Übersicht Reformationsgeschichte - Übersicht Briefwechsel Eck
Nr. 88

Eck an Hg. Georg von Sachsen

Leipzig
15-07-1519

Dresden Sächs. HSA Loc 10300, M Luther 1518-33, f 17
GESS, Akten 1, 93 Anm; SEIDEMANN, Disputation 149f Beilage 33: "Ecks Zeddel"

Luther hat, nachdem er die Schiedsrichterrolle von Paris und Erfurt akzeptiert hat, gefordert, diese Universitäten sollten als Ganze das Urteil fällen, nicht allein die Theologen und Kanonisten. Eck hält den Vorschlag für gefährlich, da in Luthers Augen nicht einmal der Magister sacri palatii Prierias als Theologe Kompetenz genug gehabt habe, gegen ihn zu schreiben. Ein Urteil steht nach Eck allein den Sachverstädigen zu, und das sind die Theologen und gegebenenfalls die Kanonisten. Die Pariser Theologen würden Luthers Forderung sowieso nicht zustimmen. Eck schlägt vor, die Sache den Theologischen Fakultäten von Paris und Erfurt zu übergeben, die nach Art des Reichskammergerichts ein Gutachten erstellen sollten. In diesem Sinn soll Herzog Georg aktiv werden.



Durchleüchtiger Hochgeborner furst Gnediger her.

Nachdem D. Martin lutter in die universitet Ertfurt unnd Paryß gewilliget hat: nach E.f.g. abschid (1) , hat er H. Caesar pflug E.f.g. an dem ort verwalter anzaigt das er wolle, die gantz universitet an den benanten orten sölle Judiciern, anzeigt ursach, das offt ain baccalaureus geschichter sey dann ain doctor: dan es gee seltzam zu jn den universiteten etc. (2)

Dar gegen mich bedunckt, d. Martinus firschlag gferlich, verdächtlich zu sein: auß ursach, das er gern wolt der sach ungemäß unnd unverstendig richter kürsen: Dan er selbs anzeigt in seinem schreiben, Doctor Sylvester zu Rhom, als zu lützel gelert, möge nit urteiln iber die puncten da von er disputiern: als in der Theologey, dor zu nit gnugsam bericht(3):

Jst im nun ain berümpter Doctor fir anndern treffenlich geschetzt, und lector apostolici palacii nit gelert genug zu urteiln: wie vil mer, das er legisten, ärtzt, artisten magister, deren anzal gewonlich ibertrifft die zal Theologorum und canonistarum, wolt richte setzen. (4)

Es sollen in allen dingen urteiln der sach verstendig: so wir aber nit die meisten puncten des glauben und der heiligen geschrifftt haben disputiert, sölle das den legisten, ärtzt unnd artisth zu urteil zugesprochen werden, ist zu vil spötlich und schimpflich.

Unnd das d. Martin eitelich unnd zu nichtig anzeicht, es sey offt ain gelerter baccalaureus dann ain doctor (5) , ist ain losse auß redd: dann ob schon etlich baccalaurei geschickt seyen, so sind doch mer ungeschickter baccalaurei dann doctores: Es ist auch nit zu vermuten, das die approbati Doctores seyen, so ungeschickt seyen als ungeschickt baccalaurei. In Summa, er wölle durch böß listigkeit gern ain mererß machen wie schweitzer (6) , unnd nit haben das urteil guter verstendiger leüt.

Dar zu wurden die von paryß nit abnemmen, deren jn collegio doctores seyen Jn Theologia weit iber die LX, das sy baccalaureos oder ärtzt zu liessen: Jch ken gar kein doctor zu Ertfurt weder an person, noch an namen, aber D. Martin förcht sich: weißt vil leicht das die iung unverstendig rott und conventicul Jm wolte anhangen(7):

Es söll kainer iber mich urteiln Jn dem ding, da er minder ist, dan ich. Unnd ob man schon gemain universitet wölte zu schicken, Jn dem won, sy solten selber der facultet Theologorum das ibergeben: Jst unleidlich, Dann ich hab mer in den universitet erfarn regende dan sy albeid M. Lutter und Carlestat:

Es geschech wol, das mans der facultet auff legte von der Theologij: die müeßten relation thun, wie an dem Camergericht geschickt (8) , darnach wurden sy all ir stimm haben und vota, unnd wurdt das mer mit legisten, ärtzten, artisten, fir gen, das unleidlich ist yetlicher urteile das wol, das er erkent: kein Hauptman kind ich urteil von seiner schantzen, legerung, schlacht ordnung, letzin etc her wider künde er mich jn dem meinen, dar in ich mich ieb auch nit urteiln.

Deß halb nach aller billikeit ich bit in aller underthenigkeit, E.f.g. wölle auß genedigen fürstlichen und Christenlichen gemüet, urteil beger deren universiteten von der facultet der Theologij firnemlich: und so etlich conclusiones auch Canonistas betreffendt auch facultatem Juridicam Jn Doctoribus Canonum exclusis legistis, medicis et artistis: Wie wol die von paryß nit annämen werden, dan alleinn Theologj, das da die Juristen gar in kainem wesen seyen, wie entgegen zu Orbientz (9) allein Juristen und nit theologij lesent.(10)

Söllichs urbittend Jn aller underthänigkeit mit gehorsamen Dinsten gegen E.f.g. zu verdienen und mit meinem armen gebett gegen Got fleissigklich befelhen

E.f.g. underthäniger Caplan D. Eck.


Durchlauchter, hochgeborener Fürst, gnädiger Herr!

Nachdem MARTIN LUTHER nach dem Abschied Eurer Fürstlichen Gnaden in die Wahl von Erfurt und Paris als Schiedsrichter eingewilligt hat, hat er Eurem Statthalter in Leipzig, CAESAR PFLUG, mitgeteilt, die ganze Universität an den genannten Orten solle das Schiedsurteil fällen, weil oft ein Baccalaureus fähiger sei als ein Doktor, denn es gehe heutzutage seltsam an den Hochschulen zu usf.

Ich dagegen meine, der Vorschlag LUTHERS sei gefährlich und suspekt, da er gern Richter auswählen will, die in der Sache inkompetent und ohne Sachkenntnis sind. Er selbst teilt ja in seinem Schreiben mit, daß Doktor SILVESTER PRIERIAS in Rom über die zur Diskussion stehenden Streitpunkte nicht urteilen solle, da er zu wenig gelehrt dazu sei; in der Theologie sei er zu wenig unterrichtet!

Da ihm also ein berühmter, von anderen hochgeschätzter Doktor, und noch dazu der Lektor des apostolischen Palastes, für das Schlußurteil nicht ausreichend gelehrt erscheint, um so mehr will er Juristen, Mediziner, Vertreter der Artistenfakultät, deren Anzahl gewöhnlich die der Theologen und Kanonisten übertrifft, zu Richtern eingesetzt haben.

Es sollen in allen Fragen Sachverständige urteilen: sollten wir aber nicht über die meisten Fragen des Glaubens und der Heiligen Schrift disputiert haben, könnten die Juristen, Mediziner und Artisten dazu ihr Urteil sprechen: das ist ja wohl zu viel an Spott und Kränkung!

Und daß MARTIN LUTHER in eitler und ungerechter Weise ausführt, daß oft ein Gelehrter Baccalaureus sei und nicht Doktor, ist eine lockere Ausrede: denn obgleich viele Baccalaurei fähige Leute sind, so gibt es doch mehr unfähige Baccalaurei als unfähige Doktoren. Es ist auch nicht davon auszugehen, daß approbierte Doktoren so unfähig sind wie unfähige Baccalaurei.
Zusammengefaßt: Er möchte gern wie ein Schweizer mit böser List für sich Vorteile erschleichen und das Urteil guter Sachverständiger hintertreiben.

Das würden die Pariser nicht mitmachen, an deren Universität weit mehr als sechzig Doktoren der Theologie wirken, die niemals Baccalaurei oder Mediziner als Schiedsrichter zulassen würden. In Erfurt kenne ich keinen Doktor, weder persönlich noch dem Namen nach. MARTIN LUTHER aber sorgt sich: er geht vielleicht davon aus, daß die jungen, unverständigen Rotten und Konventikel seine Anhänger werden könnten.

Es soll aber niemand über mich sein Urteil sprechen in einer Sache, in der er geringere Kompetenz hat als ich.
Auch wenn man die Universität als Ganze beauftragen sollte, mit der Zumutung, sie selbst solle dann die Sache an die theologische Fakultät weiterleiten, so ist das nicht akzeptabel, denn ich weiß mehr von den an den Universitäten gültigen Regeln als LUTHER und KARLSTADT zusammen.

Richtig wäre, den Streitfall der theologischen Fakultät vorzulegen, die dann, wie es auch bei Eingaben an das Reichskammergericht der Fall ist, darüber Bericht erstatten soll. Dabei würden alle ihre eigene Stimme und ihr Votum haben. Das würde besser ablaufen als zusammen mit Juristen, Medizinern und Artisten, denn jeder soll nur über das sein Urteil abgeben, von dem er etwas versteht. Ich könnte zum Beispiel keinen Hauptmann beurteilen hinsichtlich seiner Schanzen, Lager, Schlachtordnung und Versorgung usf; andererseits könnte dieser auch nicht in der Materie, in der ich zu Hause bin, urteilen.

Daher bitte ich in aller Untertänigkeit, Eure Fürstliche Gnaden mögen in gnädiger fürstlicher und christlicher Einstellung das Schiedsurteil von der theologischen Fakultät der erwähnten Universitäten anfordern, und, da einige Thesen auch die Kanonisten angehen, von der juristischen Fakultät, jedoch allein von Doktoren des kanonischen Rechts, nicht von solchen des römischen Rechts, der Medizin oder der Artes. Das werden die Pariser auch nicht tun, denn sie dulden ausschließlich das Urteil von Theologen, da dort die Juristen überhaupt keine Rolle spielen, im Gegensatz zu Orleans, wo nur Juristen und keine Theologen Vorlesungen halten.

Um dieses bitte ich in aller Untertänigkeit in dienstbarem Gehorsam Eure Fürstliche Gnaden und empfehle Euch zugleich Gott mit inständigem Gebet.

Eurer Fürstlichen Gnaden ergebener Kaplan D. Eck.



1. Am 14-07-1519: vgl. die Vereinbarung zwischen den Disputatoren (WABr 1, 429, 38f: »Doctor Joannes Eckius und Doctor Martinus Luter haben bewilligt in die zwue Universitäten Paris und Erffordt; aber Doctor Eckius und Doctor Karlstadt haben in die Universität Erffurdt alleine bewilligt, und ob mehr Facultäten, dann die Doctores Theologiae und Canonum auf solch ihr Einbrengen erkennen sollen, sall in meins g. Herrn, Herzog Georgen zu Sachsen etc. Gefallen gestellt sein.« Vgl. Eck an Kurf. Friedrich 08-11-1519 Anm. 190. Cäsar Pflug hatte in Abwesenheit des Herzogs diesen Kompromiß errreicht. Er forderte nun von beiden Parteien eine schriftliche Darlegung der Gründe für ihre Stellungnahmen und sandte diese am 15-07-1519 an den Herzog (SEIDEMANN, Disputation 148 Beilage 33a). Der vorliegende "Zettel" ist Ecks Darlegung; Luthers Schreiben an Pflug s. die folgende Anm.

2. Vgl. Eck an Kurf. Friedrich 08-11-1519 Anm. 178f u. Luthers Denkschrift an Caesar Pflug (Dresden, Hauptstaatsarchiv, Loc 10300 Dr. Martin Luthers 1518 - 39, fol 16: WABr 1, 431): »Ursach, warumb ich die gantzen universitetenn, unnd nit alleyn die facultet Theologiae erwelet hab. Zcum ersten, Das von gottes gnadenn durch merhunge vill gutter bucher die Jungen leut ettwa geschickt seyn mehr dann die alten, alleyn ynn yhren buchern gewandelt. - Zcum Andernn, das disze matery, new geacht, entgegen ist denen, ß0 bißher Theologen geweßen. - Zcum dritten, das die Zceyt alßo gibt, das nach gottes ordenung alls, was do gleysszet unnd Scheynet, ynn allen stenden verdechtig ist, Unnd fast dahyn kummen, das die nit Theologen seynd, die Theologen zcu seyn vormeynt, unnd die gelerten die vorkerten, die geystlichen weltlich unnd der gleychen. - Zcum vierden, das doctor eck ynn seyner disputation allen vleyß ankeret hat, mich unnd meyn materij hessig zcu machenn unnd vorunglypfen, wilchs, szo geleßen wirt, ym nit wenig zcutregt, unnd myr ablegt, bey den alten Theologen beßondernn, die weyl die Materii widder sie zcu seyn geachtet.«

Der Herzog antwortete bereits am 16-07-1519 aus Rochlitz und gab Eck Recht: SEIDEMANN, Disputation 150 Beilage 33c; GESS 94 Nr. 125): Unverständige in der Sache und nicht Authorisierte könnten nicht Richter sein; die Disputationsakten sollten an die Theologen und Kanonisten in Paris und Erfurt bzw., falls es zu Paris keine Kanonisten gäbe, allein an die dortigen Theologen gesandt werden.

3. Eck an Kurf. Friedrich 22-07-1519 Anm. 17; vgl. Luthers Appellation vom 22-10-1518: Dokumente 2, 122, 13 - 18. 24 - 28.

4. Eck an Kurf. Friedrich 22-07-1519 Anm. 17 und 08-11-1519 Anm. 178 u. 182. Vgl. Luther an Kurf. Friedrich von Sachsen 18-08-1519: »Ich wil aber die gantze Universität haben, nicht allein die Theologen. Denn D. Reuchlins Sache hat mich gewitziget, wie gelehret die Theologen sind, und wie sie richten. Hätten die Legisten, Ertzt, Artisten und Layenfürsten gethan, die Warheit were den Theologen, wie ein Schaff den Wölffen zu theile worden, das sucht hie D. Eck auch.«

5. Vgl. o. Anm.2.

6. Die sprichwörtliche Listigkeit der Schweizer.

7. Die bereits damals mit Luther sympathisierende Studentenschaft und auch der Augustinerkonvent zu Erfurt mit dem Prior Johann Lang OESA.

8. Reichskammergericht (iudicium camerae), 1495 von Kaiser Maximilian I. eingesetztes, neben dem Reichshofrat höchstes Gericht des alten deutschen Reiches, beruhte auf der Kammergerichtsordnung von 1495, wurde aus den Sporteln und Kammerzielern bestritten und war von sprichwörtlicher Langsamkeit. Sitz bis 1527 Frankfurt am Main. Das R. urteilte über alle Rechtssachen der Reichsunmittelbaren, war zugleich höchste Instanz in Zivilsachen für die Reichsmittelbaren, sofern es nicht durch die Privilegien de non appellando verschiedener Reichsstände, besonders der Kurfürsten, beschränkt war, und nahm Beschwerden über verweigerte oder verzögerte Justiz, in Kriminalsachen auch wegen Nichtigkeit an. Vgl. R. SMEND, Das Reichskammergericht 1: Geschichte und Verfassung, 1911.

9. Orleans in Frankreich.

10. Vgl. Eck an Kurf. Friedrich 08-11-1519 Anm. 178 u. 182.