Übersicht Reformationsgeschichte - Übersicht Briefwechsel Eck

Nr. 62

Karlstadt an Eck

Wittenberg
28-08-1518



LÖSCHER, Reformationsacta 2, 108-111

Nicht so sehr für sich selbst als um der Universität Wittenberg willen, die Eck angegriffen habe, will Karlstadt seine Ehre verteidigen und Ecks üble Beschimpfungen scharf zurückweisen. Es geht dabei mehr um die Wahrheit als um ihn selbst. Nicht Eck persönlich will er angreifen als den Feind der göttlichen Wahrheit. Er will mit Gottes Hilfe darlegen, wie Eck ihm anhand der in der »Defensio« vertretenen Thesen vielfach Unrecht angetan und Zitate aus der Heiligen Schrift zur Stützung dieser Thesen in unpassender Weise verwendet habe. Am Ende der Kontroverse soll allein die Heilige Schrift Schiedsrichter sein. Ein "gerechter Krieg" im Sinne der Väter ist für K. hier einem falschen Frieden vorzuziehen.




Eximio Domino Eckio Carolostadius S.

Non mihi, doctissime D. Ecki, licet in hoc gymnasio, (1) in quod me obiurgatiunculis atque aculeis diligenter tractare videris, honorem meum adeo defendere aut maledicta tua, quibus tumes, tam acriter refellere, ut me partes meas potius quam veritatis tutari, quivis decernere queat.

Cum profecto nec te secius sim aggressus, quam divinae reluctantem veritati velitem.

Idcirco quoad fieri potest, haec sacra quae aliter non constant, tuis histricosis propositionibus (2), ita Dei ope impingere statui, ut simul intelligeres, mihi decem iniurias pro uno modo si quam ingessi, te intulisse, et testimonia scripturarum incongrua tuis sententiis coaptasse. (3)

Deinde cum ambo lassati, arbitros electuri, pilam petierimus, ipsa sententia secundum Canonicam scripturam prolata nos pacabit. (4)

Ne putes ea magnifacienda scandala (ut ais), quibus veritas maliciam omnem vincit, bellum sit propter pacem, neque sinamus falsam adimere pacem, (5) quae iusto patrum bello.(6)  Conservata sunt, veritatem non odia sectemur.

Vale foeliciter et quem tibi adversarium facis, pro iaculis, dilige.

Data Vvittenbergae XXVIII. Augusti, Anno D.XVIII.

Dem berühmten Herrn Eck sagt Karlstadt seinen Gruß!

Nicht um meinetwegen geschah es, sehr gelehrter Eck, wenngleich Du mich an dieser Hochschule mit Tadeln und Sticheleien herumschlagen, ja vielmehr meine Ehre verteidigen und Deine Schimpfworte, mit denen Du Dich aufblähst, so scharf zurückweisen siehst, um mich und die Meinen um der Wahrheit willen zu verteidigen, wer auch immer darüber entscheiden kann.

Dessen ungeachtet greife ich nicht Dich an; vielmehr will ich den Feind der göttlichen Wahrheit bekämpfen.

Deshalb habe ich beschlossen, diese göttliche Wahrheit, die anders nicht aufrecht erhalten werden kann, soweit es in meinen Kräften steht, gegen Deine geschauspielert vorgetragenen Thesen mit Gottes Hilfe Dir aufzuzwingen, damit Du gleichzeitig erkennst, daß Du mir zehn unwahre Vorwürfe gemacht hast gegenüber nur einem von meiner Seite, wenn ich überhaupt einen vorgebracht habe, und daß Du in Deinen Thesen gänzlich unpassende Schriftbeweise verwendet hast.

Jedoch: wenn wir beide matt geworden und Schiedsrichter bestellt worden sind, werden wir »den Ball« schon »fangen« und wird uns die Meinung, die allein sich auf die Heilige Schrift berufen kann, uns den ersehnten Frieden verschaffen.

Glaube nicht, daß dieser »Skandal« (wie Du es nennst), durch den die Wahrheit alles Übel besiegt, größer werden muß, wenn statt Frieden Krieg darüber ausbricht, und laß uns nicht einen »falschen Frieden« schließen, statt den »gerechten Krieg« der Väter zu führen. Der »Skandal« wird aufrecht erhalten; laß uns der Wahrheit nachjagen, nicht dem Haß!

Leb wohl und liebe den, den Du Dir zum Feind machst, statt Wurfspieße nach ihm zu werfen.

Gegeben zu Wittenberg, am 28. August 1518.



1. Die Universität Wittenberg. - Zum vorliegenden Brief vgl. BARGE, Karlstadt 1, 128ff. - Der Brief ist das Geleitwort Karlstadts zu seiner Schrift »Defensio Andreae Carolstadii adversus eximii D. Eckii Theologiae Doctoris et ordinarii Ingolstadiensis Monomachiam...Patitur Carolostadius non modo sedis Apostolicae studiique Romani in Italia, Parisiensis in Gallia aut Coloniensis in Germania iudicium, sed etiam singulorum et omnium. qui dialogos adversus Pelagii, Hieronymi atque Augustini de peccatorum meritis...libros caeterorumque Ecclesiasticorum...volumina, non ex cauda, sed ab exordio ad finem usque assumtae materiae et legerunt et intellexerunt.« Wittenberg, Joh. Grunenberg, 1518 (FREYS-BARGE Nr. 10 u.11). Gewidmet an Propst Henning Göde (gest.21-01-1521) u. Dechant Lorenz Schlamau am Allerheiligenstift zu Wittenberg. Text bei LÖSCHER 2, 108-170. Dt. WALCH 18, 704 - 796. Dieses war K's Gegenschrift auf Ecks »Defensio Joannis Eckii contra amarulentas D. Andreae Bodenstein Carolstadini invectiones« (Augsburg 1518: CCath 1. Eck folgte mit der Schrift Luthers Bemerkung: da er (Eck) nicht mit Ehren (gegen K's Angriff) stillschweigen könne, möge er ihm doch ganz glimpflich antworten: »Dominus Martinus Luther, divi Augustini sacerdos, pro quo D. Bodenstein hanc monomachiam suscepit, in proximis litteris perhumaniter ad me datis ingenue fatetur, se non videre quanam ratione honeste tacere queam, nec nostrum protinus nomen purgare, quamvis consulto et prudenter me roget, ut modestissime D. Bodenstein respondeam, cui equidem haud gravatim, ut modo praefatus sum obtemperabo, non eo dumtaxat, quod ipse iusserit.« (CCath 1). Vgl. Luther an Scheurl, 15-06-1518: WABr 1. Eck hatte seinen Gegner aufgefordert, den Streit vor den päpstlichen Stuhl zu bringen oder in Rom, Paris oder Köln zu disputieren (Cath 1).

2. D.h. Ecks »Defensio«.

3. D.h. Ecks "unpassende" Schriftzeugnisse.

4. K. fordert wie Luther ausschließlich Argumente aus der kanonischen Heiligen Schrift.

5. Vgl. o. Brief 11-06-1518, Anm. 11.

6. Vgl. Ri 4-8; THOMAS VON AQUIN, STh II-II q. 40.