Übersicht Reformationsgeschichte - Übersicht Briefwechsel Eck
Nr. 34

Eck an Joachim Vadian (1)

Ingolstadt
22-09-1516


St. Gallen StB, Vad. Briefsammlung 1, 80 (Ausfertigung); Zürich ZB, Ms S3b Nr 59 (Abschrift 18. Jhd.)
Vadianische Briefsammlung (ARBENZ) 1, (91) 167 Nr 78; NÄF, Vadian Stadt Gallen 1, 203

Die überstürzte Abreise des Briefboten hat bei Eck Unruhe ins Haus gebracht; die handschriftliche Fassung des Wiener Reiseberichtes hat er soeben vollendet, er erwartet nun von Vadian die versprochene Grabinschrift auf Gregor von Rimini, die er zusammen mit dem Diarium drucken lassen möchte. Vielleicht kann Vadian noch einige Verse auf die Wiener Disputation hinzufügen. Eck möchte Vadian die Schrift »Adversus priscam et ethnicam Philosophiam« widmen, die zwar auf einer bereits 1510 in Freiburg gehaltenen Rede aufbaut, aber im Druck noch nicht fertig ist. Er bittet Vadian am Rande um ein Lobgedicht auf Aristoteles, dessen »Ars vetus« beinahe fertig im Druck vorliegt. Wegen der Eile des Briefboten konnte er einen geplanten Brief an Tannstetter nicht schreiben: Vadian soll ihn grüßen. Sollten die Wiener Theologen jetzt übel über Eck herziehen, bittet er um Nachricht darüber.

Salutem.

Cita nuntij abitio interturbat omnia; Diarium itineris Viennensis (2) per me confectum est, tuum expecto Elogium in Ariminensem, quod simul excudi curarem (3). Si luseris versiculos de disputatione Eckiana mitte (4), simul emittam omnia. Chartaceum munus (5) tibi decreveram, at nondum absolutum est (6).

Vale amicissime, Eckii memor.
Ex Ingoldstadio, Mauricii (7), anno 1516.

Tuissimus Eckius.


(Zusatz:) Versus optarem ad elogium Aristotelis (8)
, quod eius iam vetus ars (9) est ferme excusa (10).
Tanstettero (11) scribere non possum ob festinationem nuntii mei; ei commenda rem.

Si quid Theologi vestri in Eckium expuant (12), fac ut sciam.

(Am Rand:) Ioachimo Vadiano Helvecio, Musarum patrono, amico suo. Viennae.

(Davor 2. Hand:) Johan. Eckius ad D. Vadianum.


Sei gegrüßt!

Die schnelle Abreise des Boten hat alles durcheinandergebracht. Das Tagebuch meiner Wienreise ist fertiggestellt; ich erwarte Dein Lobgedicht auf GREGOR VON RIMINI, das ich gern gleichzeitig in Druck geben möchte. Wenn Du die Verschen über Ecks Wiener Disputation fertig hast, sende sie mir zu; gleichzeitig werde ich Dir alles schicken. Mein neues Druckwerk hatte ich Dir gewidmet; es ist aber noch nicht erschienen.

Leb wohl, geliebter Freund, denk an mich!

Aus Ingolstadt, am Festtag des hl. Moritz, 1516.

Eck, ganz der Deinige.


Ich hätte gern die Verse zum Lob des ARISTOTELES, weil dessen >Ars vetus< fast im Erscheinen ist.
An TANNSTETTER konnte ich wegen der Eile meines Boten nicht schreiben; empfiehl ihm die Sache.

Wenn Eure Wiener Theologen mich bespucken, laß es mich wissen!



1. JOACHIM VON WATT (VADIANUS, 1481-1551), Humanist und späterer Reformator, Studien in Wien und Krakau, Lehrer für Rhetorik und Poetik, 1514 Poeta laureatus, im WS 1516/17 Rektor der Universität Wien. 1517 Dr. med.; unter dem Einfluß Zwinglis in seinem reformatorischen Denken, war er 1528 Vorsitzender der Berner Disputation: zur Person s. O. VASELLA in: LThK 10 (2.A.), 592f.: M. RIES in: LThK 10 (3.A.), 407f. Weitere Literatur, bes. auch zum Verhältnis zu Eck, bei BONORAND, Dedikationsepisteln 275f. Eck hatte Vadian in Wien kennengelernt, wo er ihn unter die »viri optimi« zählte: vgl. Brief -09-1506: »Non erit incommodum...et viros commemorare optimos, qui me advenam et nihil benemerentem sola eorum humanitate ac virtute perbenigniter tractarunt et suis exceperunt domibus, ut quantulamcunque eis rependam gratiam, quamvis iam saepicule reverendissimi d. episcopi, d. Laurentii Saurer vicedomini, Ioan. Cuspiniani, Christopheri Tengleri, Ioachimi Vadiani et quorundam aliorum meminerimus.« Vgl. die Briefe 09-11-1516, 18-03-1517 u. 03-04-1517.

2. Eck meint hier die Fertigstellung der Handschrift des Briefes an Gabriel von Eyb vom September 1516 (dat. 10-11-1516). Der Druck wurde erst am 27-01-1517 in Augsburg bei Miller fertiggestellt: vgl. Brief 04-08-1516.

3. Das Grab des Augustinertheologen GREGOR VON RIMINI (gest. 1358) in der Wiener Augustinerkirche hatte Eck aufgesucht und Vadian gebeten, eine bessere Inschrift für das Epitaph zu verfassen: vgl. Brief -09-1516: »Sed id memoratu dignissimum, quod Viennae apud Augustinianos sepulti sunt summi theologiae proceres: Gregorius de Arimino, acumine ngenii supra veri fidem excelso et Thomas Argentoracensis, facilis ac resolutus doctor, quorum tamen epitaphia erant incondita barbara et numeris inconcinnis duriuscula. Rogavi amicum nostrum Ioachimum Vadianum, absolutissimum musarum antisten, ut elegantius ac tersius tantis viris excuderet elogium, ut qui id favente ac propicia Minerva praestare posset, qui etiam se hoc facturum non gravatim et protinus exaravit. Quod quia elegans est et politum, placuit hic inserere.« Eck hatte sich theologisch bereits eingehend mit Gregor auseinandergesetzt, so daß er als einer der ersten die starke Abhängigkeit Pierre d'Aillys von Gregor von Rimini in Bezug auf das erste Buch des Kommentars zum Sentenzenbuch des Petrus Lombardus erkannte: vgl. SCHULZE, Via Gregorii 74. Ebd. 100 zum Hintergrund der Gregorrezeption Ecks und der Wittenberger Theologen im Hinblick auf die Leipziger Disputation 1519, bes. die Kontroverse zwischen HEIKO A. OBERMAN und LEIF GRANE.

4. Vadian hatte Ecks Disputation in Wien beigewohnt: ECK, Schutz red fol B3r: »Joachim von warerhaser (der mich zu Wien in Ostereich hette gwhört Disputiern)«. Die erbetenen Verse blieben aus; dagegen tauchten später in reformatorischer Zeit aus Vadians Umfeld negative Nachrichten über die Disputation auf: Eck habe dort einen Gegner derart niedergeschrieen, daß dieser wegen der Aufregung kurze Zeit später verstorben sei: vgl. BONORAND, Dedikationsepisteln 275.

5. Von Eck oft benutzte Bezeichnung für seine schriftstellerischen Erzeugnisse.

6. Gemeint ist ECK, Adversus Philosophiam mit der Widmungsepistel an Tannstetter, Gamp und Vadian: s.u. Brief 09-11-1516.

7. Hl. Mauritius, Festtag 22-09; in Ingolstadt Patronatstag der Pfarre St. Moritz, die Eck aber erst ab 1519 innehatte: vgl. GREVING, Pfarrbuch 53. Gewöhnlich datierte Eck nicht nach dem kirchlichen Festkalender, sondern nach dem julianischen. Zum Hintergrund vgl. BLATT, Antike Züge 361.

8. Eck erhielt sie und druckte sie ab in ECK, Dialectica 2 fol [150r]:
IOACHIMUS VADIANUS POETA Laureatus ac Gynasiarcha.
Vien. Studij in Commentarios Eckianos:
'Eckius ut reliquos superat doctrina animoque,
Scriptoremque legit pervigil omne genus.
Sic nemo officium sinceri interpretis illi
Eripit, haud faciles scit reserare locos.
Scit media immersum cligine prendere verum,
Et claram obscuris reddere luce diem.'

9. Die >vetus ars< umfaßte die porphyrianische Isagoge, die Kategorienschrift und den Perihermenaias: SEIFERT, Logik 14.

10. Am 13-06-1516 hatte die Fakultät Millers Probeabzüge gebilligt und spätestens ab September wurde gedruckt. Am 10-06-1516, noch vor seiner Wienreise, hatte Eck die Arbeit an der >Vetus ars< beendet: ECK, Dialectica 1, fol 92r. Zur weiteren Druckgeschichte s. Brief 13-10-1517.

11. GEORG COLLIMITIUS TANNSTETTER (1482-1535), Leibarzt Maximilians I. und Ferdinands von Habsburg, Astronom und Astrologe sowie einflußreicher Mathematiker aus der zweiten Wiener Mathematikerschule: vgl. BONORAND, Dedikationsepisteln 249-254. Vgl. Briefe 09-11-1516 und 03-04-1517.

12. Wahrscheinlich Anspielung auf die von Eck erwarteten abfälligen Äußerungen des Theologen Heckmann: vgl. Brief 18-03-1517.