Briefwechsel Eck - Übersicht Reformationsgeschichte
Nr. 246

Nikolaus Ellenbog an Eck
Ottobeuren
25-07-1531



Paris BN Ms lat 8643, 2, fol 62v - 63v
GEIGER, Ellenbog, Anhang II 8;
CCath 19/21 (Münster 1938), 297ff Nr 84


Die Anhänger Zwinglis treten jetzt in den unter ihrem Einfluß steghenden Reichsstädten offen als Häretiker auf; so sind am 20-07-1531 Franziskanerinnen des dritten Ordens gezwungen worden, aus Memmingen zu fliehen und in Ottobeuren Zuflucht zu suchen, und sie haben hier übernachtet, wenn auch nicht im Kloster selbst. Am nächsten Morgen trafen weitere Nonnen ein, um nach einer Mahlzeit nach Kaufbeuren weiterzuziehen und dort auf bessere Zeiten zu warten. Sie mußten ihre geistliche Kleidung mit weltlicher vertauschen, um aus Memmingen herauszukommen. Die verbliebenen vierzehn Nonnen hat der Memminger Rat gezwungen, entweder weltliche Kleidung anzulegen oder die Stadt zu verlassen. Sie wollten lieber fortgehen als ihren Gelübden untreu werden. Obleich zum Teil erst um die neunzehn Jahre alt, haben sie an innerer Größe so manchen Mann übertroffen. Mit ihrem Weggang hat der Rat von Memmingen Gottes Segen von der Stadt genommen; hinzu kommt die Abschaffung der Messe, die Entfernung der Heiligenbilder aus den Kirchen und die Zerstörung der Wandmalereien. Die Vorgänge erinnern an den Weggang Loths aus Sodom. Vielleicht verschont Gott Memmingen wegen der unschuldigen Nonnen. Ellenbog hält die Konstellation der Gestirne für die Ursache des gegenwärtigen Unglücks.


Frater Nicolaus Ellenbog
omnifariam doctissimo viro Ioanni Eckio S.D.

Literis proximis 5. Idus te datis accepisti, vir eruditissime, quomodo civitates Zwinglianae, immo diabolicae et Sathanicae se prodant et simulacione omni abiecta manifestissimos se hereticos ostendant.

Nunc dolenter tuae dignacioni praesentibus significo die 20. Iulii vesperi nonnullas sorores de tertia regula sancti Francisci exivisse Mamingum et hic quidem, sed non in monasterio pernoctasse; sequenti aurora reliquae sanctimoniales ac Deo devotae virgines eiusdem domus etiam civitatem egressae ad nos concesserunt et prandio sumpto pariter eadem die ad Kauffpeuren sese receperunt mansurae illic, donec benignior afflaverit aura. Exiverunt autem omnes mutatoo habitu civitatem, ut sic custodes portarum fallerent. Crede mihi, male habet Mamingenses illusos se a nonnis. Habuerunt autem innocentissimee ille virgines numero (nisi fallor) quatuordecim in mandatis a consulibus in Mamingo, ut aut abiectu habitu professionis suae caeteris in civitate per omnia se conformarent faeminis aut locum mutarent.

Illae autem nunquam satis laudandae virgunculae Deo plus quam hominibus obaudientes maluerunt sua relinquere quam Deo fidem fallere. Cerneres inter eas nonnullas undeviginti plus minus annos natas, forma specieque pulcherrimas, sed sii ad animum spectes, virtutibus ac probitate longe pulchriores ac nobiliores. Pudeat insanos Mamingenses innocentem a se gregem tam turpiter abegisse.

Ego plane id indubitato mihi persuadeo, quia salus omnis pariter cum sanctissimis illis virginibus egressa sit oppidum nec quicquam illic salutis residui esse, maximee quum post abominacionem desolacionis et iugis sacrificii profligacionem, sanctorum etiam imagines sculptas de ecclesia abstulerint et pictas in parietibus calce deleverint. Et haec quidem, quae scribo, verissima esse scias.

Ego dum exilium illarum virginum deploro, subit interim historia Loth, qui eductus ideo fuit de Sodoma. ne et ipse involveretur in malo eorum. Forsan hactenus Dominus pepercit Mamingo propter iustas illas innocentissimas animas. In malum ergo suum expulerunt Mamingenses innocentes a se, quatenus, dum soli sontes ibi habitant, pariter omnes pereant et, quorum una est perfidia, sit et una animadversio.

Caeterumm si patienter me audire paulisperque theologum exuere velis, nugari tecum libet.

Num tibi videtur Mars fideliter partes suas nunc exequi, qui post plures ac raras errorum coniunctionrs, quae paucis annis praecesserunt, necnon et luminarium ecclypses mortalium incommoda plurima, legum ac regnorum immutaciones iuxta mathematicorum interpretacionem praetendentes nunc nunc ipse in Ariete hoc est in domo sua existens fortis et potens benignumm Iovem, sed nunc debilem opposito inimicoque intuitu respiciens ut inimicus potenss ac furens supprimit et calcat?

Et quod in caelo visitur, in terris experimur. Et qualis est habitudo signorum in caelis, talis deprehenditur effectus significatorum in terra. Nec enim frustra commemorat scriptura luminaria posita in caelo, ut sint in signa. Nec etiam quottidianum est, ut Mars in suis dignitatibus fortis opponatur Iovi debilitato. Accedit autem ad Iovis infaelicitatem, quod anno 1524 quatuordecim coniunctiones fuerunt in Piscibus, in domo scilicet Iovis. Quis aestimare poterit, quantum incommodi et infortunii post se reliquerint tot insoliti insolentesque hospites in uno mense convenientes in domo Iovis Iove praesente? Certe plures eorum id effecerunt in ea, quod rustici anno 1525 in monasteriis et arcibus nobilium omnem fabricam devastaverunt nec reliquerunt habitacionem, quam non confregerint. Intantum itaque benignum Iovem infaelicitaverunt, ut etiam per longos annos vix tandem damnum, quod passus est, recuperare possit, hoc est, Ioviales homines mala, quae astra desuper intentant, per plures annos nolint velint (nisi Deus gratiose avertat) patientur. »Et nondum statim finis.«

Vale bene, humanissime integerrimeque vir, et nugas has meas, ut facili es natus ingenio, placido amicoque suscipias animo. Caeterum si perpendas, quia a multis annis nullas ad te dedi literas, facile nunc condonabis, si scribendo epistolae modum excessi.

Ora pro me Deum et Nicolaum tuum commendatum habeas semper.

Ex Ottenpurra in die sancti Iacobi apostoli 1531.

Bruder Nikolaus Ellenbog
grüßt den allseitig gelehrten Herrn Johannes Eck.

Aus dem letzten Brief, von mir am 11. Juli an Euch abgesandt, habt ihr entnommen, mein Hochgelehrter, wie die zwinglianischen, ja vielmehr teuflischen und satanischen Städte sich aufführen und jetzt ohne alle Geheimnistuerei ganz offen sich als Häretiker offenbaren.

Nun melde ich Euch in meinem neuen Brief voller Schmerz, daß am 20. Juli abends einige Schwestern vom Dritten Orden des Heiligen Franziskus Memmingen verlassen und hier, wenn auch nicht in unserem Kloster, die Nacht verbracht haben. Am folgenden Morgen haben die restlichen Nonnen, Gott geweihte Jungfrauen, aus demselben Haus auch die Stadt verlassen und sind zu uns geflohen. Nach Einnahme einer Mahlzeit haben sie sich noch am selben Tage nach Kaufbeuren begeben, um dort auszuharren, »bis ein besserer Wind weht«. Alle hatten vorher ihre Kleider gewechselt, um so die Torwachen zu täuschen. Glaubt mir: es steht übel um die Memminger, sich so von den Nonnen täuschen zu lassen!

Jene unschuldigen Jungfrauen, wenn ich mich nicht täusche, vierzehn an der Zahl, sollten das Mandat der Memminger Räte befolgen, entweder ihr Ordensgewand abzulegen und sich den übrigen Frauen in der Stadt anzupassen, oder diese zu verlassen. Jene Jungfrauen, die man nicht genug loben kann, wollten aber eher Gott als den Menschen gehorchen und somit lieber ihre Heimat verlassen als ihren Glauben an Gott verbergen. Ihr würdet unter ihnen kaum neunzehn Jahre alte, hübsch anzuschauende Jungfrauen finden, die aber im Hinblick auf ihre Tugenden und ihre Bescheidenheit noch viel schöner und edler sind! Die tollen Memminger sollten sich schämen, diese unschuldige Schar so schimpflich vertrieben zu haben.

Ich bin offen der festen Überzeugung, daß zusammen mit jenen heiligen Jungfrauen auch alles Heil aus der Stadt gewichen ist und dort nichts an Heil übrig bleiben wird, besonders nachdem nach der »abscheulichen Verwüstung« und der Abschaffung des ewigen Meßopfers sie auch die Bildnisse der Heiligen als Statuen aus den Kirchen entfernt und als Malereien an den Wänden mit Kalk zerstört haben. Und Ihr wißt wohl, daß das, was ich berichte, zutrifft!

Indem ich das Exil jener Jungfrauen beweine, fällt mir indessen die Geschichte Lots ein, der einst aus Sodom herausgeführt wurde, um nicht selbst in das Übel dort verstrickt zu werden. Vielleicht hat der Herr Memmingen wegen jener so unschuldigen gerechten Jungfrauen verschont. Zu ihrem Schaden haben also die Memminger die Unschuldigen vertrieben, damit, indem allein Schuldige dort wohnen, alle in gleicher Weise umkommen, und da ihre Perfidie eine gemeinsame ist, so auch ihre Bestrafung.

Im übrigen: wenn Ihr mir geduldig zuhören und für kurze Zeit den Theologen ablegen wollt, dürfte ich mit Euch etwas scherzen:

Erscheint Euch nicht Mars jetzt treu seine Bahn zu ziehen, aber nach vielen und seltsamen Konjunktionen von Abweichungen, die vor wenigen Jahren eingetreten sind, dennoch Eklipsen von Lichtern zum Schaden der Sterblichen und Veränderungen der Gesetze und Reiche gemäß der Deutung der Mathematiker geschehen, die vorgeben, daß Mars jetzt im Widder, das heißt: in seinem eigenen Haus, stark ist und Gott gnädig stimmt, plötzlich jedoch in gegensätzlicher und feindseliger Absicht schädlich erscheint und als mächtiger und rasender Feind unterdrückt und zertritt?

Und was man am Himmel beobachten kann, erfahren wir auf der Erde. Wie sich die Sterne am Himmel verhalten, so ist die Wirkung auf Erden. Nicht umsonst erinnert die Heilige Schrift daran, daß die Lichter am Himmel befestigt sind, um als Zeichen zu dienen. Es ist auch nicht alltäglich, daß Mars in all seiner Würde dem geschwächten Jupiter entgegentritt. Zum Unglück des Jupiter kommt noch, daß im Jahre 1524 sich vierzehn Konjunktionen in den Fischen, im Haus des Jupiters nämlich, befanden. Wer könnte abschätzen, wieviel Schaden und Unglück so ungewöhnliche und unübliche Gäste innerhalb eines Monats im Haus des Jupiter zusammentreffen, während er selbst anwesend ist? Gewiß haben viele von ihnen in ihm bewirkt, daß die Bauern im Jahre 1525 in den Klöstern und Burgen des Adels alle Einrichtungen verwüstet haben und keine Behausung verließen, ohne sie zu zerstören. Sie haben somit den gnädigen Jupiter so mit Unglück überhäuft, daß er durch lange Jahre kaum den Schaden, der geschehen ist, wieder gutmachen kann, das heißt, Menschen, die im Sternzeichen des Jupiter geboren sind, werden, ob sie wollen oder nicht (wenn Gott es nicht gnädig abwendet) das Übel, das die Sterne von oben anrichten, durch lange Jahre ertragen müssen. »Und noch ist kein Ende in Sicht.«

Lebt wohl, menschenfreundlicher und edler Freund, und nehmt diese meine Narreteien, da Ihr voller Nachsicht seid, sanft und freundschaftlich auf! Wenn Ihr übrigens bedenkt, daß ich an Euch viele Jahre keine Briefe geschrieben habe, werdet Ihr es mir gerne gestatten, wenn ich nun beim Briefe schreiben über das Ziel hinausgeschossen bin.

Bittet für mich Gott, und laßt Euch Euren Nikolaus stets anempfohlen sein!

Aus Ottobeuren am Tag des heiligen Apostels Jakobus 1531.