Übersicht Reformationsgeschichte - Übersicht Briefwechsel Eck
Nr. 112

Eck an den Rat von Nürnberg
Ingolstadt
15-10-1520

Nürnberg Germ. Nat.Mus.: MERKEL BA 136
RIEDERER,Beytrag 56f
[F 013.h]

Der Papst hat nach sorgfältiger Prüfung einiger irriger Artikel Luthers eine Bulle ausgehen lassen und Eck mit ihrer Publikation und Exekution beauftragt. Trotz der Einwände Ecks hat der Papst darauf bestanden, daß Eck als Nuntius und Orator die Bestimmungen der Bulle durchsetzt. Das hat er auf der Grundlage seiner Kommission und Instruktion bisher auch getan. Auch dem Nürnberger Rat sendet er im Namen des Papstes die Bulle mit der Forderung, entsprechend ihrem Inhalt zu verfahren. Der Rat soll den Druck und Verkauf lutherischer Bücher in Nürnberg nicht länger erlauben, sondern sie öffentlich verbrennen lassen. Das entspricht Nürnbergs Rang als geordnetem Gemeinwesen und berühmter freier Reichsstadt. Der für Nürnberg zuständige Bischof von Bamberg ist von Eck ebenfalls angesprochen worden. Obgleich "gut nürnbergisch" gesinnt, hat Eck in Kraft seines Kommissionsbriefes dem Bischof die Namen Pirckheimers und Spenglers als Sympathisanten Luthers denunzieren lassen. Diese erhalten vom 29-09-1520, dem Tag der Publikation der Bulle in Brandenburg, an eine sechzigtägige Widerrufsfrist; danach soll der Rat entsprechend den Bestimmungen der Bulle verfahren. Eck erbietet sich, ihnen selbst die Absolution zu erteilen, da er dazu eine besondere päpstliche Vollmacht besitzt.


Denn fürsichtigen, erberigen unnd weisenn Herrenn Burgermaister unnd Rate der hochberümbten Statt Nürmberg, meinenn günstigen Herren.
Fürsichtig Erberig, ewch seyen mein willig dinst zu voran berait.

Günstig Herren.

Als bäpstlich hailigkait nach lang gehabtem fleiß unnd Probieren der gelernten wider etlich irrig unnd verfuerisch Artickel Doctor Martini Luderß ain bull lassen außgeen (1), die selbigh mir auferlegt zu publiciern und exequiern (2), wiewol ich mich des lang gewidert und gewert hab (3), das ich vormals genug mue und arbeit in der sach gehabt; yedoch bäpstliche heiligkeit mich deß nit hat wöllen erlassen und mich verordnet in der sach nuncium et oratorem Apostolicum unnd executorem der Bull (4), das ich bisher, nach laut meiner Commission (5), und darauff gebnen Instruction (6), gethan hab.

Und auß sollicher pflicht unnd verbindnus schick hiemit ewer Herlighkait und Erberigkait die Bull, fir mich selbs bittend, und an stat unnd namen deß hailigen Vatters deß Bapst euch auch requirir und fordere, das Ihr nach Inhalt derselbigen thun wöllen, auch nicht zu lassen das firhin die ludderische oder seiner vertaidiger buechlin bey euch getruckt oder verkaufft werden, sunder die auff ain hauffen gesammlet, verbrannt werden (7), wie euch als einer loblichen statt und Commun regierenden in guter erberiger Politey unnd erhaltung fir annder stett teutscher Nation weit und wol berümpt, ausserhalb bäpstlicher geschäfft und bott wol ansteen auch loblich seyn wurdt; vielmeer acht ich ewr herlichkait darzu genaigt auß Christenlichem gemüt, das ir stattlich nach inhalt der bull handeln werden, wie ich auch eweren ordinarium den hochwürdigen Fürsten unnd Herren Bischoven zu Bamberg zu thun requiriert habe(8).
Unnd wiewol ich allzeit gut Nürmbergisch gewesen (9), bin ich doch auß aufferlegter pflicht unnd ampt vonn bäpstlicher hailigkeit schuldig gewesen, das ich die bull publiciern unnd exequiern hab lassen wider Martinum Ludder unnd sein anhenng;, darinn ernennt Ewer mitburger, Willibald Birkheymer (10) unnd Rattschreiber Lazarus Spengler (11), wie durch Notarius Zeugnus ewerm ordinario angezaigt hab (12), unnd ich hiemit ewr Erberkeit und weißheit darvon vergewyß, unnd inn Krafft meiner Commission das ich auch anzeig, die dann ludderisch irrig verfuerisch leer meer dann ziemlich gelobt, gefurdert und auffgeblassen haben, (13) deßhalb so die bull zu Meissen auff XXI September, zu Merseburg auff XXV, zu Brandenburg auff XXIX tag publiciert ist (14), lauffent in die LX. tag von der letsten Publication, wo sy nit in denselbenn von bäpstlicher heyligkait oder sunst Absolution oder Purgation erlangen, das ir dieselbige halten, wie die bull außweisst (15),

wiewol ich ewer Herlichkait zu gefallen, yetz mich deß erbeut: Wa die gebürliche rechtformige bekanntnuß thun wöllen vor mir, das ich sy auß bäpstlicher Commission und besondern Befelch darüber gebenn, gutwilligklich on allen nachtail absolviern will (16). Söllichs als hab ich ewer Erberkeit und weißheit aus schuldigem ampt mit wöllen verhalten, bittend wie vor, in allem Fleiß, ihr wöllent, wie ewer vorfarenn, gehorsam erzaigen bäpstlichem gebott, und mir nit verargen: Dann wa ich ye vermöchte gemainer statt Nürmberg dienen, so solt ir erfarn, das ich des willig wer und geflissen.

Damit mich ewer herlichkeit befelhennd.

Dat. Ingolstat,
XV Octob. Anno gratie, M.D.XX.

Johann von Eck, Protonotarius et Nuntius Apostolicus
.

Den fürsorglichen, ehrbaren und weisen Herren Bürgermeister und Räten der hochberühmten Stadt Nürnberg, meinen gnädigen Herren.

Fürsorgliche und ehrbare Herren, meine Dienstbereitschaft zuvor!

Gnädige Herren!

Nachdem der Heilige Vater, der Papst, nach langen Mühen und Beratungen der Gelehrten gegen einige irrige und verführerische Artikel Doktor MARTIN LUTHERS eine Bulle erlassen hat, hat er mich beauftragt, dieselbe zu publizieren und durchzuführen, obgleich ich sehr dagegen Widerstand geleistet und mich gewehrt habe, hatte ich doch bereits in der Zeit zuvor wegen dieser Sache Mühe und Arbeit getragen. Der Heilige Vater wollte jedoch nicht nachgeben und hat mich als Nuntius, päpstlicher Botschafter und Exekutor der Bulle eingesetzt: in diesem Sinne habe ich auch bisher in Übereinstimmung mit meiner Kommission und der mir zusätzlich erteilten Instruktion gehandelt.

Solcher Verpflichtung folgend, schicke ich Euch die Bulle und füge von meiner Seite die Bitte, in Vertretung und im Namen des Heiligen Vaters, des Papstes, aber die Forderung an, entsprechend dem Inhalt der Bulle zu handeln und nicht zuzulassen, daß weiterhin Bücher LUTHERS oder seiner Parteigänger bei Euch gedruckt oder verkauft werden, sondern diese auf einen Haufen zu stapeln und zu verbrennen, wie es sich für Euch als Regenten der hochzulobenden Stadt und wohlgeordneten Gemeinde, die auch andere Städte der deutschen Nation an Berühmtheit weit überragt, wohl gebührt. Das würde auch ohne päpstliche Initiative und Aufforderung Lob verdienen. Ich meine, Ihr werdet schon aus Eurer christlichen Einstellung heraus dazu bereit sein, dem Inhalt der Bulle entsprechend vorzugehen, wie ich auch Euren Ordinarius, den Hochwürdigsten Fürsten und Herrn Bischof von Bamberg dazu aufgefordert habe.

Obgleich stets gut Nürnbergisch gesinnt, war ich doch aufgrund meiner Pflicht und meines Amtes gegenüber dem Papst schuldig, die Bulle gegen MARTIN LUTHER und seine Anhänger zu publizieren und durchzuführen: darin werden die Namen Eurer Mitbürger WILLIBALD PIRCKHEIMER und des Ratsschreibers LAZARUS SPENGLER aufgeführt, wie ich auch Eurem Bischof durch Notariatszeugnis mitgeteilt habe. So möchte ich hiermit auch Euch davon in Kenntnis setzen und kraft meiner Kommission anzeigen, denn die Genannten haben die irrige und verführerische Lehre LUTHERS mehr als nur ein wenig gelobt, gefördert und verbreitet. Wenn sie daher nach der bereits erfolgten Publikation der Bulle in Meissen am 21. September, in Merseburg am 25. und in Brandenburg am 29. nicht innerhalb einer Frist der folgenden sechzig Tage seit der letzterfolgten Publikation (in Brandenburg) von Seiten des Papstes oder auf andere Weise nicht die Absolution erlangen, sollt Ihr dieselben behandeln, wie die Bulle das vorsieht.

Euch zu Gefallen erkläre ich mich jedoch bereit, die Genannten persönlich mit gutem Willen und ohne jeden Schaden für dieselben zu absolvieren, wenn sie der geltenden Rechtsform folgen wollten, in meiner Gegenwart zu beichten. So mit Euch zu verfahren bin ich auch meinem Amt schuldig. Ich bitte Euch jedoch nach wie vor ganz dringend, gleich Euren Vorfahren dem Gebot des Papstes Gehorsam zu leisten und meinetwegen keinen Verdruß zu haben, denn sollte ich je der Stadt Nürnberg einen Dienst erweisen können, werde ich dem gern entsprechen.

Ich empfehle mich Eurer Herrlichkeit.

Gegeben in Ingolstadt
 am 15. Oktober im Jahr der Gnade 1520.

Johann von Eck, Protonotar und apostolischer Nuntius.


1. Bannandrohungsbulle »Exsurge Domine« vom 15-06-1520: vgl. o. Brief 14-10-1520.

2. Brief 14-10-1520.

3. Ebd.

4. Zusammen mit Hieronymus Aleander: ebd.

5. Ebd.

6. Zur »Instruktion« s. Brief 03-10-1520, Anm. 8.

7. Vgl. »Exsurge Domine«: Dokumente 2, 394f.und  u. Brief  17-10-1520, Anm. 11.

8. Vgl. u. Brief 29-10-1520, Anm. 1.

9. Das betont Eck immer wieder: vgl. Brief 15-11-1520, Anm. 3.

10..Willibald PIRCKHEIMER (05-12-1470 Eichstätt - 22-12-1530 Nürnberg), Humanist. Student der Rechtswissenschaft und der Artes in Padua u. Pavia; 1496 - 1501 u. 1506 - 1523 Ratsherr in Nürnberg. Weitgespannte wiss. Interessen (Geographie, Astronomie, Übersetzung und Edition antiker und patristischer Autoren). Vorliebe für Lukian und Plutarch. Er stand Reuchlin positiv gegenüber und fand von daher zur Reformation, setzte sich jedoch seit 1525 zusehends von der reformatorischen Bewegung ab. Er gilt als Verfasser der gegen Eck gerichteten Satire "Eccius dedolatus" von 1520.
Vgl. Info-Willibald Pirckheimer Gesellschaft;  H.LUTZ: LThK (2.A.) 8, 516f; F. MACHILEK: LThK (3.A.) 8, 311; K.-St. KRIEGER: BBKL 7, 628-633; D. WUTTKE: Der Humanist W. P., 1994; WIEDEMANN, Eck 178 - 184; KALKOFF, Pirckheimers und Spenglers Lösung vom Bann 1521. Breslau 1896. - WILLIBALD PIRCKHEIMERS BRIEFWECHSEL Bd 3 (Helga SCHEIBLE u. Dieter WUTTKE), München 1989; Bd 4 (Helga SCHEIBLE), München 1997: enthält das gesamte Quellenmaterial zum Vorgehen Ecks gegen die Nürnberger.

11. Lazarus SPENGLER (13-03-1479 Nürnberg - 07-09-1534 ebd.). Seit 1494 Stud. in Leipzig, 1507 Ratsschreiber, 1512 Genannter des Rates in Nürnberg. Er trat früh der lutherischen Bewegung bei, die er 1520 mit seiner »Schutzrede« (vollständiger Text: u. Brief 12-11-1520, Anm. 38) verteidigte. Eck belegte ihn ebenso wie seinen Freund W. Pirckheimer mit dem Bann: vgl. dazu J. KIST: LThK (2.A.) 9, 959; R. DECOT: LThK (3.A.) 9, 831f; G. PFEIFFER: Lazarus Spengler (1479-1534), in: Fränkische Lebensbilder 11, hg. v. A. Wendehorst u. G. Pfeiffer, Neustadt/Aisch 1984, 61-79;  S. FILLIES-REUTER: BBKL 10, 939ff; WIEDEMANN, Eck 180; Harold J. GRIMM, Lazarus Spengler, a lay leader of the reformation. Columbus/Ohio 1978 u. Berndt HAMM, Stadt und Kirche unter dem Wort Gottes: das reformatorische Einheitsmodell des Nürnberger Ratsschreibers Lazarus Spengler (1479 - 1534): Ludger GRENZMANN u. Karl STACKMANN (Hg.), Literatur und Laienbildung im Spätmittelalter und in der Reformationszeit. Symposion Wolfenbüttel 1981, Stuttgart 1984, 710 - 729.

12.  Vgl. u. Brief 12-11-1520.

13. Vgl. hierzu o. Brief 18-07-1520 und u. Brief 12-11-1520 sowie H. WESTERMAYER, Zur Bannangelegenheit Pirckheimers und Spenglers: Beiträge zur bayer. Kirchengeschichte 2 (1896), 1 - 7 und KALKOFF, Pirkheimers und Spenglers Lösung vom Banne 1521. Breslau 1896.

14. Vgl. o. Brief 14-10-1520 Anm. 9 und Brief gleichen Datums Anm. 4.

15. Vgl. »Exsurge Domine«: Dokumente 2,399-401.

16. Vgl. o. Brief 14-10-1520 Anm. 19.