Briefwechsel Eck - Übersicht Reformationsgeschichte
Nr. 285

Eck an Aleander
Ingolstadt
-09-1534


Rom, Cod Vat 6199, fol 109rv (Orig.-Ms)
FRIEDENSBURG, Beiträge 215ff, Nr 117

Nach Aleanders Abreise von Regensburg hat Eck ihm drei Briefe geschickt; einem waren die Predigten »De speranda victoria ex Thurca« beigelegt. Eck hat zwar keine Antwort, hofft aber, daß nichts verlorengegangen ist. Dennoch will er gegenüber Aleander über seine Tätigkeit berichten: die »Homiliae de tempore et sanctis« sind jetzt lateinisch erschienen; den 4. Band der »Homiliae de sacramentis« hat er auf Drängen des Mainzer Kardinals in Deutsch erscheinen lassen. Albrecht hat ihn mit 100 Goldgulden entlohnt und erwartet dafür, daß auch die Sakramentspredigten bald in Lateinisch erscheinen. Dazu kommen die erwähnten fünf »Homiliae de speranda victoria ex Thurcis« und die Widerlegung der auf Betreiben des Markgrafen Georg veröffentlichten häretischen Nürnberger Kirchenordnung, die auch von lutherisch gesinnten Nürnberger Bürgern abgelehnt wird: so nannte Christoph Kreß die lutherischen Prädikanten ehrgeizige Verführer. Ein neues Unheil droht in Württemberg, wo Hg. Ulrich nach seiner Rückkehr aus Hessen, von der Häresie angesteckt, sein volkreiches Herzogtum zu vergiften beginnt. Noch hat das keinen Einfluß auf den Gottesdienst gehabt, jedoch hat Ulrich gleich nach seinem Regierungsantritt lutherische Prädikanten berufen. Der Konstanzer Benediktiner Ambrosius Blarer hat den Zwinglianismus in vielen Städten Schwabens verbreitet. Nach Zwinglis Tod ist er der Vorsteher der "Sakramentierer" geworden; zwar hat er in Gegenwart des Hg. Ulrich widerrufen, aber nur um der Freiheit willen, neue Irrlehren zu predigen. Es heißt, daß sich die Straßburger mit ihrer »Konkordie« dem Luthertum zuwenden wollen: sie wären dann für die Katholiken um so gefährlicher. Philipp von Hessen arbeitet an einer Vereinigung der Zwinglianer mit den Lutheranern. Auf altkirchlicher Seite streiten die bayerischen Herzöge, Herzog Georg von Sachsen (unter Mithilfe des Cochlaeus) und Kurfürst Joachim von Brandenburg. Die Entwicklung in Augsburg wendet sich zum Schlechten: katholisches Predigtverbot auch in der Kathedrale; Schließung aller Kirchen bis auf die Kollegiatskirchen; man folgt hier mehr Zwingli als Luther. Bisher hat man aus Furcht vor den bayerischen Herzögen vor diesen Schritten zurückgescheut; seit man Hg. Ulrich von Württemberg als Verbündeten in der Häresie hat, halten sich auch die Bayern zurück. Eck hat Aleander brieflich um Rücksendung seiner Bücher gebeten; er könnte in Venedig den Statthalter der Fugger Kolb damit beauftragen, der in ständiger Verbindung mit Augsburg steht. Auch soll Aleander Eck beim Papst in Erinnerung bringen und in Zukunft für geregelten Briefverkehr sorgen.


S.P. et paratissima obsequia.

Post tuam ex Ratisbona abitionem, reverendissime pater et patrone colendissime, ternas ad te dedi literas, quarum unas comitabantur »Homilias de speranda victoria ex Thurca«. Vehementer autem dubito an bona fide sint redditae, cum nullum acceperim ex te responsum et nec teruncio mihi in hanc horam profuerit tua apud Sanctissimum Dominum Nostrum commendatio.

Rationem tamen reddam Amplitudini Tuae insumpti interea laboris ac temporis:

feci ut homiliae nostrae de tempore et sanctis latine loquerentur; quartum tomum »Homiliarum de sacramentis ecclesiae« cum hic maxime nos haeretici impugnent, jussu Reverendissimi cardinalis Moguntini lingua nostra edidi. Remuneravit cardinalis labores meos centum aureis monuitque ut quamprimum verteretur in latinum etiam hic tomus, in quo jam desudo.

Feci praeterea quinque illas »Homilias de speranda victoria ex Thurcis«, quarum supra memini; et dum marchio Georgius cum Nerobergensibus novam edidissent haereticam ac schysmaticam ordinationem, confutavi illam magnorum virorum jussibus. Acceptus est plausibiliter libellus iste etiam a multis Luteranis et nauseant super predicatoribus suis Nerobergenses, adeo ut publice fateatur Christophorus Kressus primus civitatis novos illos sacerdotes esse homines nequam, seductores, avaros, ambitiosos etc. Inii quoque magnam gratiam cum viro.

At nova calamitas imminet negotio fidei ob reditum Ulrici ducis Wertenbergensis, qui apud Hessum infectus hac lue instillabit virus toti huic ducatui populosissimo; nam etsi nondum aliquid mutaverit in sacris, tamen verendum est, cum viderit se firmatum in imperio, omnia sit subversurus; nam mox in ingressu regiminis admisit ludderanos praedicatores.

Ambrosius Blarer Constantiensis, apostata Benedictinus, multa oppida Sveviae subvertit Zuinglianismo: Constantiam, Memingen, Campodunum, Eysen, Biberacum, Ulmorum urbem ac Esselingam; hic habitus est, postquam occubuit Zuinglius, antistes sacramentariorum. Sed modo revocavit coram duce Udalrico, fraudulenter, ut praesumo, solum ut permittatur libere praedicare haereses alias in ducatu.

Ajunt et Argentoratum huc respicere, ut abjecto Zuinglianismo conjungantur Luderanis; nam sic concordia magis nocebunt Catholicis et ecclesiae. Hessus totus jam in eo laborat ut uniat Zuinglianos ac Ludderanos.

Principes Bavariae adhuc perstant fortiter in fide patrum; idem facit dux Georgius Saxo (apud quem non sine periculo indesinanter adhuc egregie pro fide Cochleus noster) et marchio Brandenburgensis Joachim elector.

Augustenses quotidie deficiunt in pejus; interdixerunt Catholicis etiam in ecclesia cathedrali munus contionandi ac omnes ecclesias clauserunt non collegiatas; plus sequuntur Zuinglium quam Luderum. Hactenus non fuerunt ausi hoc facere metu principum meorum; et iam nacti Udalricum Wirtenbergensem consortem erroris minoris faciunt principes meos.

Scripsi superioribus literis quam cupiam restitui mihi libros meos: cronica Polonorum et Hungarorum; quod commode fieri posset, si Kolbio Fuckerorum factori praesentarentur Venetiis, qui cum aliis vecturis facile destinaret Augustam ad Fuckeros.

Rogo etiam plurimum Reverendissimam Amplitudinem Tuam, commenda me simul cum effectu pontifici, ut non solum verbis, sed re ipsa experiar michi Suam Sanctitatem esse benevolentem.

Vel per amanuensem cura ut literas tuas aspiciam; nam hic Amantius poeta noster, vir bonus et literatus, quamprimum ad nos est rediturus, utinam onustus literis tuis.

Vale et salve foelicissime.

Ingoldstadii Bajoariae anno a natali christiano 1534.

Gruß und bereitwilligster Gehoram!

Nach Eurem Weggang von Regensburg, hochwürdigster Vater und verehrenswerter Patron, habe ich Euch drei Briefe geschrieben, wobei einem die Homilien »über den zu erhoffenden Sieg über die Türken« beigelegt waren. Ich bezweifle stark, daß sie guten Glaubens weitergegeben wurden, denn ich habe von Euch keine Antwort bekommen noch hat mir Eure Empfehlung beim Papst das Mindeste an Nutzen gebracht.

Dennoch werde ich Eurer Erhabenheit Aufschluß geben darüber, womit ich meine Bemühungen und meine Zeit verbracht habe:

ich habe meine Homilien zum Kirchenjahr und den Heiligenfesten ins Lateinische übertragen; den vierten Band der Homilien über die Sakramente der Kirche - da uns die Häretiker in diesem Punkt mit Vorzug angreifen - habe ich auf Anweisung des Mainzer Kardinals in deutscher Sprache herausgegeben. Der Kardinal hat meine Mühen mit hundert Gulden vergolten und mich ermahnt, auch diesen Band sobald wie möglich ins Lateinische zu übersetzen, womit ich jetzt beschäftigt bin.

Ich habe außerdem jene fünf Homilien »über den zu erhoffenden Sieg über die Türken« geschrieben, die ich oben erwähnt habe. Weil der Markgraf GEORG zusammen mit den Nürnbergern eine neue häretische und schismatische Kirchenordnung herausgegeben hat, habe ich diese auf Anweisung hoher Herren widerlegt. Auch von vielen Lutheranern ist das Buch mit Beifall aufgenommen worden, und sie scheuen vor ihren Nürnberger Predigern zurück, wie ihr Bürgermeister CHRISTOPH KRESS öffentlich bekannt hat, jene Priester seien nichtsnutzige Menschen, Verführer, Geizhälse, Ehrgeizlinge und so fort. Ich bin dem Mann sehr zu Dank verpflichtet.

Ein neues Unglück für die Sache des Glaubens droht mit der Rückkehr des Herzogs von Württemberg, ULRICH. Dieser hat sich beim hessischen Landgrafen mit der Seuche angesteckt und wird nun diesen Krankheitskeim in seinem ganzen volkreichen Herzogtum verbreiten. Wenn er auch noch nichts in der Ausübung der Religion geändert hat, so steht doch zu befürchten, wenn er sich erst in seiner Herrschaft bestärkt sieht, daß er alles umstürzen wird, denn unmittelbar bei seinem Regierungsantritt hat er lutherische Prediger zugelassen.

AMBROSIUS BLARER aus Konstanz, ein Apostat aus dem Benediktinerorden, hat viele Städte Schwabens dem Zwinglianismus zugeführt: Konstanz, Memmingen, Kempten, Isny, Biberach, Ulm und Esslingen: hier ist er nach ZWINGLIS Tod Oberhaupt der Sakramentarier geworden. Er hat gerade in Anwesenheit des Herzogs ULRICH in betrügerischer Absicht, wie ich glaube, Widerruf geleistet, allein damit ihm erlaubt sei, andere Häresien im Herzogtum zu predigen.

Es heißt, daß auch Straßburg beabsichtigt, nach Ablegung des Zwinglianismus sich mit den Lutheranern zu verbinden, denn so werden sie mit ihrer »Konkordie« den Katholiken und der Kirche mehr Schaden zufügen. Der hessische Landgraf müht sich mit allen Kräften um eine Einigung zwischen Zwinglianern und Lutheranern.

Die bayerischen Fürsten stehen bisher tapfer zum Glauben der Väter; ebenso verhalten sich der sächsische Herzog GEORG (bei dem nicht ohne Gefahr unser COCHLÄUS unentwegt und geschickt für den Glauben eintritt) und der brandenburgische Kurfürst JOACHIM.

Die Augsburger entwickeln sich immer mehr zum Schlechten; sie haben den Katholiken auch im Dom das Predigen verboten und alle Kirchen, die nicht Kollegiatskirchen sind, geschlossen; sie folgen mehr ZWINGLI als LUTHER. Aus Furcht vor meinen Fürsten haben sie es noch nicht in die Tat umzusetzen gewagt; schon haben sie Herzog ULRICH zum Gesinnungsgenossen ihres Irrtums gewonnen und setzen unsere Fürsten herab.

In den vorausgegangenen Briefen habe ich geschrieben, daß ich gern meine Bücher zurückhaben möchte: die polnische und die ungarische Chronik. Das könnte bequem geschehen, wenn sie dem Fuggermeister KOLB in Venedig übergeben würden, der mit anderen Transporten auch an die Fugger in Augsburg ausliefern würde.

Auch bitte ich Eure Erhabenheit sehr, mich nachhaltig dem Papst zu empfehlen, damit ich nicht nur durch Worte, sondern auch durch Taten erfahren kann, daß Seine Heiligkeit mir wohlwollend gegenüber steht.

Sorgt durch Euren Sekretär, daß ich Eure Briefe auch erhalte. Hier ist unser Dichter AMANTIUS, ein guter und gebildeter Mann, im Begriff, sobald als möglich zu uns zu kommen, hoffentlich mit Briefen von Euch beladen!

Lebt wohl und alles Gute!

Ingolstadt in Bayern, im Jahr nach Christi Geburt 1534.