincit ex verbis Christi sequentibus:'qui vero non crediderit, condemnabitur'; non ait: 'qui non baptisatus fuerit.' Verum hic nodosa atque difficilis exoritur dubitatio de hijs qui reperti sunt in novis insulis per serenissimos Hispaniarum, Castellae et Legionis ac Lusitani reges, et haec utique bifida ambiguitas. Prima: An ne statim post Christi ascensionem fidess evangelica toti terrarum orbi per apostolos et eorum adiutores promulgata sit, aut quod credibilius est, longo post temporis intervallo id per successores sit perfectum. Dein de salute eorum qui modo vivunt ductu naturalis legis, ad quorum maxime personass nec nomen Christianorum pervenit, taceo quod legem et fidem nostram percepissent, an ne omnes hij veluti extra ecclesiam degentes sint perpetuae damnationi indifferenter adiudicandi. Pulchra haec profecto et iucunda, sed quum longam exposcant resolutionem, iam ea praetergredior.< Die inzwischen erfolgten Vereinigungen zwischen den Entdeckerstaaten (1230 Leon und Kastilien, 1504 Kastilien und Aragon, 1512 bzw. 1515 Navarra und Spanien) übergeht Eck hier.  

13. Fundstellen bei Eck: Brief 13-08-1514.

14. JACOBUS FABER STAPULENSIS, S. Pauli Epistolae 14, Paris 1512 fol 220v. Vgl. CCath 19/21 (Münster 1938), 137 Anm. 2 und Briefmappe 1, 151, wo die Ungenauigkeit Ellenbogs bei der Folienangabe und seine fehlerhafte Zitation des Fabertextes (s.u. Anm. 16) unerwähnt bleiben. Auch Eck zitiert dieses Werk Fabers in ECK, Iuramenti fol f3r.

15. Vgl. ECK, Postilla, Fünft Tail Predig fol 10v: >...wie unser vorelter in teutsch land auch in den ellenden pfitzen der abgotterei gelegen sint und anbetet tuisco, manum tentatum jren Mercurium und Almann jren Herculem, Isidem, Martem etc., also unsinnig waren sie auch, das sie jrm abgöttern menschen blut opferten.<

16. Hier verliest sich Ellenbog um eine Zeile: >...multi talibus dissimulati larvis feretrum circumstrepunt, qui quanto plures sunt et deformiores tanti...<

17. Moriones: Narren.

18. FABER, Epistolae fol 220v-221r.