Briefwechsel Eck - Übersicht Reformationsgeschichte
Nr. 235

Eck an Kard. Erhard von Lüttich
Augsburg
17-07-1530


Widmung, in: J. ECK, Repulsio articulorum Zwinglii Caesareae Maiestati oblatorum. Iohanne Eckio authore 1530 In Julio Sub reverendissimi patris et amplissimi principis D. erhardi S.R.E. Cardinalis ac Leodiensis episcopi patrocinio. S.l.a. = Augsburg 1530 (= METZLER Nr 71(1))

Antike Autoren berichten, wie die Griechen den Arzt Hippokrates gegen die Pest um Hilfe gebeten haben und sich Herkules göttliche Ehren verdient hat, als er die die Menschen bedrohenden Riesen zähmte. Größeren Ruhm wird Karl V. ernten, wenn er nach dem Beispiel seines Vorgängers Konstantin den gegenwärtigen Tumult in der Kirche beseitigt haben wird. Um diese Wiedergewinnung von Frieden, Ruhe und Eintracht beten alle Katholiken flehentlich, da anders Gottes Gnade nicht wiedererlangt werden kann, der kein Gott der Spaltung, sondern des Friedens ist. Es gilt, dem Wort des Paulus entsprechend unter den Christen keine Schismen zu dulden. Die Katholiken beweinen die Schismen, die Luther, Zwingli, Hubmair und Ambrosius Pneumaticus durch ihre häretischen Auffassungen von den Gelübden, der Eucharistie, der Taufe und der Heiligen Schrift ausgelöst haben. Eck selbst legt hier eine Erwiderung auf Zwinglis Bekenntnisschrift »Ratio fidei« vor, die dieser in Augsburg dem Kaiser hat überreichen lassen. Er widmet diese Arbeit dreier Tage dem Lütticher Kardinal im Wissen um dessen großen Einfluß als Berater Karls V., von dessen Einsatz für die Einheit der Kirche jetzt alles abhängt.


Reverendissimo In Christo patri et dignissimo Principi, Domino Erhardo ab Arnberg S.R.E. Cardinali ac Leodiensi Episcopo Domino suo Clementissimo Ioh. Eckius S.D. et parata offert obsequia.

Tradunt veteres, Amplissime Pater, Hippocrati medico eminentissimo liratum esse A Graecis tanquam praesenti numini, quod ope operaque sua contagionis luem, pestemque luctuosam ex Illirico irrumpentem pepulerit: Hercules quoque divinos meruit honores, quod monstra hominibus noxia domuit:

Sed longe dignior futurus est Augustissimus Caesar Carolus V. Romanus Imperator, Immortalemque nominis sui gloriam merebitur, si Constantini magni exemplo, pernitiosissimos ecclesiae tumultus, quibus nec graviores nec latius divagatos unquam legimus, autoritate sua et pietate tollat et extinguat: Quod Catholici omnes piissimis votis precantur, ut sublatis dissensionibus atque discordiis, pax, tranquillitas, concordia, potissimum in sacra nostra religione in Germaniam redeat, cum alioqui minime sperandum, Deum nobis fore propitium, qui non dissensionis est autor sed pacis, nisi bene sarta gratia in unitatem fidei coeamus, si non omnes arbitremur illud divi Pauli dictum ad nos quoque Germanos pertinere: »Obsecro autem vos fratres per nomen domini nostri Ihesu Christi, ut idipsum dicatis omnes et non sint in vobis schysmata«. Nam peccatis nostris exigentibus tot orta sunt in fide schysmata, ut vir Christianus absque magno animi dolore nec cogitare quidem ista possit. Quis enim Catholicorum non defleret vota cassata a Lutero, missam et Eucharistiam extinctam a Zuinglio, Catabaptismum reductum a Baldasare, vetus et novum Testamentum reiectum ab Ambrosio Pneumatico.

His monstris nisi Herculem et isti pesti Hippocratem dederit deus divum Caesarem, veh miserae et lacerae Germaniae.

Repulimus Zuuinglii libellum, quem fidei suae confessionem Augusto Caesari fecerat praesentari, in quo si acerbior alicio videor, illum precor per superos, ne iudicet me amaro fuisse animo in Zuuinglii sectatores, sed ex Christiano pectore, ex fraterna charitate, me sumopere eis condolere, quod tot millia animarum periclitantur, non dico pereunt, nihilque magis mihi in votis esse, quam ut ad fidei unitatem pristinamque religionem revertantur, quod etsi de Haeresiarcha desperem, nam S. Paulus non frustra admonet eum post unam et alteram admonitionem vitandum esse, tamen confido in Deum patrem misericordiarum et in dominum Ihesum Christum salvatorem nostrum, plurimos iam per devia errorum vagantes, toto corde convertendos, et qui requirant dominum Deum, et confiteantur ei in ecclesia magna, et in populo gravi laudent eum.

Hanc autem nostram repulsionem tridui laborem, Reverendissime Pater ac purpuratorum decus, tuae amplitudini dedicare volui, non modo ob id, quod animum meum tui studiosissimum atque observantissimum declararem, sed et quod tu primatum omnium sapientissime pro ea qua vales apud divum Carolum Caesarem maximum fide, auctoritate et prudentia, negotium fidei habeas commendatum.

Idque quod facis, perpetuo facias, hoc est: Insta, admone, adhortare, urge Maiestatem suam, quo afflictae et periclitanti auxilietur Germaniae, nam non ignoramus, quanti faciat M.S. consilia tua, quantumque te Nestorem suum faciat.

Clementissimam amplitudinem tuam D.O.M. diu servet incolumem.

Vale, Antistitum et praesulum ornamentum.

Augustae 17. Iulij, 1530.

Dem hochwürdigen Vater in Christus und würdigstem Fürsten, Herrn Erhard von Arnberg, Kardinal der Heiligen Römischen Kirche und Bischof von Lüttich, seinem gnädigsten Herrn, entbietet Johannes Eck seinen Gruß und seine Gehorsamsbereitschaft.

Die Alten überliefern, hochgeehrter Vater, daß von den Griechen dem sehr bedeutenden Arzt HIPPOKRATES wie einer gegenwärtigen Gottheit Verehrung entgegen gebracht wurde, weil er mit all seinem Vermögen und seiner Kraft Lepra und bejammernswerte Pest, die aus Illyrien eingedrungen waren, vertrieben hat; auch HERKULES erwarb göttliche Ehren, weil er für die Menschen bedrohliche Ungeheuer bezähmte.

Aber viel würdiger wird der große Kaiser KARL V., Herrscher über das Heilige Römische Reich, sein, und er wird seinem Namen unsterblichen Ruhm verdienen, wenn er nach dem Beispiel des großen KONSTANTIN die für die Kirche sehr verderblichen Unruhen - wir haben nirgends gelesen, daß es je etwas Bedrohlicheres und weiter Verbreitetes als diese gab - durch seine Autorität und Frömmigkeit beseitigt und auslöscht. Das erbitten alle Katholiken mit innigstem frommen Gebeten, damit nach Aufhebung der Streitereien und der allgemeinen Zwietracht Frieden, innere Ruhe und Eintracht, besonders im Hinblick auf unsere Religion, nach Deutschland zurückkehren, da es anders keine Hoffnung gibt, daß Gott uns gnädig sein wird, der nicht ein Gott der Zwietracht, sondern Stifter des Friedens ist, wenn wir nicht aufgrund der geschenkten Gnade zur Einheit im Glauben zusammenkommen, wenn wir nicht alle glauben, daß jenes Wort des Heiligen PAULUS auch uns Deutsche angeht: »Ich bitte Euch aber, Brüder, im Namen unseres Herrn Jesus Christus, daß Ihr alle dasselbe redet und unter Euch keine Schismata bestehen.« Denn aufgrund unserer Sünden sind soviel Schismen im Glauben entstanden, daß ein Christ solches nicht ohne großen Seelenschmerz sich auch nur vorstellen kann. Welcher Katholik sollte nicht beweinen, daß von LUTHER die Gelübde gebrochen wurden, von ZWINGLI die Eucharistie ausgelöscht wurde, die Wiedertäufer durch BALTHASAR HUBMAIR wieder gekommen sind und das Alte und Neue Testament von dem Geistjünger AMBROSIUS abgelehnt wurden?

Wenn Gott gegen diese Ungeheuer nicht einen HERKULES und gegen diese Pest einen HIPPOKRATES gesandt hätte, nämlich den göttlichen Kaiser: dann Wehe dem elenden und zerrissenen Deutschland!

Ich habe das Buch ZWINGLIS »zurückgewiesen«, das dieser als Bekenntnis seines Glaubens dem großen Kaiser präsentiert hat: in dem - falls ich jemandem härter erscheinen sollte - ich ihn bei Gott bitte, nicht urteile (!), oder daß ich etwa bitterer Gesinnung gegen die Gefolgsleute ZWINGLIS sei! Ich bedaure sie vielmehr aus christlichem Herzen und brüderlicher Liebe, daß sie so viele tausend Seelen in Gefahr bringen, ich sage nicht: verderben! Nichts mehr als das wünsche ich innig, daß sie zur früheren Einheit und zur alten Religion zurückkehren, wenn ich das auch im Hinblick auf den Erzketzer ZWINGLI selbst bezweifle, denn der Heilige PAULUS ermahnt nicht umsonst, ihn »nach einer und einer zweiten Ermahnung zu meiden.« Dennoch vertraue ich Gott, den »Vater der Erbarmungen« und dem Herrn Jesus Christus, unserem erlöser, daß einige der bereits aud Abwegen Befindliche sich aus ganzem Herzen bekehren, die Gott den Herrn suchen und ihn in der großen Kirche bekennen sowie in der großen Menge des Volkes ernst loben.

Diese unsere »Zurückweisung«, ein Werk von drei Tagen, hochwürdiger Vater und Zierde der Purpurträger, wollte ich Eurer Erhabenheit widmen, nicht nur deswegen, um Euch meine eifernde und demütige Gesinnung zu zeigen, weil Ihr, weisester aller Kirchenoberen, in den Dingen, in denen Ihr etwas beim göttlichen und größten Kaiser KARL geltet, nämlich durch Euren Glauben, Eure Autorität und Eure Klugheit, die Glaubenssache als Herzensangelegenheit Euch angelegen lassen sollt!

Was Ihr in dieser Sache auch tut: tut es ohne Unterlaß, das heißt: drängt, ermahnt, weist hin, übt Druck aus auf Seine Majestät, damit dem angefochtenen und wankenden Deutschland Hilfe zuteil wird, denn wir wissen wohl, wie sehr Seine Majestät auf Euren Rat hört und wie sehr sie Euch als ihren Nestor betrachtet!

Eure gnädigste Erhabenheit möge der allmächtige Gott unversehrt bewahren!

Lebt wohl, Schmuck der Bischöfe und Prälaten.

Augsburg, 17. Juli 1530.