Übersicht Reformationsgeschichte - Übersicht Briefwechsel Eck
Nr. 81

Eck an Andreas Henlein, Weihbischof von Bamberg

Ingolstadt
27-03-1519


Widmung Ecks zu: ECK, Ad D. Pauli Ritii Israelitae de anima coeli examina. Augsburg, s.l.a. = S. Grimm, 1519 = METZLER Nr. 21
Vgl. EGLI, Zwingliana 2: Zwei Editionen.

Eck, der selbst Aristoteleskommentare herausgegeben hat - der Kommentar zum 2. Teil der »Physik« sei gerade im Druck - ,hat in Augsburg anläßlich einer Begegnung mit dem Salzburger Kardinal Lang eine gegen ihn gerichtete Druckschrift seines Freundes Paulus Ritius über die Beseeltheit des Sternenhimmels gesehen. In dieser Schrift hat ihm Ritius gleich zu Beginn bittere Vorwürfe gemacht. Da Ritius ein ehrenwerter und gelehrter Mann ist und auch wegen ihrer Freundschaft habe er trotz ihrer Divergenzen in der Sache nicht gegen ihn schreiben wollen. Eck sei in seinem Kommentar ausführlich genug auf die Streitpunkte eingegangen. Er will daher in seinen Anmerkungen jetzt nicht allzu ausführlich werden, sondern nur die Heilige Schrift bemühen, die Ritius zum Thema überstrapaziert habe, und sie in der Tradition der Väter auslegen. Eck bittet Weihbischof Henlein, der bereits jüngst bei der Disputation Ecks mit Ritius über diesen Streitpunkt in Ingolstadt dabeigewesen sei, gelegentlich den Philosophen und Theologen Ecks Standpunkt mitzuteilen.



Reverendo Patri d. Andreae Episcopo in pontificalibus reverendissimi Episcopi Bambergensis Vicario (1) Eckius S.D.

Post commentarios dialectices et physice auscultationis absolutos, (2) Reverende Pater, dum iam sub praelo essent commentarij in secundam partem physices, (3) ultra umbilicum etiam ducti, vidi Auguste, dum Reverendissimum Cardinalem Gurcensem adirem, (4) excusum amici nostri d. Pauli Ricij »de anima coeli compendium« adversus me exaratum, (5) ubi in ipso vestibulo amariuscule me taxat: quod suae sententiae repugnaram plus etiam aceti addens quam amicicia nostra merebatur.

At quia vir est bonus ac honestus et non vulgaris eruditionis sive in arena sua medica aut in philosophia, etsi vis etiam Theologia, (6) versetur nolui calamum contra eum exasperare, verum salva amicicia, liceat nobis hoc loco de anima coeli dissentire, cum illam opinionem ita mordicus teneat quod quam recte faciat bonus et eruditus vir dijudicet.

sed cum in commentariis nostris satis super quam hoc saxum volverim, nolo in conclusionibus esse prolixior, sed notulis quibusdam examina Ritij examinabo (7) et rationibus minime nervosis satisfaciam ac autoritates sacre scripture (quas amicus noster D. Ritius ad animam coeli torquet) iuxta sanctorum patrum traditionem interpretabor.

Cum autem tu, Reverende Praesul, nostre disputationi affueris: (8) Volui, ut per te Philosophi et Theologi sententiam nostram obiter percipiant et sciant coelum non esse animatum, ne irrationales Augustini iudicio dici velint.(9)

Vale et salve in Domino.


Dem ehrwürdigen Vater Andreas Henlein, Weihbischof und Generalvikar des hochwürdigsten Bischofs von Bamberg
entbietet Eck seinen Gruß

Nach Abschluß der Kommentare meiner Forschungen zur Logik und Physik, ehrwürdiger Vater, sah ich, während die Kommentare zum zweiten Teil der Physik bereits unter der Presse waren und auch schon mehr als die Hälfte fertiggedruckt war, anläßlich meines Besuches beim hochwürdigsten Kardinal von Gurk in Augsburg ein gedrucktes Kompendium unseres PAULUS RITIUS mit dem Titel »Die Seele des Himmels«. Diese Schrift war gegen mich gerichtet, und er greift mich gleich zu Beginn heftig an, weil ich seinen Ansichten widersprochen hatte. Dabei hat er mehr Schärfe darauf verwandt, als unsere Freundschaft verdiente.

Da er aber ein gutgesinnter und ehrenhafter Mann ist, er nicht gewöhnliche Bildung in seinem medizinischen Fach besitzt und er auch in der Philosophie und - wenn man will - in der Theologie beschlagen ist, wollte ich nicht die Feder gegen ihn spitzen, sondern dulden, daß wir im Punkt der Beseeltheit des Himmels verschiedener Ansicht sind, obgleich er jene Meinung so scharfzüngig aufrecht erhielt, wie es ein gutgesinnter Mann niemals mit Berechtigung tun oder ein belesener entscheiden dürfte.

Da ich aber in meinen Kommentaren detailliert genug dieses Problem gewälzt habe, will ich in meinen Konklusionen nicht ausführlicher werden, sondern mit kleinen Randbemerkungen das »Examen« des RITIUS meinerseits »examinieren« und die Sache dabei nicht mit allzu gewaltsamen Argumenten angehen. Dabei werde ich die Autoritäten der Heiligen Schrift (die unser Freund RITIUS im Hinblick auf die Beseeltheit des Himmels verdreht) im Anschluß an die Überlieferung der Kirchenväter interpretieren.

Da Ihr, ehrwürdiger Bischof, bei unserer Disputation anwesend wart, möchte ich, daß, durch Euch die Philosophen und Theologen meine Position gelegentlich zur Kenntnis nehmen und akzeptieren, daß der Himmel nicht beseelt ist, wenn sie nicht nach dem Urteil des AUGUSTINUS »vernunftlos« genannt werden wollen.

Lebt wohl, und seid im Herrn gegrüßt!



1. Dr. Andreas HENLEIN aus Kronach, Benediktiner (Kloster Theis); Professor und 1517 Prorektor in Ingolstadt, seit 03-09-1517 Weihbischof und Pfarrer von St. Martin in Bamberg, Generalvikar. Gest. 1542. S. KIST Nr. 2618.

2. Eck hatte bereits Aristoteleskommentare herausgegeben: »Aristotelis Stragyrite dialectica...a Ioanne Eckio theologo facili explanatione declarata, adnotationibus compendiariis illustrata ac scholastico exercitio explicata«...Augsburg, Miller, V. Cal. Maias 1517 (METZLER Nr.10); »Aristotelis Stagyritae acroases physicae libri VIII...adiectis Ioan. Eckii adnotationibus et commentariis.« Augsburg, S.Grimm u. M. Wirsung, Juni 1518 (METZLER Nr.16).

3. METZLER Nr.22 u.34; s.u.Brief 05-04-1519.

4. S.o.Brief 29-12-1518, Anm.2.

5. Zu Paulus Ritius s. WIEDEMANN, Eck 335-344 (»Eck und Paulus Ritius«). R. studierte und dozierte als jüdischer Konvertit in Pavia. 1514 wirkte er als Arzt in Nürnberg und Salzburg und wurde im gleichen Jahr Leibarzt Kaiser Maximilians I. Erasmus rühmte in einem Brief an Richard Bartolinus R.`s Ruf als Philosoph und Theologe (10-03-1516: »Paulus Ritius sic me proximo colloquio rapuit, ut mira quaedam me sitis habeat, cum homine saepius ac familiarius conferendi sermonem; praeter hebraeae linguae peritiam, quantum ille tenet philosophiae! quantum Theologiae! tumquae animi puritas, qui discendi ardor, qui docendi candor, quae disputandi modestia! mihi sane vir ille primo statim gustu placuit olim Papiae, cum illic philosophiam profiteretur. Nunc proprius intuito magis etiam placet. Is demum vere mihi videtur Israelitam agere, suoque cognomine pulchre respondere; cuius omnis voluntas, omnis cura, omne otium ac negotium, in divinis est literis. Dignus est nimirum animus, cui otium contingat quam maxime honorificum«. Gegen seine in der Schrift »Isagoge Cabalae« conclusio 36 geäußerte These, daß der Sternenhimmel beseelt sei (eine Weiterentwicklung von Gedanken des Agrippa von Nettesheim), wandte sich Eck in seinem "Chrysopassus" und auf der Disputation zu Bologna (These "coelos animatos esse?"). Ritius entgegnete erst 1519 in der Schrift »Naturalia et prophetica de Anima coeli omni attentione digna adversus Eckium examina«. Gegen Mitte Februar 1519 kam R. nach Ingolstadt, wo Eck in der Marienkirche in Gegenwart des Kardinals von Salzburg Lang eine Disputation veranlaßte. Der Ausgang erbitterte Ritius so sehr, daß er eine heftige Apologie verfaßte:»De anima coeli compendium«. Am 21-05-1519 äußerte sich Melanchthon lobend über diese Schrift gegenüber Spalatin (CR 1, 81).

6. Das belegt sein umfangreiches Schriftenverzeichnis bei WIEDEMANN, Eck 341-344.

7. Anspielung an R`s Schrift »Naturalia et prophetica examina«: vgl.o.Anm.5.

8. Der Bamberger Weihbischof war bei der Disputation in der Marienkirche anwesend gewesen.

9. Ritius leugnete in seiner Antwortschrift »Apologetica ad Eckiana responsa narratio« jedes Zugeständnis auf der Disputation zu Ingolstadt. Eck replizierte in seiner »Defensio adversus invectiones ritianas« vom 13-11-1519 und erbot sich, sich dem Urteil des Barons Max von Zevenberg, dem er die Schrift widmete, oder dem des Kardinals Cajetan oder auch dem des Silvester Prierias zu unterstellen (s.u.Brief 13-11-1519).