Übersicht Reformationsgeschichte - Übersicht Briefwechsel Eck
Nr. 116


Eck an Christoph v. Stadion, B. von Augsburg (?)
Ingolstadt
(29-10-1520)

Straßburg, Stadtarchiv IV, 105
RST 21/22, Nr 92, 213/215

Luthers Schriften werden in Venedig verbrannt. Eine Bücherbestellung nach Nürnberg ist durch ein Verbot verhindert worden. Luthers Adelsschrift ist in München nachgedruckt und von Herzog Wilhelm gegen den Protest Bernhard Adelmanns eingezogen worden. Herzog Georg hat am 09-10-1520 mit den Bischöfen von Meißen und Merseburg Rat gehalten. Luthers Sympathie mit der "böhmischen Ketzerei" hat ihn Gefolgschaft gekostet. Staupitz hat sich von Luther losgesagt. Bischöfe und Papst sind an der gegenwärtigen Misere schuld.


Man verbrent auch die büecher zu Venedig. (1) Es het Koburger (2) bei 300 hinein verordnet, aber man schickt für ain aigen botten, das er die revociert; dann man hat ain peen darauf gesetzt, wer die büecher fürter hinein brecht.

Es sind auch der büechlin an adel 1500 zu Münchin getruckt wurden. (3) Do das mein g.h. herzog Wilhalm ist innen worden, hat er die all dem trucker genommen. Und wiewol das büechlin voller offenlicher ketzerei ist und büeberei, noch dann so hat herr Bernhart Adelman, wiewol ecclesiastica persona und sein narung hat de patrimonio Christi, noch hat er angehalten, das die bücher wider solten geben werden dem, ders zu trucken verlegt het (4).

Es hett mein gnedigister herr und fürst, herzog Görg von Sachsen, (5) mit sein zwai bischoven (6) abgeredt und beschlossen, wa ich mit der bull nit hinzwischen wär kommen, ain tag ze halten auf IX. Octobris, dazu denn 2 bischove berüefft, äbt, pröbst, dechant etc., das XII praelaten wären gewesen, VI doctores theologiae, VI juris canonici, XII von der ritterschaft; und waa ers bei inen in rat het funden, so wolt er die büechlin alle aufgehebt oder verbrannt haben. (7)

Es hat auch Luter ain mechtigen abfal gewonnen, und vil laien, die der behemisch ketzerei wider seien, allso erzirnt, wa sy in hetten, das im nit wol erging.

Er laßt sich auch nit mer hinaus. Sein minch sind auch in forchten. Der Staubitz hat sich aus dem getredt; so haben sy den Ludder aus irem closter getan und aus ir congregation ausgeschlossen. (8)

Dann herzog Görg hat in getrowet zu Alten Dresen. (9) Haben sy 2 doctorn der mainung zu geschickt. Solt ain anmeschtiger minch ganz Teütschlannd zu ketzer und schismaticos machen, wer ye ain grosse schand und schad!
Aber ir bischove seit in vil dingen schuldig und der bapst. (10)


 Ich laß yetz ruwen. Ich hab allein das zu mer underricht e.f.g. wöllen zu schreiben.

In Venedig verbrennt man die Bücher [LUTHERS]. KOBERGER hatte um die dreihundert dorthin gesandt, aber ein eigener Bote soll sie zurückholen. Man hat daraufhin für das weitere Einführen der Bücher eine Strafe ausgesetzt.


Tausendfünfhundert Exemplare der Schrift »An den christlichen Adel« sind in München gedruckt worden. Als mein gnädiger Herr Herzog WILHELM davon erfuhr, hat er sie dem Drucker fortgenommen. Obgleich das Buch voller offensichtlicher Ketzerei und Spitzbüberei ist, hat BERNHARD ADELMANN als geistliche Person und Pfründner des Patrimoniums Christi sich nicht gescheut, es dem Drucker wieder überstellen zu lassen.

Mein gnädigster Herr und Fürst, Herzog GEORG von Sachsen, hätte, wenn ich nicht inzwischen mit der Bulle [in Leipzig] erschienen wäre, mit seinen beiden Bischöfen eine Vereinbarung getroffen, am 9. Oktober eine Tagung abzuhalten und dazu zwei Bischöfe, Äbte, Pröpste, Dechanten usf. einberufen; es wären somit zwölf Prälaten, sechs Doktoren der Theologie, sechs des kanonischen Rechtes, zwölf Mitglieder der Ritterschaft anwesend gewesen. Wäre dazu geraten worden, hätte er das Verbot oder die Verbrennung aller Bücher veranlaßt.

Es findet ein großer Abfall von LUTHER statt; zahlreiche Laien, die die Ketzerei der Böhmen ablehnen, sind so über ihn erzürnt, daß es ihm schlecht erginge, wenn sie ihn in die Hände bekämen.

Er zeigt sich auch nicht mehr in der Öffentlichkeit. Seine Augustinermönche leben auch in Furcht. Der STAUPITZ ist aus dem Orden ausgetreten. LUTHER wurde aus ihrem Kloster getrieben und aus ihrer Kongregation ausgeschlossen.

Herzog GEORG hat in Altendresden Drohungen gegen ihn ausgesprochen. Sie haben zwei Doktoren zu ihm geschickt, die sich so äußerten. Sollte ein einzelner machtloser Mönch ganz Deutschland zu Ketzern und Schismatikern machen, so wäre das eine große Schande und ein großer Schaden.

Aber ihr Bischöfe seid in vielen Dingen mitschuldig, ebenso der Papst.

Ich halte jetzt still. Ich wollte das nur zur Information Eurer Fürstlichen Gnaden geschrieben haben.


1. 1520 führte der Mönch Andrea di Ferrara die lutherische Bewegung in Venedig ein. Zur Verbreitung lutherischer Schriften in Venedig vgl. Karl BENRATH, Geschichte der Reformation in Venedig: Schriften des Vereins für Reformationsgeschichte 18. Halle 1887.

2. Nürnberger Drucker.

3. Luthers Schrift »An den christlichen Adel deutscher Nation« von Mitte August 1520 ist möglicherweise von Johann Schobsser in München nachgedruckt worden.

4. Vgl. o. Brief 29-10-1520, Anm. 13.

5. S. über ihn o.Brief 17-03-1519, Anm.1.

6. Nämlich mit denen von Meißen und Merseburg.

7. Vgl.o.Brief 18-10-1520, Anm.5ff.

8. Staupitz hatte auf dem Ordenskapitel zu Eisleben (28-08-1520) sein Amt als Generalvikar niedergelegt und sich nach Salzburg zurückgezogen, wo er am 28-12-1524 als Abt des Stiftes St.Peter starb (Th.KOLDE 327ff u.351; weitere Lit. K. Kienzler, in: BBKL X (1995) Sp. 1250-1253). Im übrigen irrt Eck hier hinsichtlich des Verhaltens der Augustiner: Vgl.Dokumente zur Causa Lutheri Bd 2, 29-35.

9. Kloster Altendresden OESA.

10. Vgl.o.Brief 29-10-1520 Anm.29.