Übersicht Reformationsgeschichte - Übersicht Briefwechsel Eck
Nr .104

Eck an Johannes Fabri
Rom
03-05-1520

München BSB, Sign. 4oH.ref. 800 (25): Druck Einzelschrift
Erlanger Luther-Ausgabe (EA), Opera latina varii argumenti 4, 256ff; BÖCKING 5, 342f
Übersetzung: WALCH 15,1659-1562, Nr. 436
[F 073.d]

Auf dem Weg nach Rom hat sich Eck P. Ulrich Schultherr OSB aus dem Kloster St. Emmeram bei Regensburg angeschlossen. Papst und Kardinäle haben die Schrift Ecks über den Primat Petri sehr günstig aufgenommen. Die Bulle »Exsurge Domine« ist im Entwurf fertig und soll im nächsten Konsistorium ausgefertigt werden. Wenn Ecks Vorschlag befolgt wird, werden der Papst und sämtliche Kardinäle unterzeichnen. Die Irrtümer Luthers waren bisher in Rom allzu wenig bekannt; daher war es gut, daß Eck gerade jetzt nach Rom gekommen ist. Eck schildert die Vorgänge auf dem letzten Konsistorium, dem er neben den Kardinälen Accolti (Anconitanus) und Cajetan und dem Augustiner Dr. Hispanus angehört. In seiner leidigen Ingolstädter Pfründensache wollen ihm Papst und mehrere Kardinäle Unterstützung gewähren. Über die römischen Verhältnisse im allgemeinen hat Eck schlechte Nachrichten, gibt aber zu, sich in einem Gefühlskonflikt zu befinden. Rom ist das Sammelbecken des Abschaums der Christenheit; die Vorgänge an der Kurie widerspiegeln nur das, was sich an Mißständen an den Fürstenhöfen abspielt. Urbanus Rhegius soll diesen Bericht auch lesen. Eck kann auch Reservate auf Pfründen haben, will sich aber auf eine so üble Sache nicht einlassen.


Epistola Ioh. Eccii sedis papistice nuncii, ut ipse scribit, inviti (1) descripta ab ipsius autographo, que docebit quam vera sit Epistola quam e Lipsia Wittembergam scripsit (2), qua se invitum ait suscepisse munus legationis adversus Lutherum.

Salutem.
Venit ad me in itinere, dignissime Vicari, tuus Ioan. Ulrichus (3) ; pervenimus auspicato ad urbem (4); obtuli S.D.N. Librum de primatu Petri (5); qua autem humanitate fuerit in me et sit Summus Pontifex, qua Cardinales Reverendissimi iucundius fuerit coram recitar ; quam charta mortua depingere.
Minuta contra Lutherum est concepta (6); proximo consistorio Cardinalium expedietur. Etsi Eckii consilium sequetur, Sanctissimus, tunc omnes Cardinales et omnes Episcopi se subscribent (7). Bonum fuit me venisse hoc tempore Romam, quod alii parum pernoverunt errores Lutheranos; aliquando omnia audies, quae egerim in hac causa. Stetimus nuper, Papa, duo Cardinales (8), Doctor Hispanus (9) et ego per quinque horas in deliberatione huius negocii (10) ; singuli rogabamur nostras dare sententias: Bullae forma placebit bonis,; mixta enim est ex veterum conciliorum ac pontificum et novorum consuetudine; errores sunt 38 expresse condemnati (11).

De parochia mea nisi Summi Pontificis interveniat autoritas, iure nihil obtinerem, ut a fautoribus meis intimis audio. Tamen Summus Pontifex pro se et ad preces plurium Reverendissimorum Cardinalium pollicitus est per pectus suum me non abiturum, quin sim liber et securus in parochia, quin adiecit hoc parum esse nisi et in pluribus me remuneraret(12) .

Heri fui cum S.D.N. in negotio Lutherano faciens relationem de expeditis per Cardinales deputatos (13); cras iterum aditurus Pontificem inquirendum de die Consistorii etc (14).

De Roma multo peiora audivi quam sentiam. Hoc fit hic eo insignius, si quid mali acciderit, quod hic est colluvies orbis Christiani, et quod in aulis principum evenit apud nostrates hunc communem morbum; habet et curia ista, caeterum ne prae propere laudem Romam, differo alia in abitionem; turpe enim est ea vituperare, quae prius laudaveris. (15)

Urbanum nostrum (16) haec legere desydero; siquid possem in rem tuam, essem paratus. Tantum intelligo, si vellem habere reservatum ad bonam summam, ego reciperem, sed nolo me huic malo immiscere.

Vale et salve ex urbe. 3. Maii. Anno salutis. M.D.XX.

Tuus ad vota Eckius.

Cardinales mihi favorabiles sunt: S. Crucis (17) , Anconitanus (18), Aginensis (19), S. quattuor (20), Iacobatius (21), S.Sixti (22), de Salviatis (23), Campegius (24) etc.





Sei gegrüßt!
Auf meiner Reise, hochwürdiger Vikar, begegnete mir Dein JOHANN ULRICH SCHULTHER. Wir gelangten glücklich nach Rom. Ich überreichte Seiner Heiligkeit mein Buch »De primatu Petri«. Mit welcher Freundlichkeit der Papst mir begegnete und noch begegnet, und wie die Kardinäle, hätte mir mehr Freude bereitet, wenn ich es Dir persönlich berichten könnte, als es auf totem Papier zu schildern.

Die Bulle gegen LUTHER ist entworfen und wird beim nächsten Konsistorium der Kardinäle ausgefertigt. Wenn der Papst meinen Rat befolgt, werden sämtliche Kardinäle und Bischöfe die Bulle unterzeichnen. Es war gut, zum jetzigen Zeitpunkt nach Rom zu kommen, da andere die lutherischen Irrtümer zu wenig kennen. Gelegentlich wirst Du von mir alles hören, was ich in dieser Sache unternommen habe. Neulich verbrachten wir, der Papst, zwei Kardinäle, der Doktor Hispanus und ich, fünf Stunden mit der Beratung über die Bulle; einzeln wurden wir gebeten, unsere Meinung vorzutragen. Die äußere Gestalt der Bulle wird den Gutgesinnten zusagen: sie stellt eine Kombination der alten Konzilsbeschlüsse und Papstdekrete mit den neueren Formen dar. Achtunddreißig Irrtümer sind ausdrücklich verurteilt worden.

Wenn nicht der Papst selbst mit seiner Autorität in der Sache meiner Ingolstädter Pfarrei interveniert, kann ich mit Rechtsinstrumenten allein nichts erreichen, wie ich von meinen engsten Freunden höre. Dennoch hat der Papst von sich aus und auf die Eingaben mehrerer Kardinäle hin aus innerer Überzeugung versprochen, daß ich nicht von Rom abreisen würde, ohne frei und sicher über meine Pfarrei zu verfügen; es wäre das mindeste, wenn er mich mit mehreren ausstatten würde.

Gestern war ich bei Seiner Heiligkeit wegen der Luthersache und berichtete von der Ausfertigung der Bulle durch die damit beauftragten Kardinäle. Morgen gehe ich erneut zum Papst, um den Termin des Konsistoriums zu erfragen.

Über Rom habe ich viel Schlimmeres gehört als ich bisher dachte. Wenn etwas Schlimmes geschehen ist, dann hier in besonders auffallender Weise, ist doch Rom der große Schmelztiegel der Christenheit, und was bei den Unseren an den Fürstenhöfen geschieht, jene allgemein verbreitete Krankheit, das geschieht auch an diesem päpstlichen Hof. Im übrigen möchte ich Rom nicht allzu eilfertig loben. Anderes verschiebe ich bis zur Abreise. Es ist nämlich töricht, das zu tadeln, was man vorher gepriesen hat.

Ich wünsche, daß unser URBANUS RHEGIUS dieses liest. Wenn ich etwas für Dich tun kann, ich bin bereit. Soviel verstehe ich: wenn ich eine üppige Pfründenreservation erlangen wollte, würde ich sie erhalten, aber ich will mich nicht in diese üblen Machenschaften einmischen.

Leb wohl und sei gegrüßt aus Rom, am 3. Mai im Jahr des Heils 1520.

Dein demütiger Eck.

Unter den Kardinälen sind mir gut gesonnen der mit dem Titel vom Heiligen Kreuz, der von Ancona, der von Agde, der mit dem Titel der Heiligen Vier Gekrönten, JACOBAZZI, der mit dem Titel des Heiligen Sixtus, dE SALVIATIS, CAMPEGIO und andere.



1. Eck hat immer wieder betont, "invitus" nach Rom gerufen und zum päpstlichen Nuntius ernannt worden zu sein: vgl. unten die Briefe 01-10-1520; 03-10-1520; 14-10-1520; 14-10-1520 (Wien); 15-11-1520 u. 28-12-1520.

2. Anspielung auf Ecks Brief aus Leipzig an die Wittenberger: s. u. Brief 03-10-1520, Anm. 4.

3. Johann Ulrich SCHULTHERR OSB, Benediktiner in St. Emmeram zu Regensburg, war Eck von Fabri empfohlen worden und hatte ihn bereits zur Leipziger Disputation begleitet: ECK, Contra obtusum fol B: »Schulther, qui socius itineris Lipsici mihi fuerat«; ebd. fol D IVv: »Familiaris meus Ioannes Vlrichius Schulther«; ebd. fol E II: »Familiaris meus Ioanne Fabri pro itineris comite mihi associatus, iuvenis doctus et elegans«.

4. Der Termin des Eintreffens Ecks in Rom schwankt zwischen Januar und März 1520.

5. Vgl. o. Brief 01-04-1520.

6. Der Entwurf der Bannandrohungsbulle.

7. Leider ist diese Empfehlung Ecks nicht befolgt worden (vgl. die Unterschriften der Kardinäle; die des Papstes fehlt ganz.)

8. Pietro Accolti und Thomas de Vio Caietanus: u. Anm. 18 u. 22.

9. Dr. Johannes Antonius de Aprutio OESA, Augustinerprofessor an der Sapienza; Generalprokurator der Augustiner in Rom. Vgl. BUBENHEIMER, Consonantia 61 mit Anm. 224. - Dazu O. CLEMEN in: Beiträge zur Reformationsgeschichte. Berlin 1900, 18f: er verweist auf eine römische Flugschrift mit dem Titel: 'Marforius Romanus Pasquillo Romano classico suo salutem', datiert Rom, vom Aventin, 18. Juli 1520: BÖCKING, Opera Hutteni 5,, 503ff: »Pasquill schickt...eine...supplicatio an Marforius, damit er sie dem Papste zur Genehmigung und Unterzeichnung vorlege. Marforius antwortet: Ich habe deine Bittschrift, sobald ich sie gelesen, einem deutschen Geheimkämmerer des Papstes übergeben. Dieser versprach, sie im Nu unterzeichnet mir wieder zuzustellen. Aber Sylvester Prierias und ein anderer legatus a littore (latere!!) kamen dazwischen. Dazu kam auch noch ein dissipator, disputator wollte ich sagen, aus Deutschland, den die italienischen magistri nostri Orlandus, die deutschen Rolandus wegen seiner Stentorstimme nennen. Dieser brachte ein Buch de primatu Petri, der andere eine epitome suarum confutationum, richtiger confusionum, herbei. Beide zusammen klagten gegen Luther vor Papst und Kardinälen, sodass nicht nur das Unterzeichnen von Bittschriften, sondern auch das Ausstellen von Bullen einige Tage lang ausgesetzt werden musste. So musste ich doch zu einem anderen Mittel greifen. Ich wandte mich an den Magister Vives, den Leibarzt des Papstes, einen Spanier, und bat ihn um seine Vermittlung. Er erhielt denn auch sehr bald das 'Fiat, ut petitur' und ausserdem ein Dekret, in welchem der Papst sonnenklar die Theologen von den Theologastern unterscheidet. Nun möge jener edle Apotheker sehen, was sein Umschlag für Folgen gehabt hat! Leb wohl, mein Pasquill, und versetze dem Affenfeld einen Fusstritt! - Am Schlusse finden wir wieder die Verhöhnung des unglückseligen Alveld mit seinem Malagma optimum. Der Disputator aus Deutschland mit seiner Stentorstimme ist natürlich Eck. Die Notiz, dass er dem Papste sein Buch de primatu Petri überreicht habe, hat der Verfasser wahrscheinlich einem Briefe Ecks an Johann Fabri, Generalvikar des Bischofs von Konstanz, datiert: Rom, 3. Mai 1520, entnommen, der durch eine Indiskretion nach Wittenberg gelangte und hier "etwa im Oktober" mit einigen boshaften Randglossen bei Johann Grunenberg gedruckt wurde. Schon am 12. Mai scheint der Brief in Fabris Händen gewesen zu sein, denn er scghreibt an diesem Tage an Vadian: 'Primatum Petri ad Leonis decimi pedes attulit' (HORAWITZ, Johann Heigerlin, genannt Faber, Bischof von Wien, bis zum Regensburger Konvent, Wien 1884, 90 und 12). Hier wird auch der Doktor Hispanus genannt. Möglicherweise stammt aber die Figur dieses päpstlichen Leibarztes aus einer anderen Quelle, nämlich einem Briefe des Crotus Rubianus an Luther, der am 31. Oktober 1519 in Bologna geschrieben ist, aber erst Anfang Dezember durch den aus Italien zurückgekehrten Johann Hess in Luthers Hände kam (Luther an Spalatin 07-12-1519). Crotus erzählt darin, ein gewisser ihm befreundeter Arzt habe gelauscht, wie der Bericht Ecks über die Leipziger Disputation dem Papst und einigen wenigen seiner Getreusten heimlich vorgelesen wurde, und ihm dann den Inhalt, soweit er ihn sich hatte merken können, mitgeteilt.«

10. Zu den Beratungen s. P. KALKOFF, Das Kardinalskollegium bei den Beratungen über die Bulle: ZKG 35 (1914), 166 - 174 (mit Liste der Kardinäle: Exzerpt aus Rom, Reg Vat 1184; Leo X. vol. 194, 188r) und A. SCHULTE, Die römischen Verhandlungen über Luther 1520: QFIAB 6 (1904), 32 - 52. 174ff. 374 - 378; K. MÜLLER, Luthers römischer Prozeß: ZKG 24 (1903), 46 - 85.

11. In der Endfassung der Bulle »Exsurge Domine« sind es 41 verurteilte Sätze.

12. J. GREVING, Ecks Pfründen und Wohnung in Ingolstadt: Beiträge zur Gesch.der Renaissance u. Reformation. FS J. SCHLECHT. 1917, 141 - 156.

13. Eck hielt Vortrag beim Papst über den Fortgang der Ausfertigung der Bulle durch die damit befaßten Kardinäle Accolti und Cajetan.

14. Eck fragte den Papst nach dem Termin des abschließenden Konsistoriums, auf dem die Bulle endgültig verabschiedet werden sollte.

15. Eck hat in »De primatu Petri« die Mißbräuche an der Kurie scharf mißbilligt: »Nunc autem quae facies ecclesiae vigore istorum legum satis plus videmus, nec hoc satiss, in diess augescunt eiusmodi libri, et tamen nihil faciunt, nisi quod plures animabus laqueos ponunt, inde dispensationum, confessionalium, id ultorum, exemptionum turpissimae nundinae. Inde Episcopatuum, sacerdotiorum, officiorum, palliorum, amatorum rapinae et venditiones impudentissimae, inde censurae, minae, fulmina, ius, fraus, dolus et infinita monstra, quorum nullum aut saltem rarum esset, si epistolae huiusmodi, sicut oportuit, intra annales et regestas mansissent repositae, et Evangelio locum in publico relinquissent...CCCC ut Babylone ipsa confusior sit hodierna ecclesia, nemo in suo ordine incedit, quilibet sibi ex Urbe legem emit, qua vivat, ille exceptus, iste privilegiatus, ille familiaris, iste officialis, iste nescio quo titulo omnes libertatem quilibet essendi, faciendi, audiendi habent per has Romanas leges,Romae aliud curatur, quam ut hac ecclesiae summa calamitate roboretur factas et dominatio sua, in omni individuo suo sola. Et hunc ecclesias occasum, si qua non gemimus, si dolemus, si quaerulemus haeretici sumus, irreverentes in Romanam ecclesiam, sumus scandalosi, seditiosi, procaces sumus, quia videlicet quaerulari non possumus in Romani Pontificis tum iura, tum potestatem, immo tantas iniurias populi Dei, simul tangamus. Nam hic fons est aut perpendae aut ecclesiae servandae. Cum autem hodie omnia sint in urbe inquinatissima et corruptissima et agentibus impiissimis adulatoribus, de ipsis nihil liceat vel mutire, nisi quod portenta ista laudent, iustificent, glorificent, quid mirum, si sub venerabili Romanae ecclesiae nomine tot mala inundaverint in omnem ecclesiam pleno impetu et praecipiti et cui nemo resistere possit gurgit.«  (ECK, De primatu Petri 1 fol 5v-6r.)

16. Urbanus RHEGIUS: vgl. oben Brief 15-05-1518 u. unten Briefe 21-03-1528, 24-03-1528 u. 31-03-1528.

17. Bernardino Carvajal: EUBEL Bd 3, 4 Nr.14. Vgl A. SCHULTE, Die römischen Verhandlungen über Luther 1520: QFIAB 6 (1904), 39; R. BÄUMER, Lutherprozeß 36 - 40; LThK (2.A,) 2, 959f; LThK(3.A.) 2 963 (K. JAITNER); DHGE 11, 1239. u. o. Brief  03-05-1520 Anm. 17.

18. Pietro Accolti: EUBEL Bd 3, 12 Nr.21, SCHULTE 36 u. 46f, LThK (2.A.) 1, 104; LThK (3.A.) 1, 108f (M. FELDKAMP) u. o. Brief 03-05-1520 Anm. 18.

19. Lionardo Grosso della Rovere: EUBEL Bd 3, 10 Nr.7, SCHULTE 39f.

20. Lorenzo Pucci: EUBEL Bd 3, 13 Nr.1, SCHULTE 39,46f,377f.

21. Domenico Jacobazzi: EUBEL Bd 3, 16 Nr.19, SCHULTE 39f, BÄUMER, Nachwirken passim.

22. Thomas de Vio Cajetan: EUBEL Bd 3, 16 Nr. 27, SCHULTE 36. Lit. über ihn in: Dokumente zur Causa Lutheri Bd 2, 50f Anm.1.

23. Giovanni Salviati: EUBEL Bd 3, 17 Nr.34, SCHULTE 40.

24. Lorenzo Campeggio: EUBEL Bd 3, 16 Nr. 21, SCHULTE 40.