Briefwechsel Eck - Übersicht Reformationsgeschichte
Nr. 207

Gervasius Vaim an Eck
Augsburg
22-07-1527


Augsburg StB, Cod August 384 fol 308: Abschrift, daher ohne Salutatio
J. SCHLECHT: Briefmappe I = RST 21, 159ff Nr 68

Vaim kann nicht verstehen, warum Eck, den er stets angesichts ihrer gemeinsamen Interessen und ihrer persönlichen Vertrautheit für seinen Freund hielt, jetzt in Gegenwart des Augsburger Bischofs in dessen Residenz Dillingen so despektierlich über ihn gesprochen hat: Eck hat, wie Vaim erfuhr, ihn in fröhlicher Runde einen Gefolgsmann Luthers mit irrigen Auffassungen über das Sakrament der Eucharistie bezeichnet. Es ist unmenschlich, einen unschuldigen Freund eines solchen Kapitalvergehens zu beschuldigen, noch dazu ohne sicheres Wissen Gerüchte zu verbreiten, die diesen in höchste Gefahr bringen können. Auch die Forderung des Evangeliums, einen irrenden Bruder zu korrigieren, ist hier unpassend, denn Christus fordert, daß man den gefallenen Bruder zunächst brüderlich ermahnen solle, ehe man ihn verurteilt, damit er gerettet werde. Eck hat mit ihm das Gegenteil getan und sich so unchristlich verhalten. Eck hat sich wie ein wilder Skythe oder die Giganten, die das Buch Genesis schildert, benommen, um seine widernatürliche Anmaßung von Größe und Unfehlbarkeit mit dem Unglück eines Schwächeren, gar eines Freundes, zu erkaufen. Nie würde Vaim etwas Unkirchliches denken oder äußern: das kann man daran ersehen, daß er, bevor er von Kardinal Wolsey nach York berufen wurde, im Auftrag der Pariser Theologischen Fakultät gegen Ökolampads Schrift über die Einsetzungsworte des Abendmahls ein Gutachten erstellt hat, das diese einstimmig annahm. Vaim wollte Eck nur aufzeigen, daß dieser gegen alle Gesetze der Freundschaft verstoßen hat. Er will ihm aber trotzdem die Freundschaft bewahren, aber er soll als Mann und Deutscher mit seinen Verleumdungen aufhören, wenn er keinen Zeugen dafür aufbringen kann.


(Anrede fehlt)

Ego perpetuo inter precipuos te numeravi amicos eoque maxime, quod inter nos studiorum sentenciarumque sit summa consensio, ut interim non tanti faciam familiaritatem, qua multis retro annis mutua contraximus philanthropia; quo magis admiror quid acciderit, ut me traducere non te puduerit.

Tulinge apud disertissimum Augustensem antistitem coepisti inter pocula honorifice de me predicare, in hunc sensum: Gervasius, Lutheranae haeresis sectator factus, de eucharistiae sacramento impie sentit, proinde nil nisi restis illum manet.

Hec modica detulisti, o bone Ecki, quid huc afferes apologiae? Neminem vel multo maxime barbarum fugit, quam ab omni abhorreat humanitate, candidum amicum capitalissimi criminis deferre.

Tollas licet evangelia, parvipendas sacra, sis denique atheos, tamen vel iure syderum non debebas incerta pro compertis invulgare, et ea quidem, que amico in dispendium et iacturam cessura sint. Nec hic locum habet correctionis fraternae evangelicum pharmacon; prescripsit namque Christus, ut fratrem lapsum ante moneas, quam deferas, ut servetur frater. Tu prepostere egisti, fratrem non monitum prodidisti, ut illum perderes; tantum abest, ut christiani fratris prestiteris officium.

Quid quaeso vel ferus Scytha vel id genus hominibus diffiniret, profecto illos gigantum more cum diis pugnare pronunciaret, qui, quae ex diametro cum natura pugnant, illa sibi prescribant et inter maxima ducant; quos Moses Geneseos libro velle depinxit, qui ait: Erant autem gigantes super terram. Et de Nemroth: Erat autem Nemroth venator robustus coram domino. Sentit nempe divinus propheta, eiusmodi homines gigantes et monstra fuisse, quod contra nature ductum sui commodi causa imbecilliores oppresserunt.

Talem te prebes gigantem, qui, ut te gloriosiorem reddas, optimum quemque, ne amico quidem parcens, vanissimis commentis lacerare non desinis, id quod tandem tibi non admodum cedet foeliciter. Crede mihi, talibus sycophanciis nihil accrescet tuo nomini!

Quod si amicum volebas exuere, aequum tamen debebas aut censorem aut delatorem induere. Tu contra, nescio quo cacodemone autore, subita metamorphosi totus inversus amicum exuisti et iniquissimum te constituisti delatorem, quod, que nec dixi nec cogitavi unquam, capiti meo conatus sis assuere. Ego malim in atomos discerpi, quam cum paucis nebulonibus contra ecclesie decreta aut pronunciare aut sentire.

Testis mihi erit facultas Parisiensis, que Oecolampadii libellum de Verbis coene dominice mihi exhibuit, ut eo perlecto, quid et de libello et de autore libelli sentirem, facultati paucis exponerem, id quod lubens feci; censuramque nostram facultas probavit unanimis, paulo antequam a cardinale Eboracensi invitatus in Britanniam concederem.

Non hic pluribus tecum expostulabo. Hasce in hoc exaravi, ut tibi significarem, quia tibi visum est adversus omnes amicicie leges agere. Ego amiciciam tuam iuxta et inimicitiam fecerim, quod sat mihi cognitus sit tuus in amicos candor, qui tamen maximus foret, si mores pallio responderent.

Ceterum si tantillum habes Germani et masculi pectoris, aut prode, a quo acceperis, que de me passim spargis; si testem unum produxeris, a calumnie nota liber eris. Aut palinodiam canens sana, quos vana infecisti loquacitate.

Quod si ne alterum quidem prestiteris, iustissima expostulacione fusissime meam tuebor innocenciam.

Scriptum 22.Julii anno XXVII.

Gervasius Waim.

!

Ich habe Dich stets zu meinen besonderen Freunden gezählt, vor allem wegen der Übereinstimmung zwischen uns in Studien und Meinungen, um nicht in der Zwischenzeit mit Dir in solchem Maße vertraulichen Umgang zupflegen, wie wir das vor vielen Jahren in gegenseitiger Zuneigung getan haben. Um so mehr wundere ich mich, was wohl geschehen ist, daß Du Dich nicht schämst, mich ans Messer zu liefern.

In Dillingen hast Du während des gemeinsamen Mahles beim disputierfreudigen Augsburger Bischof über mich in wahrhaft "ehrenvoller" Weise gepredigt, etwa so: Gervasius ist zum Anhänger der lutherischen Häresie geworden und denkt frevelhaft über das Sakrament der Eucharistie, so daß ihm nur der Strick bleibt.

Dieses starke Stück hast Du von Dir gegeben, guter Eck: was hast Du zur Verteidigung vorzubringen?

Niemand, nicht der größte Barbar, würde von aller Menschlichkeit Abstand nehmen, um einen teuren Freund eines Kapitalverbrechens zu bezichtigen. Du magst die Evangelien verleugnen, das Heilige geringschätzen, ja Du magst sogar Gottesleugner sein: nicht einmal aufgrund von Barbarengesetzen dürftest Du Ungewisses als Wahrheit verbreiten, zumal Dinge, die für den Freund zum Schaden und Ansehensverlust führen müssen. Hier hat auch das vom Evangelium empfohlene Heilmittel der brüderlichen Zurechtweisung keinen Ort: Christus hat nämlich geboten, den gefallenen Bruder zuerst zu ermahnen, dann erst auszuliefern, damit er gerettet werde. Du hast umgekehrt gehandelt, den Bruder, ohne ihn vorher zu ermahnen, ausgeliefert, um ihn zu vernichten: so sehr bist Du von der Pflicht eines Bruders in Christus abgewichen!

Das, ich bitte Dich, würde wohl der wilde Skythe dem Menschengeschlecht vorschreiben, nämlich nach Art der Giganten mit den Göttern zu kämpfen. Diese schrieben nämlich das, was zu der Natur gänzlich im Gegensatz steht, sich selbst vor und hielten es für das Größte: Moses hat das im Buch der Genesis sehr schön beschrieben. Er sagt dort: »Es waren aber Ungeheuer auf Erden.« Und über Nimrod: »Es war aber Nimrod ein wilder Jäger vor dem Herrn.« Der göttliche Seher wußte nämlich, daß solche Menschen Giganten und Ungeheuer waren, weil sie im Widerspruch zur Natur die Schwächeren zu ihrem Nutzen unterdrückten.

Als ein solches Ungeheuer gibst Du Dich aus, indem Du, um Dir Ruhm zu verschaffen, nicht davon Abstand nimmst, gerade den Besten, wobei Du nicht einmal einen Freund verschonst, mit fantastischen Einfällen zu verunglimpfen, was Dir am Ende nicht allzu gut gelungen ist. Glaube mir, mit solchen Verleumdungen tust Du nichts, um Deinen Ruf zu vermehren!

Falls Du einen Freund loswerden wolltest, mußtest Du dennoch einen gerechten Richter oder Denunzianten beibringen. Du hast jedoch im Gegenteil, ich weiß nicht durch welchen schlechten Dämon veranlaßt, von plötzlichem Gesinnungswandel völlig verändert, einen Freund verloren und Dich zum feindseligsten Denunzianten gemacht, indem Du mir etwas, was ich nie ausgesprochen oder auch nur gedacht habe, zuzuschreiben gewagt hast. Ich möchte lieber in Atome zerrissen werden, als mit den wenigen Taugenichtsen mich gegen Dekrete der Kirche zu äußern oder gegen sie Ansichten zu entwickeln.

Die Pariser Theologische Fakultät wird für mich als Zeuge auftreten: sie hat mir nämlich das Büchlein des ÖKOLAMPAD über die Einsetzungsworte der Eucharistie übergeben, damit ich nach seiner Lektüre meine Ansicht über Buch und Autor in kurzen Worten der Fakultät darlege, was ich auch gern getan habe.
Mein Urteil hat die Fakultät einstimmig angenommen, kurz bevor ich, vom Kardinal von York eingeladen, mich nach England zurückzog.

Ich werde Dir hier aber nicht mit vielen Worten Vorhaltungen machen. Ich habe das in dieser Form nur getan, um Dir zu zeigen, daß Du gegen alle Gesetze der Freundschaft handelst. Ich werde Deine Freundschaft wie Deine Feindschaft ansehen, weil mir Deine Aufrichtigkeit gegenüber Freunden nun hinlänglich bekannt ist. Diese wäre dann am größten, wenn Deine Taten Deinem äußeren Erscheinungsbild entsprächen.

Wenn Du noch ein Fünkchen der Beherztheit eines deutschen Mannes besitzt, dann gib preis, von wem Du das gehört hast, was Du überall von mir weitererzählst. Wenn Du mir auch nur einen Zeugen genannt hast, wirst Du vom Makel der Verleumdung frei sein. Oder aber widerrufe und mache wieder gut, was Du durch leere Geschwätzigkeit angerichtet hast.

Wenn Du deine Haltung nicht änderst, werde ich in einer wohlbegründeten Verteidigungsschrift meine Unschuld ausführlich darlegen.

Geschrieben am 22. Juli im Jahre 1527.

Gervasius Waym.