Briefwechsel Eck - Übersicht Reformationsgeschichte
Nr. 208
Nürnberg SA, SJL 76 Nr 16
[F 097]
Den erbern fürsichtigen und weissen Burgermaister unnd Rat der Stat Ulme meinen gunstigen lieben herren. Erber unnd fursichtig weiß herrn mein willig dienst zuvoran. Ich bin bericht, wie das Eur
Ersamen weyßhait predicant
Chunrat Rottenacker
offenlich vor eurn Ersamen
weyßhaitenn jnn sitzendem
Rat bekannt hat unnd
gehaltenn hab, wie das jnn
dem Sacrament des alttars
der leib unnd blut unnsers
herrn unnd hailands Jhesu
Cristi nit sein solt. Die
hailgenn unnd außerweeltenn
gottes weren auch als unnser
furbiter bey got dem
allmechtigen nit
anzurueffen. Unnd das der
bloß glaub on alls gute
werck mög den mennschen
hailwerttig machen. Unnd ...
der annder predicant bey
euch zu den Barfussen sich
erpotten hatt, vor Rö. Kay.
unnd Hispanischer Kö. Mt.
oder kungklich ... zu
Hungern unnd Behem, meinen
aller gnedigisten herrn,
auch den Cristenlichen
universitetten anzuzaigen,
das sollich leren ketzerisch
unnd verfuerisch seyenn. So
habenn doch eur Ersam
wayßhait jme (diweyl er sich
vor E.W. jn kain disputation
einlassen wollen) ferrner zu
bredigen verpottenn. So aber
die obgemelten Artikel all
drey verfuerisch, ketzerisch
unnd zuvörderst der
gottlichen Mt. zu lesterung
raichen, auch hievor jnn
gemain unnd zum tayl jnn
samthait durch Bapstlicher
Heiligkait Bullen unnd Kay.
Mt. Edict verpoten unnd
verworffen sind, allso das
die jhenigen, so sollich
Artikel halten oder
beschirmen, nit allain die
gotlichen, sonder auch die
jrdische unnd Kay. Mt.
schwerlich verletzenn. Unnd
furnemlich diweyl jch mich
hievor gegenn den Ertzketzer
unnd vatter aller lugen,
auch yetzig jrthum, Martin
Ludther, muntlich unnd
schrifftlich eingelassen
(wie dann auch die von der
loblichenn universitet
Pariß, die Luther zu richter
erkest unnd angenomen hat,
wider jne erkhennt haben
unnd beschlossen laut
aussgangner Determination)
unnd verganngen jars gegenn
den gotzlesterer Ulrich
Zwingli auff ervorderung der
loblichen Eidgnoßschafft der
Zwölffert meiner gnedigen
Herrn zu Baden jm Ergeüw
clarlich anzaigt unnd gegen
ettlichenn des Zwinglinß
verfechter unnd verwanndten
jnn lanngkwirger offenlicher
disputation erhaltenn hab,
das jnn dem Sacrament des
altars sey der war leib und
plut unnsers herrn Jhesu
Cristi, wolt auch den
Zwinglin mit der hilff
gottes unnd grund der
hailgen schrifft auch wol
geschwaigt habenn. Wa er
uber gnugsam frey sicher
glait sollich disputation
nit geflohen (wie der
schuldigenn art ist) het
unnd schandtlich außbliben,
wie dann jch den Öcolampadi
darzu trib mit hailger
Biblischer schrifft, das er
zugab und bekannt, das die
liebenn hailgen unnd die
mutter gotz Maria für uns
menschen got bitten. So
khan, mag unnd will jch jn
sollicher hoher unnd grosser
verletzung baider gotlicher
unnd Kay. Mt. nit schweigen,
unnd jst meinn vleissig bit,
Eur ersam weyßhait wollenn
nit gestatten, das
Rottenacker obgemelts
uncristlich gotzlesterlich
artickel halt oder predig,
sonnder vil mer dem
Cristenlichen prediger zum
Barfusser und anndern
vergönnen, das sy wider
dieselbigenn predigen unnd
das folck vor sollichen
grausamen jrthumb verhueten
mögen. Wa aber sollichs nit
geschicht, bin jch gedacht,
mich mit aller arbait unnd
hochstem fleyß gegen
sollichen jrthumben unnd
ketzerey zusetzenn, darwider
zu disputirn unnd
schreybenn. Wann aber
sollichs on beruerung unnd
ermeldung eur Erbern
weyßhait (welche den
vilgenannten ketzer den
Rottenacker erhalten) nit
beschehenn mag unnd jch doch
lieber das unnderlassen
wolt, so hab jch E. ersam
weyßhait dises alles hievor
anzaigenn wellen der
hoffnung, Eur erber weyßhait
werden jnn diser groß
wichtigen sach so weyßlich
unnd cristennlich hanndelnn,
das wir nit stat sein werden
jnn diser sach die Römisch
Kay. Mt. oder jeman annders
so jnn disem fall zu
richtenn hab, anzulauffen.
Diß alles hab jch eur Erber
Weyßhait nit verhaltenn
wollen. Unnd wiewol jch mich in ansehung aller erbarkait unsers hailgen Cristennlichen glaubens unnd jnn ansehung Ro. Kay. Mt., deren Edict jr als ain kaiserlich Reichstatt billich gehorchen unnd gehorsame laistenn sollen, kains abschlags versich, so beger jch doch Eur erber weyßhait geschribne anntwurt furderlich, denen jch, wa es nit wider unnsern ungezweyffelten alten glaubenn raichet, zu diennen ganntz willig unnd erpietig bin. Datum Jnngoldstat am XIX. tag Augusti Anno Domini 1527. E.W. williger |
Dem ehrbaren, fürsorglichen und weisen Bürgermeister und dem Rat der Stadt Ulm, meinen lieben gnädigen Herren. Vorab meine willige Dienstbereitschaft, ehrbare, fürsorgliche und weise Herren!Mir ist berichtet worden, daß Euer Prädikant KONRAD ROTTENACKER öffentlich in Gegenwart Eurer ehrwürdigen Weisheiten bei der Ratssitzung bekannt hat, daß im Altarssakrament Leib und Blut unseres Herrn und Heilands Jesus Christus nicht enthalten seien. Auch seien die Heiligen und Auserwählten Gottes als unsere Fürbitter bei Gott dem Allmächtigen nicht anzurufen. Der bloße Glaube ohne alle guten Werke rechtfertige den Menschen. Euer anderer Prediger, der Barfüßer, hat sich bereit erklärt, vor römischer kaiserlicher und spanischer königlicher Majestät oder vor den königlichen Hoheiten von Ungarn und Böhmen, meinen allergnädigsten Herren, auch vor den christlichen Universitäten darzulegen, daß diese Lehren ketzerisch und verführerisch sind. Eure ehrwürdige Weisheit (da er sich vor Euch in keine Disputation einlassen wollte) haben ihm doch eigentlich eine weitere Predigttätigkeit untersagt. Da aber die erwähnten drei Artikel sämtlich verführerisch, ketzerisch und vor allem gotteslästerlich sind, sie auch allgemein und im Detail bereits durch päpstliche Bullen und das kaiserliche Edikt verboten und verworfen wurden, verletzen diejenigen, die diese Artikel behaupten oder verteidigen, nicht allein die göttliche, sondern auch die irdische, kaiserliche, Majestät schwer. Ich selbst habe mich in der Vergangenheit mündlich und schriftlich mit dem Erzketzer und »Vater aller Lügen«, auch der jetzigen Irrtümer, MARTIN LUTHER, eingelassen (wie dann auch die Professoren der angesehenen Universität Paris, die LUTHER zu Richtern erwählt hatte, sich gegen ihn entschieden und das in ihrer »Determinatio« erläutert haben) und im vergangenen Jahr gegenüber dem Gotteslästerer ULRICH ZWINGLI nach Aufforderung durch die Eidgenossenschaft der zwölf Kantone, meiner gnädigen Herren, zu Baden im Aargau deutlich erklärt und gegen zahlreiche Mitstreiter ZWINGLIS in langwieriger öffentlicher Disputation bewiesen, daß im Altarssakrament der wahre Leib und das Blut unseres Herrn Jesus Christus enthalten ist; auch ZWINGLI selbst hätte ich mit Gottes Hilfe und auf der Grundlage der Heiligen Schrift zum Schweigen gebracht, wäre er nicht trotz ausreichendem freiem und sicherem Geleit vor dieser Disputation geflohen (wie alle Schuldigen es tun) und mit Schande ferngeblieben; wie ich dann den ÖKOLAMPAD mit heiliger göttlicher Schrift dazu getrieben habe, zuzugeben und zu bekennen, daß die lieben Heiligen und die Mutter Gottes Maria für uns Menschen Gott bitten. So kann, mag und will ich angesichts einer so schweren Verletzung der göttlichen und der kaiserlichen Majestät nicht schweigen, und es ist meine dringende Bitte, daß Eure ehrwürdige Weisheit dem ROTTENACKER nicht erlaubt, die oben erwähnten Artikel zu vertreten oder zu predigen, sondern vielmehr dem christlichen Franziskanerprediger und anderen zu erlauben, gegen diese Predigten aufzutreten und das Volk vor diesem grausamen Irrtum zu schützen. Sollte das aber nicht geschehen, habe ich die Absicht, mich mit allem Einsatz gegen solche Irrtümer und Ketzereien zu wenden, dagegen zu disputieren und zu schreiben. Da aber dies ohne Zustimmung Eurer ehrwürdigen Weisheit (die doch den vielerwähnten Ketzer ROTTENACKER bei sich duldet) nicht geschehen kann und ich das auch lieber unterlassen wollte, so wollte ich die Sache im voraus Eurer ehrwürdigen Weisheit vortragen in der Hoffnung, Eure ehrwürdige Weisheit werde in einer so wichtigen Angelegenheit so weise und christlich handeln, daß wir nicht gezwungen sind, uns in dieser Sache an die römische kaiserliche Majestät oder an den für diese Angelegenheit zuständigen Richter zu wenden. Das alles wollte ich Eurer ehrwürdigen Weisheit nicht vorenthalten. Obgleich ich angesichts unseres
heiligen Glaubens und römischer
kaiserlicher Majestät, deren Edikt
Ihr als kaiserliche Reichsstadt zu
gehorchen schuldig seid, von Euch
keine Ablehnung erwarte, so halte
ich doch eine schriftliche Antwort
von Eurer Seite für notwendig. Gegeben in Ingolstadt, am 19. August im Jahr des Herrn 1527. Eurer Weisheit williger |