Briefwechsel Eck - Übersicht Reformationsgeschichte
Nr. 171

Eck an G.M. Giberti, Bischof von Verona
Ingolstadt
27-02-1524


Rom Bibl Vat, Mss. Chigiani, L. III. 59, fol 267r-v (Autograph)
Nelson H. MINNICH, On the Origins of Eck's "Enchiridion", in: E. ISERLOH (Hg.), Johannes Eck (1486 - 1543) im Streit der Jahrhunderte: RST 127 (1988), 68ff
Vgl. MINNICH: RST 127, 41-45

Eck ist, wie er meint, unter günstigen Umständen aus Rom nach Deutschland zurückgekehrt und hat dort die weltlichen Fürsten mit Ausnahme des sächsischen Kurfürsten in rechter Einstellung zur Glaubensfrage vorgefunden.Die Reichsstädte in Franken dagegen sind von der Häresie infiziert. In Augsburg feiern die Häretiker mitten in der Fastenzeit öffentliche Mähler, verkaufen offen Fleischwaren, als ob es bereits Ostern wäre. Das Bußsakrament und das Meßopfer verachten sie. Eck hat mit einigen Bischöfen Besprechungen gehabt, um über Abhilfe nachzusinnen, zumal im Hinblick auf den bevorstehenden Besuch des päpstlichen Legaten. Alles liegt jetzt in der Hand des Kaisers und des Erzherzogs Ferdinand. Zahlreiche Gläubige haben Eck gebeten, alle Unterscheidungslehren zu den Häretikern (Loci communes) zu sammeln und zusammen mit passenden Schrift- und Väterargumenten im Druck herauszugeben. Kaum von der Reise erholt, hat Eck mit dieser Arbeit begonnen. Eck möchte Giberti gegenüber erneut sein Anliegen vortragen, ihm doch beim Erwerb dringend benötigter Pfründen zu helfen, zum Beispiel in Speier. Warum er im Hinblick auf die Pfründe in Spalt, das noch dazu in seiner Diözese Eichstätt liegt, in Rom übergangen wurde, versteht er nicht. Giberti soll dafür sorgen, daß man mit Eck nicht weiter so verfährt wie unter Papst Hadrian. Die Ingolstädter Professoren haben von den Lutheranhängern in den Nachbarstädten Übles anhören müssen, nachdem sie einen Lutheraner zum Widerruf gezwungen hatten. Eck hat es Mühe gekostet, sie zu einer Disputation mit den Gegnern zu überreden.


IIII Kalendas Martias 1524, Eckii.

Reverendo patri et domino, domino Johanni Matthaeo Giberti S.D.N. Datario, Mecaenati suo, Romae.

Salutem plurimam cum sui commendatione.

Attigi Germaniam, reverende pater, propiciis numinibus, reperi quoque principes saeculares recte animatos in negotio fidei et sedis apostolicae uno dempto, qui ab initio in veritate non stetit.

Civitates vero Francae (quas imperiales solemus appellare) ultra modum infectae sunt illa haeresi. Augustae iam publice comedunt, vendunt passim carnes, non secus, ac si iam pascha ageremus; non confitentur, divina omnia et fidei nostrae mysteria contemnunt.

Adii quosdam episcopos et eos consului, quid remedii utile et efficax ipsi existiment, ut reverendissimum dominum legatum adventantem certius informare possim.

In summa, res in manu Caesaris est et Ferdinandi, qui si non colludant cum Ludderanis, res acta est, et foeliciter. Nam hos solos curant civitates.

Tot fideles et catholici, coram aliqui, alii per literas, non modo me rogant, sed urgent potius ut locos omnes controversos ab haereticis colligam et beviter subnectam sacrae scripturae autoritates ac patrum dicta. Adiiciam quoque auctoritates a Lutteranis perperam torsas contra ecclesiam et ecclesiae usum, brevissime excutiendo sinistras inductiones. Itaque hunc laborem subii, nondum etiam respirans ex itinere. Cum absolutus fuerit, verecunde aedes tuae paternitatis adibit.

Porro, reverende pater, sicut fidei paternitatis tuae abiens me commisi, ita et nunc ad memoriam revoco; nam plus est ex re sedis apostolicae, ut hoc turbulento tempore sim in Germania quo consoler catholicos et terream adversarios, quam quod pro privato lucro starem in curia Romana. Tamen non minores favores et gratias debet michi impendere, sede apostolica absenti, immo ampliores, quo magis utiliter laboro absens quam praesens facerem.

Ideo super commissione facta per Sanctissimum Dominum Nostrum nuper in vacationibus Spirensis paternitas tua curet ut Eckius aliquid habeat. Nam sic in causa fidei expensas utiliter facere potero et sufferre. Quod si nulla ex praeposituris illis libera est, potes semper curare alia via occurrente quottidie. Miror quod, proximo Decembri vacante praepositura Spaltensis Eistetensis diocesis, michi praesenti Romae de ea non provisum fuerit, cum ego in ea resideam diocesi. Et cum illa ego fuissem contentus, licet parvula sit; et magis delegeritis eam dare puero unius immodice diversariis faventi; at forte negligentiae meae imputabis, qui eam non petierim. At adhuc omnis spes in te pendet; noli itaque, observande pater, mecum Hadrianisare; et fidem, tantopere a Sanctis Paulo et Cypriano laudatam in Romanis, fac ut experiar, et quanto citius, tanto gratius.

Doctores studii nostri, quod quendam Ludderanum ad revocationem adigerunt, male audiunt a Ludderanis civitatum vicinarum, induxi eos et quasi coegi, ut ad disputandum provocent adversarios quod, incluso libello eos fecisse intelliget paternitas vestra reverenda, cui me quam maxime possum commendo.

Spero in Deum, reverendissimum et dominum legatum aliquid boni pro ecclesia Dei expediturum, licet tardior adventus suus, pluribus displiceat.

Valeat musice in Deo paternitas tua reverenda.

Ex Ingolostat, IIII Kalendas Martias, Anno salutis M.D.XXIIII.

Reverendae paternitatis tuae deditissimus cliens,
Eckius


Dem hochwürdigsten Vater und Herrn, Herrn Johannes Matthäus, päpstlicher Datar, seinem Förderer in Rom!
Viele Grüße und meine Empfehlung!

Ehrwürdiger Vater, ich habe Deutschland unter glücklichen Vorzeichen betreten und auch weltliche Fürsten vorgefunden, die in der Glaubensfrage und gegenüber dem apostolischen Stuhl in rechter Weise gesinnt sind, mit einer einzigen Ausnahme: dieser stand aber von Anfang an nicht auf seiten der Wahrheit!

Die fränkischen Städte jedoch (die wir Reichsstädte zu nennen pflegen) sind über die Maßen von jener Häresie angesteckt. In Augsburg ißt und verkauft man überall Fleisch, nicht weniger als hätten wir bereits Ostern; sie beichten nicht; sie verachten alle gottesdienstlichen Handlungen und alle Mysterien unseres Glaubens.

Ich besuchte mehrere Bischöfe und befragte sie, welche Heilmittel sie für nützlich und wirksam erachteten, um dem Legaten bei seinem Eintreffen genauer Bericht erstatten zu können.

Zusammengefaßt: Die Sache liegt in den Händen des Kaisers und FERDINANDS. Sie wird glücklich ausgehen, wenn diese nicht mit den Lutheranern paktieren.

Zahlreiche gläubige Katholiken, manche persönlich, manche brieflich, bitten mich nicht nur, sondern bedrängen mich vielmehr, alle von den Häretikern bestrittenen Glaubensartikel zu sammeln und kurz Zitate aus Heiliger Schrift und Vätern beizufügen. Ich werde auch Autoritäten beifügen, die von den Lutheranern verfälscht und gegen Kirche und kirchliche Bräuche verwendet werden. Dabei werde ich alle Anstiftungen zum Irrtum in Kurzform widerlegen. Ich habe mir daher, noch ganz von der Reise außer Atem, diese Bürde aufgeladen. Wenn das Werk fertig ist, wird es Euch freundlich zugeleitet.

Ferner: Wie ich mich bei meiner Abreise der Integrität Eurer Väterlichkeit anvertraute, so rufe ich mir diese auch jetzt in Erinnerung. Es ist nämlich wichtiger für mich, im Auftrag des apostolischen Stuhls in dieser turbulenten Zeit in Deutschland zu sein und die Katholiken zu trösten und die Gegner abzuschrecken, als um privaten Vorteils willen an der römischen Kurie zu weilen. Dennoch sollte man mir nicht weniger Vergünstigungen und Zeichen des Dankes zukommen lassen, während ich dem apostolischen Stuhl fern bin, ja sogar mehr, da ich in Abwesenheit von Rom mit größerem Nutzen am Werk bin als bei meiner Anwesenheit dort.

So möge Eure Väterlichkeit im Hinblick auf das mir gewährte Anrecht auf frei werdende Pfründen im Bistum Speyer Sorge tragen, daß Eck etwas bekommt! So werde ich leichter die Ausgaben tragen können, die bei der Verteidigung des Glaubens anfallen. Sollte keine von jenen Propsteien frei sein, so könnt Ihr, wie es heute Usus ist, auch auf anderem Wege dafür sorgen. Ich bin schon erstaunt, daß bei meiner Anwesenheit in Rom im letzten Dezember die freie Propstei in Spalt in der Diözese Eichstätt nicht mir zugewiesen wurde, da ich doch in dieser Diözese residiere. Mit dieser wäre ich, wenn sie auch klein ist, zufrieden gewesen. Ihr würdet sie jedoch eher einem Knaben zuweisen, der in maßloser Weise den Gegnern einer einzelnen Person günstig gesonnen ist, als sie mir, der ich sie dringend brauche, zu geben, der ich nicht um sie gebeten hatte. So hängt jetzt meine große Hoffnung an Euch, ehrwürdiger Vater: verfahrt mit mir nicht, wie HADRIAN VI. zu tun pflegte, und veranlaßt, daß ich die Treue und Zuverlässigkeit, die einst so sehr von den Heiligen Paulus und CYPRIAN an den Römern gelobt wurde, erfahren darf, und zwar je schneller, desto besser!

Die Doktoren unserer Hochschule müssen sich Übles aus den Städten in der Nachbarschaft anhören, weil sie einen der Anhänger LUTHERS zum Widerruf gezwungen haben. Ich veranlaßte sie, ja zwang sie geradezu, daß sie die Gegner zur Disputation veranlaßten: von deren Verlauf wird Eure Väterlichkeit, der ich mich hiermit sehr empfehle, in diesem Büchlein Näheres hören.

Ich erhoffe von Gott, daß der Hochwürdigste Herr Legat etwas Gutes für die Kirche erreichen wird, da seine verspätete Ankunft bereits jetzt vielen mißfällt.

Möge es Eurer Hochwürdigen Väterlichkeit wohl gehen in Gott!

Aus Ingolstadt, 27. März im Jahr des Heils 1524.

Eurer Ehrwürdigen Väterlichkeit ergebenster Schutzbefohlener,
Eck.