Übersicht Reformationsgeschichte - Übersicht Briefwechsel Eck
Nr. 113

Eck an die Universität Ingolstadt
Ingolstadt
17-10-1520

München, Universitätsarchiv D III 5, f 507-509 (Kopie im Ingolstadter Universitäts-Protokollbuch)
PRANTL 2, 162f: Urkunde Nr 44 (fehlerhafte Abschrift), korr. bei P. LOEW, Die Geschichte des Studententums an der Universität Ingolstadt im Zeitalter des Humanismus und der Reformation (1472-1550), Diss. Masch. München 1941, 197
Vgl. W. KAUSCH, Geschichte der Theologischen Fakultät Ingolstadt 137


Nach sorgfältiger Prüfung hat der Papst einige Irrtümer Luthers verdammt und Eck mit einem Kommissionsbrief versehen. Auch der Universität Ingolstadt stellt Eck aufgrund dieser Kommission eine Kopie der Bulle »Exsurge Domine« zu, zusammen mit der Forderung im Namen des Papstes, eine Vollversammlung der Universität zu veranlassen und den Inhalt der Bulle zu veröffentlichen einschließlich der dort mit Zuwiderhandlungen verbundenen kanonischen Strafandrohungen wie dem Ausschluß aus dem Senat der Universität. Die lutherischen Bücher sollen entsprechend dem päpstlichen Mandat von den Buchhändlern eingesammelt und nach Veröffentlichung der Bulle die Forderung erhoben werden, diese Bücher dem Rektor auszuhändigen. Besonders die Inhaber von Pfründen werden ermahnt, diese nicht zu gefährden. In Gegenwart der Studenten sollen dann die lutherischen Bücher verbrannt werden. Im Falle der Nachlässigkeit in dieser Angelegenheit riskiert die Hochschule nicht nur die Exkommunikation, sondern auch den Entzug des Promotionsrechtes und den Status einer Universität. Sollte jedoch jemand gegen diese Irrtümer schreiben wollen, mögen mit Zustimmung des Rektors und des Senats einige lutherische Bücher der Vernichtung entgehen, vorausgesetzt, sie werden vorher notariell als verdammt deklariert.

Magnifice domine rector (1)
et clarissimi huius st
udii regentes:

Posteaquam sanctus dominus noster diligenti praehabito examine Ludderana dogmata reperta erronea damnavit, (2) ego ex commissione sanctitatis suae (3) et iniuncto mihi officio vestris excellentiis bullae copiam in urbe impressam sigillo praelati et subscriptione notarii munitam offero ac praesento (4) rogans et nomine sancti domini papae requirens, ut convocatis omnibus vestrae iurisdictioni subiectis bullae continentiam eisdem publicetis inhibentes et inhibitionem huiusmodi cum effectu exequentes, (5) ne quis temerario ausu errores in bulla damnatos doceat affirmet aut defendat legendo perorando interpretando vel disputando, sub penis in bulla expressis (6) et seclusionis a consilio studii vestri, (7)

et ut haeresis illa penitus eradicetur, secundum summi pontificis mandatum libros Luderi erroneos a bibliopolis nobis subiectis quantocius colligatis (8) et facta publicatione bullae similiter praecipiatis, ut omnes huiusmodi libros Ludderanos aut Ludderanos errores defendentes habentes ad manus rectoris magnifici praesentet, (9) specialiter monentes beneficiatos, ne harum rerum inexperti iacturam in beneficiis patiantur, ut rebus suis in hoc prospiciant, ne privatione beneficiorum plectantur, (10) et collectis sic undique libris Ludderanis erroneis in praesentia frequenti scholasticorum vestrorum eos comburatis iuxta tenorem bullae. (11)

Alioquin si christianae professionis immemores et promissionis vestrae negligentes reperiemini, quod minime futurum speramus, iam summi pontificis, qui studia alere, (12) non minuere animatus est, vel quispiam alius exequutor nomine sanctitatis suae declarabit vos in poenas in bulla expressas incidisse, non solum excommunicationis sed et potestate promovendi et studium tenendi etc. (13)

Nolumus tamen vos hoc ignorare: si qui viri essent boni, qui excutere scribendo contra errores desudare vellent, quod ut aptius et commodius facere possint, de rectoris et totius consilii consensu, in quo conscientiam vestram oneramus, libros huiusmodi in eorum destructionem tenere possint et servare, (14) dummodo ab initio et fine manu notarii universitatis iurati signetur, librum illum esse damnatum et eiusdem tenorem publice combustum. In hoc faceretis Deo rem gratam, ecclesiae utilem, vobis necessariam et honorificam ac omnibus fidelibus salutarem.

Eckius nuntius et orator apostolicus.

Eure Magnifizenz, Herr Rektor,
hochgeehrte Regenten dieser Hochschule!

Nachdem der Heilige Vater nach sorgfältiger Prüfung als irrig erkannte Lehrmeinungen LUTHERS verdammt hat, präsentiere ich Euren Exzellenzen feierlich kraft meiner vom Papst empfangenen Kommission und aufgrund des damit für mich verbundenen Auftrags eine Kopie der in Rom gedruckten Bulle, versehen mit dem Siegel eines Prälaten und notarieller Unterschrift. Verbunden damit ist meine Bitte und Aufforderung im Namen des Heiligen Vaters, des Papstes, alle Eurer Jurisdiktion Unterworfenen zu versammeln, ihnen den Inhalt der Bulle bekanntzugeben und durchzusetzen, daß niemand unbedacht die in der Bulle verdammten Irrtümer in Vorlesungen, Predigten oder Disputationen vorträgt, behauptet oder verteidigt, und das unter Androhung der in der Bulle aufgeführten Strafen und dem Ausschluß aus dem Senat Eurer Hochschule.

Damit diese Irrlehre gänzlich ausgerottet wird, sollt Ihr außerdem entsprechend dem Mandat des Papstes die irrigen Schriften LUTHERS alsbald bei den uns unterstehenden Buchhändlern einsammeln und nach Publikation der Bulle in ähnlicher Weise gebieten, daß alle, die Bücher LUTHERS solcher Art oder andere Bücher, die lutherische Irrtümer verteidigen, besitzen, diese dem Rektor zuleiten. Dabei sollen vor allem die Pfründeninhaber ermahnt werden, daß alle unter ihnen, die in diesen Dingen unerfahren sind, nicht Schaden erleiden, sondern in ihrem Verhalten darauf achten, daß sie sich nicht die Strafe des Entzuges der Verfügungsgewalt über ihre Pfründe zuziehen. Nach Einsammeln sämtlicher lutherischen Bücher sollt Ihr diese dann in Gegenwart aller Eurer Studierenden gemäß dem Text der Bulle verbrennen.

Solltet Ihr dagegen nicht Eurer christlichen Pflicht eingedenk sein und Euer Gelübde vernachlässigen, was Gott verhüten möge, wird der Heilige Vater selbst, der um Förderung der Studien, nicht ihre Minderung bemüht ist, oder aber ein anderer an seiner Statt als Exekutor erklären, daß Ihr den in der Bulle vorgesehenen Strafen verfallen seid, nicht nur derjenigen der Exkommunikation, sondern auch der des Verlustes des Rechtes, akademische Grade zu verleihen und den Studienbetrieb zu organisieren usf.

Wir wollen dennoch nicht, daß Ihr von Folgendem keine Kenntnis habt:
sollte es gutgesinnte Männer unter Euch geben, die sich der Mühe unterziehen wollen, gegen LUTHERS Irrtümer zu schreiben, sollen diese, um dieses Vorhaben in angemessener Weise verwirklichen zu können, mit Zustimmung des Rektors und des akademischen Senats (womit wir Euer Gewissen belasten müssen!), Bücher solcher Art zum Zweck ihrer Widerlegung besitzen und aufbewahren dürfen, solange zu Beginn und am Ende durch die Hand eines auf die Hochschule eingeschworenen Notars bestätigt wird, daß jenes Buch verdammt und sein Inhalt öffentlich verbrannt ist. Damit tätet Ihr ein Gott wohlgefälliges, für die Kirche nützliches, für Euch notwendiges und ehrenwertes und für alle Gläubigen heilbringendes Werk.

Eck, Nuntius und päpstlicher Orator.

1. 1.Rektor: Leonhard Marstaller, Dr. theol., Professor seit 1519: MEDERER, Annales Ingolstadiensis Academiae 1, 111. -
Zur Publikation der Bannandrohungsbulle an der Universität Ingolstadt s. WIEDEMANN, Eck 161ff; WINTER, Geschichte der Schicksale der evangelischen Lehre in und durch Baiern, Bd 1, München 1809, 55-57; KALKOFF: ZKG 37 (1918), 91f Anm.4; W. KAUSCH, Die Geschichte der Theologischen Fakultät Ingolstadt 137f: »Mit (Ecks) Rückkehr nach Ingolstadt wurde die Universität unmittelbar in die Auseinandersetzungen um die neue Lehre hineingezogen. Am 17-10-1520 sandte er ein Schreiben an die Universität und verlangte, daß die Bulle allen Universitätsmitgliedern bekanntgemacht würde, und verbot, die darin angeführten Irrtümer in Vorlesungen oder Disputationen zu verteidigen. Es sollen ferner alle Bücher, die Luthers Lehren vertreten, dem Rektor übergeben werden. Widersetzt sich die Universität,, muß sie damit rechnen, daß ihr das Recht, Grade zu erteilen und öffentlich zu lehren, entzogen wird. Am selben Tag wurden die Professoren Franz Burkhard, Georg Hauer und Pantaleon Brunner, also zwei Kanonisten und ein Mediziner, zur Visitation der Buchläden der Stadt bestimmt. Sie versiegelten die beanstandeten Bücher, ließen sie aber bei den Buchhändlern. Zu weitergehenden Handlungen konnte sich die Universität nicht entschließen. Sie war sich über die Publikation der Bulle noch nicht im klaren. Eck bestand aber erneut darauf. Deshalb wurde am 28-10-1520 der Senat einberufen und über weitere Maßnahmen beraten. Da inzwischen vom Eichstätter Bischof ein Schreiben an die Schule abgegangen war [am 24-10-1520: vgl. LOEW 199], die Bulle bekanntzumachen, entschloß sich das Konzil, zwei Boten zu Eck zu schicken und ihn um Aufschiebung zu bitten, bis sie in den beiden Pfarrkirchen der Stadt verlesen worden sei. Eck bestand aber mit Nachdruck auf der sofortigen Veröffentlichung. Jetzt wagte niemand mehr Widerstand zu leisten, und so versammelte sich am folgenden Tag die ganze Universität in der Aula des Alten Kollegs. Georg Hauer leitete die Feierlichkeit mit einer Rede ein. Er ging auf Ecks Schreiben ein und erinnerte daran, daß die Hohe Schule das Recht zu lehren und Grade zu verleihen vom Papst habe. Angesichts dieser Privilegien dürfe man die Publikation der päpstlichen Verurteilung nicht verweigern. Der Notar verlas die Bulle, und Hauer wiederholte nochmals deren Hauptinhalt, damit sich niemand auf Grund von Unkenntnis entschuldigen konnte. Als erstes praktisches Ergebnis konnte Eck buchen, daß dem Rektor viele Bücher zur Vernichtung übergeben wurden [München UA D III 4, 71 und D III 5, 510ff. Dieser Aktenband enthält von Hauer 1520 veranlaßte Aufzeichnungen über das Vorgehen der Universität gegen das Eindringen reformatorischen Gedankenguts]. Er hatte damit ohne größere Schwierigkeiten wenigstens in Ingolstadt seinen Auftrag durchführen können. Mit Ausnahme eines 'libellus famosus', einer Schmähschrift, die am 26-10-1520 von Unbekannten heimlich angeschlagen worden war, hatte er keinerlei Anfeindungen erfahren [München UA D III , 67. Für die Nennung der Autoren setzte die Universität den hohen Betrag von 20 Gulden aus].« - Vgl. den Brief Bernhard Baumgärtners an den Magistrat zu Nürnberg, 17-10-1520: RIEDERER, Beytrag 59: »Weytter, Günstige, lieben herrn, fing ich Ewr Erberkait zu wissen, das auff heut abendt durch die Universitet Rat gehalten, und auff Doctor Ecken anhalten und Requisition drey Doctores verordennt worden, nemlich Doctor Franz Burckhart, und D. Jorg Hauer, bede Juristen, und D. Panthaleon, ein artzt, sein von stund an in aller puchfurer gewelb ganngen, die der Universitet verwandt, alle Doctor Luthers pücher anzuzaigen; die haben sie versiegelt aldo liegen lassen, und nit zuverrucken gebotten, bis auf meins gnedigen herrn von Eystet antwurt, der sie zu aller stund auff doctor Ecken schreyben gewartennndt seinn, dann er berumbt sich, er sey generalis executor, ein gemeiner Vollzieher dieser sachen in allen bistumben, und hat die Commission auff sonnder person zu laden, auch den brieff, den er Ewr Erberkait wurd zusenden (Brief 15-10-1520), vil leut in geheym lesen lassen, und doch zu zeyten offennlich davon gesagt.« -
Unserem Brief, dessen Original verloren ist, geht im Ingolstadter Protokollbuch (München Universitätsarchiv: D III 5, fol 5o7rf) folgender Eintrag voraus: »Acta contra hereticos lutheranos.
Cum pestilentissimus omnium hereticorum Martinus Luther, professionis suae ordinis Augustiniani, heresim suam iampridem malesana mente per concensiones atque libellos longe lateque spargeret, qua re tandem omnem fere Germaniam misere decipiendo infecit, atque...clarissimus et undecunque doctissimus vir dominus Joannes Eckius artium decretorum et theologie doctor ecclesie Eystettensis canonicus, theologie Ingolstadij ordinarius professor et procancellarius, post huic monstro...opponeret, et provocatus solus disputationis certamen cum Luthero et eius propugnatore et coheresiarcha Andrea Carolstatt intrepidus bis subiecit atque modo iniuria et negligentia episcoporum..., Romam ad summum pontificem Leonem decimum senatumque Apostolicum pergeret, Germaniae pestem futuramque ruinam atque ... gregis adiutorem eisdem suggerendo Bullam condemnationis multorum articulorum nuntius Apostolicus constitutus expectavit atque ipse pro sua in religionem christianam fide et constantia, sagacie eandem inferens publicavit, ac si quae tuto concedere non potuit, publicari ordinavit, deinde ex...ad episcopos
ordinarios locorum et civitates aliquot missis vix...impetravit, ut...«.

2. Durch die Bulle »Exsurge Domine« vom 15-06-1520.

3. S.o.Brief 18-07-1520.

4. .Vgl.o.Brief 01-10-1520, Anm.7.

5. Vgl.o.Brief 14-10-1520 (Wien) Anm.6.

6. »Exsurge Domine«: Dokumente Bd 2, 394.390.

7. Vgl.o.Brief 14-10-1520 (Wien) Anm. 8.

8. Vgl. o. Briefe 14-10-1520 Anm. 18 und 14-10-1520 (Wien) Anm. 9.

9. Vgl. o. Brief 14-10-1520 (Wien) Anm. 10.

10. Vgl. o. Brief 14-10-1520 Anm. 21.

11. »Exsurge Domine«: Dokumente Bd 2, 394.

12. Zu Leos X. Eifer für die Hebung des Ansehens der Hochschulen, besonders der römischen Sapienza, s. PASTOR, Geschichte der Päpste IV/1, 484-487.

13. Exsurge Domine«: Dokumente Bd 2, 390. Vgl.o.Brief 03-10-1520, Anm.6.

14. Vgl.o. Brief 14-10-1520 (Wien) Anm.10.