Übersicht Reformationsgeschichte - Übersicht Briefwechsel Eck
Nr. 89
Doctor Martin ludders Underricht an Kurfürsten von Sachssen
disputation
zu Leypßig belangent: unnd D. Eckens brive von der selbigen.
S.l.a.
Hg. von Michael Knab = METZLER Nr 33 (München BSB)
WABr 1, 459/462 (Vorgeschichte); WALCH 15, 1527-1530 (Dat: 23.!!);
LÖSCHER
3, 604-608
Kurfürst Friedrich möge Eck nicht verargen, daß sich dieser mit den Wittenberger Theologen in eine Disputation eingelassen habe; er wollte dieser Universität dadurch nicht schaden, zumal Kurfürst Friedrich ein Förderer der Wissenschaften sei. Den Anlaß zur Kontroverse hat Karlstadt gegeben. Mit Luther hat Eck Mitleid, daß er sich auf solche Materien eingelassen habe, die soviel Ärgernis auslösten. Luther leugne damit die Lehren der Kirchenväter und wolle die Heilige Schrift besser verstehen als diese. Schädlich ist auch, daß er einige der vom Konstanzer Konzil verurteilte Sätze des Johannes Hus für christlich hält. Dazu kommt Luthers Kritik am Primat des Petrus. Es geht Eck allein um die Wahrheit; er will, falls erforderlich, mit Luther in Köln, Löwen oder Paris weiterdisputieren. Eck ist enttäuscht, daß Karlstadt und Luther das Urteil der von ihnen erwählten Leipziger Universität nicht gelten lassen wollen. Bereits am Rande des Augsburger Reichstages hatte Eck die Absicht, sich mit dem Kurfürsten auszusprechen. Es gibt eine Vereinbarung zwischen Eck und Luther, das Urteil über den Ausgang der Disputation abzuwarten. Trotzdem erscheinen inzwischen neue für Eck ärgerliche Schmähschriften. Luther sucht auch in Paris und Erfurt das Urteil der "Menge", nicht der Sachverständigen. Eck protestiert gegen die Veröffentlichung des »Fuhrwagens« durch Karlstadt. Er will auch das Gerücht ausräumen, als habe ihm Peter Burckhard am Rande der Disputation Luthers »Resolutio super propositione XIII. de potestate papae« zugespielt.
Dem durchleuchtigisten, hochgebornen Fürsten und Herren Fryderich, (1) churfürsten, herzog in Sachsen, Margrave zu Meychsen, Landgrave zu Düringen, Römischer K.Mt.Vicari etc., meinem gnädigisten Herren. Durchleuchtiger, hochgeborner Churfürst! Euer Churfürstlichen Gnaden seind mein untertänig willig dienst mitsampt meinem armen Gebet gegen Gott allweg mit Fleiß voran bereit. Gnädigister Herr! Durch solchs alls, gnädigister Herr, will ich D.
Martinum
nit verunglimpft haben, noch schreib auch nit ihme zu nachteil, sunder
allein
mich zu entschuldigen gegen E.Ch.G.,wa anders ihr fürgetragen
wurde mit
meinem Unglimpf, dann sie die Wahrheit an ihr hat, und darmit ich auch
occasionem E.Ch.G. gebe zu bedenken, was ihr Christo, dem
christenlichen glauben, Land
und Leuten schuldig seien. Dann ich vorlängst gernn mich gegen E.Ch.G.
entschuldigt
hätte und versprochen; deshalb wohl sechs mal ich in E.Ch.G.
Hofhaltung zu Augspurg kommen, ich weiß aber nit, aus was
Ansinnen ich nie für
E.Ch.G. hab mügen kommen. (11) Und
wiewohl
E.Ch.G. Doctores abgeschieden seien mit etlich Tröwung viel zu
schreiben,
hab ich darumb gedisputiert, daß ohn Not wär zu schreiben.
Es
ist auch unser Convention zu still stehn, bis daß der Sentenz
geben
werd durch die verordneten Universitäten, deshalb ich ihn ein
freie
Wahl gelassen habe aller Universitäten, die in Ansehen seind in
der
ganzen Christenheit, deren sie sich billig lassen genügen. (12) Wohlan, sie schreiben, ist mir nit fast wider, wollt ich aber gern, daß sie das täten mit einer Tapferkeit, wie die Sach erheischet, nit so leichtfertig, üppig und mit Schmachworten, wie ich dann gänzlich darfür halt, E.Ch.G. des kein Gefallen trage. Was von Theologen geschrieben wird, soll dermaßen lauten, daß mangklich, der das les, mög verstan, daß ein Theologus solichs geschrieben hab, in Meinung die Wahrheit zu suchen, nit ein »Hippenbuben«, der allein die Leut vermut tz schmähen. (13) Wiewohl nach dem, als ich willigklich die zwo Universitäten, von D. Martin mir angeboten, angenommen hab seines Gefallens (14), will er mir erst die Legisten, Arzt und Artisten herein ziehen; ist gut abzunehmen, daß er sein irrig Meinung mit der Menge, nit mit der Sach verständig wollt austragen. (15) Da er schreibt wider Silvestrum, acht er ihn, wiewohl ein alten berühmpten Theologum, doch nit gnug geschickt, daß er solich Theologie verstehe oder urteiln künnt, da er, Martinus, mit umbgehet; und jetz will er die Legisten, Arzt und Artisten glehrt gnug darzu urteilen. (16) E.Ch.G. solle das mein lang Schreiben nit in Ungnaden annehmen, dann allein tu ichs um mein Entschuldigung. Wollt Gott, E.Ch.G. sollte mein Gmüt in diesem Fall ganz erkennen, ohn Zweifel würde solichs meines Fürnehmens ein gnädigs Gefallen tragen; dann ich mich ungern in sollicher oder dergleichen Leichtfertigkeit merken wollt lassen, in den Druck ein Wagen zu geben, wie E.Ch.G. Doctor Carlstat tan hat und mich ganz spöttlich mit ausgedruckten Namen darin verschmächt. Ich künt auch wohl ein wagen machen, aber ich wollt ihn nit darinnen setzen, aber das ist kein Kunst. (17) Ich befilch mich ganz untertänigklich E.Ch.G. als
meinem
genädigisten Herren, und ob einigerlei Sach E.Ch.G. von mir
fürgetragen
würd, bin ich ganz urbietig in aller Untertänigkeit, E.Ch.G.
wöll mir sollichs zu verstehn geben, so will ich durch geschrift
oder personlich
in aller Gehorsame das gegen E.Ch.G. abstellen und verantwurten.wa ich
aber
aus unwissenheit oder unverstand etwas anders täte, redte oder
schriebe,
will ich mich zu aller Zeit gern darvon weisen lassen und von meinem
Fürnehmen
abstellen. Dann E.Ch.G. zu dienen, wär mir ein besundere,
große,
hoche Fröd. Datum Lypsye Euer Ch. Gnaden untertäniger Caplan Johann von Eck, Doctor etc.
Auch, genädigister Herr! kumpt mich für, da ich wider D. Martin disputiert habe potestate Papae, hab ich sein Fundament alle vorgehebt. dann es ist kein neu lied, das er hält; es haben viel irrig Leut vor auch gehalten. Hat aber er aus söllichen bloßen Argwohn geschöpft ein Meinung, als sollten etlich E.Ch.G. untertänig mir D. Martinus Büchlin neu gedruckt geantwort und behändigt haben, (18) und namlich haben sie sich merken lassen gegen Herr Cäsar Pflug, als sollt das D. Peter Burckhart tan haben, (19) sprich ich, es sei erdicht, und man tue D. Peter unrecht, und Andern, dann D. Peter hat mir nie kein Wort darvon gesagt; so hab ich bis auf den heutigen tag noch nie gesehen, dann als viel mich gedäucht, er les daraus in der Disputation, wiewohl ich bei einem gleichen ausrechnen kann, was darin sei. E.Ch.G. wär ganz loblich, wann ihrs auf ein Haufen dieselbig verbrannt. Befilh mich, ut. |
Ich will damit, gnädigster Herr, Doktor LUTHER nicht verunglimpft und zu seinem Nachteil geschrieben haben, sondern allein, um mich bei Eurer Kurfürstlichen Gnaden zu entschuldigen, falls Euch diese Vorgänge in anderer Weise unter heftiger Kritik an meiner Person dargestellt werden sollten. Eure Kurfüstliche Gnaden hat somit die Wahrheit vor Augen und erhält Gelegenheit zu bedenken, was sie Christus, dem christlichen Glauben sowie Land und Leuten schuldig ist. Ich wollte mich nämlich schon vor einiger Zeit gegenüber Eurer Kurfürstlichen Gnaden entschuldigen und habe daher sechsmal versucht, in Augsburg in Eure Hofhaltung zu gelangen; aus mir nicht ersichtlichen Gründen wurde ich nicht vorgelassen. Und obgleich die Wittenberger Doktoren Leipzig mit der Drohung verlassen haben, die Vorgänge dort an die Öffentlichkeit zu bringen, habe ich mich bei meinen Disputationsbeiträgen so klar ausgedrückt, daß es ohne Not hätte niedergeschrieben werden können. Wir hatten aber vereinbart abzuwarten, bis das Urteil der dafür vorgesehenen Hochschulen ergangen wäre: daher habe ich ihnen freie Auswahl unter den angesehendsten Universitäten der ganzen Christenheit eingeräumt. Nun gut, mögen sie schreiben: das stört mich nicht. Trotzdem aber wollte ich, sie würden das der Sache entsprechend tun und nicht so leichtfertig, nutzlos und mit Schmähworten. Ich bin auch sicher, daß Eure Kurfürstliche Gnaden dieses Vorgehen ebenfalls ablehnt. Was Theologen geschrieben haben, soll für jeden als solches auch erkennbar sein, nicht als Straßenhändlerton, der nur die Leute mit Schimpf überhäufen will. Nachdem ich nun die beiden mir von LUTHER vorgeschlagenen Hochschulen akzeptiert hatte, bestand dieser darauf, auch die Juristen, Mediziner und Vertreter der Fakultät der Artes müßten herangezogen werden. Daran kann man erkennen, daß LUTHER seine Irrtümer vor der Menge darstellen wollte, nicht vor Sachverständigen. Als er gegen PRIERIAS schrieb, einen alten und berühmten Theologen, erklärte er ihn für unfähig, seine, LUTHERS, Theologie zu verstehen und zu beurteilen, und jetzt hält er Juristen, Mediziner und Artisten für ausreichend gelehrt dazu! Eure Kurfürstlichen Gnaden möge mein langes Schreiben nicht mit Unmut aufnehmen, denn es soll nur meiner Entschuldigung dienen. Wollte Gott, Eure Kurfürstliche Gnaden wollten meine Haltung in dieser Sache recht verstehen: dann würdet Ihr sie gnädig aufnehmen, denn ich möchte nicht eine so leichtfertige Einstellung an den Tag legen wie Doktor KARLSTADT mit der Drucklegung seines »Fuhrwagens«, einer Schrift, in der er mich namentlich geschmäht hat. Auch ich wäre nämlich in der Lage, einen solchen »Wagen« zu machen, aber ich wollte ihn nicht dort hineinsetzen: das wäre nämlich kein Kunststück. Ich empfehle mich untertänig Eurer Kurfürstlichen Gnaden als meinem gnädigen Herrn. Sollte Euch etwas über meine Person zugeflüstert werden, so bitte ich, mich davon zu unterrichten, so daß ich schriftlich oder persönlich dazu Stellung beziehen kann. Sollte ich selbst aus Unwissenheit oder Unverstand etwas Unrechtes tun, reden oder schreiben, will ich mich gern zurechtweisen lassen und davon Abstand nehmen. Denn es wäre eine besondere, große und hohe Freude für mich, Eurer Kurfürstlichen Gnaden zu Diensten zu sein. Gegeben zu Leipzig Eurer Kurfürstlichen Gnaden untertäniger Kaplan Johann von Eck Doktor usw. Gnädigster Herr, mir fällt noch etwas ein: als ich gegen Doktor LUTHER über die Gewalt des Papstes disputiert habe, hatte ich seine Beweisgründe alle zur Hand gehabt. Denn er singt kein »neues Lied«: schon früher haben Leute in dieser Sache geirrt. Aus bloßem Argwohn heraus hat er aber gemeint, einige Eurer Untertanen hätten mir Doktor Luthers Büchlein »De potestate papae« im Neudruck zugespielt. Gegenüber CAESAR PFLUG haben sie den Namen Doktor PETER BURCKHARDS genannt. Ich sage ausdrücklich, daß das frei erfunden ist. Man tut Doktor BURCKHARD und anderen Unrecht, denn er hat mir nie etwas davon mitgeteilt. Ich habe das Buch bis heute nicht gesehen. Vielleicht hat LUTHER während der Disputation daraus zitiert, obgleich man den Inhalt auch so hätte leicht erraten können. Es wäre lobenswert, wenn Eure Kurfürstlichen Gnaden das Buch verbrennen lassen würden. Ich empfehle mich Euch, wie oben. |
1. 11.Vgl. zum Ganzen u.Brief 08-11-1519. - FRIEDRICH III. VON SACHSEN (DER WEISE; 14-01-1463 Torgau - 05-05-1525 Lochau): s. über ihn NDB 5, 568-572; TRE 11, 666-669; LThK (3.A.) 4, 154f (E.W.ZEEDEN); Ingetraut LUDOLPHY, Friedrich der Weise, Kurfürst von Sachsen (1463-1525), Göttingen 1984.
2. Zu Karlstadts »Conclusiones« (17 Thesen vom 26.4.1519 = BARGE, Karlstadt Bd 1, 144f): s.o. Brief 26-04-1519.
3. S.o.Brief 14-03-1519.
4. WABr 1, 343, 15ff.
5. Vgl. dazu u.Brief 24-07-1519.
6. Ecks zentraler Vorwurf: Luther will die Hl.Schrift besser verstehen als das die Kirchenväter taten.
7. WA 2, 279 = WA 59, 466f.
8. WA 2, 263-267 = WA 59, 444-450.
9. Vgl.u.Brief 26-08-1519.
10. Eck hatte geglaubt, Luther und Karlstadt würden das Urteil der von ihnen selbst gewählten Universität Leipzig akzeptieren.
11. Vgl. WABr 1, 231 Anm.1.
12. Vgl. WABr 1, 429, 18ff.
13. D.h. nicht mit dem sprichwörtlich losen Maul der Waffelverkäufer: SCHADE, Satiren und Pasquille Bd 2, 345.
14. Paris und Erfurt.
15. Vgl.o.Brief 15-07-1519.
16. Vgl.o.Brief 15-07-1519.
17. Vgl. WIEDEMANN, Eck 79ff.
18. Luthers »Resolutio super propositione sua XIII. de potestate papae«, Wittenberg, Grunenberg,1519. Am 29-07-1519 sandte Melanchthon ein Exemplar an Spalatin (CR 1, S.104). Vgl. SCHEURL, Briefbuch Bd 2, 97 (Anfang August 1519).
19. Vgl.o.Brief 01-07-1519, Anm.51.