Übersicht Reformationsgeschichte - Übersicht Briefwechsel Eck
Nr. 107

Eck an D. Schmidbergen, Offizial in Zeitz
Leipzig
01-10-1520

CYPRIAN 178-180
Übersetzung: WALCH 15. 1882 - 1884, Nr 462

Papst Leo X. hat im Winter 1519/20 Luthers Schriften in mehreren Kommissionen prüfen lassen. Das Ergebnis führte zur Einberufung des Kardinalskollegiums und nach weiterer genauer Prüfung zur Konzipierung der Bulle »Exsurge Domine«. Eck hat dann gegen seinen Willen den Auftrag erhalten, diese Bulle in Sachsen und Bayern zu publizieren, wie der päpstliche Kommissionsbrief ausweise. So fordert er kraft apostolischer Autorität Schmidbergen als amtlichen Vertreter des Naumburger Bischofs "in spiritualibus" auf, das beigefügte in Rom gesiegelte Exemplar der Bulle »Exsurge« zu publizieren und nach Einberufung und Belehrung des Diözesanklerus zu veranlassen, daß die Bulle überall verbreitet, die lutherischen Bücher verbrannt und entsprechend den Vorschriften der Bulle gegen die Rebellen eingeschritten oder ihre Namen dem apostolischen Stuhl gemeldet würden. Eck schärft Schmidbergen ein, diesem Ansuchen Gehorsam zu leisten; sonst drohen ihm und dem Bischof die für Ungehorsam vorgesehenen kanonischen Sanktionen. Er verweist darauf, daß einige benachbarte Bischöfe bereits versprochen hätten, die Bulle zu veröffentlichen.

Reverendo Patri, Reverendissimi Domini Episcopi Numburgensis Officiali, (1) Domino suo semper observando.

Salutem etc.

Fecit sanctissimus Dominus preterita hyeme per doctissimos in urbe viros Luderanam doctrinam crebris disputationibus, collationibus etc. scriptis examinari, (2) que dum in plerisque locis inventa esset scandalosa et erronea, Sanctitas sua convocato Cardinalium collegio, (3) re sepius acriter ventilata, tandem velut Christi Vicarius et totius Christiani orbis praesidens sententiam tulit, ut agnoscerent fideles, quid veritati consentaneum foret, quidve dissonans:

Unde et mihi, licet renitenti, huius Bulle publicationem per certas provincias injunxit, (4) sicut in sanctitatis sue commissione plenius continetur. (5)

Quare ego auctoritate a sede apostolica mihi tradita uti volens et ab ea commissa exequi, vobis, reverende pater Officialis Reverendissimi Domini Episcopi Numburgensis, cuius iam absentis vices in spiritualibus geritis(6), copiam eiusdem Bulle in urbe impressam et sigillo prelati ac notarii subscriptione munitam transmitto vobis (7) nomine sanctissimi Domini nostri injungens ac officium vestrum requirens, ut eandem Bullam publicatis et omnibus Abbatibus, prepositis, Archidiaconis, plebanis et religiosis per dioecesin Numbergensem constitutis, ut eandem publicent districtius mandetis, adhibita omni opera, ut libelli erronei Luderani e medio per ignem tollantur, juxta bulle continentiam contra rebelles et inobedientes procedendo, vel eos sedi apostolice denuntiando: (8)

In quo dubio procul obsequium praestabitis Deo, Ecclesiae sancte utile servitium exhibetis, et licet minime dubitem, quin huic mandato apostolico omnem obedientiam praestabitis; qui etiam iniussu summi Pontificis errores per salutem anime vestre extirpare debetis.

Tamen si minus mandata illa exequeremini, non posset supremus pontifex, non severiter iustitia mediante, contra vos et contra Reverendissimum Dominum Episcopum vestrum procedere et indignationem plenam omnium suscipere, quod sancte [...] iusta exequendo, quod Domino vestro Reverendissimo et vobis erit honorificum, nam et alii Episcopi vestri vicini propediem hoc se facturos sunt polliciti: [...] at praestantia vestra, cui hoc fidei negotium et me commendo(9).

Ex Lipsia
prima Octobris, anno Domini MDXX.

Jo. Eckius
sedis apostolice nuncius et orator.

Dem hochwürdigen Vater, Offizial des hochwürdigsten Herrn Bischofs von Naumburg, unserem Herrn, der stets unseren Gehorsam verdient.

Gruß usf.

Im vergangenen Winter hat unser Heiligster Vater in Rom mit Hilfe sehr gelehrter Männer die Lehre LUTHERS durch wiederholte Disputationen, Wortbeiträge und Schriften prüfen lassen. Da diese in vielen Punkten als skandalös und irrig befunden wurden, hat Seine Heiligkeit nach Einberufung des Kardinalskollegiums, nach öfterer sorgfältiger Überprüfung, schließlich als Stellvertreter Christi und Oberhaupt der ganzen Christenheit eine Entscheidung gefällt, damit die Gläubigen erkennen könnten, was der Wahrheit entspricht und was ihr widerspricht.

Dann hat er mir, freilich gegen meinen Widerspruch, die Veröffentlichung dieser Bulle in bestimmten Diözesen auferlegt, wie es vollständig im Kommissionsschreiben Seiner Heiligkeit enthalten ist.

So will ich mich mit der Autorität, die mir vom apostolischen Stuhl verliehen wurde, ihrer bedienen und ihrem Auftrag entsprechend vorgehen: So übersende ich Euch, hochwürdiger Vater Offizial, der Ihr in Abwesenheit des hochwürdigsten Herrn Bischofs von Naumburg die Funktion des Weihbischofs innehabt, eine in Rom gedruckte Abschrift dieser Bulle mit dem Siegel eines Prälaten und der Unterschrift eines Notars und verpflichte Euch im Namen unseres Heiligen Vaters im Rahmen Eurer Amtsbefugnisse, diese Bulle zu veröffentlichen und allen Äbten, Vorstehern, Archidiakonen, Pfarrherrn und Ordensleuten in der Diözese Naumburg aufzutragen, sie mit Entschiedenheit zu verbreiten, unter Aufwendung aller Mühe die irrigen lutherischen Bücher durch Verbrennen zu beseitigen, indem dem Inhalt der Bulle entsprechend gegen Aufruhr und Ungehorsam vorgegangen wird oder solches dem apostolischen Stuhl gemeldet wird.

Dabei werdet Ihr ohne Zweifel Gott selbst Gehorsam leisten und für die Heilige Kirche einen nützlichen Dienst tun, wobei ich keinerlei Zweifel hege, daß Ihr dem päpstlichen Verlangen jeden Gehorsam entgegenbringen werdet. Ihr seid doch auch ohne päpstlichen Auftrag dazu verpflichtet, um des Heils Eurer Seele willen alle Irrtümer auszulöschen.

Solltet Ihr jedoch trotzdem jenen Aufforderungen nicht nachkommen, so könnte der höchste Bischof, auch ohne strenge Zuhilfenahme der Erfordernisse der Gerechtigkeit, gegen Euch und Euren hochwürdigsten Bischof vorgehen und seine volle Ungnade Euch gegenüber zeigen. Bei treuer Ausführung des Auftrags des Heiligen Stuhls würdet Ihr dagegen recht handeln, was Euch und Eurem hochwürdigsten Bischof zur Ehre gereichen würde, denn alle Eure Nachbarbischöfe haben bis zum heutigen Tag versprochen, entsprechend zu handeln.......So doch auch Eure Hochgeboren, der ich diese Glaubensangelegenheit und mich selbst anempfehle.

Aus Leipzig, 1. Oktober 1520.

Hochachtungsvoll, Euer Johannes Eck, Nuntius und Botschafter des apostolischen Stuhls.

1. Dr. Heinrich SCHMIDBERGEN (gest. 05-11-1520 in Eilenburg) war der Offizial des Bischofs von Naumburg (B. Philipp von Freising) in Zeitz. Dr. Schmidbergen und die bischöflichen Räte zögerten offenbar, in Abwesenheit des Bischofs die Bulle »Exsurge Domine« zu publizieren und suchten Rat bei den kurfürstlichen Räten in Eilenburg, wie sie sich in dieser Angelegenheit zu verhalten hätten. Vgl. das Schreiben der bischöflichen Räte zu Zeitz vom 19-10-1520 (WALCH 15,1484f) und Peter Burckhards Schreiben an Lazarus Spengler: RIEDERER, Beitrag 69. Zu den Vorgängen s. WIEDEMANN, Eck 164f u. KALKOFF: ZKG 35 (1914), 174 - 203: Die Vollziehung der Bulle durch den Bischof von Freising und Naumburg (mit dem Publikationsmandat für Naumburg vom 10-03-1521: ebd. 202f).

2. Preterita hyeme: Im Winter und Frühjahr 1520 erfolgte durch wechselnde Kommissionen in Rom die ausführliche Prüfung der Schriften Luthers. Vgl. Leos X. Breve an Kurfürst Friedrich (08-07-1520): Dokumente zur Causa Lutheri Bd 2, 436. - Zur Vorgeschichte der Bannandrohungsbulle »Exsurge Domine« (15.6.1520; Text: Dokumente Bd 2, 364-411; Bullarium Romanum ed. COCQUELINES 3, 487 - 493; Bullarium Romanum ed. Taurinensis 5, 749 - 757; MIRBT-ALAND 504 - 513: Nr 789) s. P.FABISCH, Johannes Eck und die Publikationen der Bullen »Exsurge Domine« und »Decet Romanum Pontificem«, in: E.ISERLOH (Hg.), Johannes Eck (1486-1543) im Streit der Jahrhunderte (RST 127), Münster 1988, 77-93 u. A.SCHULTE, Die römischen Verhandlungen über Luther 1520: QFIAB 6 (1904), 32-52.

3. »Exsurge Domine«: Dokumente Bd 2, 368 u.386. - Zu den Kardinalskommissionen s. Dokumente Bd 2, 317f. Die sog. "3.Kommission" wurde Anfang Mai 1520 berufen und bestand aus den Kardinälen Pietro Accolti (Anconitanus) und Thomas de Vio Cajetanus OP sowie aus den beiden Theologen Johannes Eck und Dr. Hispanus, einem span. Augustiner.

4. Betonung des Widerstandes, den Eck der Beauftragung durch Papst Leo X. entgegengesetzt habe, in "gewissen Provinzen" (Sachsen, Bayern) die soeben vom Papst erlassene Bannandrohungsbulle zu publizieren: s.o.Brief 03-05-1520, Anm.1.

5. Leos X. Kommissionsbrief s.o. Brief 18-07-1520. Genannt werden hier die Kathedralkirchen von Meißen, Merseburg und Brandenburg: Dokumente Bd 2, 408 u.439 Anm. j-j.

6. Der Offizial vertritt in Abwesenheit des Bischofs diesen "in spiritualibus".

7. Es handelt sich um ein Exemplar des in Rom gesiegelten römischen Erstdruckes (Rom, Jacobus Mazochius, 1520): Dokumente Bd 2, 324 u. 339 (2.1.).

8. Vgl. das Freisinger Publikationsmandat: Dokumente Bd 2, 350.

9.  Jedoch war es auch in Zeitz schwierig, die Bannandrohungsbulle zu vollstrecken: vgl. Chronik von Zeitz, hg. von E. ZERGIEBEL, Bd 1, Zeitz 1896, 204 u. K. WARTENBERG, 1000 Jahre Zeitz. Notizen zur Kirchengeschichte dieser Stadt. Herbergen der Christenheit 7, 1969, 13f.