Übersicht Reformationsgeschichte - Übersicht Briefwechsel Eck
Nr. 110

Eck an unbek. Bischof (Augsburg oder Eichstätt?)
Ingolstadt
14-10-1520
RIEDERER, Nachrichten 1, 174-178

Den ganzen Winter 1519/20 über sind in Rom durch zwei Kardinäle und einige Gelehrte Luthers Schriften einer Prüfung unterzogen worden. Diese haben sie dann dem Kardinalskollegium überantwortet, das eine definitive Verurteilung der als irrig erwiesenen Sätze Luthers veranlaßte. Der Papst hat daraufhin eine Bulle über diesen Gegenstand erlassen und Eck mit der Publikation beauftragt. Diese erfolgte in Meißen, Merseburg und Brandenburg. Auch der Erzbischof-Primas von Magdeburg und Halberstadt, die Bischöfe von Breslau, Naumburg-Zeitz, Würzburg und Bamberg sowie weltliche Fürsten und Universitäten erhielten von Eck Kopien der Bulle. Der Bischof wird leicht erkennen, daß die lutherische Lehre insgesamt der Schlüsselgewalt widerstreitet und zur Minderung des Ansehens des Klerus und der Unterwanderung des ganzen Kirchenwesens dient. Daher sendet Eck auch ihm ein in Rom gedrucktes und notariell gesiegeltes und beglaubigtes Exemplar der Bulle, verbunden mit der Bitte, seinen ganzen Diözesanklerus aufzufordern, die Bulle zu veröffentlichen sowie die lutherischen Bücher einsammeln und verbrennen zu lassen. Nach Ablauf der Sechzigtagefrist soll der Bischof Luthers Anhänger als Rebellen gegen die Kirche denunzieren und das Inkrafttreten der in der Bulle gegen sie vorgesehenen kanonischen Sanktionen bekanntmachen. Der Papst will diejenigen, die zur Einheit der Kirche zurückkehren wollen, wieder aufnehmen. Der Bischof möge diese entweder zu Aleander oder zu ihm schicken, da der Papst ihnen einen speziellen Kommissionsbrief mitgegeben hat, von dem Eck dem Bischof eine Kopie zusenden will, wenn der Notar eingetroffen ist. Der Bischof soll seine pastorale Fürsorge darauf richten, daß der Klerus nicht die lutherische Lehre predigt, lehrt oder verteidigt, damit er sich nicht die Strafen der Exkommunikation und des Verlustes seiner Pfründen zuzieht.


Reverendissimo in Christo Patri et Domino Domino N. Episcopo dignissimo, Domino suo clementissimo (1)
Parata obsequia pro salute.

Curavit S.D.N., Reverendissime Antistes, tota hyeme preterita (2) luderana dogmata per duos Reverendissimos Cardinales ac quoscunque doctissimos in Urbe viros examinari et cribrari (3). A quibus, inventis aliquot erroribus, res ad sacrum collegium delata est (4), ubi eorum quoque concordi et unanimi accedente calculo diffinitive errores illi condemnati sunt (5),

et summus Pontifex bullam super hoc edidit (6) ac michi publicandam iniunxit (7), licet invito et diu renitenti (8).

Itaque publicata est per me bulla et ecclesiis cathedralibus affixa Misne, Brandenburgi et Mersburgi (9). Requisiti quoque sunt alii per me Episcopi et primas ille Magdeburgensis (10) , Halberstatensis (11) , Vratislaviensis (12) , Numburgensis (13) , Wirtzburgensis (14) et Bambergensis (15) cum principibus secularibus et studiis generalibus.

Et cum Vestra R.P. non ignoret, totam illam doctrinam luderanam vergere in contemptum clavium (16) , in depressionem sacerdotum ac tocius ecclesiastici status subversionem (17) , ideo V.R.P. praesentibus transmitto copiam eiusdem bulle apostolice in urbe impressam, sigillo prelati et notarii subscriptione munitam, petens et obsecrans et nomine s.d.n. requirens, ut secundum eius continenciam quantocius R.P.V. mandet omnibus Abbatibus, prepositis, archidiaconis, Decanis, Plebanis et eorum Vicariis per Vestram diocesim constitutis, ut bullam istam et in ea contenta publicent, libros luderanos, Errores ibi contentos habentes, colligant et cum effectu comburant.

Lapso termino LX dierum rebelles et inobedientes V.R.P. denuncient, que eos penas in bulla contentas incidisse pronunciet et diffiniat (18).

Si qui autem hac heresi inquinati fuerint, et ad Unitatem ecclesie redire cupiant, S.D.N. paratus est, eos suscipere. Quodsi Papam accedere eis grave foret, remittat eos R.P.V. vel ad Hieronymum Aleandrum Mottensem vel ad me, quibus a S.D.N. specialiter auctoritas illa est commissa (19), cuius commissionis copiam vobis post adventum Notarii transmittam (20),

et precipue pro pastorali vestro officio super sacerdotibus attendatis, ne luderanam doctrinam predicent, laudent vel tueantur, quos ne dum gladio excommunicationis feriat, sed ad privacionem quoque beneficiorum accedat (21). In hoc faciet R.P.V. rem Deo acceptam, summo pontifici gratam, vobis honorificam, ecclesie utilem et fidelibus salutarem, sicut omnino spero, R.P.V. mandatis apostolicis parituram.

Que bene valeat in Christo sospitatore.

Ex Ingolstat
XIIII Octobris Anno gracie MDXX.
E. Rme. P. deditissimus Io. Eckius, nuntius et orator apostolicus.

Dem hochwürdigsten Vater in Christus und Herrn N., würdigstem Bischof der angesehenen Diözese N., seinem gnädigsten Herrn, Dienstbereitschaft und Gruß voran
Hochwürdigster Bischof:

Unser Heiliger Vater hat im vergangenen Winter durch zwei hochwürdigste Kardinäle und einige sehr gelehrte Herren in Rom die Lehren LUTHERS prüfen und darüber entscheiden lassen. Diese leiteten, nachdem sie einige Irrtümer gefunden hatten, die Sache an das Heilige Kollegium weiter, wo aufgrund eines gemeinsamen und einstimmigen Urteils jene Irrtümer endgültig verurteilt wurden.

Der Papst ließ darüber eine Bulle ausfertigen und beauftragte mich mit der Veröffentlichung, die ich nur widerwillig und nach langem Sträuben übernahm.

Daher wurde die Bulle von mir publiziert und an den Domkirchen in Meißen, Brandenburg und Merseburg angeheftet. Auch andere Bischöfe, wie der Primas von Deutschland, der Erzbischof von Magdeburg und Halberstadt und die Bischöfe von Breslau, Naumburg, Würzburg und Bamberg zusammen mit den weltlichen Fürsten und Universitäten wurden dazu aufgefordert.

Und da Eure hochwürdigste Väterlichkeit nicht verkennen werden, daß jene ganze lutherische Lehre zur Verachtung der Schlüsselgewalt führt sowie zu Repressalien gegen die Priester und Unterwanderung des gesamten geistlichen Standes, übersende ich hiermit Eurer hochwürdigsten Väterlichkeit eine Abschrift dieser päpstlichen Bulle, in Rom gedruckt und mit dem Siegel eines Prälaten sowie der Unterschrift eines Notars versehen, verbunden mit der dringenden Bitte und zugleich der Aufforderung von seiten des Heiligen Vaters, daß Eure hochwürdigste Väterlichkeit ihrem Inhalt entsprechend soweit als möglich allen Äbten, Pröpsten, Archidiakonen, Dechanten. Pfarrherren und den Vikaren überall in Eurer Diözese auftragt, diese Bulle und ihren Inhalt zu veröffentlichen und die lutherischen Bücher, die diese Irrtümer enthalten, zu sammeln und endgültig zu verbrennen.

Nach Ablauf der Frist von sechzig Tagen mögen sie Eurer hochwürdigsten Väterlichkeit die Aufrührer und Ungehorsamen melden. Ihr sollt dann verkünden und erklären,, daß sie den Strafsanktionen, die in der Bulle benannt sind, verfallen sind.

Sollten jedoch einige von dieser Häresie angesteckt worden sein, aber zur Einheit der Kirche zurückkehren wollen, ist Seine Heiligkeit bereit, sie wieder aufzunehmen. Wenn sie auch streng verpflichtet wären, sich an den Papst selbst zu wenden, soll sie Eure hochwürdigste Väterlichkeit entweder an HIERONYMUS ALEANDER aus Motta oder an mich senden, denen vom Heiligen Vater jene besondere Vollmacht verliehen wurde. Eine Abschrift dieses Kommissionsbriefes werde ich Euch nach Eintreffen des Notars zusenden.

Vornehmlich im Hinblick auf Euer pastorales Amt der Fürsorge für die Priester sollt Ihr dafür sorgen, daß sie nicht die Lehre LUTHERS predigen, loben oder verteidigen. Ihr sollt sie dann nicht nur mit dem Schwert der Exkommunikation bestrafen, sondern auch zur Aufhebung ihrer Pfründen schreiten. Dabei wird Eure hochwürdigste Väterlichkeit etwas Gott Wohlgefälliges, dem Heiligen Vater Genehmes, Euch selbst Ehrendes, für die Kirche Nützliches und für die Gläubigen Heilbringendes tun, wie ich überhaupt hoffe, daß Eure hochwürdigste Väterlichkeit den päpstlichen Anweisungen gehorchen wird.

Lebt wol in Christus, dem Alleserhalter.

Aus Ingolstadt, 14. Oktober im Jahr der Gnade 1520.

!
1. Zu diesem Schreiben s. P.KALKOFF: ZKG 37 (1918), 91: »Dr. Eck hat nach seiner glücklichen Errettung aus den Gefahren seines antilutherischen Feldzugs in Meißen und Thüringen, nach seiner etwa am 10. Oktober erfolgten Rückkehr nach Ingolstadt, alsbald den zweiten Akt damit eröffnet, daß er am 14. Oktober ein sehr bestimmt gehaltenes Requisitionsschreiben erließ, als dessen Adressat kein bestimmter Bischof genannt ist, dessen Eingang sich aber bei den Bischöfen von Eichstätt, Augsburg und Freising feststellen läßt«. Vgl. RIEDERER, Nachrichten 1,176f: »Von den Requisitionsschreiben, die Eck wegen Verkündung der Bulle an verschiedene Orte abgehen lassen, sind einige hier und da gedruckt worden. Gegenwärtiges ist aus einer alten Abschrift genommen worden. Der Bischof, an den er es gerichtet, ist darinnen nicht angezeigt, und ich wäre geneigt, es für ein allgemeines Formular zu halten, dessen er sich mutatis mutandis ordenlich bedienet, wenn nicht einige Bischöfe darinnen namentlich gemeldet worden, die er schon requirirt habe, welches doch überall nach Masgebung des Bischofs, an den er geschrieben, hätte geändert werden müssen. Weil aber unter den namhaft gemachten Bischöfen der augspurgische und eichstettische nicht mit stehet, so glaube ich eher, daß solches an einen von diesen beyden abgeschickt und von Adelmann nach Nürnberg in Abschrift communicirt worden.«

2. Im Winter und Frühjahr 1519/20.

3. Pietro Accolti, Thomas de Vio Caietanus, Dr. Eck, Dr. Hispanus.

4. Das Konsistorium, von dem Eck im Brief 03-05-1520, Anm. 13 spricht. 

5. Zunächst 38, dann 41 Sätze Luthers.

6. In Gestalt der Bannandrohungsbulle »Exsurge Domine« vom 15-06-1520.

7. Zusammen mit Hieronymus Aleander.

8. So betont Eck immer wieder.

9. Am 21., 25. und 29. September 1520: vgl. Brief 01-10-1520, Anm.5; Brief 06-10-1520, Anm.5.

10. Albrecht von Brandenburg, Erzb. von Magdeburg 1313 - 1523: EUBEL Bd 3, 23.

11. Albrecht von Brandenburg, Administrator bzw. B. von Halberstadt 1513/14 - 1521/52: EUBEL Bd 3, 20.

12. Johannes Turzo, B. von Breslau 1507 - 21: EUBEL Bd 3, 337. Zur Reformation in Breslau s. A. SABISCH, Bischöfe von Breslau und die Reformation in Schlesien. Münster 1975 (KLK 35).

13. Philipp Pfalzgraf bei Rhein, B. von Naumburg 1512 - 42: EUBEL Bd 3, 26.

14. Konrad von Thüngen, B. von Würzburg 1519 - 40: EUBEL Bd 3, 20.

15. Georg Schenk von Limburg, B. von Bamberg 1505 - 233: EUBEL Bd 3, 12.

16. Vgl. LEO X., Exsurge Domine: »claves ecclesiae vilipendentes«: Dokumente zur Causa Lutheri Bd 2, 400, 18f.

17. LEO X. Exsurge Domine: »(Qui quidem errores) denique sint contra omnem charitatem ac S.R.E. matris omnium fidelium et Magistrae fidei reverentiam atque nervum ecclesiasticae disciplinae, oboedientiam scilicet, quae fons est et origo omnium virtutum«: Dokumente 2, 386,3-7.

18. Zu den Ausführungsbestimmungen der Bulle vgl. Dokumente 2, 392-395.

19. Wer gegen den Inhalt der Bulle verstoßen hat und sich mit der Kirche wieder aussöhnen will, kann sich an den Papst direkt oder an die Nuntien Eck und Aleander wenden, die eine Sonderkommission besitzen, um die Absolution an den betreffenden Personen zu vollziehen.

20. Nach Eintreffen des bischöflichen Notars bei Eck will dem Bischof eine Kopie seiner Sonderkommission zuschicken.

21. Der Bischof soll so auf seine Diözesanpriester, die möglicherweise mit Luthers Lehre sympathisieren, einwirken, daß sie nicht Exkommunikation oder gar Einziehung ihrer Pfründen trifft.