Briefwechsel Eck - Übersicht Reformationsgeschichte
Nr. 194
Ingolstadt
28-10-1525
Zürich ZentralB Ms F 42, fol 79 - 82 (Autograph);
Zürich StA, E I 1.1 no. 115; Zürich StB Hottingeriana F. 42 (Kopie)
Epistola Iohannis Eckii Doctoris Lutheranos Gothos in harenam disputariam evocantis etc. S.l.a.
[Drucker u. Hg: Th. Murner] (= METZLER Nr 53)
C. FÜSSLIN, Beyträge zur Erläuterung der Kirchen-Reformationsgeschichte des
Schweitzerlandes 1. Teil, Zürich-Leipzig 1741, 161 - 188, J. SCHLECHT, Aus der
Korrespondenz Dr. J. Ecks: Briefmappe I, 154 - 159; STAEHELIN, Ökolampad 1, 408 - 411,
Nr 293
Vgl. WIEDEMANN, Eck 213ff
Den edlen gestrenngen vesten fürsichtigen erberigen und hochachtbarn herren von stetten unnd lannden dess alten pundts hocher tütscher nation der Eidtg[enossen], minen gnädigen, groszgunstigen, gepiettenden herren. Edle, gestreng, erenvest, erberig und
fürsichtig, wisz herren und gott frund. Min
willig gar flissig beheglich dienst zuvor.
Gnädigg, grossgünstig unnd gepiettend herren. Ich hab in verganngnem jar üwer gnad, strenng, vest unnd wiszheit uff das höchst ermantt, by dem waren alten ungezwiffelten cristenlichen glouben zu bliben und sich gar nitt bewegen lassen durch die irrig verfürisch ketzerisch ler Ulrich Zwingli, qie ich dann dozemal vor üwer herrlichkeitt oder iren verordnetten richtern mitt disputacion uss grund der helgen gschrifft gegen unnd wider den Zwingli ussszufüren erpotten hab, das nun Zwingli, als der dz liecht haszd und in der finsternuss wandlet, nitt hatt wellen annemen, wie das nach der lenge vormals gehandelt habt. Nun aber ich jetz lanng nitt ghörtt hab,
dann allein (Gott si lob), wie üwe gnad
und gunst der merteil noch standthafftig in
warem mcristenlichem glouben fürfar und
vorfare, entgegen aber die sich habent von
cristenlicher einigkeitt abgesundertt, irrig
unnd ketzerlich ler angenomen, fur unnd
fur in schwerem irrsal unnd lesterlich
ketzery gefallen, und die gemeret, nitt
allein wider die touffer, die sich an
ettlichen ortten in Eidtgn[ossen] unnd
anstössen erhebt habent, sunder ouch dz
Zwingli unnd Huszschin zu Basel (der sich
Oecolampadius nempt) in die
erschrockenlichen ketzery gefallen syendt,
das in dem hochwirdigen sacrament des
altars [nitt] der war fronlichnam unnsers
lieben herren Jhesu Cristi, ouch nitt sin
kostbarlichs heiligs blutt; also söllend die
blinden ketzer die die ougen des helgen
gloubens verloren habent, in die finster
gruben aller ketzery fallent. Daruss uwer
gnad unnd gunst lichtlich abnimpt, was
faltschen tüfelschen glouben die verstopfte
lutt lerendt, so sy inen selbs under
einanndern so widerwertig sind. Dann
Zwingli unnd Huszschin habent dz
hochwirdig sacrament woll nitt wöllen
lassen ein opfer imm ampt der helgen
mesz, doch sust gelertt, das sacrament,
dess lichnam unnd blutt Cristin hoch zu
eren, also das ouch Zwingli in usslegung
siner schlussred by dem XVIII. artickel
hoch verwisd den bäpstler ir schalckhafftig
geschrey (also sagt er), da si in beklagten,
er wölte "uss unnsers lieben herren
fronlichnam Cristi nutts machen, unnd die
armen möntschen der himelschen spisz
berouben", das er nun so gar nütt hatt
wöllen liden, das man sollichs von imm
sag imm jar, do man zalltt 1523, im
höwmanott. Nitt zwey jar darnach felltt er
mitt aller unsinnikeitt darin, unnd nimpt
nitt alleinn die mäss der kilchen hin,
sunder ouch sin erdichte ketzersche mäss,
unnd als an imm ist, beroubt er die
möntschen der himelschen spisz; also
lugk, wanckelmüttig, lutt sind die ketzer,
noch dann schryent sy, der felsz des
ungezwiffelten gloubens unnd ewiger
warheitt sy by inen. Darzu ist Zwingli nitt
ingedenck, das er do zee moll den Lutter
so hoch gebrisd hätt, er sig ein
weidenlicher diener Gottes, unnd "so ein
treffenlicher stritter Gottes, der so mitt
grossem ernnst die schrifft durchfündelet,
als er in tusent jaren je gsin ist, unnd mitt
dem mannlichen unbewegten gmütt" etc.
Dann helltt Zwingli uff dem Lutter, wie er
doch geschriben hatt, warum volgt unnd
gloubt er jetz nitt dem Lutter, der mitt der
helgen gschrifft umstost die
Carolostadisch ketzery vom hochwirdigen
sacrament? Und wie wol Carolostat von
derrselbigen ketzery gefallen ist, und die
frywillig revociert unnd verlegt, so hörr
[ich] doch, das Zwingli und Huszschin zu
Basel (es ist wol ein Hussischer schin) vil
tusend möntschen in die grülichen ketzery
verfürendt, dz si nitt gloubent, dz in dem
wirdigen sacrament sy der war lichnam
unnd blutt Cristi, wie dann die blinden
Juden vil jaren das hochwirdig sacrament
insunderheitt angefochten habent. Darumb strenng, vest unnd fürsichtig herren, bitt ich üwer gnad, vest unnd gunst durch Gottes willen, ir wölltt üch unnd üwer pundtsverwandten und underthanen mitt diser ketzerschen gottslesterschen ler nitt verfüren lassen. Ir habt leider gesechen, was jämerlicher
frücht die ketzery in Tütschen landen
gebracht hatt, alle uneinigkeitt, unwillen,
unghorsami, rotten, uffrüren, verderben
lannd unnd lütt, usstilggung alles
gottsdiensts, aller erberkeitt, sterckung
alles muttwillens, aller sünd unnd laster
etcc. Secht an der ketzer unbstendigkeitt,
und spaltung, wie in kurtzen zitten so vil
secten under inen erstanden syendt, die
bildstürmer, die widertouffer, die
rottengeister, die verzwiffler (sagent,
Cristus, unnser lieber herr, hab am krütz
gezwiffelt unnd gsündt), die hellcrütziger
(Cristus hab klein ding uff erden gelitten,
in der hell habent inn die tüffel erst recht
crütziget), unnd vil annder secten. Wie
mengerley mäsz habent si an allen ortten
angfanngen, und zu letst machent si am
vin ein gutt mal und prassen daruss. Unnd
gschicht söllichs zu vorderst allein in
ettlichen richsstetten hochtütschs lanndts.
Dann ich bin verganngnen summers
spaciert durch Niderlanndt, in Engellandt,
unnd mer dann durch LXX stett zogen,
uss denen nitt mer dann dry Lutterisch
warent, unnd die zwo uss denen dryen
hetten noch nitt verwandeltt in offenlichen
ämptern der kilchen. Darum pitt ich üwer g[nad], gunst unnd frünttschafft um Gotz willen, wöllendt, alls herzhafftig biderb lütt, den waren alltten ungezwiffelltten cristenlichen glouben manhafftigklich handthaben, unnd die faltsch vorfürisch gotzlesterisch ketzery ussrütten unnd vertillggen. Was ich armer pfaff darzu dienstlichs
bewisen kan unnd mag, wil ich doch von
hertzen dz mitt höchstem flisz thun.
Sunderlich wo nochh Zwingli oder
Huszschin under verornodtten richtern vor
üch, min herren gmeiner Eidtgnoscchaft,
disputieren wöllten, und endtlich bliben by
erkanttniss der selbigen, wie ich mich dann
des vergangnen jars zwey mal erpotten
hab, wil ich ganntz willigklich erschinnen
uff üwer ermanung und an ortt und ennd,
wo ir mich bescheident, die disputacion
uss grund der helgen gschrifft
vollstrecken, gutter hoffnung, Gott durch
sin barmhertzigkeitt wirde siner warheitt
unnd helgen glouben byston. Und des sol
sichh gantzlich üwer g[nad], vest unnd
gunst zu mir versechen, wa nittt, ich uch
in disen sachen dess gloubens ouch sunst
dienstlichen willen erzögen mag, das ich
ganntz flissig ze thun bereitt bin. Gott der allmechtig wölle üwer gnad, streng unnd wiszheitt befolchen haben unnd behütten. Datum in il zu Ingolstatt in Peyern, am tag der helgen aposteln Simonis unnd Jude 1525. Ewer gnad unnd herschafften ghorsamer williger Johann von Egk doctor etc. |
Den edlen, strengen, starken, fürsorglichen, hochachtbaren Herren der Städte und Länder des alten eidgenössischen Bundes oberdeutscher Nation, meinen gnädigen, günstiggesinnten und mächtigen Herren. Edle, strenge, ehrenfeste, ehrbare und fürsorgliche, weise Herren und gute Freunde: meine willige und beflissene Dienstbereitschaft zuvor! Gnädige, gutgesinnte und mächtige Herren!Ich habe im vergangenen Jahr Eure Gnaden, Strenge, Festigkeit und Weisheit auf das dringlichste ermahnt, beim wahren, alten, unbezweifelbaren christlichen Glauben zu bleiben und sich durch die irrige, verführerische und ketzerische Lehre ZWINGLIS in keiner Weise beirren zu lassen, wie ich mich auch wiederholt gegenüber Euren Herrlichkeiten oder ihren bestellten Richtern bereit erklärt habe, aufgrund der Heiligen Schrift gegen ZWINGLI eine Disputation auszurichten. Das aber hat ZWINGLI, der »das Licht haßt und in der Finsternis wandelt«, nicht akzeptieren wollen, wie Ihr das vor kurzem ausführlich dargelegt habt. Ich habe nun aber lange Zeit nichts von Euch gehört, außer daß, Gott sei Lob, der größere Teil von Euch noch standhaft im wahren christlichen Glauben verharrt. Jene aber haben sich von der christlichen Einheit getrennt und haben irrige und ketzerische Lehren angenommen und sind in schwere Irrtümer und lästerliche Ketzerei gefallen und haben diese noch verbreitet: nicht allein die Wiedertäufer, die sich an verschiedenen Orten der Eidgenossenschaft und an deren Grenzen erhoben haben, sondern auch ZWINGLI und HAUSSCHEIN in Basel (der sich ÖKOLAMPAD nennt) sind der schrecklichen Ketzerei verfallen, daß nämlich im hochheiligen Altarssakrament nicht der wahre Leib unseres Herrn Jesus Christus sei und auch nicht sein kostbares heiliges Blut. So sollen die blinden Ketzer, die den Blick für den heiligen Glauben verloren haben, in den dunklen Abgrund aller Ketzerei fallen, sodaß Eure Gnaden und Gunst leicht erkennen können, was für einen falschen und teuflischen Glauben die Verstockten lehren, die ja auch in sich selbst und untereinander voller Widersprüche sind. Denn ZWINGLI und HAUSSCHEIN haben früher den Opfercharakter der Messe angezweifelt, daneben aber gelehrt, man solle das Sakrament des Leibes und Blutes Christi hoch in Ehren halten. So hat ZWINGLI in der Auslegung seiner »Schlußrede« zum 18. Artikel den »Papisten« auf ihr »verleumderisches Geschrei«, wie er sagt, verwiesen, indem sie ihm vorwarfen, er wolle aus dem Leib unseres lieben Herrn Christus ein Nichts machen und die armen Menschen der himmlischen Speise berauben: er wolle nicht akzeptieren, daß man solches über ihn sage; das war im Jahr 1523. Nicht einmal zwei Jahre später schafft er in unsinniger Weise nicht nur die Messe in den Kirchen ab, sondern auch die erfundene ketzerische Messe, und beraubt seinerseits die Menschen der himmlischen Speise. So unbeständige und wankelmütige Leute sind die Ketzer! Darüber hinaus schreien sie, daß der Fels des unbezweifelbaren Glaubens und der ewigen Wahrheit bei ihnen liege. ZWINGLI vergißt dabei, daß er viele Male LUTHER sehr dafür gelobt hat, er sei ein trefflicher Diener und Streiter Gottes, der mit so großem Ernst die Schrift erforscht, als es je in den letzten tausend Jahren auf Erden geschehen ist, und das in großer unerschütterlicher Stärke usf. Wenn aber ZWINGLI so viel von LUTHER hält, wie er doch geschrieben hat, weshalb folgt und glaubt er jetzt nicht LUTHER, der mit klarem Schriftargument die Ketzerei KARLSTADTS vom hochwürdigen Sakrament widerlegt hat? Und obgleich KARLSTADT selbst von der Ketzerei wieder abgefallen ist und sie widerrufen hat und ableugnet, so höre ich doch, daß ZWINGLI in Zürich und HAUSSCHEIN in Basel (es ist wohl ein »hussitischer Schein«) viele tausend Menschen zur gräulichen Ketzerei verführt, so daß sie nicht glauben, daß in dem würdigen Sakrament der wahre Leib und Blut Christi seien, wie ja besonders die blinden Juden viele Jahre lang das hochwürdige Sakrament angezweifelt haben. Darum, gnädige, gestrenge, starke und fürsorgliche
Herren, bitte ich Eure Gnaden, Festigkeit und
Gunst nach dem Willen Gottes, daß Ihr Euch, Eure
Bundesgenossen und Untertanen nicht von dieser
ketzerischen und gotteslästerlichen Lehre verführen
laßt. Ihr habt leider mit ansehen müssen, welche jämmerliche Frucht die Ketzerei in Deutschland zur Folge hatte: Uneinigkeit, Starrsinn, Ungehorsam, Rottenbildung, Aufruhr, Verderben für das Land und seine Bewohner, Austilgung alles Gottesdienstes und aller Ehrbarkeit, Stärkung von Zerstörungswut, Sünde und Laster usf. Seht nur die Unbeständigkeit der Ketzer und ihre Spaltungen untereinander, wie in kurzer Zeit so viele Sekten unter ihnen entstanden: die Bilderstürmer, Wiedertäufer, Rottengeister, Zweifler (diese behaupten, Christus, unser lieber Herr, habe am Kreuz gezweifelt und gesündigt), die »Höllenkreuziger« (diese sagen, Christus habe auf Erden nur wenig gelitten, erst in der Hölle hätten ihn die Teufel gekreuzigt), und viele andere Sekten. Wie vielerlei Formen von Meßfeiern haben sie allerorts eingeführt: in letzter Zeit machen sie am Rhein ein Festmahl voller Prasserei daraus; besonders in zahlreichen oberdeutschen Reichsstädten geschieht solches. Ich bin im vergangenen Sommer durch die Niederlande nach England gezogen und habe dabei siebzig Städte besucht, von denen nicht mehr als drei lutherisch waren, zwei von den dreien hatten noch keine Änderungen der Liturgie vorgenommen. Darum bitte ich um Gottes Willen Eure Gnaden, Gunst und Freundschaft, daß Ihr als beherzte und ehrenwerte Leute den wahren, alten, unbezweifelbaren christlichen Glauben mutig verteidigt und die falsche, verführerische, gotteslästerliche Ketzerei ausrottet und vertilgt. Was ich armer Pfaff dazu beitragen kann und vermag, will ich von Herzen und mit höchstem Einsatz tun. Sollten ZWINGLI oder HAUSSCHEIN unter verordneten Richtern in Eurer Gegenwart, meine Herren der Eidgenossenschaft, doch disputieren wollen und bei der Anerkennung einer solchen Disputation verharren, wozu ich mich im vergangenen Jahr zweimal erboten habe, bin ich bereit, zu diesem Zweck zu erscheinen, solltet Ihr dazu aufrufen, um an dem Ort, wohin Ihr mich bestellt, die Disputation auf der Grundlage der Heiligen Schrift durchführen zu lassen. Und das voller Hoffnung, daß Gott durch seine Barmherzigkeit seiner Wahrheit und seinem heiligen Glauben Beistand leisten wird. Zu diesem Zweck mögen sich Eure Gnaden, Festigkeit und Gunst auf mich verlassen und mir mitteilen, wie ich Euch in dieser Angelegenheit des Glaubens und auch sonst mit Rat zur Seite stehen kann: dazu bin ich willens und bereit. Gott der Allmächtige wolle Eure Gnaden, Strenge, Festigkeit und Weisheit sich anbefehlen und sie behüten. Gegeben in Eile in Ingolstadt in Bayern am Tag der Hl. Apostel Simon und Judas 1525. Eurer Gnaden und Herrschaften gehorsamer, williger Johann von Eck, Doktor usf. |