Übersicht Reformationsgeschichte - Übersicht Briefwechsel Eck


Nr. 45

Christoph Scheurl an Eck

Nürnberg
17-04-1517

Fischbach Scheurl-Archiv, cod G, fol 164v
SODEN-KNAAKE, Briefbuch 2, 12 Nr 127

Scheurl hat Staupitz einen Brief für Eck übergeben und zugleich einen solchen von Eck zusammen mit dessen »Elementarius« empfangen, wofür er dankt. Er wird die Schrift an die Wittenberger senden und unter den gemeinsamen Freunden verteilen. Scheurl möchte sich Ecks Freundschaft nicht unwürdig erweisen. Den Statutenbrief hätte er längst geschickt, wenn ihm nicht davon abgeraten worden wäre, aber er wird ihn trotzdem schicken, da er Eck nichts abschlagen kann, jedoch wegen der Nachstellungen heimlich. Mehr Freude hat ihm der zweite Teil der »Epistolae obscurorum virorum« gemacht, obgleich nur ein Exemplar nach Nürnberg gelangt ist. Er erwartet jedoch bald weitere Exemplare.


Salutem.

Quum dedissem domino Staupitz meo coniunctissimo litteras ad te perferendas (1), redditae mihi sunt tuae una cum »Elementario« Eckiano (2), de qui tibi gratias ago. Mittam amicis Wittenbergensibus (3) offeroque libellos hosce distrahere apud nos et communes amicos (4).

Ceterum non est meum consilium superare tuam praestanciam quacunque re, non ignarus meae paupertatis et quod tibi longe sum inferior: vellem tamen tua amicitia non indignum me praestare, qui perpetuo beneficio tibi obligor, quod tanto hospite domum paternam honorare dignatus es. Quod ego non possum, referent viri docti: quos tua tibi virtus conciliat.

Epistolam statuariam (5) dudum misissem, nisi quidam dissuaderent publicandam (6), sed quando totiens efflagitas et ego nichil negare possum, ea lege mitto ut nemini videatur sed pellecta quam primum ad me redeat, neque desunt qui litteris nostris insidiantur (7), quae tamen plerisque celebrantur.

Multo lubentius communicassem secundam feturam »Epistolarum obscurorum virorum« (8), sed unum tantum exemplar huc pervenit, expecto tamen plura.

Interea vale et me ut soles ama.

Datae Nurnbergae 17. Aprilis 1517.

Doctor Scheurl


Sei gegrüßt!

Als ich STAUPITZ, dem Freund, meinen Brief an Dich zur Weiterleitung übergeben hatte, erhielt ich just Deinen Brief zusammen mit Deinem »Elementarius«, für dessen Übersendung ich Dir danke. Ich werde die Wittenberger Freunde benachrichtigen und Deine Bücher zum Verkauf bei uns und gemeinsamen Freunden anbieten.

Im übrigen ist es nicht mein Anliegen, Dich in irgendeiner Weise zu bevormunden im Wissen um meine Armseligkeit und Unterlegenheit Dir gegenüber. Ich möchte dennoch Deiner Freundschaft nicht unwürdig erscheinen, da ich Dir gegenüber allezeit in der Pflicht stehe, weil Du das Haus meines Vaters durch Deinen Besuch geehrt hast. Was ich nicht tun kann, werden Gelehrte vollbringen, die Dir Deine Tugendhaftigkeit geneigt macht.

Den Statutenbrief hätte ich längst abgeschickt, wenn nicht einige von der Veröffentlichung abgeraten hätten: Da Du jedoch so oft darum gebeten hast und ich Dir nichts abschlagen kann, sende ich ihn Dir heimlich zu, damit Du ihn nach der Lektüre so schnell wie möglich wieder zurücksendest. Es fehlt nämlich nicht an Leuten, die unserem Briefwechsel nachspionieren, der jedoch von den meisten mit Beifall aufgenommen wird.

Um wieviel lieber hätte ich Dir die zweite Folge der »Dunkelmännerbriefe« zugesandt, jedoch ist nur ein einziges Exemplar bis hierher gelangt; ich erwarte weitere.

Inzwischen lebe wohl und bleibe mir wie stets gewogen!

Gegeben zu Nürnberg am 17. April 1517.

Doktor Scheurl.



1. Dieser Brief Scheurls an Eck ist verloren.

2. ECK, Elementarius dialectice. (Augsburg, Miller, 14-02-1517): METZLER Nr 9 (1). Vgl. bes. Brief 18-01-1517.

3. In Frage kommen Luther, Karlstadt, Otto Beckmann und Georg Spalatin, die allesamt schon Ecks Wiendiarium (METZLER Nr 8; CCath 6) über Scheurl erhalten hatten: vgl. Brief 01-04-1517. Zudem hatte er den Wittenbergern schon am 14-01-1517 Disputationsthesen Ecks übersandt (ebd.).

4. Eck hatte seinerseits in Ingolstadt den Vertrieb der Werke Trutfetters übernommen: vgl. Brief 01-04-1517.

5. Diese Bitte um den Statutenbrief der Universität Wittenberg ist auf dem Hintergrund der Verfasserschaft Scheurls 1508 zu sehen: BAUCH, Wittenberg 37 Anm. 3. Dabei hatte Eck sicherlich Interesse an der Endredaktion der Statuten. Den Entwurf hatte Scheurl sofort bei der Hand (vgl. das im Scheurl-Archiv überlieferte Schriftstück: GRAF, Scheurl 130 Anm. 41f.); die Endredaktion erfolgte wohl durch Dritte (»quidam dissuaderent«). Die Anfrage nach den Statuten steht wohl weniger im Zusammenhang mit der Besorgung einer authentischen Kopie der Wiener Statuten, wie er sie über Vadian anforderte und die von großer juristischer Bedeutung für die Ingolstädter Universität war (vgl. Brief 03-04-1517). Die Wittenberger Statuten zeigen sich stark beeinflußt von den Tübinger Urkunden, die einer anderen Statutenfamilie zuzuordnen sind: SEIFERT, Statuten 50. Dahinter steckt vielmehr die hier noch private Initiative Ecks, durch sorgfältigere Arbeit an den Akten Akzente in der Universitätsverwaltung zu setzen. Als Prorektor hatte er auf der Sitzung des Universitätskonzils vom 15-06-1517 die Forderung nach einem Formular- und Aktenbuch erhoben: SEIFERT, Statuten 91. Im Sommer 1517 war die Universität Ingolstadt unter Verantwortung Ecks dabei, ihre alten und neuen Statuten zu kompilieren und einer grundlegenden Revision zu unterziehen (SEIFERT 91f).

6. Auch die Universitäten Wien und Freiburg hatten Vorbehalte bei der Weitergabe ihrer Statuten gezeigt: vgl. Brief 03-04-1517.

7. Zu berücksichtigen ist, daß die Briefe damals eine öffentliche Funktion hatten, wenn auch die Weitergabe von Brief und Briefinhalt nicht unüblich war: so wurden Ecks Briefe an Usingen bei Scheurl vorgelesen (Brief 01-04-1517), Ecks Briefe von Vadian in Ingolstadt weitergereicht (Brief 03-04-1517), nahm Pirckheimer Einsicht in einen von Eck an Adelmann gerichteten Brief (Brief Ende 1515). Während der kirchlichen Auseinandersetzungen seit 1518 kennt Eck sowohl Briefe aus Wittenberg (vgl. WAbr 1, 500) wie auch die Gegenseite private Briefe Ecks an Dritte kennt, besitzt und propagandistisch ausnutzt (Briefmappe 2, 42 und Brief 1505). Wenn Eck in Brief 18-03-1517 an Vadian in der Angelegenheit Heckmann ausdrücklich betont, er vertraue hier dem Brief an, was er öffentlich nicht sagen könne (»...quod coram loquii nequeo, lituris aut litteris pingam«), ist auch zu bedenken, daß manchmal vertrauliche, meist verfängliche, wie aber auch zusätzliche Nachrichten über den Überbringer gegeben wurden: vgl. u, Brief Scheurl an Eck 05-04-1518: »Multa de Wittenburgium conditione accipies ex Paulo licentiatii Feltkirchensis servulo quantulocunque...« und Brief Ecks an Georg von Sachsen 30-10-1520: »Dann wiewol allein in den trey tumstiften obgenannt bulla originalis durch mich solt publiciert werden und affigiert...aber ausserhalb des hab mein commission gehebt und instruction...und darzu mündlich underricht...«

8. Scheurl erwähnte die Dunkelmännerbriefe, eine »humanistische Satire gegen die spätscholastische Wissenschaft und Theologie in Form von insgesamt 110 fingierten Briefen« (HÜBNER, Epistolae 3167: mit Beschreibung und Lit.), deren 2. Teil 1517 in Köln gedruckt wurden. Die Nachricht von dieser Neuerscheinung gab Scheurl auch brieflich an den Eichstätter Domdekan und Eckfreund Erhard Truchseß weiter: »Circumferuntur apud nos aliud volumen epistolarum obscurorum virorum, res plena risus...« (SCHEURL, Briefbuch 2, 15); ebenso an den Kölner Dominikaner Johann Ketzmann: »Non dubito tibi visas alteras obscuras epistolas ad theologum Ortwinum...« (ebd.). Im 9. Brief dieser Sammlung findet sich im Zusammenhang mit einem Verweis auf Pirckheimers Lukianschrift »De vitanda usura« auch eine Anspielung auf Ecks Bolognadisputation: »Ubi quidam Pirkheymer, qui non est magister,/Fecit mihi instantiam, sed audivi ibi clam/Quod cum multis sociis in partibus diversis/Magna in conjuratione vellet stare pro Capnione/Et contra nos Theologos facere multos libros/Et fuit mihi dictum, quod noviter unum librum/Scripsit de usura, quam admittit Theologia,/Sicut Bononiae est disputatum et per Magistros nostros probatum« (HOLZBERG, Pirckheimer 220). Gerade diese Epistel soll Hutten, der Verfasser des 2. Teils der Dunkelmännerbriefe, in abendlicher Runde unter großem Gelächter vorgelesen haben (Cochlaeus an Pirckheimer 09-09-1516): HOLZBERG 220; SCHNEID, Zinsverbot 680; RUPPRICH, Eckius Dedolatus 16.