Übersicht Reformationsgeschichte - Übersicht Briefwechsel Eck
Nr. 114

Hg. Georg von Sachsen an Eck
Leipzig
18-10-1520

Dresden Sächs. HSA Loc 10300, M Luther 1518-33, f 25
SEIDEMANN, Erläuterungen zur Reformationsgeschichte durch bisher unbekannte Urkunden. Dresden 1841, Nr 1, 6f
[F 038.d]


Bei seinem letzten Besuch in Leipzig haben Rektor und Senat der Universität dem Herzog Mitteilung gemacht, daß sie einen Brief in Ecks Namen und ein Druckexemplar der Bulle »Exsurge Domine« erhalten und ihn um Rat gebeten haben. Herzog Georg ist unsicher, ob der Begleitbrief wirklich von Eck stammt oder nur untergeschoben ist. Er übt auch Kritik an der Form der Bulle und der Art ihrer Zustellung: es sei nicht klar, ob sich ihr Zuständigkeitsbereich weiter als auf die Jurisdiktionsbezirke der Bischöfe von Brandenburg, Meißen und Merseburg erstrecke. Auch diese wissen nicht, wie mit der Bulle zu verfahren sei. Eck soll daher noch einmal Näheres mitteilen; inzwischen hat der Herzog die Universität aufgefordert, "stillzuhalten".)

An doctor Johann Egken,

unnsern gruß zcuvor.

Wirdiger hochgelerter liber andechtiger:

Die wirdigen hochgelerten unnd Achtbarn auch unsre liben andechtigen Rector, Magistri unnd doctores, unser universitet zcu leypzcigk haben unß iczo So wir alher kommen, bericht, das Jne Jn Ewerem Nahmen eyn briff, auch dorneben Eyn abdrugk der bullen, zo bebistliche heyligkeyt wider Martinum lutter unnd seynen anhangk, auch seyne lere hath aussgehen lassen, uberantwort wurden (1), mit unndertheniger bitt, das Wir Jne, waß Jn den sachenn zcu thun, unnsern rath genediclich mitteylen wolten.

Unnd zo wir dann Den briff, welcher von Euch solle außgangen seyn, angesehen, haben wir Nicht wol konnen vormergken, ab eß ewr schrifft ader Nicht (2), unnd haben alzo Eyn bey sorge gehapt, das villeychte diczs Eyn zcugericht thun (3) seyn mochte, unnd bevorn, dieweyl wir Nicht anders wissen dann das solche bullen Nicht durch slechte missiven, sundern durch glaubwirdigen scheyn unnd mit geburlicher solennitet, Notarien unnd gezceugen etc. Jnsinuirt werden sollen (4), zo konnen wir auch auß der bullen Nicht vormergken, das sich ewr bevehel weyter erstregke, dann das Dieselbige pebistliche bulla den drey bischoven Brandenburgk, Meyssen und Merseburgk durch Euch Jnsinuiret, unnd An Jre Thumkirchen sollte angeslagen werden (5), die furder mit Jren Jn der geystlichkeyt unnderthanen zcuvordern, wie mit derselbigen Bulla furder solle gebart unnd zcuverfugen, das derselbigen gehorsamlich gelebet und Nachgegangen wurde (6) , der halben solchs alles beyn unnß Eyn groß bedengken Jngefuret, was hir Jnne zcu thun ader zcu lassen gut seyn solde, unnd bedacht Euch derwegen
unnd das wir unß dißs thuns grundtlich erkunden mochten, zcu schreyben, auch gedachten rectori Magistris unnd doctoribus bestympte unser universitet bevelhen mitler zceyt, und biß unß von Euch antworth widerumb zcu queme, mit dissen thun stille zcu halden(7) .

Unnd ist derhalben an Euch unser gutliche beger Jr wollit unß ab solcher briff von Euch außgangen, und wie sichs allenthalben hirumb halde, durch ewr schreyben vormelden (8), dann zo wie deß von Euch vorstendiget, wurden sich gedachter unser universitet glidmaße Jn disser sachen als bebistlicher heyligkeyt und deer heyligen Cristlichen kirchen gehorsame unnd andechtige kinder gehorsamlich Erzceygen, Jr wollit ab disser schrifftlicher bevehel von Euch außgangen unß zcuvormelden (9) auch diczs vorzcugs unnd anstandes welcher auß gutter Meynunge unnd wie vormeldet beweglichen ursachen von unß darfleußt Nicht beswerunge tragen. Jn dem thut Jr unnß sunderlichs guts gefallen, Jn gnaden zcu bedengken.

Gegeben zcu leypzigk
dornstagk Nach galli (10) Anno XX.

An Doktor Johann Eck.

Unseren Gruß zuvor!

Würdiger, Hochgelehrter, Lieber und Frommer:

Die würdigen, hochgelehrten und hochzuachtenden Herren Rektor, Magistri und Doktoren unserer Universität zu Leipzig haben mir jetzt nach unserem Eintreffen hier darüber berichtet, daß ihnen in Eurem Namen ein Schreiben und außerdem ein Nachdruck der Bulle überantwortet worden sind, die päpstliche Heiligkeit gegen MARTIN LUTHER und seine Anhänger wegen dessen Lehre hat ausgehen lassen. Sie haben damit die Bitte verbunden, daß wir ihnen gnädig Rat erteilen sollen, was in dieser Sache zu tun sei.

Als wir dann den Brief, der von Euch abgesandt sein soll, näher betrachteten, konnten wir nicht mit Sicherheit feststellen, ob es Eure Schrift sei oder nicht und hatten daher Sorge, es könnte vielleicht von einem anderen untergeschoben worden sein.
Wir haben daher befohlen, da wir es nicht anders kennen, als daß solche Bullen nicht durch unzulängliche Begleitbriefe, sondern mit Glaubwürdigkeit in der Form und feierlichem Ton ausgestattet sowie von Notaren und Zeugen beglaubigt sein sollen. So ist es uns beispielsweise nicht möglich, aus dem Text der Bulle mehr zu entnehmen, als daß diese päpstliche Bulle durch Euch den drei Bischöfen von Brandenburg, Meissen und Merseburg zugestellt und an ihrem Domkirchen angeheftet werden sollte.
Was dann weiterhin von der Geistlichkeit und den Untertanen gefordert wird, wie mit der Bulle zu verfahren sei, nämlich was die gehorsame Annahme und Befolgung der Bulle angeht, hat bei uns große Unsicherheit ausgelöst darüber, was wir in dieser Sache zu tun und zu lassen hätten.
So wollten wir Euch deswegen schreiben und uns gründlich erkundigen sowie dem genannten Rektor, Magistri und Doktoren unserer Universität in der Zwischenzeit befehlen, bis zum Eintreffen Eurer Antwort abzuwarten.

Daher begehren wir von Euch die Mitteilung in einem neuen Schreiben, ob der Brief wirklich von Euch stammt und wie es sich mit der Angelegenheit überhaupt verhält. Wenn wir von Euch darüber verständigt worden sind, werden sich die genannten Mitglieder unserer Universität in der Sache als gehorsame und fromme Kinder päpstlicher Heiligkeit und der heiligen christlichen Kirche erweisen. Teilt uns also mit, ob dieser schriftliche Befehl von Euch ausgegangen ist. Seid nicht ungehalten, daß wir uns wohlmeinend und aus wohlbegründeten Ursachen an Euch wenden. Bedenkt freundlich, daß Ihr uns damit einen besonderen Dienst erweist.

Gegeben zu Leipzig,
Donnerstag nach dem Fest des hl. Gallus im Jahre 1520.


1. Über die Vorgänge in Leipzig vgl. WIEDEMANN, Eck 154: »Die Universität Leipzig erhob gegen die Annahme der Bulle Anstände. Als Georg auf seiner Reise nach Frankfurt Mitte Oktober nach Leipzig kam, wendete sich die Universität an ihn mit der Bitte um guten Rat, was zu tun sei. Georg ließ sich Ecks Brief, mit dem er einen Abdruck an den Rektor Wostenfelder geschickt hatte, vorlegen, und trug, da er aus demselben nicht ersah, ob er von Eck eigenhändig sei, Bedenken, daß dies eine Täuschung sein möchte, zumal weil solche Bullen gewöhnlich nicht durch einfache Zusendung, sondern feierlich mit Notar und Zeugen zugefertigt würden, weil ferner die Bulle nur an die Bischöfe von Meißen, Brandenburg und Merseburg zu Anschlag an ihren Domkirchen und weiterer Besorgung laute. Deshalb befahl Herzog Georg der Universität, zu warten, und schrieb den 18. Oktober 1520 selbst an Eck um deutliche Auskunft. Eck erhielt dieses Schreiben am 30. Oktober zu Ingolstadt und antwortete noch denselben Abend.«

2. Die Leipziger zweifelten also an der Echtheit des Kommissionsbriefes.

3. Eine Fälschung.

4. Eine ähnliche Beschwerde über die unförmliche Art der Zustellung der Bulle hat auch Bischof Philipp von Freising geäußert: »Dieweil uns in solcher treffenlicher sachen das berürt schreiben (Bulle und Publikationsersuchen Ecks) durch kainen aigen poten oder notari, wie es sich dann het wol gepürt, sunder vergebenlich und durch der sachen unwissenhaft person und erst von der vierdten handt geantwurt und gedachter doctor Eck uns seiner facultet, auch bäbstlicher bullen kainen glaubwürdigen schein, wie billich und recht gewesen, angezeigt: so sind wir in der sache ganz irrig, wissen nit, wie wir uns darin schicken sollen« (K. SCHOTTENLOHER, Die Druckauflagen 202). Vgl. auch unten Brief 24(27)-03-1521.

5. Vgl. »Exsurge Domine«: Dokumente 2, 2,408f.

6. Den Bischöfen soll also Zeit zur Beratung über die Bulle gegeben werden: vgl.u. Brief 29-10-1520 Anm.7.

7. Bis zu Ecks klärender Antwort soll "Stillstand" herrschen.

8. Diese Bitte erfüllte Eck am 30-10-1520.

9. Vgl. u.Brief 30-10-1520.

10. 18.10.1520.