Übersicht Reformationsgeschichte - Übersicht Briefwechsel Eck
Nr. 65

Eck an Cuspinian

Ingolstadt
13-10-1518

Wien, Gräflich-Harrachsches Familienarch. Abt. Historica (Autogr.)
H. ANKWICZ-KLEEHOVEN,  Briefwechsel 84f, Nr 38; ANKWICZ: MIÖG 37 (1916) 73f; OBERMEIER, Ing Heimat.

Cuspinian möge Ecks "philosophisches Schweigen" verzeihen; er gedenke seiner gern und erwähne seinen Namen bei jeder Gelegenheit. Jetzt will er sein Schweigen brechen, da die Wittenberger Theologen ihre Federn gegen ihn, Eck, gespitzt haben, und zwar "grundlos". Er habe als Antwort eine »Defensio« verfaßt, die er dem Urteil der Gebildeten und Gelehrten überlasse. Er lobt Luthers Kritik an zweifellos vorhandenen Mißbräuchen des Ablasses, mißbilligt jedoch Luthers Verständnis des Bußsakramentes, das der Lehre der Kirchenväter widerspreche. Eck empfiehlt den Überbringer des Briefes, M. Georg Frölich

S. cum parata obsequiorum oblatione.

Quod iam diu nullas meas acceperis literas, integerrime Joannes, noli arbitrari Eckium ob hoc pythagoricum silentium(1) beneficiorum immemorem, cuius non parva voluptas est honorificam tui facere mentionem, quoties se occasio obtulerit; offert autem se sepissime, cum inter doctos versor. Volui tamen iam data oportunitate rumpere silentium et te literis meis salutare, humanissime Cuspiniane, quamvis nihil sciam, quod tua praestantia sit dignum.

Verum ut me gratum ostenderem, volui scribere omnino, etiam si nihil sit scribendum.

Hoc tamen te non lateat, mi praefecte, Vvittenbergios absque causa stilum in me nichil mali suspicantem acuisse. (2) Quibus extemporaria quadam defensione occurri, quamvis prius explorata fuerit mihi plurium theologorum sententia: (3) quantum effecerim, iudicent boni et docti et in quorum sententiam et decisionem obtuli, quamvis ipse non negem maximos esse indulgentiarum abusus. Quare in his Luther laudo, a quibus a vulgo laudatur. (4) Verum quod de poenitentia sacramento astruit, sanctorum patrum secutus sententiam infitior penitus ac nego. (5)

Caeterum M. Georgius Frölich Vvassenburgius, (6) qui has tibi obtulit literas, egregie est institutus in legali prudentia et ob maiorem practicam vos accessit; rogo plurimum, sentiat meam commendationem quod te non esse vulgarem. Vale autem in domino et optime vale, excellentissime praefecte, una cum pudicissima coniuge tua, quam et salvere opto.

Ex Ingolstadio XIII. Octobris anno gratiae M.D.XVIII.

Tibi a pedibus
Eckius.

(In dorso:) Honoratissimo domino Joanni Cuspiniano caesareae maiestatis consiliario ac senatus urbis Viennensis praefecto, (7) domino suo observando. Viennae Austriae.


Gruß und Dienstbarkeit zuvor!

Weil Du so lange keinen Brief von mir erhalten hast, treuester Johannes, meine nicht, daß ich wegen dieses »pythagoreischen Schweigens« nicht mehr an Deine Wohltaten denke, deren ehrenvoll sich zu erinnern ich keine geringe Lust verspüre, sobald sich eine Gelegenheit dazu ergibt. Sie ergibt sich aber sehr oft, da ich unter Gelehrten weile. Ich wollte aber, da schon eine Gelegenheit gegeben ist, mein Schweigen brechen und Dich mit meinem Brief grüßen, bester Cuspinian, obgleich ich nichts Deiner Bedeutung Würdiges zu sagen weiß.

Um mich aber dankbar zu erweisen, wollte ich Dir überhaupt schreiben, auch wenn es nichts zum schreiben gibt.

Das aber, mein Präfekt, soll Dir nicht verborgen bleiben: die Wittenberger haben ohne Grund gegen mich Ahnungslosen die Feder gespitzt. Ich trat ihnen mit einer »Defensio« aus dem Stegreif entgegen, obgleich ich vorher die Meinung mehrerer Theologen eingeholt hatte. Wieviel ich zusammentrug, zeigt die Reihe dieser Männer, deren Meinung und Entscheidung ich mich anschloß, wenn ich selbst auch nicht leugne, daß es sehr große Mißbräuche beim Ablaß gibt. Deshalb lobe ich Luther in diesen Dingen, deretwegen er allgemein gelobt wird. Was er aber über das Sakrament der Buße behauptet, leugne und bestreite ich im Gefolge der Lehre der Kirchenväter ganz entschieden.

Weiterhin: Magister GEORG FRÖLICH aus Weißenburg, der Dir diesen Brief überbrachte, ist hervorragend in der Rechtswissenschaft ausgebildet und kommt zu Euch, um mehr Praxis zu erlangen. Ich bitte sehr: er soll merken, daß meine Empfehlung Dir gegenüber keine gewöhnliche ist.

Leb wohl im Herrn, und beste Wünsche, großer Präfekt; ebenso Deiner züchtigen Gattin, die ich auch zu grüßen bitte.

Aus Ingolstadt, am 13. Oktober im Jahr der Gnade 1518.

Dir zu Füßen
Eck

Dem hochgeehrten Herrn Johannes Cuspinian, kaiserlicher Rat und Präfekt des Wiener Senats, seinem Gehorsam verdienenden Herrn in Wien, Österreich.



Dem hochgeehrten Herrn Johannes Cuspinian, kaiserlicher Rat und Präfekt des Wiener Senats, seinem Gehorsam verdienenden Herrn in Wien, Österreich.

1. "Muße; die scheinbare Untätigkeit der Philosophen".

2. Gemeint ist Karlstadts literarischer Angriff auf Eck: vgl. oben Brief 28-05-1518, Anm.5.

3. Ecks eigene »Defensio«: vgl. oben Brief 28-08-1518, Anm.1.

4. Vgl. auch Eck in seiner »Expurgatio«: Dokumente zur Causa Lutheri 2, 304f.

5. Vgl. LUTHER, Sermo de poenitentia: WA 1, 317-324. Im November 1522 veröffentlichte Eck eine Gegenschrift: »De poenitentia et confessione secreta semper in Ecclesia Dei observata, contra Lutherum libri duo« = METZLER Nr. 42.

6. M. Georg Frölich, Professor des Rechts.

7. Johannes CUSPINIAN (Spießhaymer), geb. 1473 Schweinfurt, gest. 19-04-1529 Wien. Diplomat und Gelehrter. 1500 Rektor der Universität Wien und 1508 Celtis` Nachfolger als Professor, wurde von Kaiser Maximilians I. zu diplomatischen Sendungen verwendet (vgl. sein Tagebuch in den »Fontes rerum Austriacarum« 1, 1849) und 1515 zum Vorsitzenden seines Geheimen Rates ernannt. Daneben betrieb C. humanistische und geschichtliche Studien, gab Klassiker und mittelalterliche Schriftsteller heraus und schrieb das Geschichtswerk »De Caesaribus atque Imperatoribus Romanis opus insigne« (hg. von Gerbel 1540, dt. 1541).Eck lernte C. anläßlich der Wiener Disputation 1516 kennen und blieb mit ihm befreundet; vgl. R. BÄUMER: LThK 3 (2.A.), 111 sowie LThK 2 (3.A.), 1362 u. oben Brief Ecks an Vadian 09-11-1516; NDB 2, 450ff.