Übersicht Reformationsgeschichte - Übersicht Briefwechsel Eck
Nr. 85

Eck an Bischof Georg von Bamberg

Augsburg
18-05-1519

Widmung Ecks zu: ARISTOTELIS Stagyritae Libri De coelo etc. Adiectis Eckii commentariis. S.l.a. = Augsburg, S. Grimm/M. Wirsung, 1519 = METZLER Nr 22


In den vergangenen Jahren hat Herzog Wilhelm von Bayern eine grundlegende Studienreform an seiner Universität Ingolstadt gewünscht und mit der Durchführung Sebastian Ilsung aus Augsburg und Leonhard von Eck aus Wolfseck beauftragt. Diese haben nun, um dem Mangel an aristotelischen Texten beim Philosophiestudium abzuhelfen, Eck veranlaßt, im Namen des Landesfürsten die Schriften des Aristoteles neu zu übertragen und, wo erforderlich, mit Kommentaren und Anmerkungen zu versehen. Dem ist Eck gern nachgekommen, obgleich schon bald Neider auftraten und dieses Werk verurteilten. So "singe" er mit Antigonidas "sein Lied" sowohl für sich selbst wie für die Studenten und Gutgesinnten. Dem Bischof Georg von Bamberg widmet Eck hiermit die drei Bücher »De coelo« des Aristoteles. Pico della Mirandola hat dieses Werk als des Aristoteles würdig bezeichnet und Apuleius es ins Lateinische übersetzt, als wäre es sein eigenes.




Ferunt Antigonidan Musicae artis peritissimum, (1) Antistes dignissime (2): cum discipulo probe in arte instituto, populo tamen non admodum grato, in scenam progressum cunctis audientibus dixisse: »Mihi cane et musis«, (3) que ars foeliciter coepta quamquam nasutulorum destituatur plausu; iusta tamen laude ac comprobatione non privatur.

Et quorsum haec? Cum superioribus annis humanissimus princeps meus Vuilhelmus illustrissimus Boiariae dux probam desyderaret iuventutis in suo gymnasio institutionem, id quod negotii celebribus viris Sebastiano Ilsungo patricio Augustano et nobili Leonhardo de Eck de Vuolfeck acuratissime demandasset, qui pervigili cura quaeque optima in Gymnasio ordinarunt (4). ne autem philosophiae scholastici in quisquiliis sophismatum neglecto Aristotelico textu diutius haererent, effecerunt apud me nobilissimi principis mei nomine ut Aristotelis libros ad novissimam tralationem ubi commode haberi posset, commentariis et annotationibus utcunque illustrarem, quibus non gravatim sum obsecutus (5), quamvis re bene coepta statim lividi reperti sint, qui meum hunc laborem damnarunt, verum ut Antigonidas mihi cano et studiosis ac bonis viris (6).

Te vero, amplissime praesul, elegi potissimum, cui hos tres Aristotelis libros non contemnendos dedicarem (7). Nam libros de coelo Ioannes Picus doctissimus comes Aristotelis sapientia dignos dicit (8). Et Apuleius pro honesto furto tanquam suos ex graeco in latinum vertit ad Faustinum (9).

Suscipe ergo placido vultu, optime antistes, hos commentarios tibi dedicatos tuoque eos defende patrocinio. Nam tu unus mihi visus es et ecclesiastica dignitate et nobilitate sanguinis clarissimus omniumque vir tutum fulgore splendidissimus, Eckiumque clientulum tuum esse sinito eumque commendatum habe.

Vale et salve, praesulum decus.


Dem Hochwürdigsten Vater und Herrn Georg, Bischof der Heiligen Kirche zu Bamberg, seinem verehrten und frommen Herrn, sagt Eck, der Geringste unter den Theologen, seinen Gruß.

Es heißt, würdigster Bischof, daß ANTIGONIDAS, der bedeutendste Vertreter der Ars musica, der, obgleich er als Schüler in seiner Kunst vorzüglich ausgebildet, dennoch dem Volk nicht allzu genehm war, auf die Bühne getreten sei und zu seinen Zuhörern gesagt habe: »Für mich und die Musen singe ich!« Und so blieb sein glücklich begonnener Vortrag zwar ohne den Beifall der Spötter, er entbehrte jedoch nicht des gerechten Lobes und der Billigung.

Warum ich das schreibe? Als in den vergangenen Jahren WILHELM, mein hochgebildeter Fürst und erlauchter Herzog von Bayern, eine gediegene Ausbildung der Jugend an seiner Hochschule wünschte und diese Aufgabe den berühmten Männern SEBASTIAN ILSUNG, Augsburger Patrizier, und LEONHARD VON ECK UND WOLFSECK auf das angelegendste anvertraute, haben diese in nicht ermattendem Eifer alles aufs beste geordnet. Damit aber die Studenten der Philosophie nicht länger unter Vernachlässigung des authentischen Aristotelestextes an sophistischen Quisquilien hängen sollten, veranlaßten sie mich im Namen meines edlen Fürsten, die Schriften des ARISTOTELES zusätzlich zur bestmöglichen Übersetzung mit Kommentaren und Anmerkungen zu bereichern, was ich gerne tat, obgleich bald nach Beginn des Unternehmens Neider auftraten, die meine Tätigkeit verurteilten. Also sage ich wie ANTIGONIDAS: »Für mich, die Studenten und alle gutwilligen Menschen singe ich!«

Euch jedoch, hochgeehrter Bischof, habe ich in besonderer Weise erwählt: ich widme Euch diese drei nicht unbedeutenden Schriften des ARISTOTELES. Denn JOHANNES PICO, der gelehrte Graf, nennt diese Schriften der Weisheit des Aristoteles würdig. Und APULEIUS hat sie in einem gleichsam ehrenhaften Diebstahl als seine eigenen Werke für FAUSTINUS ins Lateinische übertragen.

So empfangt denn, bester Bischof, heiteren Sinnes diese Euch gewidmeten Kommentare und nehmt sie unter Euer Patronat. Denn Ihr allein erschient mir als besonders ausgezeichnet durch geistliche Würde und adlige Abstammung sowie leuchtende Tugend. So nehmt Eck als Euren Vasall an und laßt ihn Euch anempfohlen sein!

Lebt wohl und alles Gute, Zierde unter den Bischöfen!


1. ANTIGENIDAS: Name zweier berühmter Flötenbläser, der eine ein Thebaner, Sohn des Satyrus (ca.440 v.), der andere Sohn des Dionysius (ca.338 v.), oft verwechselt.

2. GEORG III. VON LIMPURG, erw. 13-02-1505; gest. 30-05-1522 auf Schloß Altenburg. Vgl. über ihn Josef HELLER, Reformations-Geschichte des ehemaligen Bisthums Bamberg, Bamberg 1825, 47f; Johannes LOOSHORN, Geschichte des Bistums Bamberg IV, München 1900; F. LEITSCHUH, Georg III. Schenk von Limpurg. 1888; M. KLEINER, Georg III. Schenk von Limpurg als Reichsfürst und Territorialherr: BHVB 127 (1991), 13 - 117.

3. CICERO, Brutus 187.

4. Zur Universitätsreform in Ingolstadt 1515: WIEDEMANN 33f; MEDERER, Annales Ingolstadiensis Academiae 1, 95. 99; SEIFERT passim.

5. S. METZLER Nr.7: ECK, »In summulas Petri Hispani«. S.l.a. = Augsburg, Miller, Mai 1516; Nr. 9: ECK, »Elementarius dialecticae«. S.l.a. = Augsburg, Miller, 1517. 1518; Nr. 16: »ARISTOTELIS Stagyritae acroases physicae libri VIII Ioan. Argyropilo interprete, adiectis Ioan. Eckii adnotationibus et commentariis«. S.l.a. = Augsburg, S. Grimm/M. Wirsung, Juni 1518; Nr. 22: »ARISTOTELIS Stagyritae Libri De coelo IIII Argyropoli interprete; De generatione II Nypho interprete; Meteorum IIII Boetio interprete. Adiectis Eckii commentariis«. S.l.a. = Augsburg, S.Grimm/M. Wirsung 1519).

6. Zu den Widerständen gegen Ecks Editionen zur Universitätsreform: SEIFERT passim.

7. METZLER Nr. 22: »ARISTOTELES, De coelo IIII; De generatione II.; Meteorum IIII.«

8.  GIOVANNI PICO DELLA MIRANDOLA (24-02-1463 Mirandola - 17-11-1494 Florenz), einer der bedeutendsten Philosophen des italienischen Humanismus, insbesondere des Florentiner Platonismus; er vertrat auf der Grundlage einer umfassenden Kenntnis der aristotelischen, arabischen und jüdischen Philosophie einen christianisierten Platonismus. Sein Grundsatz war: "Philosophia veritatem quaerit, theologia invenit, religio possidet". Er suchte die verschiedenen philosophischen Schulen zu versöhnen (daher sein Beiname "Princeps concordiae"). Positive Äußerungen zu Aristoteles finden sich besonders in der Schrift Epistola de generi dicendi philosophorum, Bologna 1496 (Opera Bd 1). Vgl. Briefe 04-09-1515 Anm. 38 u. 13-11-1519  Anm. 4. Lit.: E. MONNERJAHN, Giovanni Pico. Ein Beitrag zur philos. Theologie des it. Humanismus, Wiesbaden 1960; A. RASPANTI, Filosofia, teologia, religione: L`unita della visione in Giovanni Pico, Palermo 1991; G. SEMPRINI, La filosofia di Pico della Mirandola, Mailand 1936 , 201-217; E. KESSLER in: LThK(3.A.) 8, 283f.

9. APULEIUS VON MADAURA, Platoniker und Sophist des 2. Jhdt n. Chr. Nicht ganz fehlerfrei übersetzte A. die ps.-aristotelische Schrift Peri kosmou ins Lateinische und gab sie als eigenes Werk mit zahlreichen eigenen Beifügungen unter dem Titel De mundo heraus. Die Verfasserfrage ist seit der Antike umstritten: AUGUSTINUS, De civ. Dei 4, 2 hielt A. für den Verfasser; F. REGEN, Apuleius Platonicus philosophus. Untersuchung zur Apologia und zu De mundo, Berlin 1971 hält A. für den Autor; schwankend im Urteil ist J. REDFORS, Echtheitskritische Untersuchung der apuleischen Schriften De Platone und De mundo, Lund 1960. Vgl. auch S. MÜLLER, Das Verhältnis von Apuleius` De mundo zu seiner Vorlage, Leipzig 1939. Zu Apuleius s. H. DOERRIE in: DER KLEINE PAULY 1, 471ff.