Briefwechsel Eck - Übersicht Reformationsgeschichte
Nr. 286
Paris BN ms lat 8643, 2, fol 121r - 122r
CCath 19 (Münster 1938), 335ff Nr 67
D. Ioannes Eckius patri Nicolao Ellenbog
Quinpocius pro gloria ducere debuit me sub ditione sua natum esse, cum pontifex, cardinales, episcopi ac praelati Eckium sibi habeant commendatissimum, quod ex hoc intelligas velim, eum a Ianuario huius anni 1534 reverendissimus cardinalis Moguntinus centum florenos in auro dederit, dux Georgius Saxo triginta florenos, archiepiscopus Treverensis 60 florenos in auro, episcopus Bambergensis poculum deauratum pro 50 florenis, episcopus Herbipolensis 40 florenos, universitas nostra 10 florenos, abbas in Weingarten vas vini albi, abbas in Salem vas vini rubei satis magnum, episcopus Frisingensis vas unum electi vini Athesini et aliud vas vini Austriaci, Raymundus Fucker vasculum, quod vulgo lagenam appellant, vini dulcis. Taceo de aliis praelatis, quae mihi et meis donaverunt. Haec non dixerim per iactantiam, sed ut oculata fide monstrarem, quibus beneficiis caeteri praelati me afficiunt; et adhuc aliquotta pars anni superest, quae, ut spero, non abibit indonata. Quanto autem charior fuisset mihi illius praelati amicitia, sub quo natus, sub quo tot annis pater, anus, atavus fideles subditi extiterunt et vasalli! Nunquam ego passus sum odium dominarier adversus eum, sed semper lubens illius exosculatus essem amicitiam, neque nunc refragor. Et ut nihil invidiae mentem meam obsedisse intelligas, iam velim nomine et verbis meis eum salutes. Quod autem petis, ut ad vos ascendam, statueram equidem hoc autumnali iustitio per Rockenburgum usque ad Überlingam ascendere; verum hoc propositum mutavit reverendissimus cardinalis Tridentinus, qui me literis suis ternis evocavit; cui ut paream, necesse est. Publice autem iam praelego psalmos Davidicos, in quo mihi magna cura est, ut defendam lectionem ecclesiae, quae mihi magis probatur quam Hieronymi et aliorum. Video enim, quomodo Lyre, Felix Sanctes, Caietanus, Felinus et plures novelli Hebreisantes decepti sint in corrigenda ecclesiastica lectione, velut in hoc versu, in quo heri sub nocte laboravi, psalm. 16: »ut pupillam oculi«. Verterunt aliqui »filiam oculi« »bath-ajin« aspicientes ad hoc, quod filiam significat, cum etiam pupillam significet. tren. 2. Fateor in radice geminat »b«, ut Zachariae 3. Tamen iuxta ideoma linguae sanctae geminata tam in fine quam in principio per apheresi amittunt unam etc. Sic in eodem psalmo »non est inventa in me iniquitas« legunt comuniter active »non invenisti« vel »non invenies«. Septuaginta legerunt passive, et bene, cum »timza« sit passivum, quod indicat punctus. Verum est, quod Avenazra et aliqui rabini punctant »aleph« cum ».«. Et ubi legimus iniquitas, ipsi verbaliter exponunt cogitavi, cum »wetothi« plus habeat formam nominis propter »taw« cum affixo, cum pro verbo deberet dicere »wetthi« vel »wetetthi«. Et thargum chaldaicum habet punctum. Et licet Samosi significet cogitaciones meas in genere, tamen plerumque usurpatur in malam partem, Proverb. 2 et alibi. Ideo non mirum, quod Septuaginta verterunt »adikia«, quia, qui tam iustus est, ut non inveniatur in eo prava cogitacio, nullum certe reperitur peccatum. Sed quorsumm rapior? Volui in uno verbo ostendere, quam facile ecclesiastica lectio defendatur ab oblatrantibus. Adhuc sum in labore vertendi tomi de sacramentis. Postea remis et velis huic negocio intendam. Vale incolumis, et me orationibus tuis commendatum habe. Ingolstadii raptissime ipso die Nativitatis Mariae 1534. |
Doktor Johannes Eck sendet Pater Nikolaus
Ellenbog Ich bedaure sehr, mein gelehrter Nikolaus, daß
Euer Abt, den ich auf vielfache Weise als Freund
gewinnen wollte, diese Bemühungen nicht nur stets
abgewiesen, sondern sogar verachtet hat; daß er
gegenüber meiner Schwester so hart vorgegangen
ist, scheint gänzlich darauf gerichtet gewesen zu
sein, mir seine Mißachtung zu zeigen, und das ohne
meine Schuld. Wenn meine Verwandten alle Schuld
auf den verstorbenen Gastwirt lenken, so scheint es
mir dennoch eines solchen hochgestellten Prälaten
unwürdig, daß er durch einen Menschen so heftig
gegen Eck eingenommen ist. Denn eigentlich sollte
er vielmehr sich als Ruhm anrechnen, daß ich unter
seiner Herrschaft geboren bin, da doch Eck bei
Papst, Kardinälen, Bischöfen und Prälaten wohl
gelitten ist, was Ihr zum Beispiel daraus erkennen
könnt, daß seit Januar 1534 der hochwürdigste
Kardinal von Mainz mir 100 Goldgulden geschenkt
hat, der sächsische Herzog GEORG 30 Gulden, der
Trierer Erzbischof 60 Goldgulden, der Bamberger
Bischof einen vergoldeten Pokal für 50 Gulden, der
Würzburger 40 Gulden, unsere Hochschule 10
Gulden, der Abt von Weingarten ein Faß
Weißwein, der von Salem ein ziemlich großes Faß
Rotwein, der Freisinger Bischof ein Faß erlesenen
Athesinerwein und ein weiteres aus Österreich,
RAIMUND FUGGER ein Tonfäßchen mit
Henkeln, genannt Lagena, voller süßem Wein. Von
den anderen Prälaten, die mich und die Meinen
beschenkt haben, will ich ganz schweigen. Ich
berichte das nicht aus Anmaßung, sondern um
glaubhaft zu zeigen, was für Wohltaten mir die
übrigen Prälaten erweisen, und bisher ist kaum eine
Jahreszeit, wie ich hoffe, ohne Geschenke
vergangen. Um so teurer wäre mir daher die Freundschaft jenes Prälaten, unter dessen Herrschaft ich geboren wurde und so viele Jahre mein Vater, Großmutter und Großvater als treue Untertanen und Vasallen gelebt haben! Niemals habe ich Haß ihm gegenüber aufkommen lassen, sondern ich hätte liebend gern seine Freundschaft erlangt; auch jetzt noch lehne ich das nicht ab. Und damit Ihr erkennt, daß mich keinerlei Abneigung ihm gegenüber erfüllt, möchte ich, daß Ihr ihn in meinem Namen ausdrücklich grüßt. Da Ihr bittet, Euch zu besuchen, hatte ich eigentlich beschlossen, zum Herbstgericht über Roggenburg nach Überlingen zu reisen; diese Absicht aber durchkreuzte der hochwürdigste Kardinal von Trient, der mich in drei Briefen zu sich rief; ich muß seinem Wunsch folgen. Ich halte im Augenblick öffentliche Vorlesungen
über die davidischen Psalmen, wobei ich mich um
die Verteidigung der kirchlichen Auslegung
bemühe: diese ist mir wichtiger als die des
HIERONYMUS und anderer. Ich sehe nämlich,
wie sehr LYRA, FELIX PRATENSIS, SANTES
PAGNINO, CAJETAN, BUCER und viele
Anfänger im Hebräischen bei Korrekturen des
kirchlichen Textverständnisses Täuschungen
unterliegen, wie zum Beispiel in jenem Vers, an
dem ich gestern Nacht gearbeitet habe: Psalm 16, 8 »wie ein Augapfel«. Einige übersetzten »Tochter des Auges« und lesen »bath-ain«, was »Tochter« bedeutet, wo es doch »Augapfel« heißt: Klagelieder 2, 18. Ich räume ein, in der Wurzel verdoppelt »beth«, wie in Sacharja 2, 8. Dennoch geht nach den Gesetzen der heiligen Sprache bei Verdoppelungen sowohl am Ende wie am Anfang eines verloren und so fort. So wird im selben Psalm »in mir wird keine Sünde gefunden« übereinstimmend im Aktiv gelesen:; »du hast nicht gefunden« oder »du wirst nicht finden«. Die Septuagunta liest ein Passiv, und zwar zutreffend, denn »thimese« ist Passiv, wie der Punkt »sere« andeutet. Richtig ist, daß ABEN BEN EZRA und einige Rabbinen das »aleph« mit »quames« punktieren, und wo wir »Sünde« lesen, haben diese wörtlich »ich habe erkannt«, denn »wamothi« hat wegen des »thet« mit Affix eher die Nominalform, denn als Verb müßte es heißen »wamthi« oder »wamemthi«. Das chaldäische Targum hat einen Punkt. Und obwohl »samosi« »meine Gedanken im allgemeinen« bedeutet, wird es doch oft falsch verstanden: Sprichwörter 2, 11 und anderorts. Daher ist es kein Wunder, daß die Septuaginta »adikia« übersetzt, weil, wer so gerecht ist, daß in ihm kein schlechter Gedanke gefunden wird, gewiß auch ohne Sünde ist. Doch wohin reißt es mich hin? Ich wollte nur an einem Wort aufzeigen, wie leicht es ist, die kirchliche Lesart gegenüber den Kritikern zu verteidigen. Im Moment bin ich bei der Übersetzung des Predigtbandes über die Sakramente. Später werde ich mich dieser Aufgabe mit allen Kräften widmen. Bleibt heil, und gedenkt meiner in Euren Gebeten! |