Übersicht Reformationsgeschichte - Übersicht Briefwechsel Eck

Nr. 47

Christoph Scheurl an Eck

Nürnberg
13-10-1517

Fischbach Scheurl-Archiv, cod G, fol 178v
SODEN-KNAAKE, Briefbuch 2, 28 Nr 144

Scheurl dankt Eck für dessen Briefe über seine letzte Reise, auf der er erneut seine freundschaftliche Gesinnung bewiesen hat. Er selbst konnte nicht schreiben, da er nach Meißen gereist war. Da gute Juristen jetzt rar geworden sind, hätte er gern Dr. Michel bei sich gehabt. Karl von Spanien ist mit seiner Schwester Eleonore zum Antritt seiner Königsnachfolge nach Spanien abgereist; bald wird Ferdinand eintreffen. Scheurl hat Trutfetter sein versprochenes Exemplar von Ecks »Elementarius« gesandt, dazu Ecks für ihn bestimmte Briefe. Als Zeichen der Freundschaft sendet er Pirckheimers Ausgabe von Lukians »Piscator«.


Ad doctorem Joannem Eckium.

Salve, reverende pater, vir undecunque erudite, mi amabilissime amice, sit enim haec tui praefatio verissima.

Quod abiens atque etiam rediens profectionis (1) tuae rationem mihi reddis (2) et undique amicum geris (3), quid aliud tibi reddam quam ut tuus esse perseverem, qualis semper fui, et tibi si non eruditione saltim humanitate respondeam, ubique vinci turpe ducens, etsi ubique excellas non vulgariter? Quod itaque in amicorum tuorum etiam extra vulgi aleam comparatorum me adscripsisti rationarium, ago tibi gratias, daturus operam, ut semper in tua amicicia inveniar.

Mea quoque scribendi tarditas tribuenda erit peregrinationi nostrae Misnensi (4). Velim autem communem amicum dominum Michaelem (5) apud nos esse, quod omne patrocinium in hunc unum repositum foret, quoniam advocati partim mortui sunt partim clientulos abiurarunt.

Magnus Carolus (6) cum sorore (7) tandem Hispanias navigavit maximo triumpho (8), expectamus Ferdinandum (9).

Optimo viro doctori Eisnach (10) misi librum suum (11) et litteras (12): quoniam unum sumus, non potes uno beneficio non obligare utrumque (13).

Interea iudicium benevolentiae vel etiam observantiae nostrae mitto Lucianum Pirckhamerium (14), non ignarus haud minus alacri voluntate quam moenerum magnitudine oblectari te solitum.

Vale et vive felix,
communium studiorum atque etiam studiorum omnium patronus.
Nurnberge 13. Octobris anno 1517.

An Doktor Johannes Eck.

Sei gegrüßt, ehrwürdiger Vater, allseitig Gebildeter, mein teuerster Freund: das soll nämlich die zutreffendste Anrede für Dich sein!

Weil Du beim Aufbruch und auch bei der Rückkehr von Deiner Reise mir Nachricht gibst und Dich in allem wie ein Freund verhältst, was kann ich Dir anderes erwidern als stets zu betonen, der Deine bleiben zu wollen, wie ich es stets war, und Dir, wenn nicht mit Gelehrsamkeit, so doch wenigstens mit Freundlichkeit zu antworten, wenn ich auch immer in schlechten Stil verfalle, Du aber stets zu glänzen pflegst? Daß Du mich daher, ohne auf das Risiko beim Publikum zu achten, in das Register Deiner Freunde aufgenommen hast, sage ich Dir Dank und werde mich bemühen, stets Deine Freundschaft zu bewahren.

Meine Zögerlichkeit beim Schreiben ist auf meine Reise nach Sachsen zurückzuführen. Wäre doch unser gemeinsamer Freund MICHEL bei uns, so daß das ganze Patrozinium bei einem einzigen aufgehoben wäre, da die Juristen hier in Nürnberg teils verstorben sind, teils sich von ihren Klienten getrennt haben.

Der große KARL VON SPANIEN ist mit seiner Schwester endlich triumphal zu Schiff nach Spanien aufgebrochen; wir warten hier auf FERDINAND.

Dem besten Doktor TRUTFETTER habe ich sein Buchexemplar und Brief zugesandt: da wir eins sind, kannst Du auf eine Wohltat nur weitere folgen lassen.

Als Beweis meines Wohlwollens oder auch meiner Ergebenheit sende ich Dir PIRCKHEIMERS »Luciani Piscator« im Wissen, daß Du nicht weniger durch guten Willen als durch Großzügigkeit erfreut zu sein pflegst.

Leb wohl und lebe glücklich,
Du Patron gemeinsamer Studien und aller Studien überhaupt!

Nürnberg, 13. Oktober 1517.



1. Hier ist wohl Ecks Reise nach Basel gemeint: vgl. Briefe 26-10-1517 u. 05-11-1517. Auch andere Reisen Ecks in diesem Jahr, z. B. die nach Landshut zur Disputation (vgl. Brief 04-08-1516) sind ebenfalls denkbar, obwohl Scheurls Äußerungen eher an eine Routinereise (z.B. nach Augsburg) denken lassen: vgl. PANTALEON 111: »Hoc autem toto anno et sequenti multum temporis peregrinationibus et visendis monasterijs doctisque viris Sueviae, Bavariae, Danubij, Rheni apud eos perorando, declamandoque insumpsit...«

2. Der Brief gilt als nicht erhalten.

3. Neben der hier angedeuteten Offenheit Ecks für neue Kontakte ist seine Verstrickung in eine Vielzahl von damals in akademischen Kreisen nicht unüblichen Kontroversen zu sehen: vgl. 1510-12 den Streit bei und nach seinem Weggang von Freiburg mit den älteren Universitätsvertretern (MAYER, Freiburg 18ff), mit dem Eichstätter Domkapitel um den rechtlichen Status des Professorenkanonikats (vgl. Brief 02-03-1513 Anm.), mit dem Eichstätter Bischof 1514 um die verbotene Zinsdisputation in Ingolstadt (vgl. Briefe 10-10-1514, 19-12-1514, 08-02-1515), mit Bernhard Adelmann bis 1520, mit Ulrich Zasius seit 1514 um dessen Lehre von der möglichen Nichtverbindlichkeit von Verträgen mit Feinden und Ecks Zinslehre (vgl. Brief 02-03-1513 Anm. u. 28-02-1515) mit Paulus Ritius seit 1514 um die Beseelung des Himmels (vgl. Brief 13-10-1516 Anm.), mit Johannes Cochlaeus (nebenbei auch Pirckheimer) nach dessen Verbreitung von für Eck nachteiligen Nachrichten zur Bolognadisputation (vgl. Brief Ende 1515), mit dem Wiener Theologen Heckmann und Sympathisanten nach dessen Auftreten bei der Wiener Disputation 1516 (vgl. Brief 18-03-1517), mit dem Ottobeurer Abt Wiedemann in Familienangelegenheiten (vgl. Briefe 09-12-1517 u. 11-02-1518). Zu diesem Zeitpunkt war der Konflikt mit Erasmus aufgrund kritischer Äußerungen Ecks zu dessen »Annotationes« bereits vorprogrammiert (vgl. Briefe 09-09-1517 Anm. und 02-02-1518), der mit Luther (im Brief 05-11-1517 noch »amicus noster«) und Karlstadt (vgl. Brief 05-11-1517 Anm.) stand noch bevor.

4. Scheurl hatte kurz zuvor Sachsen besucht, war wahrscheinlich in Annaberg gewesen und hielt sich auf dem Rückweg in Zwickau auf: GRAF, Scheurl 135 Anm. 16.

5. Zu Dr. Michel vgl. Brief 12-10-1516.

6. KARL VON HABSBURG (1500-1558), seit 1516 als Karl I. Kg. von Spanien; von seinem Großvater Kaiser Maximilian I. zum Nachfolger als Kaiser bestimmt, übernahm er diese Aufgabe 1519 gegen französischen und päpstlichen Widerstand. Zu Person undWirken s. LUTZ, Karl V.; K. RABE: TRE 17, 635ff.

7. ELEONORE (1498-1558), älteste Schwester Karls; Königin von Portugal als dritte Gemahlin Manuels I. (1519-21), Königin von Frankreich als zweite Gemahlin Franz Ì.(1530-47): vgl. ALVAREZ, Karl V. 236f u. 241 (Reg.).

8. Karl reiste nach Spanien zum Antritt der spanischen Königsnachfolge (Kg. Ferdinand war 1516 gestorben) nach erfolgreichen Verhandlungen der Habsburger mit Franzosen und Engländern, die gegen die habsburgische Machtkonzentration opponierten. Zusammen mit seiner Schwester Eleonore und burgundischem Gefolge verließ er am 08-09-1517 mit vierzig Schiffen von Vlissingen aus die Niederlande: BRANDI, Karl V. 1, 66-69; bei der Ankunft in Spanien wurde der zum Empfang herausgeschmückte Hafen verfehlt: BRANDI 1, 69: »Karls Einzug in das Land seiner Mutter war völlig verunglückt«. Scheurls Sichtweise als Caesarianer auch in SCHEURL, Geschichtsbuch (KNAAKE) 110: »Konig Charlen erste schiffart und chronung in Hispania«, wo er von Karls »grosem triumpf und ehrerpitung« spricht.

9. FERDINAND [I.] (1503-64), 1526 König von Böhmen und Ungarn, 1531 römisch-deutscher Kg. und 1558 Kaiser: R. WOHLFEIL: TRE 11, 83ff.

10. Jodokus Trutfetter in Erfurt: zu Person und Namen vgl. Brief 13-09-1516.

11. Möglicherweise handelt es sich um ein für Trutfetter reserviertes Exemplar von ECK, Elementarius. Scheurl hatte sich erboten, das Werk zu vertreiben und es auch an die Wittenberger geschickt (Brief 17-04-1517: Ecks Itinerarium der Wiendisputation hatte Trutfetter schon vorher zugestellt erhalten).

12. Der gesamte Briefwechsel Trutfetter-Eck gilt als verloren.

13. Vgl. dazu GRAF, Scheurl 46: »Scheurl hat unter dem Banne von Trutfetters Persönlichkeit gestanden.«

14. Gemeint ist PIRCKHEIMER, Luciani Piscator, der am 02-10-1517 in Nürnberg erschienen war. Dieses Werk, von Pirckheimer weitläufig in Freiexemplaren in seinem Bekanntenkreis verteilt, von Adelmann für die bedeutendste unter den Veröffentlichungen Pirckheimers gehalten, wird von den Zeitgenossen mehrfach erwähnt, vor allem in der vorangehenden »Epistola apologetica« und dem dort aufgestellten Theologenkatalog: HOLZBERG, Pirckheimer 248-278, bes. 252 u. 259f. Zum Theologenkatalog vgl. auch Brief 02-03-1513 Anm.