Übersicht Reformationsgeschichte - Übersicht Briefwechsel Eck


Nr. 56

Scheurl an Eck

Nürnberg
12-04-1518

Scheurl-Archiv Fischbach Cod G, f 141(202)a
SODEN/KNAAKE, Briefbuch 2, 46, Nr 163

Scheurls jüngerer Bruder Albrecht ist in Annaberg als Münzprüfer tätig. Er pflegt privat Umgang mit dem herzoglichen Statthalter Albert von Schreibersdorff, dessen Stiefsohn Christoph Thumbshirn in Ingolstadt studiert. Eck soll den Annabergern einen Gefallen tun und sich um dessen Studien kümmern. Als Dank erhält er Reuchlins »Hebräische Orthographie« und von Scheurl selbst ein Buch über Karl den Großen.



(202r) Ad doctorem Ecken.

S.
Apud montem S. Annae (1) pro ducibus Saxoniis Albertus frater meus (2) monetam probat curatque, ut integra, ut iusta edatur. (3) Is familiariter utitur praefecto ducali Alberto de Schreibersdorff monetario (4) , cuius privignus Christofferus Thumbshirn adolescens in academia vestra bonis litteris studet, unde arbitratus sum unico beneficio meriturum te egregie de nobili praefecto, fratre et nobis, si scholasticum hunc tibi redderem commendatissimum, si hunc precibus nostris ita foveas, ita amplexeris, ut parens intelligat amicos apud proceres Ingolstadienses valere plurimum. (5)

Interea quem tibi commendamus te honorat chartaceo munere, orthographia Hebraica. (6) Si quae praeterea ex his quae illi coemimus placuerint, uteris illis pro arbitrio tuo.

Ego quoque, ne prorsus vacuus scriberem, tibi Caesareo (7) mitto Karolum Maximum (8): nam meipsum dudum misi, tradidi, obtuli, devovi. Expecto autem litteras tuas tantum amicitiam fraternam nunciantes, praeter animum sincerum cupio nihil qui eruditione excellis, amore cedere nescis.

Vale, egregie vir, frater suavissime. Iterum vale.

Nurnbergae ad XIII. Kalendas Maias anno 1518.

An Doktor Eck.

Sei gegrüßt!
Mein Bruder ALBERT überwacht und kümmert sich in Annaberg im Auftrag der Herzöge von Sachsen um die Münzstätte, damit die Münzen unbeschädigt und in gutem Zustand herausgegeben werden. Dieser pflegt vertrauten Umgang mit dem herzoglichen Präfekten ALBERT VON SCHREIBERSDORFF als Münzmacher, dessen jugendlicher Stiefsohn CHRISTOPH THUMBSHIRN an Eurer Hochschule die bonae litterae studiert. Daher glaube mir, Du wirst Dir ausnehmend große Gunst bei dem edlen Präfekten erwerben, auch bei meinem Bruder und mir, wenn ich Dir diesen Studenten sehr ans Herz lege, und Du ihn aufgrund unserer Bitten so förderst und Dich seiner annimmst, daß der Vater erkennt, daß Freunde bei den Honoratioren in Ingolstadt sehr viel gelten.

Inzwischen ehrt Dich der, den wir Dir anempfehlen, mit einem Buchgeschenk: REUCHLINS »Hebräischer Orthographie«. Sollte Dir außerdem unter den Büchern, die wir aufgekauft haben, das eine oder andere gefallen, bediene Dich ihrer nach Deinem Gefallen.

Um nicht ganz vergebens zu schreiben, schicke auch ich Dir als Anhänger des Kaisertums ein Buch über unseren größten Kaiser KARL, denn mich selbst habe ich längst gesandt, übergeben, dargebracht, geweiht. Auch ich erwarte Deine Briefe nur als Freundschaftsbeweise; außer aufrichtiger Gesinnung begehre ich nichts als daß Du durch Gelehrsamkeit hervorragst und bei Deiner Zuneigung zu mir beharrst.

Leb wohl, berühmter Mann, liebster Bruder! Noch einmal: leb wohl!

Nürnberg, 19. April 1518.



1. Aufgrund der reichen Silberfunde im Jahre 1496 auf albertinischem Boden gegründetes Bergbauzentrum Annaberg im Erzgebirge (Name seit 1501). »Die Landesgrenze trennte in jenen Zeiten Böhmen und Sachsen nicht so scharf voneinander wie jetzt. Die Grafen von Schlick besaßen Hoheitsrechte und Ländereien auf wettinischem Boden, und Annaberger Bürger waren an den Joachimsthaler Bergwerken mit Kapital beteiligt...Die heilige Mutter Anna war die Patronin der Stadt, ihr schrieb man dankerfüllt das rasche Wachstum des jungen Gemeinwesens zu: die liebe Heilige behütete vor Armut, ja man hielt sie für eine 'Erzmacherin'«(BARGE, Karlstadt 1, 203f: zum Annakult in Annaberg). Vgl. B. WOLF, Zur Geschichte der Reformation in Annaberg: Programm des Annaberger Realgymnasiums 1886, 2 und Mitteilungen des Vereins für Geschichte von Annaberg und Umgebung, 1888ff; A.W.MANITIUS, Die Einführung der Reformation in Annaberg. Annaberg 1840; Chronicon Annaebergense. Annaberg 1812.

2. Der jüngere Bruder Christoph Scheurls Albrecht studierte zusammen mit Ch. seit März 1496 in Heidelberg (GRAF, Scheurl 11), ging dann zur kaufmännischen Ausbildung nach Venedig (GRAF 13).

3. A. war seit 1518 in Annaberg als Münzprüfer tätig (GRAF, Scheurl 72).

4. Herzoglicher Statthalter und Münzpräger. Vgl. über ihn BARGE, Karlstadt 1, 205.

5. Eck soll sich für das Studium des jungen Thumbshirn an der Universität Ingolstadt einsetzen u. sich so Verdienste um ihn, den Bruder Albrecht und Schreibersdorff erwerben.

6. J. REUCHLIN, De accentibus et orthographia linguae Hebraicae. Pforzheim, Th. Anshelm, Febr. 1518.

7. Zu Ecks Sympathien für Kaiser Maximilian I. s. o. Brief Scheurl an Eck, 01-04-1517 A.1. Scheurl selbst bewunderte den Kaiser von Kindheit an: GRAF, Scheurl 9, 32f, 69.

8. EINHART, Vita Caroli Magni. Nürnberg, Koberger 1518.