Übersicht Reformationsgeschichte - Übersicht Briefwechsel Eck
Nr. 101

Eck an Cuspinian

Ingolstadt
10-02-1520

Wien, Gräflich-Harrachsches Familienarch., Abt Historica (Autogr)
KLEEHOVEN, Cuspinians Briefwechsel, Nr 41, 113/116; OBERMEIER, Ingolstadt Heimat; Hans von ANKWICZ, Zwei unbekannte Briefe Johann Ecks an Johan Cuspinian: MIÖG 37, 1917, 75f

Eck hat Befürchtungen, Cuspinian könne bei den Thronwechselwirren nach dem Tode Maximilians I. in den österreichischen Provinzen Schaden genommen haben. Er hofft aber, daß Cuspinian dem öffentlichen Kesseltreiben aufgrund seiner Geistesschärfe und Geradheit entkommen konnte. Eck selbst befindet sich zur Zeit selbst "zwischen Scylla und Charybdis", denn er hat es mit einem anmaßenden und verleumderischen Mönch zu tun, der vor nichts Ehrfurcht zeigt. Den Verlauf der Streitigkeiten kann Cuspinian den Flugschriften und Briefen entnehmen. Die älteren hat Eck nicht mehr; die jüngst im Druck erschienenen gehen Cuspinian zu. Eck ist auf dem Weg nach Rom, wo er dem Papst sein Werk »De primatu Petri« überreichen will. Eck weiß nicht, was ihn im Rom erwartet wegen der zahlreichen Mißbräuche an der Kurie. Trotzdem hat er den apostolischen Stuhl aus den ältesten Kirchenväterquellen gegen Luthers Irrlehren erfolgreich verteidigt. Die "neueren" Theologen wie Scotus, Ockham, Maronis, Palude und Durandus müssen derweil "schweigen". Eck empfiehlt den Überbringer des Briefes, Johann Widmann, für die Aufnahme in die Wiener Rosenburse durch Cuspinian. Dieser soll schreiben, wenn Eck aus Rom zurück ist.



S.P.


Mirificus quidem amor, ornatissime vir, me corripuit, ut tibi tuisque fortunis optime et foelicissime velim consultum, multaque anxietas me tenuit in hac provincialium apud vos varietate post divi Caesaris obitum (1).

Quod litterae et litterati plerumque odio sint beluae huic, vulgo dicere volui, licet acre tuum ingenium, singularis dexteritas tua atque rerum agendarum prudentia spem semper dederit, ut in his fluctibus tute ad portum naviges. Ego vero »in syrtibus« laboro, in »Scylla et Carybdi« et si quid est aliud peius. (2)

Hoc ex qualitate personae, cum qua mihi negotium est, facile percipies. Et cum qua inquis? Cum monacho dico ferratre et eo mendicante, frontoso, arrogante, maledico, contumelioso et qui omnino nullius rei reverentiam habet. (3)

Totius negotii processum ex libellis et epistolis, si modo unquam vacabit tibi homini erudito et docto has nugas nostras et ineptias legere. (4)

Priores libellos non habeo; qui nuperrime ex proelio venere, mittuntur ad te patronum sperantes et maecenatem te habituros pro ea, qua es integritate.

Iam Romam peto oblaturus summo pontifici libros III »de primatu Petri« grandiusculos. (5) Nescio, quam gratus hospes sim adventurus, quod multi abusus summi pontificis et episcoporum catoniane taxantur; (6) tamen sedes apostolica ab haeresibus Ludderi defenditur invicte, omnia per me deducta ex antiquissimis originalibus sanctis patribus. Nullus etiam sanctorum audet mussitare, qui a CCCC annis vixit; taceo de Scoto, (7) Ocham, (8) Maronis, (9) Palude, (10) Durando (11) etc., quibus nec per fenestram introspicere licitum est.

Is, qui litteras hasce praesentavit excellentiae tuae, Joannes Widmann Austriacus, praeter gentis consuetudinem civilis, moriger, studiosus et affabilis est. (12) Habe eum commendato vel meo nomine. Diu apud nos fuit, laboriosus est et bonus. Syngrapham hominis inspiceto. Si commode posset adipisci tuis auspiciis tuo favore stipendium bursae rosae, (13) arbitror eum futurum non ingratum.

Me autem virtuti tuae commendo maxime. Fac, ut litteras tuas videam, postquam ex urbe reversus fuero.

Vale et salve in domino.

Ex Ingolstat X. februario. Anno gratiae 1520.

Tuus ad vota Eckius.

Seid gegrüßt!

Übergroße Gefühle der Zuneigung, geehrtester Johannes, haben von mir Besitz ergriffen, so daß ich Euch und den Eurigen beste und erfolgreichste Entscheidungen getroffen zu haben wünsche, denn große Besorgnis wegen der ständischen Wirren bei Euch und dem Tod des Kaisers hält mich gefangen.

Weil Briefe und gebildete Menschen diesem Ungeheuer meist verhaßt sind, wollte ich offen reden, da Euer scharfer Verstand und Eure einzigartige Rechtschaffenheit und Klugheit im Handeln immer die Hoffnung genährt hat, daß Ihr in diesen Strudeln sicher den Hafen erreicht. Ich jedoch mühe mich in den Untiefen ab, zwischen Scylla und Charybdis, oder wenn es etwas noch Schlimmeres gibt.

Das werdet Ihr angesichts des Wesens der Person, mit der ich mich abgeben muß, leicht begreifen. Und Ihr fragt, was für eine Person das ist? Mit einem halsstarrigen Bettelbruder habe ich es zu tun, hartnäckig, anmaßend, übelredend, schmähsüchtig, der vor gar nichts Ehrfurcht hat!

Den Verlauf des ganzen Streites könnt Ihr aus Schriften und Briefen entnehmen, wenn Euch als gelehrten und gebildeten Mann überhaupt Zeit bleiben sollte, diese Nichtigkeiten und Possen zu lesen.

Die frühesten Flugschriften habe ich nicht mehr; die zuletzt gedruckten werden Euch in der Hoffnung auf Eure Unterstützung und Förderung wegen Eurer Unbestechlichkeit zugeschickt werden.

Ich bin bereits dabei, nach Rom aufzubrechen, um dem Heiligen Vater drei umfängliche Bücher über den »Primat des Petrus« zu überreichen. Ich weiß nicht, wie willkommen ich als Gast dort aufgenommen werde, da viele Mißbräuche des Papstes und der Bischöfe darin aufgelistet werden. Dennoch verteidige ich unwiderlegbar den apostolischen Stuhl gegenüber den Häresien LUTHERS; alles wird von mir aus ältesten Quellen der Kirchenväter hergeleitet. Keiner der Väter wagt zu schweigen, der vor vierhundert Jahren gelebt hat, geschweige denn SCOTUS, OCKHAM, MAYRONIS, PALUDE, DURANDUS usf., denen ins Fenster zu schauen nicht erlaubt ist.

Der Eurer Exzellenz diesen Brief überreicht hat, JOHANN WIDMANN aus Österreich, ist über dem Durchschnitt höflich, sittenrein und leutselig. Laßt ihn Euch in meinem Namen anempfohlen sein! Er war lange Zeit bei mir, arbeitsam und gutgesinnt. Schaut in das Zeugnis, das ich diesem Menschen ausgestellt habe. Wenn er mit Eurer Hilfe und Gunst ein angemessenes Stipendium an der Rosenburse erlangen könnte, so glaube ich, daß er sich nicht als undankbar erweisen wird.

Mich selbst aber empfehle ich Euch ganz besonders. Sorgt dafür, daß ich Eure Briefe erhalte, nachdem ich aus Rom zurückgekehrt sein werde.

Lebt wohl, und alles Gute im Herrn!

Aus Ingolstadt am 10. Februar im Jahr der Gnade 1520.

Euch zu Diensten, Eck.


1. Zu Cuspinian s.o.Brief 13-10-1518, Anm.1. - Anspielung auf die Wirren in einzelnen österreichischen Provinzen nach dem Tode Kaiser Maximilians I. am 12-01-1519.

2. D.h. Eck war durch den Konflikt mit Luther in Mißhelligkeiten geraten.

3. Negative Charakterisierung der Persönlichkeit Luthers.

4. S. CCath 2, Anhang Beilage 1: 88ff.

5. Eck brach also erst im Februar/März 1520 nach Rom auf. - Zu »De primatu Petri« s.u. Brief 01-04-1520 Anm. 10 u. 11 und Brief 03-05-1520 Anm. 5.

6. Eck hat in »De primatu Petri« Mißbräuche an der Kurie scharf getadelt ("in der Manier des alten Cato")und ist sich nun unsicher, wie sich das auf seinen Aufenthalt in Rom auswirken wird.

7. Johannes DUNS SCOTUS OFM (gest.1308).

8. Wilhelm von OCKHAM OFM (gest.1349).

9. Franciscus MAIRONIS OFM (gest.1327).

10. Petrus de PALUDE OP (gest.1342).

11. Wilhelm DURANDUS DE SAN PORCIANO OP (gest.1334).

12. Johann WIDMANN, der Überbringer des Briefes, österreichischer Herkunft. Über ihn ist sonst nichts bekannt.

13. Eck empfiehlt den ihm als fleißigen Studenten von Ingolstadt her bekannten Widmann für die Wiener Rosenburse. Auf die Vergabe der Stipendien hatte Cuspinian als landesfürstlicher Superintendent großen Einfluß.