Übersicht Reformationsgeschichte
- Übersicht Briefwechsel Eck
Nr. 93
ECK, Expurgatio Ioan. Eckii Theologi Ingoldstadiensis adversus
criminationes
F. Martini Lutter Wittenbergensis ordinis heremitarum. Augsburg, S.
Grimm/M.
Wirsung, 1519 (Widmung) = METZLER Nr 27
Dokumente zur Causa Lutheri 2, 284f
Eck hat sich zwar verpflichtet, nach Abschluß der Leipziger Disputation in Erwartung der Gutachten der Universitäten Paris und Erfurt Stillschweigen zu bewahren, jedoch hat er beobachtet, wie die Wittenberger Briefe im Druck verbreiten, in denen sie sich des Sieges bei der Disputation rühmen. Dazu gehört auch Luthers Widmungsepistel zu den »Resolutiones« an Spalatin und sein Brief an Pirckheimer vom 05-07-1519, die Eck in Nürnberg gesehen hat. Eck hätte zwar mit Augustinus die ihm zugefügte Bosheit geduldig ertragen können, jedoch fühlt er sich verpflichtet, zu antworten, damit die von der Lehre der Väter abweichende Auffassung Luthers nicht Wurzel schlägt. Er will jedoch bescheiden und nicht "bissig" und ohne Ruhmsucht antworten. Eck ermahnt Luther, sich an den "Früchten des Geistes" messen zu lassen und mit ungeheuchelter Demut aufzutreten. Er bittet Schatzgeyer, in diesem Sinne die vorliegende »Expurgatio« zu lesen und empfiehlt sich dem Gebet der Mitbrüder.
In nomine tuo, dulcis Jesu. Venerando Patri Gaspari Saltzgeir (1) sancti Francisci sacerdoti de observantia ac eius familiae in Norinberga Gardiano Ioannes Eckius conservus Christi in Domino Salutem optat. Quamvis omnino decrevissem, Religiose Pater, quiescere et
silere
post Lipsicam disputationem, expectaturus iudicium Parrhisiensium et
Erphordensium, (2) tamen nescio quomodo
Wittenbergensium laudis
et gloriae cupidi, tot epistolas per calcographos disseminent, quibus
se
victores et triumphatores pronuncient, veluti iam D. Martini Lutteri
epistolam Norinbergae vidi, profecto egregie mihi iniurantem.
(3) Quae tamen omnia patienter ferrem, cum ex divi Augustini
sententia
paratus esse homo debeat patienter eorum sustinere maliciam, quos bonos
fieri
quaerit, ut potius numerus crescat bonorum, ne pari malicia quis se
numero
addat malorum, (4) observaturque mihi
frequenter
illud beati Gregorii ante oculos: Tanto quisque minus ostenditur
doctus,
quantominus patiens.(5) Cogor tamen respondere, ne sententia Lutterana (quae meo
exili
et modici iudicio in pluribus est minus sobria et ab ecclesiasticis
patribus dissentiens) altius radices figat; et cum modestia nostra nota
debeat esse hominibus apostoli praecepto: nolo aculcate respondere
Luttero, sicut ipse
est mihi in illa epistola maxime iniurius, de quo parcat ei Dominus. Possem quoque eum »suis depingere coloribus«, (6) . Sed Sapiens prohibet: »Ne
respondeas
stulto iuxta stulticiam suam, ne efficiaris similis ei«. (7) Quamvis bonus, honestus ac prudens vir, satis ex epistola
eius
accipit, quo seipsum Martinus descripserit, quam humilis sit et
patiens:
»A fructibus eorum cognoscetis eos«, ait Salvator; (8) »fructus autem spiritus«
describit nobis Apostolus, »qui sunt charitas, gaudium, pax,
patientia,
mansuetudo, modestia« etc. (9)
Quos an observaverit, lector prudens non affectus iudicet. »Charitas
enim, quae non emulatur, non agit perperam«,
(10) tam amarulenter et pungentia scripta non edidit, cum
tota
epistola suam et suorum laudem quaerat, et in mei iniurias effusissime
debachetur; conservum suum pauperem iudicando de gravibus criminibus et
ignorantiis contra
apostolicum praeceptum: »Non efficiamur inanis gloriae
cupidi, invicem
provocantes, invicem mordentes«.(11)
Utinam frater ille »in mititate spiritus et
humilitate
non ficta Sapientis« observasset praeceptum: »Remove
a te os pravum, et detrahentia labia sint procul a te«. (12) Nam istis arrogantibus scriptoribus
veritas
non quaeritur, minus invenitur. Mallem ut in timore Dei, cum bona pace
et
tranquillitate sanctissimas fidei nostrae veritates tractaremus, semper
id
pro oculis habentes: »Ne innitaris prudentiae tuae«. (13) Accipe igitur, venerande Pater, »expurgationem« hanc nostram, et orationibus devotis fratrum tuorum me peccatorem commenda Ex Ingoldstat, |
In Deinem Namen, lieber Jesus! Dem ehrwürdigen Pater Kaspar Schatzgeyer, Priester des Ordens des hl. Franziskus von der Observanz und Guardian von dessen Nürnberger Ordensfamilie, wünscht Johannes Eck usf, Mitsklave Christi, im Herrn alles Gute! Obgleich ich, frommer Pater, eigentlich beschlossen
hatte,
nach der Leipziger Disputation mich ruhig zu verhalten und zu
schweigen,
in Erwartung des Urteils der Pariser und Erfurter Theologen, so
weiß
ich dennoch nicht, wieviele Male inzwischen die lobes- und
ruhmsüchtigen Wittenberger durch ihre Drucker Briefe verbreiten,
in denen sie sich als
Sieger und Triumphatoren bezeichnen, wie ich bereits in Nürnberg
einen
Brief Doktor MARTIN LUTHERS gesehen habe, der mir in der Tat
einzigartig
Unrecht tut. Dennoch möchte ich das alles geduldig ertragen, denn
nach Meinung des AUGUSTINUS »soll der Mensch Übel
geduldig von
denen ertragen, von denen er will, daß sie gute Menschen werden,
damit die Zahl der Guten eher wachse und sich niemand durch gleiches
Unrecht der
Zahl der Bösen zugeselle.« Ich werde jedoch zu einer Entgegnung gezwungen, damit nicht LUTHERS Meinung (die nach meinem beschränkten und unbedeutenden Urteil wenig nüchtern ist und im Widerspruch zu den Kirchenvätern steht) tiefere Wurzeln schlage, und da unsere maßvolle Art entsprechend dem Gebot der Apostel erkennbar sein soll, will ich LUTHER nicht scharf antworten, wie er selbst es mir gegenüber in jenem Brief äußerst ungerecht getan hat: davon möge ihn der Herr verschonen! Ich könnte ihn auch mit seinem Mitteln karikieren, aber der Weise gebietet: »Antworte dem Törichten nicht in gleicher Torheit, damit Du ihm nicht ähnlich wirst!« Obgleich ein gutgesinnter, ehrenwerter und kluger Mensch
aus seinem Brief ausreichend entnehmen kann, wie sich Martin hier
selbst beschreibt,
nämlich wie demütig und geduldig er ist: »An ihren
Früchten
sollt ihr sie erkennen«, sagt der Erlöser. Die »Früchte
des Geistes« aber beschreibt uns der Apostel, nämlich
»Liebe,
Freude, Frieden, Geduld, Sanftmut, Bescheidenheit« usf. Ob
er
diese beobachtet hat, soll der kluge Leser, nicht Leidenschaft,
beurteilen.
Die »Liebe« nämlich, die »sich
nicht
aufbläht, nicht ungehörig handelt«, hat solche
widerwärtigen
und verletzenden Schriften nicht veröffentlicht, da seine ganze
Epistel
das Lob seiner selbst und seiner Gefolgsleute zu erringen sucht und
sich
maßlos in Beleidigungen meiner Person austobt und seinen armen
Mitsklaven
Christi schwerer Vergehen und Unwissenheit beschuldigt, gegen das Gebot
des Apostels: »Wir wollen nicht prahlen, nicht miteinander
streiten
und einander nichts nachtragen.« Wenn doch jener Bruder mit sanftmütigerem Geist und ungespielter Demut das Gebot des Weisen beobachtet hätte: »Vermeide alle Falschheit des Mundes, und Verkehrtheit der Lippen halte von Dir fern!« Denn durch diese anmaßenden Schreiber wird die Wahrheit nicht erstrebt und nicht gefunden. Ich wollte lieber, daß wir in der Furcht Gottes, in Frieden und innerer Ruhe die heiligsten Wahrheiten unseres Glaubens behandeln, und dabei immer vor Augen haben: »Baue nicht auf eigene Klugheit!« Nimm daher, ehrwürdiger Pater, diese unsere »Expurgatio« entgegen und empfiehl mich Sünder den frommen Gebeten Deiner Mitbrüder! Aus Ingolstadt,2. September im Jahr der Gnade 1519 |
1. Kaspar SCHATZGEYER OFM (1463-1527), Franziskanerobservant, 1519 Guardian in Nürnberg. Eck war mit ihm eng befreundet. 1514 bereits erschien Ecks »Chrysopassus« zusammen mit einem Geleitbrief Schatzgeyers vom 20-03-1514 (s.o.). Vgl. N.PAULUS, Kaspar Schatzgeyer, ein Vorkämpfer der katholischen Kirche gegen Luther in Süddeutschland. Straßburg 1898; E.ISERLOH, K.Schatzgeyer: Kath.Theologen der Reformationszeit (KLK 44), Münster 1984, 56-63; H. SMOLINSKY: LThK (3.A.) 9, 111f; DSp 14, 403f; Kaspar Schatzgeyer OFM, Schriften zur Verteidigung der Messe (Hg. von E.ISERLOH u.P.FABISCH = CCath 37), Münster 1984, 1-12.
2. Hinweis auf die Vereinbarung der Leipziger Disputatoren, vor Bekanntwerden des Urteils der Universitäten Paris und Erfurt nichts zu veröffentlichen. Vgl. ECK, Contra obtusum propugnatorem fol.A IVv: u. Brief 03-12-1519.
3. Luther an Pirckheimer, 05-07-1519. Wahrscheinlich hat Eck diesen (verlorenen) Brief ebenso wie Luthers Widmungsepistel zu seinen »Resolutiones« zu seinen in Leipzig vorgetragenen Thesen an Spalatin auf der Rückreise von Leipzig nach Ingolstadt in Nürnberg gesehen.
4. AUGUSTINUS, Ep.5 (138), 13: PL 33, Sp.530.
5. GREGOR I.,Homiliae in Ez 2, hom 9: CChr.SL 142, 369 = PL 76, Sp.1052B.
6. "in seinen eigenen Farben malen (beschreiben)": sprichw. Redensart.
7. Spr 26, 4.
8. Mt 7, 16. 20.
9. 1 Kor 13, 13.
10. 1 Kor 13, 4.
11. Gal 5, 26.
12. Spr 4, 24.
13. Spr 3, 5.