Briefwechsel Eck - Übersicht Reformationsgeschichte
Nr. 267

Eck an Pietro Paolo Vergerio
Ingolstadt
19-12-1533


Ms von Ecks Hand

Kaum war der Bote mit Brief und Buchgeschenk an Vergerio abgereist, drangen Ecks Mitbürger in ihn, sich bei Vergerio in einer schwierigen Angelegenheit einzusetzen, von der aber unsicher ist, ob sie zum Kompetenzbereich des Legaten gehört, d.h. ob seine Facultates über die Grenzen der Erbländer Kg. Ferdinands hinausgehen und ob die Sache möglicherweise zu den Reservatsfällen des Heiligen Stuhls gehört:

Anna besaß einen Ehegemahl, Georg, der kinderlos starb. Dieser hatte einen Verwandten, Leonhard, Sohn des Vaters Georg gleichen Namens mit seiner Schwester. Leonhard hat nun Anna in Unkenntnis des Ehehindernisses der Verwandtschaft geehelicht und die Ehe auch vollzogen. Beide wollen nun die feierliche kirchliche Eheschließung nachholen und bitten daher, über das mögliche Ehehindernis aufgeklärt zu werden und gegebenfalls päpstliche Dispens zu erhalten, um den guten Ruf der Witwe wiederherzustellen. Eck bittet Vergerio, alles Mögliche in dieser Sache zu tun, eventuell brieflich Dispens von der Kurie zu erbitten anstatt durch eine kostspieligere Bulle, denn es handelt sich um ehrenwerte, wenn auch unbemittelte Leute. Beiläufig möchte der Legat auch, wenn vorhanden, ein gedrucktes Exemplar seiner Facultates als päpstlicher Legatus a latere senden; Eck wird es nach Abschrift wieder an ihn zurücksenden.


S.P. et animum obsequendi paratissimum.

Cogor, Reverendissime pater, esse importantis concivium meorum impulsu: nam vix ablegaveram nuncium cum libro, et ecce ad me veniunt vicini instanter petentes, ut in casu subscripto R.P.V. consulam.

Quod etsi maxime adfestus sim eis morem gerere, tum ob has ferme rationes difficilius sum eis obsecutus. Tum quod ignorem tenorem facultatum vestrarum, tum, quod me praetereat, an illae se extendant etiam in alias quam haereditarias Serenissimi REGIS terras. Et postremo quod verear ne casus iste solo Romano Pontifici sit reservatus, at tamen adeo instanter precibus suis regebant ut viris honestissimis id denegare non auderem.

Est autem casus istiusmodi:

Anna habuit virum Georgium, sine sobole demortuum. Georgio fuit consanguineus, quidam Leonhardus, qui patris Georgii fuit ex sorore filius.

Homines isti iuris ignari credentes affinitatem non impedire matrimonium contraxerunt per verba de praesenti, forte carnali copula subsecuta, et publicatum est hoc matrimonium per universum oppidum.

Et dum vellent in facie ecclesiae sollemniter pro more peragere, redduntur certi per prudentiores de impedimento, ut autem honor viduae illibatus conservaretur, parentes utrimque cuperent famae consultum amborum, ac per dispensationem apostolicam impedimentum illud amoveri.

Stephanus
Georgius pater - Anna soror Georgii
Anna uxor relicta
Georgius maritus mortuus
Leonhardus filius Annae

Nunc Anna relicta Georgii contraxit per verba de praesenti cum Leonhardo.

Et etsi homines sint humiles ac mediocrium dumtaxat facultatum, tamen parentes et amici ex utraque parte maxime cupiunt, ut matrimonium sortiatur effectum. Impetrarunt itaque impulsu precum suarum apud me, ut hasce literas exararem ad Reverendissimam Paternitatem Vestram in hunc potissimum finem:

PRIMO: ut certior fier an R.P.V. habeat in facultatibus suis, quod possit dispensare in praesenti casu: viso et attento quod missa est a S.D.N. cum potestate legati de latere, attento etiam eo quod solum ibi est impedimentum affinitatis, non sanguinis.

SECUNDO: si R.P.V. hoc in facultatibus habuerit, quantum esset solvendum pro expeditione literarum, nam non sunt locupletes; diligunt tamen honestatem et famam. Credo tamen, quod expenderent quinquaginta ducatos.

Utcumque ita ab amicis interpellatus intercedo pro eisdem, ut si possibilis sit R.P.V. petitioni meae acquiescere, non gravatim hoc faciat, et cum hoc nuncio ... rescribi. Et si preces meorum obtinuerunt, confestim remittemus nuncium pro expeditione bullae.

Si R.P.V. habet exemplar facultatum impressum, poterit mihi unum transmittere, ut dum ad me recurritur, possim ... tuto ad R.P.V. remittere.

Nam si in quacumque re R.P.V. inservire possem, persuadere vobis me prompte hilariter atque diligenter perfecturum. Quae valeat iucundissime sana et incolumis.

Ingoldstadii die 19. Decembris Anno salutis humanae M.D.XXXIII.

E.R.P. obsequentissimus Capellanus
Ioh. Eckius.


Gruß und Gehorsam!

Ich bin durch Anregung eines wichtigen meiner Mitbürger, hochwürdigster Vater, veranlaßt worden, mich an Euch zu wenden, denn kaum hatte ich den Boten zusammen mit dem Buch verabschiedet, kamen Nachbarn mit der dringenden Bitte zu mir, um im unten aufgeführten Rechtsfall Eure hochwürdigste Väterlichkeit um Rat zu bitten.

Wenn ich ihrem Wunsch auch unbedingt entsprechen will, so sehe ich in ihren Anliegen doch einige Schwierigkeiten: ich weiß nichts von der Art Eurer Vollmachten: ob diese sich auch auf andere Gebiete beziehen als auf die Erblande des erhabenen Königs, schließlich, weil ich fürchte, daß dieser Fall allein dem römischen Papst reserviert ist. Da sie mich aber mit solchen dringlichen Bitten bestürmten, wollte ich nicht ablehnen.

Es handelt sich um folgende Sachlage:

Anna hatte als Gemahl Georg, der ohne Nachkommen gestorben ist. Georg hatte einen Blutsverwandten, einen gewissen Leonhard, Sohn der Schwester des Vaters Georg.

Diese des Rechts unkundigen Menschen haben im Glauben, ihre Verwandtschaft sei kein Hindernis, sich das Eheversprechen gegeben und diese auch körperlich vollzogen. Diese Eheschließung ist in der ganzen Stadt bekannt gemacht worden.

Als sie aber wie üblich diese Eheschließung feierlich im Angesicht der Kirche begehen wollten, wurde ihnen durch erfahrenere Juristen eröffnet, daß ein Ehehindernis vorliege. Damit die Ehre der Witwe unbefleckt bewahrt wird, wünschten die Eltern beider eine Beratung zur Wahrung ihres Rufes und daß durch päpstlichen Dispens jenes Ehehindernis ausgeräumte werde.

Stephan
Vater Georg Anna, Schwester Georgs
Anna, verwitwete Ehefrau
Georg, der verstorbene Ehegemahl
Leonhard Sohn Annas

Nun hat sich die Witwe Georgs, Anna, durch Eheversprechen mit Leonhard verbunden.

Wenn es sich auch um einfache Menschen mit bescheidenem Vermögen handelt, so begehren doch die Eltern und Freunde beider Parteien, daß die Eheschließung für gültig erklärt wird.
Sie baten mich daher flehentlich, diesen Brief an Eure hochwürdigste Väterlichkeit mit folgenden Ziel anzufertigen:

1). Daß ich mich kundig mache, ob Eure hochwürdigste Väterlichkeit unter ihren Vollmachten auch jene besitzt, im vorliegenden Fall Dispens zu gewähren, wohl wissend, daß Ihr vom Papst in der Kompetenz eines persönlichen Legaten ausgesandt seid, aber auch, daß es sich hier um ein Ehehindernis der Verwandtschaft, nicht des Blutes, handelt.

2). Sollte Eure hochwürdigste Väterlichkeit eine solche Vollmacht besitzen, ob das per Bulle geschehen muß, da sie nicht vermögend sind; dennoch lieben sie Ehrbarkeit und Ruf. Ich glaube dennoch, daß sie fünfzig Dukaten zahlen würden.

Ich appelliere also, von den Freunden der beiden aufgefordert, für diese, daß Ihr, falls es Eurer hochwürdigsten Väterlichkeit möglich sein sollte, meiner Bitte zu entsprechen, das nicht aufwendig vollzieht und mit dem Boten...absprecht. Wenn den Bitten meiner Leute entsprochen wird, werden wir sofort den Boten zur Ausfertigung der Bulle zurücksenden.

Falls Eure hochwürdigste Väterlichkeit ein gedrucktes Exemplar Eurer Vollmachten besitzt, könntet Ihr mir eins schicken; wenn es bei mir eintrifft, könnte ich es dann sicher an Eure hochwürdigste Väterlichkeit zurückschicken.

Sollte ich Eurer hochwürdigsten Väterlichkeit in irgendeiner Angelegenheit dienen können, versichere ich Euch, das sofort, heiterer Gesinnung und mit Sorgfalt durchführen zu wollen. Bleibt gesund und unversehrt!

Ingolstadt, 19. Dezember im Jahr des Heils der Menschheit 1533.

Eurer hochwürdigsten Väterlichkeit gehorsamster Kaplan
Johannes Eck.