Briefwechsel Eck - Übersicht Reformationsgeschichte
Nr. 241

Eck an Erasmus
Augsburg
18-08-1530

ALLEN 9, 53f, Nr 2387

Ludwig Bär, der gemeinsame Freund, hat recht getan, Erasmus im Namen Ecks zu grüßen, denn es gibt zwischen ihm und Erasmus keinerlei Rivalität. Wohl hat ihn der häufige Kontakt des Erasmus mit den Feinden des Glaubens gestört. Daß Freunde ihn auf eine Stelle in einer Schrift Ecks hingewiesen haben, an der er Erasmus einen "kindischen" Theologen genannt haben soll, erstaunt ihn, da er ihn stets als eloquentesten aller Theologen bezeichnet habe. Daß vier Thesen des Erasmus in den »Vierhundertvier Artikeln« auftauchen, bereut Eck nicht; er hat aus dreitausend exzerpierten irrigen Artikeln für den Augsburger Reichstag zur Vorbereitung einer Disputation in Anwesenheit der lutherischen Fürsten vierhundert zur Publikation ausgesondert. Anstatt ihm zu zürnen, soll Erasmus lieber sich selbst zürnen, denn die vier erasmischen Artikel, die Eck unter die häretischen Sätze aufgenommen hat, erschienen ihm damals wie heute skandalös. Die Gunst der Zwinglianer und Lutheraner sucht Eck nicht. Daß der dem Erasmus nahestehende Quirinus Talesius »Apologetica« gegen die Straßburger geschrieben hat, freut Eck. Wenn Erasmus auch entschieden gegen die Irrlehrer auftreten würde, könnte er Eck zu seinen gehorsamsten Schülern zählen.


Ioannes Eckius
D. Erasmo Roterodamo Theologo S.D.

Quod Ludovicus Berus, communis amicus noster, eruditissime Erasme, meo nomine salutem tibi annunciavit, probe quidem fecit, et meo iussu; sed quod subindicas aliquam fuisse inter nos simultatem, non intelligo neque agnosco. Fateor mihi displicuisse, quod saepius quam cuniculi pariens tantopere distuleris hostes fidei aggredi, id quod abs te, ut fateris, saepius fuit petitum.

Affirmas te dissimulasse, quod amicis indicantibus in opere quodam meo infantilem te vocarim theologum. Id quomodo amici indicare potuerint miror, qui te eloquentissimum theologorum semper praedicem. In alium forte detorsi hunc aculeum, etsi suspicantur te fuisse notatum.

Quod ad sententias tuas attinet (ita enim tu eas asseris et vindicas), non inficior. Cum extraxissem 3000 articulorum e Lutheri et aliorum libris, delegi 400 his Comitiis publicandos: ut etiam feci, licet nemo mecum congredi voluerit, me id in conspectu principum Lutheranorum bis expostulante, praesentibus etiam concionatoribus Luteranis.

Allatae fuerunt mihi et illae sententiae quatuor, quas aliis dogmatibus inieci; videbantur enim mihi tunc, sicut et modo, scandalosae. Quod irasceris mihi proponenti, irascaris oportet primum et tibi, si tu prior illas assueris. Quid autem me offenderit in his sententiis quatuor supernumerariis, cum vacavero ab his Comitiis, non te celabo. Nec Zwinglianorum nec Lutheranorum gratiam quaero; gaudeo potius et malo illis diplicuisse.

Familiaris tuus Apologeticam adversus Capharnaitas Argentoracenses exhibuit, mihi crede gratissimum donum.

Quod si pergeres capere vulpeculas quae vineam Domini demoliuntur, filium me habiturus es et discipulum tui observantissimum.

Vale feliciter in Domino salvatore nostro.

Augustae 18. Septemb. Anno gratiae M D XXX.

Johannes Eck
entbietet dem Theologen Erasmus von Rotterdam seinen Gruß!

Daß LUDWIG BER, unser gemeinsamer Freund, sehr gelehrter Erasmus, Dich in meinem Namen gegrüßt hat, ist rechtens und geschah in meinem Auftrag. Daß Du aber unterschiebt, zwischen uns bestehe ein gespanntes Verhältnis, verstehe ich nicht und kann es auch nicht erkennen. Ich gestehe, daß es mir mißfallen hat, daß Du öfter als Junge werfende Kaninchen überall verbreitet habt, daß sich Feinde des Glaubens näherten, etwas, was, wie Du zugibst, öfter auch ohne Dich heraufbeschworen worden ist.

Du behauptest, ich hätte verheimlicht, daß ich in einer meiner Schriften Freunden, die es "verraten" haben, Dich einen »kindischen Theologen« genannt habe. Wie das Freunde sagen konnten, wundert mich, zumal ich Dich stets als sehr beredten Theologen bezeichnet habe. Ich habe diesen Stachel jedoch in einen anderen Sinns.

Was Deine Sätze angeht (so sehr behauptest und verteidigst Du sie!), so ficht mich dieser Protest nicht an. Als ich dreitausend Artikel aus den Schriften LUTHERS und anderer exzerpierte, wählte ich vierhundert aus, um sie dem gegenwärtigen Reichstag vorzulegen, wie ich es auch getan habe, obgleich niemand mit mir in Gegenwart der lutherischen Fürsten darüber disputieren wollte in Anwesenheit auch der lutherischen Prädikanten.

Mir wurden auch jene vier ominösen Sätze vorgetragen, die ich in den Zusammenhang mit anderen Lehren gestellt habe. Sie erschienen mir damals und auch noch heute als skandalös. Daß Du mir zürnst, sie mit vorgelegt zu haben, bedeutet notwendigerweise, daß Du Dir selbst zürnst, da Du sie als erster behauptet hast. Was mich aber in diesen vier überzähligen Sätzen gestört hat, werde ich Dir offenlegen, wenn ich von diesem Reichstag fort bin. Ich buhle nicht um die Gunst der Zwinglianer oder der Lutheraner; es freut mich und ich ziehe es vielmehr vor, ihnen mißfallen zu haben.

Dein Vertrauter hat eine Apologie gegen die Straßburger Kapharnaiten herausgegeben, eine, glaube mir, höchst willkommene Gabe!

Wenn Du weiter danach strebst, die Füchslein, die den Weinberg des Herrn untergraben, zu fangen, wirst Du in mir einen Sohn und Schüler haben, der Dir stets verpflichtet ist.

Lebe glücklich im Herrn, unserem Erlöser!

Augsburg, 18. September im Jahr der Gnade 1530.