Übersicht Reformationsgeschichte - Übersicht Briefwechsel Eck

Nr. 103

Eck an Papst Leo X.

Rom
01-04-1520


ECK, De primatu Petri adversus Ludderum Ioannis Eckii libri tres. Paris, P. Vidovaeus, 1521 (= METZLER Nr 38) Widmung Ecks

Beim Vergleich der Schriften Luthers über die päpstliche Gewalt mit den Geschichtsquellen der frühen Kirche und den Aussprüchen der Kirchenväter hat Eck bei Luther ein Sammelbecken aller erdenklicher Irrtümer vorgefunden. Er sieht Luther in einer Linie mit den Ketzereien eines Arius bis Photius. Auf diese nach Ecks Meinung auf Perfidie und Unwissenheit gründenden "frivolen Einwürfe" will er aus den Quellen der Hl. Schrift, der Konzilien und der Väter antworten und die These untermauern, daß Petrus der Stellvertreter Christi auf Erden war und seine Stelle jetzt der regierende Papst Leo X. einnimmt. Daher widmet er diesem angemessenerweise seine Schrift über den Primat Petri, die Leo X. mit aller Sorgfalt auf ihre Rechtgläubigkeit prüfen soll.



Beatissimo Patri ac Domino, D. Leoni X. Pont. Opt. Max. Ioan. Eckius humilis servitor post oscula pedum beatorum S. optat, et de hostibus fidei triumphum.

Cum expenderem maxime sacrorum Antistes Ludderanas de Pontificia potestate scriptiones (1) et ad veteres hystorias ac Sanctorum Patrum dicta conferrem, repperi Ludderum »iliades« malorum congessisse et omnium errorum feces.

Nam quae Novatus contra S. Cornelium Papam (2) , Arrius contra Sylvestrem (3) Theoginus Berinthus et alii Orientales contra S. Athanasium (4) , Theophilus Alexandrinus contra S. Chrysostomum (5) , Dioscorus Alexandrinus contra S. Leonem (6) , Ciriacus Constantinopolitanus contra S. Gregorium (7) , Paulus Constantinopolitanus contra S. Martinum (8) , Photius contra Nicolaum et Adrianum (9) et omnino omnes omnium aetatum haeretici in Sanctam sedem Apostolicam et ei adhaerentes evomuerunt, haec omnia impudentius etiam Ludder congessit.

Motus ego rei indignitate ac hominis perfida inscitia respondi ineptiis viri et frivolis obiectionibus et ex sacris literis, Sanctis Conciliis ac patrum sententiis invictam esse doceo sententiam, Petrum fuisse vicarium CHRISTI IESU in terris universalis ecclesiae (10), cuius iam locum, sedem et fidem obtinet sanctitas tua, universo orbi Christiano praesidens.

Exigebat ergo summa tua in ecclesia Dei auctoritas, morum et vitae innocentia, eruditio tua non vulgaris, ut nemini iustius hunc nostrum dedicarem laborem (11) , quam beatitudini tuae sicut in praesentia offero eum ad pedes sanctitatis tuae, ut probanda probes, reiicienda autem expungas et deleas ac Eckium minimum ecclesiae tuae Sanctae membrum sub umbra alarum tuarum protegas ac tuearis. Haereses quoque in vinea Domini suborientes pro pastorali officio coherceas.

D.O.M. incolumem servet, S.T. in longos annos.

Ex urbe
Kalen. Aprilibus, Anno Gratiae XX. supra sesquimillesimum
.

Dem Heiligsten Vater und Herrn Leo X. wünscht Johannes Eck als demütiger Diener nach Fußkuß Segen und Triumph über die Feinde des Glaubens!

Als ich, höchster Bischof, über die Schriften LUTHERS zur Gewalt des Papstes nachsann und mich den alten Geschichtsquellen und den Aussagen der Kirchenväter zuwandte, erkannte ich, daß LUTHER Sammlungen von Bosheiten und den Bodensatz aller Irrtümer zusammengetragen hat.

Denn was NOVATUS gegen den hl. Papst CORNELIUS, ARIUS gegen SILVESTER, THEOGINUS, BERINTHUS und andere Orientalen gegen den hl. ATHANASIUS, THEOPHILUS aus Alexandrien gegen den hl. CHRYSOSTOMUS, DIOSCURUS aus Alexandrien gegen den hl. LEO, CYRIACUS aus Konstantinopel gegen den hl. GREGOR, PAULUS aus Konstantinopel gegen den hl. MARTIN, PHOTIUS gegen NICOLAUS und HADRIAN und überhaupt sämtliche Häretiker aller Jahrhunderte gegen den hl. apostolischen Stuhl und dessen Anhänger ausgespieen haben, das alles hat LUTHER noch unverschämter gesammelt.

Aus Entrüstung darüber und über die Unverfrorenheit und Unwissenheit dieses Mewnschen habe ich auf seine Possen und leichtfertigen Behauptungen geantwortet und beweise aus der Heiligen Schrift, den heiligen Konzilien und den Lehren der Kirchenväter, daß die Lehre unbesiegbar ist, der zufolge Petrus der Stellvertreter Christi auf Erden und der universalen Kirche gewesen ist, dessen Sitz auf Erden und dessen Glauben Eure Heiligkeit bewahrt als Vorsteher des christlichen Erdkreises.

Eure höchste Autorität in der Kirche Gottes, Eure Unschuld in Sitten und Lebenswandel, Eure überdurchschnittliche Gelehrsamkeit machten es also notwendig, dieses unser Werk gerechterweise keinem anderen zu widmen als Eurer Heiligkeit. So lege ich es hiermit Eurer Heiligkeit zu Füßen, damit Ihr prüft, was überprüft werden muß, Zurückzuweisendes auslöscht und zerstört und Ihr ECK, das geringste Glied Eurer Heiligen Kirche, »unter dem Schatten Eurer Flügel« beschützt und verteidigt, müßt Ihr doch Häresien, die im »Weinberg des Herrn« entstehen, kraft Eures Hirtenamtes verhindern.

Gott möge Eure Heiligkeit für lange Jahre unversehrt beschützen!

Aus Rom,
1. April im Jahr der Gnade 1520


1. LUTHER, Resolutio Lutheriana super propositione decima tertia de potestate papae: WA 2, (180) 183 - 240. Diese Schrift war Eck während der Leipziger Disputation zugespielt worden: s.o. Brief 08-11-1519 u. u. Anm.10.

2. Der Afrikaner Novatus verleitete Novatian, den Begründer einer rigoristischen religiösen Gruppierung um die Mitte des 3.Jahrhunderts, dazu, sich 251 als Gegenbischof gegen Papst Cornelius (251 - 253) aufstellen und von drei Landbischöfen weihen zu lassen. Novatian stellte sich gegen die Praxis des Cornelius, in der Wiederaufnahme der Abgefallenen (lapsi)Milde walten zu lassen. Er sprach schließlich der Kirche das Recht und die Vollmacht ab, dieses schwere Vergehen zu vergeben. Vgl. EUSEBIUS, Historia Eccl. VI, 42f. Zum Novatianischen Schisma s. J. QUASTEN: LThK 7, 1062ff; E. AMANN: DThC 11, 815 - 845;  LThK 3 7, 938f (H.J.VOGT) BBKL VI (1993) Sp 1047-1049 ( Ralf-Thomas Klein). Zu Cornelius s. LThK3 3, 57f  ( G. SCHWAIGER); LThK 3 2 , 1313f.(G. SCHWAIGER); BBKL 1, 1130f. (Friedrich Wilhelm Bautz)

3. Areios (gest. 336), Priester in Alexandria, trug seit etwa 315/17 in der Christologie abweichende Auffassungen vor, die eine nach ihm benannte häretische Bewegung des 4. Jahrhunderts auslösten. Seine Lehren wurden auf dem Konzil von Nicaea 325 verworfen. Vgl. ATHANASIUS, Apologia contra Arianos: PG 25, 248 - 409; Ders., Epistola de decretis Nicaenae synodi: PG 25, 416 - 476 ; vgl Athanasius Werke • Arbeitsstelle Erlangen; HILARIUS, Liber de synodis (PL 10). S. C. UEDING, J. LIEBAERT: LThK 1, 842 - 848. Zu Papst Silvester I. (314 - 335), der in Nicaea durch zwei Legaten vertreten war, s. LThK2 9,75 (INSTINSKY); LThK 3 1 , 981-989 (R.D.WILLIAMS); BBKL I,  213-217 ( Friedrich Wilhelm Bautz).

4. Theognis, Bischof von Nicaea, gest. vor 342, einer der leidenschaftlichsten Anhänger des Arianismus: A. VAN ROEY: LThK 10, 55. - et alii Orientales: z.B. Eusebius von Nikomedia. - Athanasius (295 - 373), begleitete seinen Bischof Alexander von Alexandria zum Konzil von Nicaea, wo er sich »offen gegen die Gottlosigkeit der Arianer« aussprach (Apologia contra Arianos 6). Vgl. LThK2 1, 976-981 ( P-TH. CAMELOT); LThK 3 1, 1126-1130 (CL.KANNENGIESSER; BBKL Band I (1990)Spalten 259-265  (Friedrich Wilhelm Bautz); Athanasius Bibliographie

5..Theophilos, Patriarch von Alexandria (geb. 345, 385 - 412 Patriarch), intrigierte gegen Johannes Chrysostomus (344/54 - 407) auf der sog. "Eichensynode" 404, wo er diesen um seinen Bischofsstuhl und in die Verbannung brachte. S. SOKRATES, Hist. Eccl. VI, 2 - 28; vgl. K.BAUS: LThK 10, 88; DThC 15, 523 - 530. Zu Joh. Chrysostomus vgl. K.BAUS: LThK 5, 1018 - 1021.

6. Dioskuros I., Patriarch von Alexandia (gest. 454, 444 - 451 Patriarch), Nachfolger des Kyrillos und Anhänger des Eutyches; er betrieb und leitete die "Räubersynode" von Ephesus 449, wo er die Verlesung des dogmatischen Schreibens Papst Leos I. (440 - 461) vom 13-06-449 (Ep. 28) verhinderte. Auf der 3. Sitzung (13-10-451) des Konzils von Chalkedon abgesetzt, aber nicht als Häretiker verdammt. Vgl. B.L.DENDAKIS: LThK 3, 409f; DHGE 14, 508 - 514. Zu Leo I. vgl. G. SCHWAIGER: LThK 6, 945ff.

7. Kyriakos, Patriarch von Konstantinopel (596 - 606); er zeigte zwar seinen Amtsantritt an und übersandte sein Glaubensbekenntnis; als Papst Gregor I. (540 - 604) dieses ablehnte, hielt er dennoch am Titel eines "Ökumenischen Patriarchen" fest. Vgl. K.BAUS: LThK 6, 704. Zu Gregor I. s. L.M.WEBER: LThK 4, 1177 - 1180; DThC 6, 1776 - 1781.

8..Paulos II., Patriarch von Konstantinopel (gest. 653, Patriarch seit 641): die Lateransynode vom Oktober 649 unter Papst Martin I. (649 - 653) verurteilte die von Paulos mitgetragenen Glaubensformeln "Ekthesis" und "Typos" (LThK 3, 791f u. 10, 423). Bereits Papst Theodor I. hatte Paulos exkommuniziert, da er eine monotheletistische Glaubensformel rechtfertigte: P. ließ daraufhin die Residenz derpäpstlichen Apokrisiare in Konstantinopel besetzen, worauf Martin I. das Interdikt über ihn aussprach.Vgl. TH. NIGGL: LThK 8, 212. Zu Martin I. s. G. SCHWAIGER: LThK 7, 113f.

9. Photius, Patriarch von Konstantinopel (ca. 820 - 891). In den Wahlstreitigkeiten um das Amt des Patriarchen von Konstantinopel 859 zwischen Ph. und Ignatios sandte Papst Nikolaus I. (858 - 867) auf Ersuchen Kaiser Michaels III. Legaten, um auf einer Synode die Verurteilung des Ikonoklasmus bestätigen und die kirchliche Situation in Konstantinopel prüfen zu lassen. 861 erkannten die Synodalen das Urteil der päpstlichen Legaten an, die offenbar die Kanones von Sardica (343) zum Appellationsrecht an den römischen Patriarchen zugrundegelegt hatten. Die Absetzung des Ignatios wurde daraufhin bestätigt. Nikolaus I. war mit der Rechtfertigung des Urteils unzufrieden und forderte von Photius neue Belege, was dieser zurückwies. Nikolaus begann dem Abt Theognostos, einen Gegner des Ph., zu vertrauen und verurteilte auf der römischen Synode von 863 die Handlungsweise seiner Legaten, exkommunizierte Photius und bestätigte Ignatios. Er benachrichte daraufhin den Kaiser und die Patriarchen des Ostens. Der Kaiser lehnte 865 die päpstliche Entscheidung ab. Im September 867 wurde Kaiser Michael ermordet; um die Unterstützung des neuen Papstes Hadrian II. (867 - 872) zu gewinnen, setzte der neue Kaiser Basileios I. Ignatios wieder ein und erbat die Sendung päpstlicher Legaten zur Abhqaltung eines neuen Konzils (8. ök. Konzil 869 - 870), das dann Photios und seine Anhänger verurteilte. Zu Photius vgl. F.DVORNIK: LThK 8, 484 - 488; DThC 12, 1536 - 1604; zu Nikolaus I.: TH. SCHIEFFER: LThK 7, 976f; zu Hadrian II.: G. SCHWAIGER: LThK 4, 1306f; DHGE 1, 619 - 624.

10..Eck will aus der Hl. Schrift, den Konzilsbeschlüssen und den Kirchenvätern den Primat des Papstes belegen.

11. Hier formuliert Eck das zentrale Thema seiner Primatsschrift, die er Leo X. persönlich widmet. Zum Anlaß der Entstehung heißt es De primatu 1 c. 1 (»Cur haereses ortae, et quae causa scribendi"): "Hinc ad scribendum moveor, quantum Deus mihi dederit et sua gratia adiuverit, contra libellum Martini Ludder de potestate Papae (vgl. o. Anm.1) haeresibus plenum, quem non expectato congressu nostro literario (super illa enim materia disputavimus Lipsiae in ornatissimo illustrium generosorum et doctissimorum virorum consessu) in publicum emisit, ubi pontificiam in has angustias deducit potestatem,ut iure divino Papa non plus possit quam plebeius sacerdos. In quo libro audaculus et meam pauperem tangit personam, quasi invidiose hanc posuerim, propositionem adversus eum Romanam ecclesiam non fuisse superiorem aliis ecclesiis ante tempora Sylvestri, negamus, sed eum quem sedem beatissimi Petri habuit et fidem successorem Petri et vicarium Christi semper agnovimus. Calumniatur me hanc sibi in publico movisse invidiam, cum hanc materiam in nullo dictorum suorum tractarit. Oblitus ille qui in resolutorio suo nihil aliud agere videatur quam summi Pontificis potestatem extenuare et in conclusione XXII. sui Resolutorii ait: 'Finge vel latius suadeamus, Romanam ecclesiam esse, qualis erat adhuc tempore B. Gregorii, quando non erat super alias ecclesias saltem Graeciae, clarum est, quod poenae canonicae non obligabant Graecos, sicut nec nunc obligant'; et conclusione LXXII vocat ecclesiam viduam. Quibus manifestarium est, me non iniuria hanc movisse materiam, de qua sensi eum pessime sentire. Quod, etsi Ludder etiam huius materiae non meminisset, ponendo tamen conclusionem meam, quae est catholica et conformis sacrae scripturae et doctrinae sanctorum patrum, ut ostendemus, plus dedi ei occasionem recte sentiendi quam errandi, nisi ex constituto tam perversum animum induerit, ut in omnibus mihi velit dissentire;'humilitas etsi aliquando appareat in voce, tamen semper prodit se temeritas', ait Ambrosius. Potissimum autem moveor ad libellum hunc impugnandum zelo fidei et veritatis, et quod intelligam aliquos, qui sibi videntur esse aliquid in sacris literis, qui ex schola Diomedis vel Prisciani ad scholam Christi credunt se ascendere: Hi enim videntes a Luddero adductas Bibliae et Patrum sententias confestim fascinantur et decipiuntur, iudicantes perversum Ludderi dogma esse catholicum et evangelicum, cum non solum errantes, sed et haeretici scripturam rodant, ait b. Gregorius lib. XX. Morali, qui et sanctos patres nobiscum laudant, sed intellectu depravato nos eorum laudibus impugnant; ait idem lib. VIII.: 'Nam sic etiam veritatis catholicae inimici desertores, transfugae, persecutores sacris abutuntur litteris, ut videantur solidae veritati inniti.'«