Übersicht Reformationsgeschichte - Übersicht Briefwechsel Eck
Nr. 83
Fischbach, Cod C, f 199(235)b
SODEN/KNAAKE, Briefbuch 2, 86f, Nr 197
[F 216.f]
Wenn Eck mit seinem Verdacht, Scheurl neige zur lutherischen Partei, recht hätte, wäre er, Scheurl, mit vielen in gleicher Lage. Sollte Eck glauben, Scheurl sei Luther mehr gewogen als ihm, so möge er wissen, daß er bei den Dominikanern erzogen wurde, mit den Augustinern aber aufgewachsen sei, daß er mit diesen nach Wittenberg kam und mit ihnen sehr vertraulichen Umgang habe. Die meisten Augustiner verbinden Rechtschaffenheit mit Gelehrsamkeit. Luther hat nie Scheurls Freundschaft zurückgewiesen. Scheurl ist jedoch beiden, Eck und Luther, gewogen, hat die Freundschaft, ja Brüderschaft mit Eck stets heilig gehalten. Er will daher die Freundschaft zwischen Eck und Luther noch enger gestalten. Der Streit zwischen ihnen ist jedoch dazu angetan, ihnen Haß zuzuziehen. Scheurl war der Stifter ihrer Freundschaft und wünscht beiden Gutes, so schwer es auch ist, Männern mit so verschiedenen Ansichten zu gefallen. Einigen gefällt der Streit bzw. sie simulieren den Ankläger. Eck möge die ungünstige Meinung von ihm und Luther ablegen, da keinem Unrecht geschieht, wenn er Ecks und Luthers Worte hin und her sende. Scheurl würde sich besonders über einen Besuch Ecks freuen. Daß sein Vater verstorben sei, wisse Ecks bereits. Eck soll Franz Burckhart Grüße übermitteln. Michael Knab ist auf dem Wege der Besserung.
Ad doctorem Ecken. Salve, theologe praestantissime. Putas tu inclinare me in parteis Lutherianas? Id si a me
fieret
haberem cum valde pluribus commune. Putas tu plus me favere Martino
quam Eckio?
Sic accipe. (1) Cum Praedicatoribus
educatus sum, cum Augustinensibus adolevi:(2)
cum his Wittenbergam veni et maxima interea familiaritas quoque,
plerosque agnovimus
cum probitate coniunxisse egregiam eruditionem. (3)
Martinus ipse meam amicitiam nunquam est aspernatus, quem et aula et
academia
Saxonum mirum in modum diligit, (4) quos
ego
summa benivolentia amplector. Rursus cum Eckio meo sancivi nedum amicitiam sed et
fraternitatem: (5) tu domum meam nihil
de te meritam, quae
tua est comitas, te tanto viro hospite dignatus es, quae res apud
optimates
honori mihi cessit; tu eum te in nos semper praestitisti qualem ego pro
mea
parvitate nec optare quidem debueram. Propterea dudum apud me constitui velle utriusque
amicitiam
et augere etiam ne dicam retinere, neutrum facere tanti ut alterum
despicere
in animo sit: utrique bene volo, opto, faveo, cupidus id ab aliis
quoque
fieri. (6) Vos videritis, quantum his
profuturi
sitis contentionibus vel etiam contracturi odium
(7).
Vestra iurgia, disceptationes, dissensiones nihil ad me: utriusque
virtutis
praeco fui et amicitiae conciliator, nihil magis optavi quam initam
amicitiam confirmare; si secus accidit, doleo. (8)
Id
decreti alii vitio dant, alii delatorem insimulant, et durum quidem est
tam pugnantia sentientibus placere: ego ipse mihi conscius sum
inviolatae fidei. (9) Quare, reverende pater, depone obsecro sinistram de nobis
opinionem,
quando nulli iniuria fit, si mensarii officio fungens vestra vestro
visu
hinc inde transmitto, et tibi persuade me amicum constantem, integrum,
fidelem,
quod tunc intelligam maxime si apud me divertere fueris rursus
dignatus,
quod iterum accipiam ut debeo beneficii loco. Quodsi qua in re tibi
possum
prodesse, utere me ut amico et fratre. Interea vale Datum Nurnbergae X. Aprilis 1519.
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An Doktor Eck. Sei gegrüßt, großer Theologe! Du denkst, ich neige zur Partei LUTHERS? Wenn
ja,
wäre ich einer unter vielen. Denkst Du, daß ich mehr auf
seiten
MARTINS stehe als auf der Ecks? Fasse es nur so auf! Von den
Dominikanern
wurde ich erzogen, bei den Augustinern wuchs ich heran, mit ihnen zog
ich
nach Wittenberg und lebe inzwischen in großer Vertrautheit mit
ihnen;
wir erkannten, daß viele von ihnen Rechtschaffenheit mit
erlesener Gelehrsamkeit
in sich vereinen. MARTIN selbst hat meine Freundschaft nie verachtet.
Ihn, den Sachsen, schätzen auch der Hof und die Hochschule sehr;
den letzteren
stehe wiederum ich mit großer Zuneigung nahe. Mit Eck wiederum habe ich nicht nur Freundschaft, sondern auch Bruderschaft geschlossen. Du hast mein Haus, das, was Deine Zuvorkommenheit betrifft, keine Verdienste um Dich besitzt, damit gewürdigt, einem so bedeutenden Mann Gastfreundschaft gewähren zu dürfen, was mich bei unseren Patriziern an Ansehen gekostet hat. Du aber hast uns immer jene Ehre erwiesen, von der ich aufgrund meiner Unbedeutendheit nicht einmal träumen durfte. Deshalb habe ich vor einer Weile beschlossen, Euer beider Freundschaft zu wollen und sie zu stärken, um nicht zu sagen: an ihr festzuhalten und keinem gegenüber etwas zu tun, was in den Augen des andern als Geringschätzung gedeutet werden könnte. Euch beiden bin ich wohlgesonnen, wünsche Euch beiden Gutes, applaudiere und wünsche, daß das auch von anderen geschieht. Ihr werdet sehen, ob ihr diesen mit Euren Streitereien mehr von Nutzen seid oder Euch vielmehr Haß zuzieht! Eure Streitereien, Debatten, Meinungsverschiedenheiten gehen mich nichts an. Ich war Künder der Vorzüge von euch beiden und Versöhner Eurer Freundschaft; nichts habe ich mehr gewünscht, als Eure begonnene Freundschaft zu festigen; gelingt das nicht, bereitet mir das Schmerz. Andere mögen das für einen Fehler halten, andere mich einen Angeber schimpfen; schwer ist es, solchen Streithähnen zu gefallen. Ich selbst lebe im Bewußtsein, die Treue nicht verletzt zu haben. Deshalb, ehrwürdiger Vater, bitte ich, Deine schlechte Meinung von mir abzulegen, denn keinem geschieht Unrecht, wenn ich als Vermittler Eure Sache aus Eurer Sicht weitergebe; Du aber sei gewiß, daß ich Dein beständiger, loyaler und treuer Freund bin. Das werde ich vor allem dann erkennen, wenn Du wieder einmal bei mir Station machen kannst. Dem werde ich meinerseits zustimmen, weil ich Dir Gutes schuldig bin. Wenn ich Dir in irgendeiner Sache nützlich sein kann, bediene Dich meiner als Dein Freund und Bruder. Lebe inzwischen wohl Gegeben in Nürnberg am 10. April 1519. Ich denke, Du wirst bereits vom Tod meines Vaters
erfahren
haben. Gott sei seiner Seele gnädig; ich empfehle sie Deinem
Gebet! |
1. Zum ganzen Brief vgl. WIEDEMANN, Eck 410. - Scheurl bestätigt, jetzt mehr Luther zuzuneigen. Vgl. auch sein Schreiben an Melanchthon vom 01-04-1520.
2. Zu Scheurls von Jugend an engen Beziehungen zu den Dominikanern s. GRAF, Scheurl 18; er verstand sich selbst als "Augustiner": GRAF 67.
3. Graf meint jedoch, Scheurl sei in seiner Wittenberger Zeit »mit den Augustinern überhaupt wenig zusammengekommen.« (49).
4. GRAF 49: »Luther, der damals nur zeitweise mit Scheurl zusammen in Wittenberg weilte, hat er wohl nicht kennengelernt...Der Brief, den er Luther am 2.Januar 1517 aus Nürnberg geschrieben hat, nachdem Staupitz seine Aufmerksamkeit auf Luther gelenkt hatte, verbietet die Annahme vorheriger Bekanntschaft in Wittenberg...(Auch) mit Staupitz hat Scheurl in Wittenberg noch wenig Verkehr, er ist ihm erst in Nürnberg nahe getreten.«
5. »Zu Eck habe ich mehr als ein freundschaftliches Verhältnis, nämlich ein brüderliches!«.
6. »Ich mag euch beide und will, daß auch andere das tun!«.
7. »Dieser Streit wird euch Haß zuziehen!«.
8. »Eure Zerwürfnisse tangieren mich nicht; ich will nur Versöhner eurer begonnenen Freundschaft sein!«
9. »Einigen gefällt der Streit; andere simulieren den Ankläger: ich jedoch bin mir meiner ungeheuchelten Redlichkeit bewußt.«
10. Christoph Scheurl I., der Vater des Ratskonsulenten (1457-1519), war im Januar 1519 an einem Schlaganfall gestorben: GRAF 6.
11. S.o.Brief 24-11-1518, Anm.31.
12. S.o.Brief 18-02-1519, Anm.25.