Briefwechsel Eck - Übersicht Reformationsgeschichte
Nr. 222

Urbanus Rhegius an Eck
Augsburg
31-03-1528

Responsio Urbani Rhegii fol Av - A 2v (= METZLER Nr 66); Opera Urbani Rhegii II, fol VIv

Als Rhegius neulich mit Eck in Augsburg zusammentraf und er diesen bat, ihn im Fall eines Irrtums im Glauben behutsam auf den Weg der Wahrheit zurückzuführen, wie er es einst als sein Lehrer der Philosophie des Aristoteles und der scholastischen Theologie in Freiburg tat, da hat ihn Eck auf sein »Enchiridion« und die Schrift »De sacrificio missae« verwiesen. Da die sorgfältige Lektüre dieser Bücher ihn nicht von der Unruhe seines Gewissens befreite, versprach ihm Eck in Gegenwart des Matthias Kretz und des Othmar Luscinius, auf seine Fragen hinsichtlich der Messe zu antworten. Daraufhin hat Rhegius seine »Responsio« verfaßt allein in der Hoffnung, die Wahrheit zu finden, jedoch nicht die der ihm vom Studium her bis zum Überdruß vertrauten Überlieferung, sondern die Wahrheit des Wortes Gottes, denn nur auf dieses könne sich sein Gewissen sicher stützen. Dazu hatte er mit Eck auch vereinbart, in einem moderaten Stil zu schreiben. Führende Theologen hatten ihm abgeraten, überhaupt auf Ecks Schrift zu antworten, aber er hat sich nach langem Zögern entschlossen, der Bitte Ecks in Augsburg zu folgen, dabei aber nur Schriftargumente zu verwenden. Daher möge sich Eck doch in einem neuen Buch zurückhaltend äußern und ihn nicht gleich zum Häretiker stempeln.


IOANNI ECCIO THEOLOGO AC IUrisconsulto Urbanus Rhegius Christum sanctificationem nostram.

 Cum nuper Augustae convenissem, Ecci magnifice, atque instantissime precarer, ut si uspiam a sana fidei doctrina aberrassem, ea tu me errantem modestia in viam reduceres, qua me olim in Philosophia Aristotelis et Theologia scholastica praeceptor erudiisti, hic me protinus ad »locos« tuos »communes« et libros, quos »de Missae sacrificio« conscripsisti, remittebas, quos cum legisse me quidem perdiligenter, verum ea lectione nondum pacatam esse conscientiam meam faterer, et ante omnia, quae de Missa sentis, minus probarem, responsurum te mihi, si quid in libris tuis de Missa desyderarem, coram Matthia Cretzio et Othomaro Luscinio, ingenue pollicebaris. Quae igitur m remorantur quo minus de reiterando quotidie pro peccatis sacrificio tecum sentiam, hoc qualicunque libello in medium Christiana simplicitate adtuli, nihil aeque sitiens ac veritatem fidei, quam si hactenus non vidi, tuum fuerit ignorantem docere, non traditionibus hominum, quas iampridem usque ad nauseam imbibi, neque tamen melius habui, sed verbo Dei minime adulterato, quo uno conscientia nostra tuto nititur. Quemadmodum autem Augustae paciscebar tecum lenitatem stili, ita rursum, ne indignationi tuae frena laxes, te etiam atque etiam rogo, acrimonia enim illa odiosior adest negotio suscepto incommoda, ut absterrere a discenda veritate plures possit, quo allicere, et si velut nube quadam convitiorum me adobrueris, ubi quaeso grata veritatis lux effulgebit? At cur tam sero inquies? Non temere forsitan, nam ut caetera taceam, consulto hoc laboris respondendi tibi, summis quibusdam Theologiae principibus cedebam, quorum nonnullos strenue aliquoties ad scribendum hortatus sum, at ipsi perpetuo renuerunt, respondentes, libros tuos eius esse generis ut vel tacentibus eruditis, facile lectori non omnino stupido venturum sit in mentem, quid responderi ad tua argumenta oporteat, ut iam et ipse fuerim tua omnia silentio praeteriturus, nisi me coram ad proponendas dissentionis nostrae causas accendisses Augustae. Te itaque, si volente et iubente, libros tuos, Missalis sacrificii patronos denuo pellegi, quae infirma videbantur passim annotans, non ut convitiis responderem, sed ut paucis brevibusque argumentis citra virulentiam tecum agerem,, idque non ex commentariis hominum, sed scripturis canonicis et prophetiis fidei convenientibus, e quibus solis ad pugnam Christiani sua arma proferunt. Quare te rursus per Christum obsecro, ut in responsione tua stomachum cohibeas, nec in fratrem zeli praetextu aculeato iterum libro infrendeas, quod si me omnino indignum existimas cui parcatur, utpote »hairetikon anthropon«, iampridem tuo iuditio »autokatakriton«, hunc tamen honorem sacrosanctae scripturarum veritati deferto, qua modeste graviterque tractata lector inde pie doctus evadet potius quod mordax, haereses, schismata, seditiones et id genus probrosa nomina in illos torquere qui duri cervice, incircumciso corde et auribus, spiritui sancto veritatem docenti semper resistunt. Mihi hoc unum in votis est, ut veritatem liceat quod purissime intueri, et discere, utque voti compos efficiar. Dominum precor quo spiritum veritatis mittat, cuius magisterio queam prudenti simplicitate probare omnia, et quod bonum est tenere. Atque hic Christum mihi iratum imprecor, si quid hoc libello preter eius gloriam et Ecclesiae aedificationem quaesiero, itidem facturum te ut credam charitas iubet, que Apostolo teste, credit et sperat omnia.

Gratia Domini tecum.

Augustae Vindelicorum. Anno a nato Christo M.D.XXVII. ultima Martij.

An Johannes Eck, dem Theologen und Rechtsgelehrten, Urbanus Rhegius: Christus sei unsere Hoffnung!

Als ich neulich in Augsburg mit Dir zusammentraf, großer Eck, und ich Dich auf das dringlichste bat, mich im Falle eines Irrtums meinerseits in der gesunden Glaubenslehre mit Besonnenheit auf den rechten Weg zurückzuführen, mit derselben Milde, mit der Du mich einst in aristotelischer Philosophie und in der Theologie als Lehrer unterrichtet hast, hast Du mich sogleich auf Deine »Loci communes« und die Bücher, die Du über das Meßopfer verfaßt hast, hingewiesen, die, das muß ich eingestehen, ich zwar sorgfältig studiert habe, durch deren Lektüre jedoch mein Gewissen noch keineswegs zufriedengestellt ist. Nach allem konnte ich das, was Du über die Messe schreibst, nicht billigen; und so hast Du mir in Gegenwart von MATTHIAS KRETZ und OTMAR LUSCINIUS freimütig zugesagt, Du würdest, wenn ich etwas in Deinen Büchern über die Messe vermißte, mir Antwort erteilen. Als ich daher an dem Punkt stockte, an dem ich merkte, nicht mit Dir in der Frage der Wiederholung des Meßopfers für die Toten übereinzustimmen, rückte ich diesen Punkt mit christlicher Einfalt in den Mittelpunkt eines Büchleins, nach nichts anderem dürstend als nach der Wahrheit des Glaubens; wenn ich diese Wahrheit bisher nicht erkannt haben sollte, lag es an Dir, den Unwissenden zu belehren, jedoch nicht mittels menschlicher Überlieferungen, die ich schon lange bis zum Erbrechen in mich aufgenommen habe: ich besaß doch nichts Besseres als das unverfälschte Gotteswort, auf das sich unser Gewissen allein stützen kann. Andererseits verabredete ich mit Dir einen maßvollen Stil, und das wiederum, damit Du nicht Deinem Mißfallen die Zügel schießen ließest, und ich bat Dich wieder und wieder darum; denn jene gehässige Schärfe ist für die übernommene Aufgabe allzu ungeeignet, so daß sie mehr Leute von der Erkenntnis der Wahrheit abschrecken könnte als sie anzulocken. Wenn Du mich geradezu in eine Wolke von Beschimpfungen einhüllst, wo bitteschön wird dann das wohltuende Licht der Wahrheit leuchten? Und warum ich so spät spreche? Man könnte sagen: ich spreche vielleicht nicht überstürzt, denn, um anderes zu übergehen, ich gab bei der Planung meiner Antwortschrift an Dich dem Rat einiger der größten theologischen Autoritäten nach, von denen ich mehrere mehr als einmal zum Schreiben aufgefordert habe. Jene aber lehnten das stets ab und entgegneten, Deine Bücher seien von einer Beschaffenheit, daß die Gelehrten schweigen sollten; ein nicht gar zu dummer Leser werde schon von selbst erkennen, was auf Deine Argumente zu antworten sei. So war ich schon im Begriff, Deine Thesen mit Schweigen zu übergehen, wenn Du mich nicht in Augsburg persönlich aufgefordert hättest, die Gründe für unseren Dissens zu erläutern. Daher habe ich Deinem Willen und Wunsch entsprechend Deine Bücher zur Verteidigung des Meßopfers noch einmal gelesen und überall Anmerkungen angebracht, wo mir ein Argument schwach erschien: nicht, um auf Deine Beleidigungen zu antworten, sondern um mit wenigen kurzen Gedankengängen ohne jedes beigemengte Gift mit Dir zu streiten, und das nicht mit Argumenten von Menschen, sondern mit solchen aus den kanonischen Schriften und überzeugenden Verkündern des Glaubens, aus denen allein die Christen ihre Waffen zum Kampf schmieden sollten. Deshalb bitte ich Dich erneut durch Christus, daß Du in Deiner Erwiderung Deine Leidenschaft zähmst, damit Du nicht gegen Deinen Bruder mit dem spitzfindigen Vorwand des Glaubenseifers ein neues Buch auf mich losläßt, als ob Du mich grundsätzlich für nicht schonenswürdig hieltest, sondern für einen Häretiker, der nach Deinem Urteil schon längst durch sich selbst verurteilt ist. Gib doch der heiligen Wahrheit der Schrift die Ehre, durch deren maßvolle und ernste Lektüre der Leser fromm und belehrt hervorgeht, anstatt als nur mit Schärfe allen jenen die Worte "Häretiker, Schisma, Aufruhr" und anderes dieser Art entgegenzuschleudern, die stets hartnäckig mit »unbeschnittenen Herzen und Ohren« dem die Wahrheit verkündenden Heiligen Geist Widerstand leisten. Mir bleibt allein das Verlangen, die Wahrheit so rein wie möglich zu erhalten und zu lehren, wie ich das nur zu wünschen vermag. Den Herrn bitte ich, mir den Geist der Wahrheit zu senden, in dessen Auftrag ich in kluger Einfalt »alles prüfen, und, was gut ist, behalten« könnte. Der Zorn Christi möge auf mich herabkommen, falls ich in diesem Buch etwas außer zu Seinem Ruhm und zum Aufbau der Kirche erstrebt hätte, wie es, so glaube ich, die Liebe fordert, die nach dem Zeugnis des Apostels »alles glaubt und erhofft«.

Die Gnade des Herrn sei mit Dir!

Aus Augsburg im Jahr seit Christi Geburt 1528 [nicht 1527!], am letzten Tag des März.