Übersicht Reformationsgeschichte
- Übersicht Briefwechsel Eck
Nr. 57
Scheurl-Archiv Fischbach, Cod G, f 37a
SODEN/KNAAKE, Briefbuch 2, 47f, Nr 16
[F 219.R}
Scheurl beteuert seine Freundschaft zu Eck. Auch unter Scheurls Freunden hat Eck besonderes Ansehen. Adelmann hat Ecks >Obelisci« nach Nürnberg gesandt. Luther hat auf dem Heidelberger Ordenskapitel seine Entgegnung mit Erfolg vorgetragen; er will aber trotz der Bitten Scheurls keine Kopie der »Asterisci« zusenden. Scheurl hat den Streit zwischen Luther und Eck vorhergesehen und brieflich in Wittenberg zu vermitteln gesucht. Dort hält man ihn für einen Parteigänger Ecks. Er sendet Briefe Spalatins und Luthers mit der Bitte, Eck möge diskret mit ihnen umgehen. Er vertraut Ecks Augenmaß. Eine Übersetzung der »Apologie« Hochstratens kursiert in Nürnberg: Eck soll sein Urteil abgeben. Hieronymus Ebner bittet um ein Buch über die Buße, das Scheurl Eck geliehen hatte. Empfehlung an den Eichstätter Bischof in Erinnerung an gemeinsame Zeiten. In Gnadenberg hat Scheurl einen gemeinsamen Freund getroffen.
37r) Ad
doctorem Johann
Ecken. S. Ego vero, optime vir, nihil
minus cogito quam Eckium
beneficiis obruere, quem
dudum scivi humanitate
superari non posse, quin
potius tibi quod vitae tuae
rationem mihi reddis et
importunas amici litteras
non modo non gravate
suscipis sed et his accurate
etiam respondes, ago
gratias. Unum autem imprimis
a te peto: seponamus
titulos, non utamur
pluribus; oblectentur alii
verborum lenocinio, sit
inter nos etsi tibi longe
sim inferior vera charitas,
mutuus amor, sincera
fraternitas quae fingere
nesciat, quae adulari
respuat.(1) Quidquid
de nobis
et officio nostro tibi
persuaseris, esto certus non
frustra persuasurum. Ego
benignitate Dei pluribus et
his quidem praestantissimis
viris utor familiariter,
nullius unquam opinionem
frustratus sum. Inter horum
primores inclita virtus
Eckiana sibi vendicat
peculiarem sedem: omnia tibi
tribuo, credo, confido, me
tibi permitto, haud ignarus
causam meam tibi communem
esse; nihil minus formido
quam a te falli, decipi aut
mihi imponi. Unde de his
satis.
Ceterum audio
mercatores nostros
circumferre tralatam
epistolam Hochstraten ad
pontificem et Caesarem (9),
sed
magis a te expecto iudicium
libelli, cui quippe non
desunt ex ordine vestro qui
vehementer approbent.
Interea nostrae reipublicae
secundus moderator affinis
et amicus amicissimus
Jeronimus Ebner (10)
multum a me
efflagitat libellum de
paenitentia quo te
donavimus: si commode fieri
potest, illi remittas velim,
quippe dignus est beneficio
tuo. Circumactus est his
diebus annus quum Augustae
degi, et episcopo tuo pro
iure nostri diuturni
condiscipulatus per litteras
congratulatus sum (11),
etsi
nihil responderit forte
impeditus in adipiscenda
possessione tam nobilis
episcopatus. Velim me illi
aliquando una cum nostro
Ebnero commendarier non
vulgariter. Nuper etiam apud
Montem Gratiae tuo Fabiano
Philadelphiensi conversatus
sum (12), quae
consuetudo multum
me recreavit tum ob hominis
eruditionem, dexteritatem,
praestantiam, tum quod
animadverti eum tibi
amicissimum de te
integerrime loquentem,
quippe de Eckio communi
amico multum et diu et
familiariter etiam
interlocuti sumus et dulce
est de amico prospera,
honesta, recta nunciari.
Familiaritatem cum homine
abhinc quadriennio
constitutam tua
commendatione cupio augeri,
te autem valere plurimum et
nos amari mutuiter. Datae
Nurnbergae 14. Maii anno
1518. C.S.doctor. |
An Doktor Johannes Eck.
Gruß! Ich glaube nichts weniger, mein Bester, als daß jemand Eck an Wohltaten übertreffen kann, denn keiner ist, wie ich längst weiß, menschlicher als er. Für Dich gilt das um so mehr, als Du mir über Dein Leben Rechenschaft gibst und die ungelegen eintreffenden Briefe des Freundes nicht nur nicht ärgerlich entgegennimmst, sondern sie sogar genauestens beantwortest. Dafür danke ich Dir! Um das eine bitte ich Dich aber besonders: laß uns auf Titulaturen verzichten und uns nicht mehrerer davon bedienen. Mögen andere sich am Reiz von Worten ergötzen: unter uns herrsche - wenn ich Dir auch weit unterlegen bin - wahre Liebe, gegenseitige Zuneigung, ernstgemeinte Brüderlichkeit, die nicht täuschen kann und es verwirft zu schmeicheln. Alles, was Du von mir und meiner Amtsstellung erhoffst, sei gewiß, daß es nicht vergebens sein wird. Ich bin durch Gottes Wohlwollen mit mehreren, auch bedeutenden Männern in vertrautem Kontakt; keiner hat mich enttäuscht. Unter den Bedeutenderen von ihnen hat Eck aufgrund seiner Persönlichkeit einen besonderen Rang; alles biete ich Dir an, glaube ich Dir, vertraue ich, gebe mich Dir, wohl wissend, daß unsere Sache eine gemeinsame ist; nichts fürchte ich weniger als von Dir getäuscht, hintergangen oder hinters Licht geführt zu werden. Daher genug davon! Ich komme nun zu Deinem Brief: schon früher habe ich erfahren, daß BERNHARD ADELMANN uns mitgeteilt hat, was Du über MARTIN [LUTHER] aus dem Stegreif für eine Meinung geäußert hast. Wie das auf die hiesigen Augustiner gewirkt hat, sollen andere beurteilen. Diese haben selbst neulich in Heidelberg seine »Asterisci« unterstützt, die er unter Beifall vortrug, den anderen auslegte und so fest in den Händen behält, daß es mir trotz inständigen Bittens nicht gelang, eine Kopie davon zu bekommen. Ich höre jedoch, weil darüber viel geredet wird, daß MARTIN [LUTHER] Dich mit »eigenen Geschossen durchbohrt« und sich wunderbar verteidigt hat. Ich habe dies gleichsam von hoher Warte aus vorhergesehen und aus eigenem Antrieb von Amts wegen an die Wittenberger geschrieben, denen unser vertrauter Umgang bekannt ist. Deshalb schrien alle, wie ich Dir schon vorher dunkel angedeutet habe: »Ja, ja, Dein Eck, Dein Eck!« O, welch ein voreiliger Gedanke, welches vorschnelle Urteil! Was unter ihnen mein SPALATIN denkt, wird sein Brief verdeutlichen, den ich Dir zusammen mit demjenigen MARTINS zusende mit der Auflage, ihn nicht nur zurückzusenden, sondern ihn auch als ungelesen zu betrachten, in gleicher Weise auch MARTINS Verteidigung, sobald es möglich ist, sie Dir zu schicken. Obgleich ich ein wenig daran gezweifelt habe, so glaube ich doch, daß das an Deiner Klugheit und Integrität zweifeln hieße, der Du doch Dein eigener Lenker und Schiedsrichter bist, auch das Detail sorgfältig bedenkst und erwägst. Handle also, da ich ungehalten reagieren würde und allen Tadels würdig wäre, wenn durch meine Versöhnungsversuche (was Gott verhindern möge) unter Euch, meinen Freunden, Streit, Spannungen und Schlimmeres entstehen würde. Weiterhin höre ich, daß unsere Buchhändler die Übersetzung des Briefes HOCHSTRATENS an Papst und Kaiser mit sich führen; von Dir jedoch erwarte ich eher ein Urteil über das Büchlein, wenn auch aus Deinem Theologenstand es nicht an solchen mangelt, die ihm leidenschaftlichen Beifall zollen. Inzwischen verlangt der Zweite Richter Nürnbergs, zugleich mein Verwandter und lieber Freund, HIERONYMUS EBNER, heftig nach dem Büchlein über die Buße, womit wir Dich beschenkt haben: sollte es möglich sein, sende es ihm zurück, er verdient Deine Wohltat. In diesen Tagen ist es ein Jahr her, daß ich ein Jahr in Augsburg verbrachte, und ich habe aufgrund meiner einstigen täglichen Studiengemeinschaft mit Deinem Bischof CHRISTOPH VON STADION diesem brieflich gratuliert, wenn er auch nicht geantwortet hat, gehindert wohl von der Inbesitznahme eines so vornehmen Bistums. Gern würde ich mich zusammen mit unserem Freund EBNER einmal ausdrücklich empfehlen. Neulich habe ich im Kloster Gnadenberg mit Deinem Freund FABIANUS PHILADELPHIENSIS gesprochen; das hat mich sehr erquickt wegen seiner Gelehrsamkeit, Geradheit, Vortrefflichkeit, aber auch weil ich merkte, wie freundschaftlich und integer er von Dir sprach, denn wir sprachen über unseren gemeinsamen Freund Eck viel und lange und vertraut; süß ist es, über einen Freund Gutes, Ehrenvolles und Rechtes zu erfahren. Die Vertrautheit mit ihm, die nunmehr vier Jahre andauert, möchte ich mit Deiner Empfehlung vermehren; besonders aber wünsche ich Dein Wohl und daß unsere gegenseitige Liebe weiter besteht. Gegeben zu Nürnberg, 14. Mai im Jahr 1518. C.S. Doktor. |
1. Zur Beurteilung der zahlreichen Freundschaftsbeteuerungen Scheurls, der den einen als "Freundschaftsenthusiast", anderen jedoch als ein "Allerweltsfreund" galt, s. GRAF, Scheurl 50, 77, 86.
2. Bernhard ADELMANN VON ADELMANNSFELDEN (1459-1523), Humanist, Vetter des Eichstätter Bischofs Gabriel von Eyb, Domherr in Eichstätt und Augsburg (1486 bzw. 1498); Studien in Heidelberg, Basel und Tübingen (hier Schüler Reuchlins); s. über ihn H. IMMENKÖTTER: LThK (3.A.) 1, 153f; F.X.THURNHOFER, Bernhard Adelmann von Adelmannsfelden, Humanist und Luthers Freund, in: Erläuterungen und Ergänzungen zu Janssens Geschichte des deutschen Volkes, Bd 2 Heft 1, Freiburg/Br. 1900; J. FISCHER, B. Adelmann von Adelmannsfelden, in: Sammelblatt des Hist. Vereins Eichstätt 6 (1889), 4-15; NDB 1, 60f; A. HÄMMERLE, Die Canoniker des hohen Domstifts zu Augsburg bis z. Säkularisation, Zürich 1935, 1f; M. FINK-LANG, Untersuchungen bes. 257, 273; A. LIER, Der Augsburgische Humanistenkreis mit bes. Berücksichtigung Bernhard Adelmanns von Adelmannsfelden: ZHVS 7 (1880), 68-108; Dokumente zur Causa Lutheri 1 (FABISCH/ISERLOH), 378f A. 19; H. IMMENKÖTTER, Gesch. der Stadt Augsburg, Stuttgart 1985, 391-412.
3. Es handelt sich um Ecks »Obelisci« zu einzelnen Ablaßthesen Luthers, die Adelmann über den Nürnberger Augustiner Wenzeslaus Linck Luther zugespielt hatte, der sie zwischen 05-03-1518 und 23-03-1518 erhielt: s. Dokumente zur Causa Lutheri 1, 378-382. Zu den Umständen der Entstehung der Schrift Ecks s. ebd 378; Text: ebd 401-447.
4. d.h. die Augustiner in Nürnberg und Wittenberg.
5. Am 26-04-1518 war Luthers aufsehenerregender Auftritt auf dem Ordenskapitel der Augustiner in Heidelberg erfolgt: s. MLSA 1, 186 - 218; J.VERCRUYSSE, Die Struktur der Heidelberger Disputation Luthers (1518): LuJ 48 (1981), 7-43; H. SCHEIBLE, Die Universität Heidelberg und Luthers Disputation: ZGO 131 (N.F. 92),1983,309-329; G. SEEBASS, Die Heidelberger Disputation: HdJB 27, 1983, 77-88.
6. 6.Das "private" Antwortschreiben auf Ecks Schrift waren die »Asterisci« (WA 1, 278-314 u. neuerdings Dokumente zur Causa Lutheri 1, 401-447). Luther sandte am 19-05-1518 Briefe an Eck und Wenzeslaus Linck, dem er es überließ, die beigefügten »Asterisci« auch an Eck zu senden oder nicht (WABr 1,183 A.1). Scheurl bemühte sich vergebens um ein Exemplar: »Sie (Luthers Schrift) ging nur in Luthers engstem Kreis, zu dem wohl Wenzel Linck in Nürnberg, nicht aber Scheurl gehörte, von Hand zu Hand« (GRAF, Scheurl 77).
7. »Scheurl hat den Streit zwischen Eck und Luther vorhergesehen und will doch nicht schuld sein an der Feindschaft zwischen beiden«(GRAF, Scheurl 77f).
8. Zu Spalatins Brief s. KNAAKE-SODEN 2, XXX. - Zum mitgeschickten Brief Luthers: XXX
9. S. oben Brief Scheurl an Eck, 05-04-1518, Anm.3.
10. Hieronymus EBNER (1477-1532), erster Losunger und einflußreiches Mitglied des Rates zu Nürnberg während der Reformationszeit; durch Christoph Scheurl für Luther gewonnen, entschied er sich in der Folge für die Reformation und wurde in Nürnberg neben L. Spengler u. Baumgärtner ihr energischester und treuester Förderer (ADB 5, 592f; NDB 4, 264f: W. SCHULTHEISS).
11. Scheurl verweist auf seinen Aufenthalt im Jahre 1517 in Augsburg, wo er wohl mit Eck zusammengetroffen war. Er hat dem Augsburger Bischof Christoph von Stadion brieflich zu dem Vorrecht Dank gesagt, mit ihm gemeinsam in Bologna studiert und täglichen Umgang gepflegt zu haben.
12. Gnadenberg (Mons Gratiae): Kloster des Birgittenordens bei Neumarkt in der Oberpfalz; gegr. 1420. Zuerst nur von Mönchen, seit 1435 auch von Nonnen bewohnt. Anfang des 16. Jhdts lebten dort vor allem Nürnberger Bürgerstöchter. Wer sich hinter dem Namen Fabianus Philadelphensis verbirgt, ist nicht bekannt.