Briefwechsel Eck - Übersicht Reformationsgeschichte
Nr. 235
Antike Autoren berichten, wie die Griechen den Arzt Hippokrates gegen die Pest um Hilfe gebeten haben und sich Herkules göttliche Ehren verdient hat, als er die die Menschen bedrohenden Riesen zähmte. Größeren Ruhm wird Karl V. ernten, wenn er nach dem Beispiel seines Vorgängers Konstantin den gegenwärtigen Tumult in der Kirche beseitigt haben wird. Um diese Wiedergewinnung von Frieden, Ruhe und Eintracht beten alle Katholiken flehentlich, da anders Gottes Gnade nicht wiedererlangt werden kann, der kein Gott der Spaltung, sondern des Friedens ist. Es gilt, dem Wort des Paulus entsprechend unter den Christen keine Schismen zu dulden. Die Katholiken beweinen die Schismen, die Luther, Zwingli, Hubmair und Ambrosius Pneumaticus durch ihre häretischen Auffassungen von den Gelübden, der Eucharistie, der Taufe und der Heiligen Schrift ausgelöst haben. Eck selbst legt hier eine Erwiderung auf Zwinglis Bekenntnisschrift »Ratio fidei« vor, die dieser in Augsburg dem Kaiser hat überreichen lassen. Er widmet diese Arbeit dreier Tage dem Lütticher Kardinal im Wissen um dessen großen Einfluß als Berater Karls V., von dessen Einsatz für die Einheit der Kirche jetzt alles abhängt.
Reverendissimo In Christo
patri et dignissimo
Principi, Domino Erhardo ab
Arnberg S.R.E. Cardinali ac
Leodiensi Episcopo Domino
suo Clementissimo Ioh.
Eckius S.D. et parata offert
obsequia.
Tradunt veteres, Amplissime
Pater, Hippocrati medico
eminentissimo liratum esse A
Graecis tanquam praesenti
numini, quod ope operaque
sua contagionis luem,
pestemque luctuosam ex
Illirico irrumpentem
pepulerit: Hercules quoque
divinos meruit honores, quod
monstra hominibus noxia
domuit: Sed longe dignior
futurus est Augustissimus
Caesar Carolus V. Romanus
Imperator, Immortalemque
nominis sui gloriam
merebitur, si Constantini
magni exemplo,
pernitiosissimos ecclesiae
tumultus, quibus nec
graviores nec latius
divagatos unquam legimus,
autoritate sua et pietate
tollat et extinguat: Quod
Catholici omnes piissimis
votis precantur, ut sublatis
dissensionibus atque
discordiis, pax,
tranquillitas, concordia,
potissimum in sacra nostra
religione in Germaniam
redeat, cum alioqui minime
sperandum, Deum nobis fore
propitium, qui non
dissensionis est autor sed
pacis, nisi bene sarta
gratia in unitatem fidei
coeamus, si non omnes
arbitremur illud divi Pauli
dictum ad nos quoque
Germanos pertinere: »Obsecro
autem vos fratres per nomen
domini nostri Ihesu Christi,
ut idipsum dicatis omnes et
non sint in vobis
schysmata«. Nam peccatis
nostris exigentibus tot orta
sunt in fide schysmata, ut
vir Christianus absque magno
animi dolore nec cogitare
quidem ista possit. Quis
enim Catholicorum non
defleret vota cassata a
Lutero, missam et
Eucharistiam extinctam a
Zuinglio, Catabaptismum
reductum a Baldasare, vetus
et novum Testamentum
reiectum ab Ambrosio
Pneumatico. His monstris nisi Herculem et isti pesti Hippocratem dederit deus divum Caesarem, veh miserae et lacerae Germaniae. Repulimus Zuuinglii libellum, quem fidei suae confessionem Augusto Caesari fecerat praesentari, in quo si acerbior alicio videor, illum precor per superos, ne iudicet me amaro fuisse animo in Zuuinglii sectatores, sed ex Christiano pectore, ex fraterna charitate, me sumopere eis condolere, quod tot millia animarum periclitantur, non dico pereunt, nihilque magis mihi in votis esse, quam ut ad fidei unitatem pristinamque religionem revertantur, quod etsi de Haeresiarcha desperem, nam S. Paulus non frustra admonet eum post unam et alteram admonitionem vitandum esse, tamen confido in Deum patrem misericordiarum et in dominum Ihesum Christum salvatorem nostrum, plurimos iam per devia errorum vagantes, toto corde convertendos, et qui requirant dominum Deum, et confiteantur ei in ecclesia magna, et in populo gravi laudent eum. Hanc autem nostram
repulsionem tridui laborem,
Reverendissime Pater ac
purpuratorum decus, tuae
amplitudini dedicare volui,
non modo ob id, quod animum
meum tui studiosissimum
atque observantissimum
declararem, sed et quod tu
primatum omnium
sapientissime pro ea qua
vales apud divum Carolum
Caesarem maximum fide,
auctoritate et prudentia,
negotium fidei habeas
commendatum. Idque quod
facis, perpetuo facias, hoc
est: Insta, admone,
adhortare, urge Maiestatem
suam, quo afflictae et
periclitanti auxilietur
Germaniae, nam non
ignoramus, quanti faciat
M.S. consilia tua,
quantumque te Nestorem suum
faciat. Clementissimam amplitudinem tuam D.O.M. diu servet incolumem. Vale, Antistitum et praesulum ornamentum. Augustae 17. Iulij, 1530. |
Dem hochwürdigen Vater in Christus
und würdigstem Fürsten, Herrn
Erhard von Arnberg, Kardinal der
Heiligen Römischen Kirche und
Bischof von Lüttich, seinem
gnädigsten Herrn, entbietet
Johannes Eck seinen Gruß und seine
Gehorsamsbereitschaft. Aber viel würdiger wird der große Kaiser KARL V., Herrscher über das Heilige Römische Reich, sein, und er wird seinem Namen unsterblichen Ruhm verdienen, wenn er nach dem Beispiel des großen KONSTANTIN die für die Kirche sehr verderblichen Unruhen - wir haben nirgends gelesen, daß es je etwas Bedrohlicheres und weiter Verbreitetes als diese gab - durch seine Autorität und Frömmigkeit beseitigt und auslöscht. Das erbitten alle Katholiken mit innigstem frommen Gebeten, damit nach Aufhebung der Streitereien und der allgemeinen Zwietracht Frieden, innere Ruhe und Eintracht, besonders im Hinblick auf unsere Religion, nach Deutschland zurückkehren, da es anders keine Hoffnung gibt, daß Gott uns gnädig sein wird, der nicht ein Gott der Zwietracht, sondern Stifter des Friedens ist, wenn wir nicht aufgrund der geschenkten Gnade zur Einheit im Glauben zusammenkommen, wenn wir nicht alle glauben, daß jenes Wort des Heiligen PAULUS auch uns Deutsche angeht: »Ich bitte Euch aber, Brüder, im Namen unseres Herrn Jesus Christus, daß Ihr alle dasselbe redet und unter Euch keine Schismata bestehen.« Denn aufgrund unserer Sünden sind soviel Schismen im Glauben entstanden, daß ein Christ solches nicht ohne großen Seelenschmerz sich auch nur vorstellen kann. Welcher Katholik sollte nicht beweinen, daß von LUTHER die Gelübde gebrochen wurden, von ZWINGLI die Eucharistie ausgelöscht wurde, die Wiedertäufer durch BALTHASAR HUBMAIR wieder gekommen sind und das Alte und Neue Testament von dem Geistjünger AMBROSIUS abgelehnt wurden? Wenn Gott gegen diese Ungeheuer nicht einen HERKULES und gegen diese Pest einen HIPPOKRATES gesandt hätte, nämlich den göttlichen Kaiser: dann Wehe dem elenden und zerrissenen Deutschland! Ich habe das Buch ZWINGLIS »zurückgewiesen«, das dieser als Bekenntnis seines Glaubens dem großen Kaiser präsentiert hat: in dem - falls ich jemandem härter erscheinen sollte - ich ihn bei Gott bitte, nicht urteile (!), oder daß ich etwa bitterer Gesinnung gegen die Gefolgsleute ZWINGLIS sei! Ich bedaure sie vielmehr aus christlichem Herzen und brüderlicher Liebe, daß sie so viele tausend Seelen in Gefahr bringen, ich sage nicht: verderben! Nichts mehr als das wünsche ich innig, daß sie zur früheren Einheit und zur alten Religion zurückkehren, wenn ich das auch im Hinblick auf den Erzketzer ZWINGLI selbst bezweifle, denn der Heilige PAULUS ermahnt nicht umsonst, ihn »nach einer und einer zweiten Ermahnung zu meiden.« Dennoch vertraue ich Gott, den »Vater der Erbarmungen« und dem Herrn Jesus Christus, unserem erlöser, daß einige der bereits aud Abwegen Befindliche sich aus ganzem Herzen bekehren, die Gott den Herrn suchen und ihn in der großen Kirche bekennen sowie in der großen Menge des Volkes ernst loben. Diese unsere »Zurückweisung«, ein Werk von drei Tagen, hochwürdiger Vater und Zierde der Purpurträger, wollte ich Eurer Erhabenheit widmen, nicht nur deswegen, um Euch meine eifernde und demütige Gesinnung zu zeigen, weil Ihr, weisester aller Kirchenoberen, in den Dingen, in denen Ihr etwas beim göttlichen und größten Kaiser KARL geltet, nämlich durch Euren Glauben, Eure Autorität und Eure Klugheit, die Glaubenssache als Herzensangelegenheit Euch angelegen lassen sollt! Was Ihr in dieser Sache auch tut: tut es ohne Unterlaß, das heißt: drängt, ermahnt, weist hin, übt Druck aus auf Seine Majestät, damit dem angefochtenen und wankenden Deutschland Hilfe zuteil wird, denn wir wissen wohl, wie sehr Seine Majestät auf Euren Rat hört und wie sehr sie Euch als ihren Nestor betrachtet! Eure gnädigste Erhabenheit möge
der allmächtige Gott unversehrt
bewahren! Lebt wohl, Schmuck der Bischöfe und Prälaten. Augsburg, 17. Juli 1530. |