Übersicht Reformationsgeschichte - Übersicht Briefwechsel Eck
Nr. 125
Bischof Christoph von Stadion an Eck
Dillingen
22-11-1520 (Konzept)

Bis 1944 Augsburg, Ordinariatsarchiv (Kriegsverlust)
A. SCHRÖDER: Jb. des Hist. Vereins Dillingen 9(1896), 171f

Auf Ecks Schreiben vom 15-11-1520 hat Bischof Christoph den Generalvikar Heinrichmann angewiesen, das bischöfliche Mandat, die Kopie der Bulle »Exsurge Domine« und das römische Verzeichnis der Schriften Luthers in Druck zu geben. Es hat sich jedoch in Augsburg kein Drucker gefunden. Ein einziger, der aber keine Erfahrung mit lateinischen Drucken besitzt, machte das Einverständnis des Augsburger Rates zur Voraussetzung; dieses jedoch blieb aus. Bischof Christoph will dem Papst gern Gehorsam leisten, soweit es in seiner Macht steht. In der Pfründenangelegenheit Ecks hat der Bischof nichts tun können, zeigt aber erneut seine Bereitwilligkeit.

Wir haben auf ewer schreiben, (1) als ir nehermals von unserm vicarien zu Augspurg (2) abgeschiden sein, von stundan demselben unserm vicarien, unsere mandaten (3) sampt copeien der bäbstlichen bull Martinum Luther belangend (4) und verzaichnus seiner büchlin(5) zum fürderlichisten trucken ze lassen bevolhen. Der hat uns gestern derhalben widerumb geschriben und angezaigt, das er nach gehabtem müglichem fleiss bisher niemands in Augspurg hab vermögen noch erbitten künden, der sollich copeien trucken wölle(6), dann alain yetzo jüngst sovil mit einem, der doch vor kain latein nie getruckt hat, gehandelt, das er sich dieselben ze trucken bewilligt, sover im das durch ein rat zu Augspurg zugelassen werde (7). Darauf unser vicari auch die von Augspurg umb bewilligung gebeten, aber kain antwort erlangt.

Damit ir dann nit gedenken möchten, das der mangel und verzug bei uns und uns einiche ungehorsamm noch unfleiss zugemessen werde, haben wir euch, wardurch wir bisher und noch an volziehung bäbstlicher hailigkeit gebott und eurer requisition verhindert worden, anzaigen und nit verhalten wöllen, dieweil wir ausserhalb Augspurg in unsern bistumb kein truckerei haben noch wissen. (8) Dann dess, so in unserm vermügen und macht stünd, solle bei uns, bäbstlicher heiligkeit alle undertenige gehorsam zu erzaigen, nit mangel erfunden werden.

Ferner als ir uns ewrer handlung der thumbherrnpfründ unsers thumbstifts zu Augspurg (9) angezaigt und gebeten, nit wider euch zu sein, haben wir in disen sachen nichtzit ze handeln, sein auch durch unser capitel umb rat nit ersuecht; ob es aber zu handlung, dabei wir auch sein, kommen wurde, wolten wir uns euch nit widerwärtig, besonder gnediklich erzaigen und halten. Dann euch gnedigen willen zu bewisen, wern wir sonders geneigt (10).
Wir haben auf Euer Schreiben hin, nachdem Ihr vor kurzem unseren Generalvikar in Augsburg verlassen hattet, sogleich demselben befohlen, unser Mandat samt Kopien der päpstlichen Bulle über MARTIN LUTHER und dem Verzeichnis seiner Schriften umgehend drucken zu lassen. Dieser hat uns gestern in der Sache erneut geschrieben und mitgeteilt, daß er trotz seiner Bemühungen bisher niemanden in Augsburg veranlassen oder überreden konnte, die Bulle zu drucken. Nur in einem Fall verhandelte er vor kurzem mit einem Drucker, der bisher aber nichts Lateinisches gedruckt hat, jedoch dazu bereit ist, wenn er die Erlaubnis des Augsburger Rates erhält. Darauf hat auch unser Generalvikar die Augsburger Räte um diese Einwilligung gebeten, jedoch keine Antwort erhalten.

Damit Ihr nicht denken sollt, Mangel und Verzögerung bei uns beruhe auf Ungehorsam oder fehlendes Bemühen, haben wir Euch mitteilen wollen, weshalb wir bisher an der Ausführung des Willens päpstlicher Heiligkeit und Eurer Aufforderung gehindert waren, zumal wir in unserem Bistum außerhalb Augsburgs keinen Drucker haben noch kennen. Was aber in unserer Macht steht, soll geschehen, um zu zeigen, daß wir uns nicht weigern, päpstlicher Heiligkeit allen untertänigen Gehorsam zu leisten.

Im Hinblick auf Eure Bemühungen um eine Domherrenpfründe an unserem Domstift zu Augsburg und Eure Bitte, Euch keine Steine in den Weg zu legen, gibt es für uns zur Zeit nichts zu tun. Auch hat das Kapitel nicht um unseren Rat ersucht. Sollte es aber in unserer Anwesenheit zu Verhandlungen kommen, werden wir uns Euch nicht entgegenstellen, sondern uns gnädig erzeigen. Es liegt uns nämlich viel daran, Euch zu Willen zu sein.
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1. Brief 15-11-1520.

2. Generalvikar Heinrichmann.

3. Vgl. o. Brief 07-11-1520, Anm.4 und Brief  10-11-1520 (2) Anm. 5

4. Vgl.o. Brief 29-10-1520 Anm.3.

5. Vgl.o.Brief 29-10-1520 Anm. 5 und Brief 10-11-1520 (3) Anm. 6.

6. In Augsburg fand sich kein Drucker: vgl. H.J. KÜNAST, Getruckt zu Augspurg. Buchdruck und -handel in Augsburg zwischen 1468 und 1555. 1996.

7.  "Kein Latein nie gedruckt hat": Ebd.

8. Zu den Schwierigkeiten der Drucklegung der Bulle in Augsburg vgl. SCHRÖDER passim; THURNHOFER passim; PASTOR IV/1, 281f; LIEBMANN, Rhegius 135-141.

9. Domherrenpfründe für Eck: o. Brief 15-11-1520 (2) Anm. 10.

10. Vgl. das Schlußurteil zum Vorgehen Ecks in Augsburg unmd zum Verhalten des dortigen Bischofs bei SCHRÖDER 152: »Bischof Christoph machte in der Angelegenheit der Verkündung der Bulle Exsurge Domine von Anfang bis Ende prinzipielle Bedenken nicht geltend; für seine Stellungnahme war weder eine Hinneigung zu Luther (STEICHELE, ROTH), noch auf der andern Seite Eifer für Reinerhaltung des Glaubens (VEITH, WIEDEMANN, HAAS, LIER) irgendwie massgebend. Ihm kam die Bulle freilich ungelegen, aber aus einem rein äußeren Grunde: wegen Gefährdung der Geistlichkeit und ihres Besitzstandes an Gütern und Privilegien durch die zu Aufruhr geneigte Bevölkerung der Reichsstadt. Der Standpunkt nun, den er in dieser schwierigen Lage einnahm, war vollständig der eines Realpolitikers: nach seiner Berechnung musste die Unterlassung der Publikation wegen der in der Bulle angedrohten schweren Strafen und nach Lage der allgemeinen kirchenpolitischen Verhältnisse zu Ausgang des Jahres 1520 für ihn und sein Bistum verhängnisvollere Folgen nach sich ziehen, als sie der Gehorsam gegen den Befehl des Papstes möglicherweise nach sich ziehen könnte. Von diesem Standpunkte aus war er von Anfang an nicht abgeneigt, die doch nicht mehr aus der Welt zu schaffende Bulle verkünden zu lassen, zumal er mit Eck in den besten Beziehungen stand. Eck widmete ihm drei Schriften in den Jahren 1517, 1524 und 1527 und hielt sich kurz vor seiner Romreise 1520 in Augsburg auf, von wo er ohne Zweifel Aufträge nach Rom mitnahm (WIEDEMANN, Eck 150.496.553.566). Aber diese Geneigtheit war weit entfernt von einer inneren Teilnahme; zu einer persönlichen Angelegenheit machte Christoph diese Sache nicht. Ob die Furcht vor Kompromittierung durch Eck und Fugger von Anfang an hereinspielte, lässt sich nicht feststellen: dass sie seit dem 07-11-1520 nur mehr unwesentlichen Einfluss üben konnte, ist nach Lage der Akten klar.Von einer gegen die Publikation der Bulle gerichteten 'Gegenvorstellung bei Eck' (v. DRUFFEL) kann nicht gesprochen werden: den Inhalt der in Betracht kommenden Schreiben bildet lediglich ein zweifaches an Eck gestelltes Ersuchen, zuerst nach Dillingen zu kommen, dann die Bulle selbst zu verkünden. Das letztere Gesuch findet seine hinreichende Erklärung in der ausdrücklich als Grund genannten Befürchtung von Demonstrationen gegen den Klerus.Die Publikation erlitt nur eine geringe Verzögerung, aber nicht durch den mit 'seinen tiefen Einsichten gegenüber dem Drängen der Klerisei und Dr. Ecks' nicht durchdringenden Bischof (ZAPF), sondern gerade im Gegenteil durch die Bedenken des Domkapitels.Ohne diese Verzögerung hätte der Bischof den Auftrag zur Vorbereitung der Publikation frühestens am 20-10-1520 geben können. Der Auftrag hiezu erging aber thatsächlich schon am 30-10-1520, und von da ab erfuhr die Erledigung der vorbereitenden Arbeiten und die Vornahme der Publikation eine Unterbrechung bzw. einen Aufschub (v. DRUFFEL) nicht mehr. Bedenken prinzipieller Art, welche in Parteinahme für Luther begründet waren, erhoben sich nur in domkapitelschen Kreisen. Speziell die Brüder Bernhard und Konrad Adelmann, ersterer zugleich einer der heftigsten Gegner Ecks und persönlichst an der Sache der Verkündigung interessiert, sind hier als Erheber und Hauptstützen des Widerstandes zu betrachten.«