Übersicht Reformationsgeschichte - Übersicht Briefwechsel Eck
Nr. 108

Eck an die Universität Wittenberg
Leipzig
03-10-1520

LE PLAT 74 Übersetzung: WALCH 15, 1873f
[F 167]

Eck sendet auf Geheiß des Papstes ein in Rom gedrucktes und notariell beglaubigtes Exemplar der Bulle »Exsurge Domine« mit der Bitte um Kenntnisnahme und Exekution an die Universität Wittenberg. So soll verhindert werden, daß die 41 verurteilten Artikel Luthers an der Universität verbreitet und verteidigt werden. Im Weigerungsfall droht Eck den Entzug der vom Papst der Hochschule verliehenen Privilegien und die Aufhebung ihres Ranges als Universität an. Eck hat aus zwingenden Gründen auf der Grundlage seines Kommissionsbriefes neben Luther auch Karlstadt und Dolz indiziert. Sollten diese jedoch von ihrer Häresie Abstand nehmen, will Eck sie kraft seiner päpstlichen Spezialfakultät absolvieren. Andernfalls treten mit dem Verstreichen der Widerrufsfrist die in der Bulle angedrohten kanonischen Zensuren in Kraft.


Magnifico domino rectori (1) et aliis generalis studii Wittembergensis regentibus, dominis suis semper colendis et observandis, salutem in Domino Jesu.

Mitto ad vos, rector magnifice ac dignissimi patres, sanctissimi domini nostri papae iussu, bullae copiam in urbe impressam et sigillo et notarii subscriptione munitam, (2) cuius continentiam excellentiae vestrae diligenter investigabunt.

Quantum autem ad me attinet et commissionem, (3) mihi invito et renitenti factam, oro et obsecro vos per Salvatorem nostrum, ut huiusmodi fiat apud vos huius bullae executio, (4) ut articuli damnati et reprobati a nullo vestrae universitati subiecto doceantur publice aut affirmentur etc. (5) Alioquin iuxta continentiam bullae S.D.N. ad privationem omnium privilegiorum a sede apostolica indultorum procedere cogeretur, cum inhabilitatione studium tenendi etc, (6) quod vos pro sincera Christiana religione et honore vestro praecavere oportebit.

Quod autem ego ex commissione apostolica in publicatione bullae praeter Martinum addiderim quoque Carlstadium et Dolschium, (7) ita accipere debetis, ut a me non sine urgente causa factum sit; at si illi matrem agnoscent ecclesiam, et parati sunt omnem haeresim abiurare, libenter ego illos sum recepturus humaniter, atque auctoritate mihi specialiter super hoc a summo pontifice tradita eos absolvere et a poenis incurrendis liberare. (8)

Si vero obduruerint (quod absit) digna afficientur censura, nec lapso termino eos in vestro studio teneatis aut foveatis sub poenis in bulla expressis. (9)

Quod ad me attinet, mallem gratificari studio vestro, quam quicquam inhumanius attentare. Me commendo excellentiis vestris.

Ex Lipsia tertia Octobris anno gratiae M.D.XX.

Magnificentiae Excellentiis et dominationibus vestris.
Obsequiosus Eccius
 Nuntius et orator apostolicus.

Seiner Magnifizenz, dem Herrn Rektor und den übrigen Regenten der Hochschule zu Wittenberg, seinen stets zu ehrenden und hochzuschätzenden Herren, Gruß im Herrn Jesus!

Ich sende Euch, Magnifizenz und würdigste Herren, auf Befehl des Heiligen Vaters eine in Rom gedruckte Kopie der Bulle, versehen mit Siegel und Unterschrift des Notars, deren Inhalt Eure Exzellenzen sorgfältig studieren möchten.

Was aber mich und die mir gegen meinen Willen und Widerstand verliehene Beauftragung angeht, bitte und ersuche ich Euch bei unserem Erlöser, daß Ihr die Bestimmungen der Bulle durchführt, so daß die verdammten und verworfenen Artikel LUTHERS von keinem Angehörigen Eurer Hochschule öffentlich gelehrt oder behauptet werden usf. Anderenfalls wäre der Heilige Vater gemäß dem Inhalt der Bulle gezwungen, zur Aufhebung sämtlicher Privilegien zu schreiten, die der Heilige Vater Eurer Hochschule verliehen hat, verbunden mit ihrer Schließung, was Ihr im Interesse der wahren christlichen Frömmigkeit und Eurer Ehre verhindern mögt.

Daß ich aber aufgrund päpstlicher Beauftragung im Vollzug der Publikation der Bulle außer MARTIN LUTHER auch die Namen KARLSTADT und DOLTZSCH hinzugefügt habe, sollt Ihr so verstehen, daß das nicht ohne triftigen Grund geschehen ist. Sollten jene die Kirche wieder als ihre Mutter erkennen und bereit sein, aller Häresie abzuschwören, so bin ich gern bereit, sie freundlich wieder aufzunehmen und sie kraft meiner Autorität, die mir vom Papst für diese Angelegenheit in spezieller Weise verliehen worden ist, zu absolvieren und sie von den Strafen, die sie auf sich gezogen haben, zu befreien.

Sollten sie aber, was Gott verhüte, sich hartnäckig zeigen, ziehen sie die vorgesehenen Sanktionen auf sich, nämlich, daß sie nach Ablauf der Frist von sechzig Tagen nicht mehr an Eurer Hochschule geduldet oder begünstigt werden dürfen, und das alles unter Androhung der in der Bulle angeführten Strafen.

Was mich betrifft, wollte ich lieber Eurer Hochschule zu Diensten sein als ihr etwas Schädliches anzutun. Ich empfehle mich Euren Exzellenzen.

Aus Leipzig am 3. Oktober im Jahr der Gnade 1520.

Eurer Magnifizenz, Exzellenzen und Herrschaften
gehorsamer Diener Eck
Nuntius und apostolischer Botschafter.


1. Zum Folgenden vgl. WIEDEMANN, Eck 156f. Rectori: Peter Burkhard, als Sohn des Magisters der freien Künste Franz Burkhard in Ingolstadt geboren; Doktor der Medizin; 1498 Professor der Medizin in Ingolstadt (MEDERER Bd 1, 53). 1518 begab sich B. nach Wittenberg, wo er auf Empfehlung von Christoph Scheurl eine Professur erhielt. Während der Leipziger Disputation 1519 wurde er beschuldigt, Eck Luthers neueste Schriften zugesteckt zu haben. Luther wies diesen Vorwurf zurück: »Am Ende gibt (Eck) Fabeln für von dem erbarn frommen Mann, D. Peter Burkhard, als solt ich denselben verdacht haben, daß er ihm mein Büchlein behändiget...D.Peter ist ein fromm Mann, ich hab ihn weder diß noch das geziehen.« (An den Kurfürsten von Sachsen). Eck beharrte jedoch auf seiner Behauptung und entgegnete: »So ich doch klärlich anzeige, wie die von Wittenberg solches an Herrn Cäsar Pflug haben gelangen lassen, hat der fromm Herr mir das selber gesagt, dem geb ich mehr Glauben als 20 Luthern. So sind Briefe in der Stadt, darinn D.Peter sich beklaget, wie er verdacht werde, des Büchleins halben, so hab ich sonst auch einen Brief gelesen, darinn einer von Wittenberg sich beklagt, wie er verdacht werde, als hab er mir das Büchelein behändiget.« (LÖSCHER 3, 608, 624 u. 647. S. auch o. Brief 22-07-1519 am Ende). Am 01-05-1520 wurde B. Rektor und blieb es für 2 Semester (Luthers Tadel über seine Amtsführung: Brief an Spalatin, 14-07-1520). 1521 wurde er Dekan der medizinischen Fakultät, verließ aber die Universität noch im selben Jahre, um nach Ingolstadt zurückzukehren. Er starb am 30-03-1526.

2..Vgl.o.Brief 01-10-1520, Anm.7.

3..S.o.Brief 18-07-1520.

4  invito et renitenti: s.o.Brief 03-05-1520, Anm.1 u. 01-10-1520, Anm.4.

5. »Exsurge Domine«: Dokumente zur Causa Lutheri Bd 2, 392.

6. »Exsurge Domine«: Dokumente Bd 2, 390.

7. Vgl.o.Brief 18-07-1520, Anm. 20 u. WIEDEMANN, Eck 170 u.177. Der Wittenberger Professor Johann Dolz (gest.29-07-1523) wurde wohl wegen einer kämpferischen Schrift von Eck indiziert: »Confutatio inepti et impii F.August. Alveld. Franciscani Lipsici pro D.Martin Luthero«, Wittenberg, Melchior Lotter d.J. 1520 (die Vorrede bei WIEDEMANN, Eck 177 Anm.64).

8. Vgl. Dokumente Bd 2, 441 u.445 (Kommissionsbreve und Instruktion Leos X. für Eck). Vgl. hierzu Bernhard Baumgärtner an den Rat zu Nürnberg 17-10-1520 (RIEDERER, Beytrag 58f): »Ewr weishait mogen wol wissen haben, wie doctor Johann Eck, theologus, ein Bebstliche Bullen und Commission wider Doctor Martin Luther erlangt hat, und seinen außgangen schrifften; die er dann an etlichen orten insinuirt hat, und neulicher Tag wieder hieher genn Ingoldstatt gelangt, in willen, sich der die auch zu geprauchen. Aber, Günstuige lieben heren, mir ist heut grundtlich zu wissen worden, wie er darneben ein sonnder Commission hab, ettlich person, der bey vierundzwainzig sein, für babstliche heiligkait zu citirn und zu laden, in 60 tagen zu erscheynnen, allda ettlich darinnen benennt artickel doctor Luthers abzuruffen und nymmer zu halten. Under denen ist herr Wilbald Birckhaymer unnd Lazarus Spengler. Hat darauff teglichs im Willen, einen Erbern Rat, mein herrn, schrifftlich zu requirirn, sie darzu zu halten, Inhalts derselben Commission zu geleben. Hab ich demnach Ewr Erberkait aus schuldiger pflicht, und den personen zu gut, bey diesem aignen potten nit wollen verhalten, unnd nachdem sich die sach weyter mocht einreissen, Ewr Erberkait sich mit zeittigen Rat dagegen wissen zu halten.« Vgl. hierzu kritisch PASTOR, Päpste IV/1, 279 Anm. 4 und Brief 15-10-1520 an den Nürnberger Rat.

9. Lapso termino: Ende November 1520. S. »Exsurge Domine«: Dokumente Bd 2, 398-400.