Briefwechsel Eck - Übersicht Reformationsgeschichte
Nr. 208

Eck an Bürgermeister und Rat von Ulm
Ingolstadt
19-08-1527


Nürnberg SA, SJL 76 Nr 16
[F 097]

Eck hat erfahren, daß der Prädikant Konrad Sam (Rottenacker) öffentlich in Gegenwart des Ulmer Rates die Realpräsenz geleugnet, die Fürbitte der Heiligen abgelehnt und die Sola-fides-Lehre bekannt habe. Der Franziskenerprediger Johannes Ulrici aus Kaisersberg dagegen habe sich bereit erklärt, vor Kaiser Karl V. oder König Ferdinand und ausgewählten Universitäten das Ketzerische dieser Auffassungen zu erläutern. Die Folge war, daß der Rat wegen Ulricis Weigerung, in Ulm selbst mit Rottenacker zu disputieren, ein Predigtverbot ausgesprochen hat. Rottenackers drei Artikel stehen im Widerspruch zur päpstlichen Bulle und zum kaiserlichen Edikt. Eck hat sich bereits früher mit Luther mündlich und schriftlich auseinandergesetzt, dessen Auffassungen auch die als Richter bestellte Pariser Universität verworfen hat; vor einem Jahr auch auf Bitten der Eidgenossenschaft mit Zwingli, der die Realpräsenz geleuget hatte und der trotz freien Geleits einer Disputation mit Eck ausgewichen war, sowie in Baden mit Ökolampad, dessen Leugnung der Fürbitte Marias und der Heiligen er öffentlich widerlegt hat. So möge der Rat von Ulm Rottenacker an der Verbreitung der genannten drei Artikel hindern und den Barfüßer und andere beim Vorgehen gegen diese Irrlehren unterstützen. Sollte das nicht geschehen, droht Eck mit persönlichem Einschreiten bis hin zur Intervention beim Kaiser. Obgleich Ulm als Reichsstadt eigentlich verpflichtet ist, dem kaiserlichen Edikt zu gehorchen, erbittet Eck eine schriftliche Antwort.


Den erbern fürsichtigen und weissen Burgermaister unnd Rat der Stat Ulme meinen gunstigen lieben herren.

Erber unnd fursichtig weiß herrn mein willig dienst zuvoran.

Ich bin bericht, wie das Eur Ersamen weyßhait predicant Chunrat Rottenacker offenlich vor eurn Ersamen weyßhaitenn jnn sitzendem Rat bekannt hat unnd gehaltenn hab, wie das jnn dem Sacrament des alttars der leib unnd blut unnsers herrn unnd hailands Jhesu Cristi nit sein solt. Die hailgenn unnd außerweeltenn gottes weren auch als unnser furbiter bey got dem allmechtigen nit anzurueffen. Unnd das der bloß glaub on alls gute werck mög den mennschen hailwerttig machen.

Unnd ... der annder predicant bey euch zu den Barfussen sich erpotten hatt, vor Rö. Kay. unnd Hispanischer Kö. Mt. oder kungklich ... zu Hungern unnd Behem, meinen aller gnedigisten herrn, auch den Cristenlichen universitetten anzuzaigen, das sollich leren ketzerisch unnd verfuerisch seyenn. So habenn doch eur Ersam wayßhait jme (diweyl er sich vor E.W. jn kain disputation einlassen wollen) ferrner zu bredigen verpottenn. So aber die obgemelten Artikel all drey verfuerisch, ketzerisch unnd zuvörderst der gottlichen Mt. zu lesterung raichen, auch hievor jnn gemain unnd zum tayl jnn samthait durch Bapstlicher Heiligkait Bullen unnd Kay. Mt. Edict verpoten unnd verworffen sind, allso das die jhenigen, so sollich Artikel halten oder beschirmen, nit allain die gotlichen, sonder auch die jrdische unnd Kay. Mt. schwerlich verletzenn.

Unnd furnemlich diweyl jch mich hievor gegenn den Ertzketzer unnd vatter aller lugen, auch yetzig jrthum, Martin Ludther, muntlich unnd schrifftlich eingelassen (wie dann auch die von der loblichenn universitet Pariß, die Luther zu richter erkest unnd angenomen hat, wider jne erkhennt haben unnd beschlossen laut aussgangner Determination) unnd verganngen jars gegenn den gotzlesterer Ulrich Zwingli auff ervorderung der loblichen Eidgnoßschafft der Zwölffert meiner gnedigen Herrn zu Baden jm Ergeüw clarlich anzaigt unnd gegen ettlichenn des Zwinglinß verfechter unnd verwanndten jnn lanngkwirger offenlicher disputation erhaltenn hab, das jnn dem Sacrament des altars sey der war leib und plut unnsers herrn Jhesu Cristi, wolt auch den Zwinglin mit der hilff gottes unnd grund der hailgen schrifft auch wol geschwaigt habenn. Wa er uber gnugsam frey sicher glait sollich disputation nit geflohen (wie der schuldigenn art ist) het unnd schandtlich außbliben, wie dann jch den Öcolampadi darzu trib mit hailger Biblischer schrifft, das er zugab und bekannt, das die liebenn hailgen unnd die mutter gotz Maria für uns menschen got bitten.

So khan, mag unnd will jch jn sollicher hoher unnd grosser verletzung baider gotlicher unnd Kay. Mt. nit schweigen, unnd jst meinn vleissig bit, Eur ersam weyßhait wollenn nit gestatten, das Rottenacker obgemelts uncristlich gotzlesterlich artickel halt oder predig, sonnder vil mer dem Cristenlichen prediger zum Barfusser und anndern vergönnen, das sy wider dieselbigenn predigen unnd das folck vor sollichen grausamen jrthumb verhueten mögen.

Wa aber sollichs nit geschicht, bin jch gedacht, mich mit aller arbait unnd hochstem fleyß gegen sollichen jrthumben unnd ketzerey zusetzenn, darwider zu disputirn unnd schreybenn.

Wann aber sollichs on beruerung unnd ermeldung eur Erbern weyßhait (welche den vilgenannten ketzer den Rottenacker erhalten) nit beschehenn mag unnd jch doch lieber das unnderlassen wolt, so hab jch E. ersam weyßhait dises alles hievor anzaigenn wellen der hoffnung, Eur erber weyßhait werden jnn diser groß wichtigen sach so weyßlich unnd cristennlich hanndelnn, das wir nit stat sein werden jnn diser sach die Römisch Kay. Mt. oder jeman annders so jnn disem fall zu richtenn hab, anzulauffen. Diß alles hab jch eur Erber Weyßhait nit verhaltenn wollen.

Unnd wiewol jch mich in ansehung aller erbarkait unsers hailgen Cristennlichen glaubens unnd jnn ansehung Ro. Kay. Mt., deren Edict jr als ain kaiserlich Reichstatt billich gehorchen unnd gehorsame laistenn sollen, kains abschlags versich, so beger jch doch Eur erber weyßhait geschribne anntwurt furderlich, denen jch, wa es nit wider unnsern ungezweyffelten alten glaubenn raichet, zu diennen ganntz willig unnd erpietig bin.

Datum Jnngoldstat am XIX. tag Augusti Anno Domini 1527.

E.W. williger
Johann von Egg
Doctor.

Dem ehrbaren, fürsorglichen und weisen Bürgermeister und dem Rat der Stadt Ulm, meinen lieben gnädigen Herren.

Vorab meine willige Dienstbereitschaft, ehrbare, fürsorgliche und weise Herren!

Mir ist berichtet worden, daß Euer Prädikant KONRAD ROTTENACKER öffentlich in Gegenwart Eurer ehrwürdigen Weisheiten bei der Ratssitzung bekannt hat, daß im Altarssakrament Leib und Blut unseres Herrn und Heilands Jesus Christus nicht enthalten seien. Auch seien die Heiligen und Auserwählten Gottes als unsere Fürbitter bei Gott dem Allmächtigen nicht anzurufen. Der bloße Glaube ohne alle guten Werke rechtfertige den Menschen.

Euer anderer Prediger, der Barfüßer, hat sich bereit erklärt, vor römischer kaiserlicher und spanischer königlicher Majestät oder vor den königlichen Hoheiten von Ungarn und Böhmen, meinen allergnädigsten Herren, auch vor den christlichen Universitäten darzulegen, daß diese Lehren ketzerisch und verführerisch sind. Eure ehrwürdige Weisheit (da er sich vor Euch in keine Disputation einlassen wollte) haben ihm doch eigentlich eine weitere Predigttätigkeit untersagt. Da aber die erwähnten drei Artikel sämtlich verführerisch, ketzerisch und vor allem gotteslästerlich sind, sie auch allgemein und im Detail bereits durch päpstliche Bullen und das kaiserliche Edikt verboten und verworfen wurden, verletzen diejenigen, die diese Artikel behaupten oder verteidigen, nicht allein die göttliche, sondern auch die irdische, kaiserliche, Majestät schwer.

Ich selbst habe mich in der Vergangenheit mündlich und schriftlich mit dem Erzketzer und »Vater aller Lügen«, auch der jetzigen Irrtümer, MARTIN LUTHER, eingelassen (wie dann auch die Professoren der angesehenen Universität Paris, die LUTHER zu Richtern erwählt hatte, sich gegen ihn entschieden und das in ihrer »Determinatio« erläutert haben) und im vergangenen Jahr gegenüber dem Gotteslästerer ULRICH ZWINGLI nach Aufforderung durch die Eidgenossenschaft der zwölf Kantone, meiner gnädigen Herren, zu Baden im Aargau deutlich erklärt und gegen zahlreiche Mitstreiter ZWINGLIS in langwieriger öffentlicher Disputation bewiesen, daß im Altarssakrament der wahre Leib und das Blut unseres Herrn Jesus Christus enthalten ist; auch ZWINGLI selbst hätte ich mit Gottes Hilfe und auf der Grundlage der Heiligen Schrift zum Schweigen gebracht, wäre er nicht trotz ausreichendem freiem und sicherem Geleit vor dieser Disputation geflohen (wie alle Schuldigen es tun) und mit Schande ferngeblieben; wie ich dann den ÖKOLAMPAD mit heiliger göttlicher Schrift dazu getrieben habe, zuzugeben und zu bekennen, daß die lieben Heiligen und die Mutter Gottes Maria für uns Menschen Gott bitten.

So kann, mag und will ich angesichts einer so schweren Verletzung der göttlichen und der kaiserlichen Majestät nicht schweigen, und es ist meine dringende Bitte, daß Eure ehrwürdige Weisheit dem ROTTENACKER nicht erlaubt, die oben erwähnten Artikel zu vertreten oder zu predigen, sondern vielmehr dem christlichen Franziskanerprediger und anderen zu erlauben, gegen diese Predigten aufzutreten und das Volk vor diesem grausamen Irrtum zu schützen.

Sollte das aber nicht geschehen, habe ich die Absicht, mich mit allem Einsatz gegen solche Irrtümer und Ketzereien zu wenden, dagegen zu disputieren und zu schreiben.

Da aber dies ohne Zustimmung Eurer ehrwürdigen Weisheit (die doch den vielerwähnten Ketzer ROTTENACKER bei sich duldet) nicht geschehen kann und ich das auch lieber unterlassen wollte, so wollte ich die Sache im voraus Eurer ehrwürdigen Weisheit vortragen in der Hoffnung, Eure ehrwürdige Weisheit werde in einer so wichtigen Angelegenheit so weise und christlich handeln, daß wir nicht gezwungen sind, uns in dieser Sache an die römische kaiserliche Majestät oder an den für diese Angelegenheit zuständigen Richter zu wenden. Das alles wollte ich Eurer ehrwürdigen Weisheit nicht vorenthalten.

Obgleich ich angesichts unseres heiligen Glaubens und römischer kaiserlicher Majestät, deren Edikt Ihr als kaiserliche Reichsstadt zu gehorchen schuldig seid, von Euch keine Ablehnung erwarte, so halte ich doch eine schriftliche Antwort von Eurer Seite für notwendig.
In allen Dingen, die nicht unserem unbezweifelbaren alten Glauben widersprechen, bin ich bereit, Euch entgegenzukommen.

Gegeben in Ingolstadt, am 19. August im Jahr des Herrn 1527.

Eurer Weisheit williger
Johann von Eck,
Doktor.