Briefwechsel Eck - Übersicht Reformationsgeschichte
Nr. 136

Eck an Hieronymus Aleander
Ingolstadt
09-02-1521

Rom Vat Arch 3918,180 (Cop)
DRTA 2, 795f, Nr 136; POLLET, Pflug 5/2,47
[F 094.f]

Eck hat Aleander zwei Briefe geschrieben, über deren Verbleib er nichts weiß. Er weiß aber aus Schriften der Gegner, daß Aleander am Rhein so übel mitgespielt wird wie Eck an der Donau. Ecks Bemühen ging darum, die benachbarten Bischöfe zu bewegen, die Bulle »Exsurge Domine« zu publizieren, nicht nur in den Kathedralkirchen, sondern überall in den Diözesen. Die Lutheraner verbergen sich nämlich in allen Winkeln, aus denen sie vertrieben werden müssen. Aleander soll bei den rheinischen Bischöfen und Hochschulen ebenso vorgehen. Als Beispiele für Publikationsmandate sendet er Aleander Kopien aus Eichstätt und Regensburg. Hartnäckigkeit, Aufruhr, Blindheit und Haß gegen die Geistlichkeit sind in Sachsen und am Rhein so weit gediehen, daß nur weltliche Gewalt, ein kaiserliches Dekret, der Ausbreitung des Luthertums im Reich Einhalt gebieten kann. Die Bulle allein mit ihren Sanktionsandrohungen wird verachtet. So hat Eck dem Papst dringend geraten, für ein kaiserliches Mandat mit Zustimmung der Fürsten zum Zweck der Ausführung der in der Bulle enthaltenen Bestimmungen Sorge zu tragen. Er fürchtet, Kurfürst Friedrich von Sachsen werde dabei hinderlich sein. Wenn der bevorstehende Reichstag erfolglos bleiben sollte, droht Kirche und Glaube, das Schifflein Petri, von dem Ungeheuer Luther höchste Gefahr. Aleander soll berichten, welche Hoffnungen noch bestehen, ob die Drucker an der Verbreitung der Schriften Luthers gehindert würden, was Hutten im Schilde führe, was er selbst, Eck, in der Sache unternehmen könne, vor allem, wie der Kaiser sich verhalten wolle.

Reverendissimo patri D. Hier. Aleandro trium linguarum perito praeposito S. Georgi ac Nuncio Apostolico. Domino suo colendo.

Salutem in D. IESU.

Binas ad P.V., doctissime Aleander, dedi literas (1): quas si acceperis, compertum non habeo, quod nullum hactenus acceperim responsum, ac satis intelligo ex famosis pestilentissimorum hominum libellis, eque vos divexari apud Renum velut me ad Istrum et pericula vitae nobis ambobus esse communia (2).

 Ego apud vicinos episcopos id obtinui multa importunitate, ut bulla publicata sit per eos, non solum in cathedralibus ecclesiis, sed per totam diocesim, per oppida, per omnes praelaturas, per omnes decanatus rurales (3). Nam cum in omnibus angulis lateant Lutherani, ex omnibus angulis expellendi sunt. Id velim apud episcopos Renenses (qui R.P.V. commissi sunt) etiam impetretis (4), et studiis generalibus, velut est episcopus Constanciensis (5) , Basiliensis (6) , Argentinensis (7) , Spirensis (8) , Vormatiensis (9) , Moguntinus (10) etc.; item apud Suebium (11) , Basiliensem, Friburgensem, Heidelbergensem et Moguntinum.

Mitto copias duarum diocesum, sc. Eistettensis et Ratisponensis(12), nam Frisengensis, Augustensis plurimum se his conformarunt(13).

At quia tanta est hominum pertinacia, tanta cecitas, tantus furor et odium in clerum per Saxoniam et Renum, ut nisi seculari brachio et augustali decreto Lutherana prohibeantur per totum Imperium, nihil apud eos operabitur bulla: censure contemnentur (14). Ideo diu admonui S.D.N., ut curaret decerni mandatum Imperiale cum assensu principum pro executione bulle (15). Timeo autem Dominum Fridericum Saxonem, ne ille obstrepet (16).

Agite, episcopos impellite, ut finis impendatur heresibus per seculare brachium (17). Quod nisi hac dieta et conventu principum aliquid iam expediatur, ve sacerdotio, ve fidei Catholice, fluctuabit navicula Petri et diris flagellis afficietur ab illo pestilentissimo monstro (18). Quid rerum agatur, quid sperandum in hoc negotio, an repressi sint impressores Maguntie, Argentine et Basilee ne excudant Lutherum (19), quid Huttenus faciat nostrum sitiens sanguinem (20), et si quid per me fieri velit in hac re, faciat me cerciorem Ampl.V. plurimum rogo hoc praesente tabellario, maxime quomodo Cesar se gerat in hoc negotio (21)',

et me commendo P.V.

Ex Jngolstadio. 9. Febr.1521.
E. Reverendissimae P.V. deditissimus Eckius.



Gruß im Herrn Jesus!

Ich habe, hochgelehrter Aleander, zwei Briefe an Eure Väterlichkeit gesandt; falls Ihr sie erhalten habt, habe ich es nicht erfahren, da ich bis heute keine Antwort empfangen habe und ich aus den berüchtigten Pamphleten der unseligen Schreiberlinge genug weiß, daß Euch am Rhein ähnlich zugesetzt wird wie mir an der Donau und wir beide gemeinsam Lebensgefahr auszustehen haben.

Ich habe mit viel Mühe bei den benachbarten Bischöfen durchgesetzt, daß sie die Bulle publizierten, und zwar nicht nur in den Domkirchen, sondern in der ganzen Diözese, den Städten, Prälaturen, Landdekanaten. Da nämlich die Lutheraner in allen Winkeln sich verborgen halten, müssen sie auch aus allen Winkeln vertrieben werden. Ich wollte, daß Ihr das bei den rheinischen Bischöfen (die Eurer Hochwürdigsten Väterlichkeit unterstellt sind) ebenso durchsetzt, auch an den Hochschulen: den Bischöfen nämlich von Konstanz, Basel, Straßburg, Speyer, Worms, Mainz usf, und den Hochschulen in Tübingen, Basel, Freiburg, Heidelberg und Mainz.

Ich sende Kopien zweier Diözesen, nämlich Eichstätt und Regensburg, denn Freising und Augsburg haben beinahe den selben Text.

Und da der Starrsinn der Menschen, ihre Blindheit, Unbeherrschtheit und ihr Haß auf den Klerus in Sachsen und am Rhein so groß sind, wird, wenn nicht das lutherische Gedankengut durch die weltliche Gewalt und kaiserliches Dekret im ganzen Reich verboten wird, die Bulle bei ihnen nichts ausrichten: die Strafandrohungen werden mißachtet werden. Daher habe ich den Heiligen Vater lange ermahnt, für ein kaiserliches Mandat mit Zustimmung der Reichsfürsten zur Exekution der Bulle zu sorgen. Auch fürchte ich, daß Kurfürst FRIEDRICH VON SACHSEN dagegen Protest einlegen wird.

Handelt jetzt, treibt die Bischöfe an, damit den Häresien mittels der weltlichen Gewalt ein Ende bereitet wird. Wenn nicht auf diesem Reichstag und dem Konvent der Reichsfürsten schon etwas auf den Weg gebracht wird, dann wehe dem Klerus, wehe dem katholischen Glauben! Das Schifflein Petri wird schwanken und von jenem unseligen Ungeheuer harte Schläge empfangen. Was soll geschehen, worauf in dieser Sache noch Hoffnung bestehen, wenn die Drucker in Mainz, Straßburg und Basel nicht gehindert werden, LUTHERS Schriften zu drucken; was tut HUTTEN, den nach unserem Blut dürstet? Wenn ich in dieser Sache etwas tun kann, lasse es mich, so bitte ich, Eure Herrlichkeit über meinen bei Euch weilenden Boten wissen: auch, wie sich der Kaiser in dieser Angelegenheit verhält.

Ich empfehle mich Eurer Väterlichkeit.

Aus Ingolstadt, am 9. Februar 1521.



1.Diese beiden Briefe Ecks an Aleander sind wohl verloren. In Leos X. Instruktion für beide Nuntien war enge Tuchfühlung untereinander vorgesehen: s. Dokumente zur Causa Lutheri 2, 442 u. 444: »Primo advertatis ne inter vos et dominum Joannem Echium exoriatur aliqua discordia, qua hoc sanctum opus vobis commissum perturbetur, aut aliquo modo impediatur...Sexto scribatur Sanctissimo Domino Nostro cito et sigillatim quecumque facietis ut pro tempore possit remedium afferre: et domino Joanni Echio de his que necessaria videbuntur pro publicatione et executione bullarum ei commissarum, ut sit bono ad expediendum omnia, et si contingeret vos conferri ad loca cum ipso Domino Joanne, pro huiusmodi publicatione nihil facietis preter sententiam et consensum eius, et similiter si contingeret ipso Domino Joanne accedere ad Curiam Caesaris nihil ipse faciet nec attemptabit sine consilio vestro.«

2. Wie Eck an der Donau so hat Aleander am Rhein gefährliche Situationen bei seiner Mission zu bestehen.

3. Vgl. die Briefe zwischen 01-10--1520 u. 11-01-1521 sowie Briefe 11-01-1521, 24-03-1521 u. 24/27-03-1521

4. Aleander soll in den Rheinlanden ähnlich verfahren.

5. Hugo von Hohenlandenberg, B. von Konstanz 1496 - 1529: EUBEL Bd 3, 17.

6. Christoph von Utenheim, B. von Basel 1503 - 27: EUBEL Bd 3, 13.

7. Wilhelm von Hohenstein, B. von Straßburg 1506 - 41: EUBEL Bd 3, 11.

8. Georg Palatinus, B. von Speyer 1513 - 30: EUBEL Bd 3, 30.

9. Reinhard von Rippur, B. von Worms 1504 - 24: EUBEL Bd 3, 33.

10. Albrecht von Brandenburg, Erzb. von Mainz 1514 - 46: EUBEL Bd 3, 23.

11. Universität Tübingen.

12. Eck sandte Publikationsmandate der Bischöfe von Eichstätt (vgl. NEUHOFER 95 - 98 u. Brief 01-01-1521 Anm. 6) und Regensburg (DRUFFEL, Über die Aufnahme 571 - 597).

13. Vgl. o. Brief 11-01-1521, Anm. 12f.

14. Eck erwähnt hier erstmalig die Notwendigkeit eines kaiserlichen Dekretes mit Zustimmung der Fürsten und Stände gegen die Anhänger Luthers, um die Bulle durchsetzen zu können, da der Haß auf den Klerus und die Verachtung der kirchlichen Zensuren überall fortschreite: s.u. Brief 18-02-1521 (Nr. 129).

15. Leo X. hat am 18-01-1521 durch ein Breve an Karl V. (»Alias Celsitudini«) reagiert: Dokumente 2, 472 - 476.

16. Zum Widerstreben des sächs. Kurfürsten s. BRECHT, Luther 1,  413ff.

17. Vgl. Brief 15-11-1520 (2) Anm. 9 und Leo X., Breve »Apostolicae Sedis providentia« (03-01-1521 = Dokumente 2, 476 - 482).

18. Alle Hoffnung hängt für Eck am Reichstag zu Worms.

19. Die Drucker in Mainz, Straßburg und Basel müssen an der Verbreitung lutherischer Schriften gehindert werden: vgl. das Druckverbot des Wormser Edikts: Dokumente 2, 539 - 543.

20. Zu Huttens Flugschriften gegen Aleander s. u. Brief 17-02-1521  Anm. 5.

21. Eck wußte also noch nichts von Karls V. Reaktion auf Leos X. briefliche Intervention: vgl. o. Anm. 15.