Übersicht Reformationsgeschichte - Übersicht Briefwechsel Eck
Nr. 57

Scheurl an Eck
Nürnberg
15-05-1518

Scheurl-Archiv Fischbach, Cod G, f 37a
SODEN/KNAAKE, Briefbuch 2, 47f, Nr 16
[F 219.R}

Scheurl beteuert seine Freundschaft zu Eck. Auch unter Scheurls Freunden hat Eck besonderes Ansehen. Adelmann hat Ecks >Obelisci« nach Nürnberg gesandt. Luther hat auf dem Heidelberger Ordenskapitel seine Entgegnung mit Erfolg vorgetragen; er will aber trotz der Bitten Scheurls keine Kopie der »Asterisci« zusenden. Scheurl hat den Streit zwischen Luther und Eck vorhergesehen und brieflich in Wittenberg zu vermitteln gesucht. Dort hält man ihn für einen Parteigänger Ecks. Er sendet Briefe Spalatins und Luthers mit der Bitte, Eck möge diskret mit ihnen umgehen. Er vertraut Ecks Augenmaß. Eine Übersetzung der »Apologie« Hochstratens kursiert in Nürnberg: Eck soll sein Urteil abgeben. Hieronymus Ebner bittet um ein Buch über die Buße, das Scheurl Eck geliehen hatte. Empfehlung an den Eichstätter Bischof in Erinnerung an gemeinsame Zeiten. In Gnadenberg hat Scheurl einen gemeinsamen Freund getroffen.


37r) Ad doctorem Johann Ecken.
 
S.

Ego vero, optime vir, nihil minus cogito quam Eckium beneficiis obruere, quem dudum scivi humanitate superari non posse, quin potius tibi quod vitae tuae rationem mihi reddis et importunas amici litteras non modo non gravate suscipis sed et his accurate etiam respondes, ago gratias.

Unum autem imprimis a te peto: seponamus titulos, non utamur pluribus; oblectentur alii verborum lenocinio, sit inter nos etsi tibi longe sim inferior vera charitas, mutuus amor, sincera fraternitas quae fingere nesciat, quae adulari respuat.(1) Quidquid de nobis et officio nostro tibi persuaseris, esto certus non frustra persuasurum. Ego benignitate Dei pluribus et his quidem praestantissimis viris utor familiariter, nullius unquam opinionem frustratus sum. Inter horum primores inclita virtus Eckiana sibi vendicat peculiarem sedem: omnia tibi tribuo, credo, confido, me tibi permitto, haud ignarus causam meam tibi communem esse; nihil minus formido quam a te falli, decipi aut mihi imponi. Unde de his satis.


Venio nunc ad litteras tuas et dudum compertum habui B. Adelmon (2) ad nos misisse quae de Martino extemporaliter sentis. (3) Quo animo Aurelianis (4) id communicatum sit, alii viderint. Ipsi nuper Hedelberg (5) attulere defensiones suas, quas ille ita plausibiliter legit, aliis interpretatur et tam continenter in manibus habet, ut mihi etsi iterum atque iterum rogitanti nondum copia fieri potuerit: audio tamen, quia de his multus sermo est, Martinum propriis telis te confodere et mirum in modum se tueri. (6) Ego illa tamquam ex alta arce olim praevidi, (7) scripsi etsi iniussus pro officio meo ad Wittenburgenses quibus familiaritas nostra notissima est. Propterea, ut etiam antea//(37v) obscure tibi significavi, clamarunt omnes: Tuus Eckius, tuus Eckius! Heu praeceps cogitatio! quam velox iudicium! Quid inter hos sentiat Spalatinus meus, clarum faciet epistola sua, quam una cum litteris Martini mitto (8) ea lege, ut non modo remittas sed et pro non lectis habeas, pari conditione defensionem Martini ut primum licuerit missurus. De qua re etsi aliquantulum dubitavi, arbitratus tamen sum id de prudentia et integritate tua fore diffidere, qui tui ipsius es moderator et arbiter, singula etiam diligenter circumspicis et praecogitas. Age vero quam inique agerem, quam dignus essem omni reprehensione, si me conciliatore (quod Deus avertat) inter vos amicos meos orientur iniuriae, simultates et quae his sunt peiora.

Ceterum audio mercatores nostros circumferre tralatam epistolam Hochstraten ad pontificem et Caesarem (9), sed magis a te expecto iudicium libelli, cui quippe non desunt ex ordine vestro qui vehementer approbent. Interea nostrae reipublicae secundus moderator affinis et amicus amicissimus Jeronimus Ebner (10) multum a me efflagitat libellum de paenitentia quo te donavimus: si commode fieri potest, illi remittas velim, quippe dignus est beneficio tuo.

Circumactus est his diebus annus quum Augustae degi, et episcopo tuo pro iure nostri diuturni condiscipulatus per litteras congratulatus sum (11), etsi nihil responderit forte impeditus in adipiscenda possessione tam nobilis episcopatus. Velim me illi aliquando una cum nostro Ebnero commendarier non vulgariter. Nuper etiam apud Montem Gratiae tuo Fabiano Philadelphiensi conversatus sum (12), quae consuetudo multum me recreavit tum ob hominis eruditionem, dexteritatem, praestantiam, tum quod animadverti eum tibi amicissimum de te integerrime loquentem, quippe de Eckio communi amico multum et diu et familiariter etiam interlocuti sumus et dulce est de amico prospera, honesta, recta nunciari. Familiaritatem cum homine abhinc quadriennio constitutam tua commendatione cupio augeri, te autem valere plurimum et nos amari mutuiter.

Datae Nurnbergae 14. Maii anno 1518.

C.S.doctor.

An Doktor Johannes Eck.
Gruß!

Ich glaube nichts weniger, mein Bester, als daß jemand Eck an Wohltaten übertreffen kann, denn keiner ist, wie ich längst weiß, menschlicher als er. Für Dich gilt das um so mehr, als Du mir über Dein Leben Rechenschaft gibst und die ungelegen eintreffenden Briefe des Freundes nicht nur nicht ärgerlich entgegennimmst, sondern sie sogar genauestens beantwortest. Dafür danke ich Dir!

Um das eine bitte ich Dich aber besonders: laß uns auf Titulaturen verzichten und uns nicht mehrerer davon bedienen. Mögen andere sich am Reiz von Worten ergötzen: unter uns herrsche - wenn ich Dir auch weit unterlegen bin - wahre Liebe, gegenseitige Zuneigung, ernstgemeinte Brüderlichkeit, die nicht täuschen kann und es verwirft zu schmeicheln. Alles, was Du von mir und meiner Amtsstellung erhoffst, sei gewiß, daß es nicht vergebens sein wird. Ich bin durch Gottes Wohlwollen mit mehreren, auch bedeutenden Männern in vertrautem Kontakt; keiner hat mich enttäuscht. Unter den Bedeutenderen von ihnen hat Eck aufgrund seiner Persönlichkeit einen besonderen Rang; alles biete ich Dir an, glaube ich Dir, vertraue ich, gebe mich Dir, wohl wissend, daß unsere Sache eine gemeinsame ist; nichts fürchte ich weniger als von Dir getäuscht, hintergangen oder hinters Licht geführt zu werden. Daher genug davon!

Ich komme nun zu Deinem Brief: schon früher habe ich erfahren, daß BERNHARD ADELMANN uns mitgeteilt hat, was Du über MARTIN [LUTHER] aus dem Stegreif für eine Meinung geäußert hast. Wie das auf die hiesigen Augustiner gewirkt hat, sollen andere beurteilen. Diese haben selbst neulich in Heidelberg seine »Asterisci« unterstützt, die er unter Beifall vortrug, den anderen auslegte und so fest in den Händen behält, daß es mir trotz inständigen Bittens nicht gelang, eine Kopie davon zu bekommen. Ich höre jedoch, weil darüber viel geredet wird, daß MARTIN [LUTHER] Dich mit »eigenen Geschossen durchbohrt« und sich wunderbar verteidigt hat. Ich habe dies gleichsam von hoher Warte aus vorhergesehen und aus eigenem Antrieb von Amts wegen an die Wittenberger geschrieben, denen unser vertrauter Umgang bekannt ist. Deshalb schrien alle, wie ich Dir schon vorher dunkel angedeutet habe: »Ja, ja, Dein Eck, Dein Eck!« O, welch ein voreiliger Gedanke, welches vorschnelle Urteil! Was unter ihnen mein SPALATIN denkt, wird sein Brief verdeutlichen, den ich Dir zusammen mit demjenigen MARTINS zusende mit der Auflage, ihn nicht nur zurückzusenden, sondern ihn auch als ungelesen zu betrachten, in gleicher Weise auch MARTINS Verteidigung, sobald es möglich ist, sie Dir zu schicken. Obgleich ich ein wenig daran gezweifelt habe, so glaube ich doch, daß das an Deiner Klugheit und Integrität zweifeln hieße, der Du doch Dein eigener Lenker und Schiedsrichter bist, auch das Detail sorgfältig bedenkst und erwägst. Handle also, da ich ungehalten reagieren würde und allen Tadels würdig wäre, wenn durch meine Versöhnungsversuche (was Gott verhindern möge) unter Euch, meinen Freunden, Streit, Spannungen und Schlimmeres entstehen würde.

Weiterhin höre ich, daß unsere Buchhändler die Übersetzung des Briefes HOCHSTRATENS an Papst und Kaiser mit sich führen; von Dir jedoch erwarte ich eher ein Urteil über das Büchlein, wenn auch aus Deinem Theologenstand es nicht an solchen mangelt, die ihm leidenschaftlichen Beifall zollen. Inzwischen verlangt der Zweite Richter Nürnbergs, zugleich mein Verwandter und lieber Freund, HIERONYMUS EBNER, heftig nach dem Büchlein über die Buße, womit wir Dich beschenkt haben: sollte es möglich sein, sende es ihm zurück, er verdient Deine Wohltat.

In diesen Tagen ist es ein Jahr her, daß ich ein Jahr in Augsburg verbrachte, und ich habe aufgrund meiner einstigen täglichen Studiengemeinschaft mit Deinem Bischof CHRISTOPH VON STADION diesem brieflich gratuliert, wenn er auch nicht geantwortet hat, gehindert wohl von der Inbesitznahme eines so vornehmen Bistums. Gern würde ich mich zusammen mit unserem Freund EBNER einmal ausdrücklich empfehlen. Neulich habe ich im Kloster Gnadenberg mit Deinem Freund FABIANUS PHILADELPHIENSIS gesprochen; das hat mich sehr erquickt wegen seiner Gelehrsamkeit, Geradheit, Vortrefflichkeit, aber auch weil ich merkte, wie freundschaftlich und integer er von Dir sprach, denn wir sprachen über unseren gemeinsamen Freund Eck viel und lange und vertraut; süß ist es, über einen Freund Gutes, Ehrenvolles und Rechtes zu erfahren. Die Vertrautheit mit ihm, die nunmehr vier Jahre andauert, möchte ich mit Deiner Empfehlung vermehren; besonders aber wünsche ich Dein Wohl und daß unsere gegenseitige Liebe weiter besteht.

Gegeben zu Nürnberg, 14. Mai im Jahr 1518.

C.S. Doktor.



1. Zur Beurteilung der zahlreichen Freundschaftsbeteuerungen Scheurls, der den einen als "Freundschaftsenthusiast", anderen jedoch als ein "Allerweltsfreund" galt, s. GRAF, Scheurl 50, 77, 86.

2. Bernhard ADELMANN VON ADELMANNSFELDEN (1459-1523), Humanist, Vetter des Eichstätter Bischofs Gabriel von Eyb, Domherr in Eichstätt und Augsburg (1486 bzw. 1498); Studien in Heidelberg, Basel und Tübingen (hier Schüler Reuchlins); s. über ihn H. IMMENKÖTTER: LThK (3.A.) 1, 153f; F.X.THURNHOFER, Bernhard Adelmann von Adelmannsfelden, Humanist und Luthers Freund, in: Erläuterungen und Ergänzungen zu Janssens Geschichte des deutschen Volkes, Bd 2 Heft 1, Freiburg/Br. 1900; J. FISCHER, B. Adelmann von Adelmannsfelden, in: Sammelblatt des Hist. Vereins Eichstätt 6 (1889), 4-15; NDB 1, 60f; A. HÄMMERLE, Die Canoniker des hohen Domstifts zu Augsburg bis z. Säkularisation, Zürich 1935, 1f; M. FINK-LANG, Untersuchungen bes. 257, 273; A. LIER, Der Augsburgische Humanistenkreis mit bes. Berücksichtigung Bernhard Adelmanns von Adelmannsfelden: ZHVS 7 (1880), 68-108; Dokumente zur Causa Lutheri 1 (FABISCH/ISERLOH), 378f A. 19; H. IMMENKÖTTER, Gesch. der Stadt Augsburg, Stuttgart 1985, 391-412.

3. Es handelt sich um Ecks »Obelisci« zu einzelnen Ablaßthesen Luthers, die Adelmann über den Nürnberger Augustiner Wenzeslaus Linck Luther zugespielt hatte, der sie zwischen 05-03-1518 und 23-03-1518 erhielt: s. Dokumente zur Causa Lutheri 1, 378-382. Zu den Umständen der Entstehung der Schrift Ecks s. ebd 378; Text: ebd 401-447.

4. d.h. die Augustiner in Nürnberg und Wittenberg.

5. Am 26-04-1518 war Luthers aufsehenerregender Auftritt auf dem Ordenskapitel der Augustiner in Heidelberg erfolgt: s. MLSA 1, 186 - 218; J.VERCRUYSSE, Die Struktur der Heidelberger Disputation Luthers (1518): LuJ 48 (1981), 7-43; H. SCHEIBLE, Die Universität Heidelberg und Luthers Disputation: ZGO 131 (N.F. 92),1983,309-329; G. SEEBASS, Die Heidelberger Disputation: HdJB 27, 1983, 77-88.

6. 6.Das "private" Antwortschreiben auf Ecks Schrift waren die »Asterisci« (WA 1, 278-314 u. neuerdings Dokumente zur Causa Lutheri 1, 401-447). Luther sandte am 19-05-1518 Briefe an Eck und Wenzeslaus Linck, dem er es überließ, die beigefügten »Asterisci« auch an Eck zu senden oder nicht (WABr 1,183 A.1). Scheurl bemühte sich vergebens um ein Exemplar: »Sie (Luthers Schrift) ging nur in Luthers engstem Kreis, zu dem wohl Wenzel Linck in Nürnberg, nicht aber Scheurl gehörte, von Hand zu Hand« (GRAF, Scheurl 77).

7. »Scheurl hat den Streit zwischen Eck und Luther vorhergesehen und will doch nicht schuld sein an der Feindschaft zwischen beiden«(GRAF, Scheurl 77f).

8. Zu Spalatins Brief s. KNAAKE-SODEN 2, XXX. - Zum mitgeschickten Brief Luthers: XXX

9. S. oben Brief Scheurl an Eck, 05-04-1518, Anm.3.

10. Hieronymus EBNER (1477-1532), erster Losunger und einflußreiches Mitglied des Rates zu Nürnberg während der Reformationszeit; durch Christoph Scheurl für Luther gewonnen, entschied er sich in der Folge für die Reformation und wurde in Nürnberg neben L. Spengler u. Baumgärtner ihr energischester und treuester Förderer (ADB 5, 592f; NDB 4, 264f: W. SCHULTHEISS).

11. Scheurl verweist auf seinen Aufenthalt im Jahre 1517 in Augsburg, wo er wohl mit Eck zusammengetroffen war. Er hat dem Augsburger Bischof Christoph von Stadion brieflich zu dem Vorrecht Dank gesagt, mit ihm gemeinsam in Bologna studiert und täglichen Umgang gepflegt zu haben.

12. Gnadenberg (Mons Gratiae): Kloster des Birgittenordens bei Neumarkt in der Oberpfalz; gegr. 1420. Zuerst nur von Mönchen, seit 1435 auch von Nonnen bewohnt. Anfang des 16. Jhdts lebten dort vor allem Nürnberger Bürgerstöchter. Wer sich hinter dem Namen Fabianus Philadelphensis verbirgt, ist nicht bekannt.