Briefwechsel Eck - Übersicht Reformationsgeschichte
Nr. 151

Eck an Theodoricus Hezius Rom
Rom
05-03-1523


Widmung Ecks, in: De purgatorio Iohan Eckii contra Ludderum libri III. Rom, Marcell Franck, Juni 1523 ( = METZLER Nr 45)

Das christliche Erbarmen aus Liebe ist es, das den Menschen in besonderer Weise Gott wohlgefällig und den Mitmenschen angenehm macht. So betont Johannes Chrysostomus in seinem Matthäuskommentar, das Erbarmen sei Hilfe zur Erlangung des Heils, Schmuck des Glaubens und Gnade für die Sünder. Das gilt nicht nur für die Lebenden, sondern trifft in besonderer Weise auf die erbarmende Fürbitte für die armen Seelen im Fegfeuer zu. Die Notwendigkeit dieses Bittgebets für die Toten hat Augustinus in der Schrift »De cura pro mortuis agenda« besonders hervorgehoben. Daher bemüht sich auch die Kirche sehr um die Verstorbenen in Gestalt des Totengedenkens im Rahmen des Meßopfers und der Gedächtnisämter am ersten, siebenten, dreißigsten und am Jahrtag des Todes. Ambrosius hat dafür gute Argumente geliefert. Der Hitzkopf Luther jedoch hat nicht nur alles entweiht, was Glaube, Frömmigkeit und Kirche betrifft, sondern nun auch die Lehre vom Fegfeuer angetastet: er leugnet, daß die Lebenden den Verstorbenen mit ihrem Bittgebet helfen könnten, sei es durch das Meßopfer oder andere Werke. Aus Pietät gegenüber den in Christus ruhenden Seelen und aus Glauben an die Lehre der Kirche hat Eck seit nunmehr sechs Jahren an der Unterdrückung der Häresien Luthers gearbeitet: so widmet er diese neue Schrift über das Fegfeuer Theodor Hezius, dem gelehrten, tugendhaften und menschenfreundlichen Geheimsekretär Papst Hadrians VI.




Theologo vere christiano D. Theodorico Hezio. S.D.N. Adriani. VI. a secretis Ioh. Eckius Theologorum minimus. S.P.D.

Apud omnes pie sentientes Theodorice doctissime, semper bene audivit misericordia, ut florentissimus episcopus Ambrosius diceret: Nichil tam commendat christianum, quam miseratio charitatis; nam hec imprimis virum deo gratum, et hominibus acceptum reddit; hinc in iustissimo dei iudicio Christus nihil aeque ac opera misericordiae iustorum probabit et: Misericordiam inquit volo, non sacrificium. Et per coronidem Ioh. Chrysostomus laudes misericordiae super Matheo contraxit dicens:  Misericordia est salutis praesidium, fidei ornamentum, propitiatio peccatorum. Haec est quae iustos probat, sanctos roborat, dei cultures ostentat. Et adeo amica virtus naturae est misericordia, ut etiam apud ethnicos M. Tulio teste viros graves et magnos redderet ac omni laude dignissimos.

Quod si dum mortalibus, quibus cum vivimus, misericordiam impartimur, Christiani commendamur: quanto magis, si miseris animabus in ergasculo purgatorii constitutis miseremur, Christianissimi appellabimur, cum eis nox venerit in qua iuxta veritatis definitionem nemo operari poterit, licet hic meruerint, ut s. vivorum suffragiis adiuventur, ut pulchre Augustinus in libro de cura pro mortuis agenda explicat. Hinc ecclesia in defunctos est officiosissima, quae in altaris sacrificio mortuorum memoriam fieri instituit et vita functorum commemorationem primo, septimo, tricesimo ac annuo die utilem esse docuit, quorum rationem Ambrosius in oratione funebri ex sacrarum litterarum promptuario reddit:

At omnibus tarannis truculentior Ludder, postquam omnia temeravit quae fidei, quae religionis, quae ecclesiae sunt manum tandem in purgatorium extendit et novis ac inauditis torturis miseras animas, beatorum consortio iungendas, affecit, et vel Phalaride aut Dionysio immitior, nullam patitur a viventibus eis impartiri misericordiam, negans vel missae sacrum officium aut alia viventium opera defunctis suffragari.

Pietate ergo motus in animas in Christo quiescentes et fide erga ecclesiam catholicam addictissima, aggressus sum antesesqui annum, impietates, haereses ac tyrannides Ludderi (hominis quem ecclesia eiecit) comprimere et iugulare.

Hunc sub tua censura in publicum prodire opto, quod et tuam eruditionem non vulgarem, virtutes raras, humanitatem placidissimam, plurimum demirer. Studiorum enim similitudo nos arctissime primo conciliat, et rarissima iam avis est inter principum officiales Theologum reperire, cum tu apud pontificem Adrianum "theologotatos" non infimum obtinens locum, et reipsa et litteris pulchre Theologiam tractes, et caeteris quoque optimarum artium studiis ac linguarum peritia polleas, omnemque aetatem vel in bonarum litterarum cultura, aut aliis negotiis Adriani pontificis in Germania, Hispaniis et nunc in urbe honeste ac summa integritate contiveris.
Hec me tibi devincunt et mancipant: tu rursus Eckii tui sis memor.

Vale et salve in Christo.

Rhomae. III. id. Martias Anno restauratae salutis M.D.XXIII.

Den wahrhaft christlichen Theologen, Herrn Theoderich Hezius, Geheimsekretär des Papstes Hadrian VI., grüßt Johannes Eck, der Geringste unter den Theologen.

Bei allen fromm Gesinnten, sehr gelehrter Theoderich, hat stets das Mitleid großes Gehör gefunden. Wie bereits der sehr berühmte Bischof AMBROSIUS sagte, daß nichts den Christen mehr auszeichne wie die erbarmende Liebe. Denn diese macht den Menschen vor allem Gott gefällig und den anderen Menschen angenehm. Von daher wird beim jüngsten Gottesgericht Christus nichts mehr belohnen als die barmherzigen Taten der Gerechten, denn er sagt ja: »Ich will Erbarmen und keine Opfer.« Und JOHANNES CHRYSOSTOMUS hat das Loblied auf das Mitleid zu einem Kranz geflochten und in seinem Matthäuskommentar in den Worten zusammengefaßt: »Das Mitleid ist Hilfe für das Heil, Schmuck des Glaubens, Gnade für die Sünder.«
Das Mitleid ist es, das die Gerechten prüft, die Heiligen stärkt, die Verehrer Gottes ans Licht bringt. »Die der Natur am nächsten stehende Tugend ist das Mitleid«: dieses ließ sogar bei den Heiden nach dem Zeugnis CICEROS die Menschen ernst und groß und äußerst würdig allen Lobes erscheinen.

Wenn wir schon den Sterblichen, mit denen wir zusammenleben, Mitleid entgegenbringen und uns so als Christen auszeichnen, wieviel mehr, wenn wir uns der armen Seelen im Gefängnis des Fegfeuers erbarmen, werden wir als besonders fromme Christen bezeichnet werden, da zu ihnen die finstere Nacht gekommen ist, in der nach dem Zeugnis der Wahrheit niemand mehr etwas tun kann. Diese armen Seelen haben nur Verdienste, wenn ihnen mit der Fürsprache der Lebenden Beistand geleistet wird, wie sehr schön AUGUSTINUS in seiner Schrift »Über die Sorge für die Verstorbenen« dargelegt hat. Daher ist die Kirche sehr um die Verstorbenen bemüht, indem sie zu diesem Zweck bei der Heiligen Messe das Totengedächtnis eingeführt und gelehrt hat, daß das Gedenken an die Verstorbenen am ersten, siebenten, dreißigsten und am Jahrestag den Toten von Nutzen ist. Die Begründung dafür hat AMBROSIUS in seinem Totengebet aus dem Schatz der Heiligen Schrift entnommen.

Gröber als ein Tyrann dagegen hat LUTHER, nachdem er alles entweiht hat, was Glauben, Religion und Kirche betrifft, seine Hand schließlich auch nach dem Fegfeuer ausgestreckt und die armen Seelen zusammen mit denen der Erlösten neuen und unerhörten Qualen ausgesetzt. Härter als PHALARIS und DIONYSOS duldet er nicht, daß ihnen von den Lebenden Mitleid zugewendet werde, und er leugnet, daß das Heilige Meßopfer oder andere Werke der Lebenden den Verstorbenen Hilfe bringen.

Aus Pietät gegenüber den Seelen, die in Christus ruhen, und aus festem Glauben an die Lehre der katholischen Kirche kämpfe ich seit sechs Jahren und suche die Frevel, Häresien und die Tyrannei LUTHERS (eines Menschen, den die Kirche verstoßen hat) zu unterdrücken und zu Schanden zu machen.

Dieses Buch hoffe ich mit Eurem zustimmenden Urteil veröffentlichen zu können, weil ich Eure nicht gewöhnliche Gelehrsamkeit, seltene Tugenden und milde Menschenfreundlichkeit sehr bewundere. Die Ähnlichkeit unserer Studien verbindet uns besonders, und wenn man unter den fürstlichen Beamten einen leibhaftigen Theologen findet, so ist das ein »seltener Vogel«: Ihr nehmt ja beim Theologen schlechthin, Papst HADRIAN VI, einen nicht geringen Platz ein, betätigt Euch in Wort und Schrift recht wacker als Theologe, zeichnet Euch durch Studien in den besten Wissenschaften und durch Sprachkenntnis aus und habt Euch das ganze Jahr hindurch mit der Pflege der bonae literae wie auch mit den Geschäften im Auftrag des Papstes HADRIAN in Deutschland, Spanien und nun auch in Rom ehrenhaft und in höchster Geradlinigkeit abgemüht.
Das nimmt mich für Euch ein und gibt mich in Eure Hand. Ihr wiederum: denkt an Euren Eck!

Lebt wohl und alles Gute in Christus!

Rom, 5. März im Jahr des wiedererstandenen Heils 1523.