Übersicht Reformationsgeschichte - Übersicht Briefwechsel Eck
Nr. 74

Luther an Eck

Wittenberg
18-02-1519


Nürnberg StB, Pirckheimerpapiere Nr 406, p 1, Nr 1
WA Br 1, 340, Nr 149; ENDERS 5,6

Luther bedauert, daß sich Eck als heuchlerischer Freund erwiesen hat, indem er die 12 Thesen für die Leipziger Disputation gegen Karlstadt veröffentlichte. Eck ist blind vor Haß und Ruhmsucht. Wenn er jetzt überall als Possenreißer und Sophist verschrien ist, so hat er dies seiner eigenen Unbesonnenheit zuzuschreiben, nicht ihm (Luther). Er selbst hat seine eigenen »Asterisci« zunächst zurückgehalten und auch Karlstadt gedrängt, sich mit Eck zu versöhnen. Eck soll einen Termin für die Disputation festlegen und ihm davon Mitteilung machen.



Martinus Luther Augustinianus Wittenpergensis eruditissimo theologo Ioanni Eccio, Ingolstadensis studii procancellario, suo in Christo maiori.

Salutem et a seducendo Christiano populo aliquando quiescere!

Doleo ego, mi Ecci, inveniri tandem simulatam tuam in me amicitiam tam manifestis argumentis (1). Gloriam Dei, veritatem, animarum salutem, fidei incrementum te iactas quaerere, et de indulgentiis, remissionibus veritatis, fidei, salutis et gloriae Dei, doces. Adeo obtusum caput et nebulosum habes cerebrum, ut iuxta Apostolum neque intelligas, quid loquaris, neque, de quo affirmes, (2) et, ut tua logica utar, neque praedicatum de subiecto enunciare nosti. In hanc caecitatem aut odium mei aut studium gloriae te protrusit.

Proinde quod nugator et sophista nunc per orbem vocitaris, tuae temeritati imputabis, non mihi, qui adeo tui studiosus fui, ut primum asteriscos meos in gratiam tui supprimerem(3) et Carolostadio reconcialiare studerem. (4) Tu ut gratiarum misces hec omnia pulchre rependes et de poenitentia cum Carolostadio disputaturus de indulgentiis, id est remissionibus poenitentiae, et omnino contraria re in me insanis. (5) Tu, cuius viri sit ista moliri, cogitabis.

Ceterum volo, ut diem praefigas disputationi aut significes, si me voles praefigere. (6) Caetera in disputatione.

Vale
Wittempergae XVIII. Februarii 1519.


Martin Luther, Augustiner zu Wittenberg, an den gelehrten Theologen Johannes Eck, Prokanzler der Universität Ingolstadt, seinem Freund in Christus.

Sei gegrüßt und höre damit auf, jemals die Christenheit zu spalten!

Es schmerzt mich, mein Eck, am Ende aufgrund so handgreiflicher Beweise feststellen zu müssen, daß Deine Freundschaft mit mir nur gespielt war. Du brüstest Dich, nach Gottes Ruhm, nach der Wahrheit, dem Heil der Seelen und dem Wachstum des Glaubens zu streben und belehrst mich über den Ablaß und Nachlaß statt über die Wahrheit, den Glauben, das Heil und Gottes Ruhm! Du hast einen so abgestumpften und nebulösen Kopf, daß Du, gemäß dem Apostel, nicht verstehst, was Du sprichst noch worüber Du Behauptungen aufstellst, und vermagst, um Deine Logik zu benutzen, nicht Prädikat und Subjekt zu unterscheiden. Zu solcher Blindheit oder Haß auf meine Person oder auch Ruhmsucht hat es Dich fortgerissen!

Daß Du folglich nun in aller Welt als Kleinigkeitskrämer und Sophist verschrien bist, solltest Du Deiner Unüberlegtheit, nicht mir, zuschreiben, der ich bis jetzt Dir so zugetan war, daß ich zunächst meine »Asterisci« Dir zum Gefallen zurückhielt und mich bemühte, KARLSTADT wieder mit Dir auszusöhnen. Du aber, um alles durcheinanderzubringen, vergiltst das listig durch Deine geplante Disputation mit KARLSTADT über die Buße, das heißt in Deinem Fall über die Ablässe, das heißt den Erlaß von Buße, und so wütest Du überhaupt gegen meine Person, indem Du das gerade Gegenteil von dem behauptest, was ich denke. Wessen Sache es eigentlich ist, dieses Problem anzupacken, erwäge es wohl!

Im übrigen möchte ich, daß Du den Tag der Disputation vorschlägst oder mir mitteilst, falls ich das übernehmen soll. Das übrige überlassen wir dem Verlauf der Disputation!

Lebe wohl!
Wittenberg, 18. Februar 1519.



1. Durch die Veröffentlichung der 12 Thesen Ecks gegen Karlstadt (bzw. Luther selbst): S. o. Brief 29-12-1518 und WIEDEMANN 87 mit Anm. 34. Dazu Ecks Entgegnung: WABr 1, 321, 86ff.

2. Vgl. 1 Tim 1, 7.

3. S. Brief 14-05-1518, Anm.6; Brief 19-05-1518. Anm.1: Luther an Egranus, 24-03-1518.

4. Vgl. Brief 15-11-1518, Anm.5.

5. Vgl. Dokumente zur Causa Lutheri 2, 251ff.

6. Vgl. Brief 15-11-1518, Anm.4.