Briefwechsel Eck - Übersicht Reformationsgeschichte
Nr. 288

Eck an Matthias Zell
Ingolstadt
25-09-1534


Zürich ZB Ms S. 36 Nr 156 (Kopie)

Eck würde Zell ermahnen, von Schisma und Häresie abzulassen und in den Schoß der Kirche zurückzukehren, wenn er nicht wüßte, daß dieser sich seit langem dem Wirken des Heiligen Geistes verweigere. Er würde sonst wissen, daß von Christus, Propheten und Aposteln für das Ende der Zeiten der Sieg der christlichen Wahrheit und der Einheit der Kirche über alle Häresien vorausgesagt wurde. Warum halten die Häretiker sich nicht an die Schriftauslegung der Kirchenväter statt an Luther, Wiclef, Zwingli und Bucer? Zell kennt sicher die Gründe, die Witzel in seiner »Apologie« nennt, weshalb er sich nach acht Jahren wieder vom Luthertum gelöst hat, um zur Einheit der Kirche zurückzukehren. Blarer hat Widerruf geleistet, und auch Jacob Sturm soll einem Brief aus Nürnberg zufolge vom Zwinglianismus Abstand genommen haben. Möglicherweise aber hat Blarer nur zum Schein widerrufen, aus Rücksicht auf die Religionspolitik Hg. Ulrichs und um leichter Zugang nach Württemberg zu erhalten. Eck kann durch Gottes Gnade in Bayern unbehelligt von Umtrieben der Häretiker leben und im Weinberg des Herrn arbeiten, indem er Schriften zur Stärkung der Gläubigen verfaßt, die ihnen helfen, den Glauben mit Argumenten zu verteidigen. Zu diesem Zweck hat Eck vier Bände Predigten »de tempore, de sanctis, de sacramentis« verfaßt und plant für den Winter ein neues Werk über den Konsens der altkirchlichen Autoritäten.



D. Matthaeo Zellio Keyserspergio veteri amico.

Admonerem te, ut relictis schismate et haeresi ad gremium redires Ecclesiae, nisi iam in illis inveteratus spiritui sancto obicem obfirmaveris. Nam si Ecclesiae veritatem, concordiam, eius de haeresibus perpetuam victoriam, Christi sponsi assistentiam facile intelliges, in novissimis temporibus nos a Christo, a Prophetis, ab Apostolis praemonitus, non quomodo surgant viri Evangelii plantatores, sed pseudoprophetae, qui seducent multos dicentes: hic est Christus apud Lutherum, hic est Christus apud Zuinglium, hic est Christus apud Parabaptistas. Cur non creditis expositioni sanctarum literarum, quam Hieronymus, Cyprianus, Basilius, Chrysostomus, Augustinus et alia ecclesiae lumina nobis reliquerunt et vanis, quod credamus, torsionibus et involutionibus novis Lutheri, Wiclephii, Zuinglii, Buceri et similium monstrorum.

Vidisti, arbitror, »Apologiam« Wicelii, in qua caussas adsignat, cur relicto schismate Lutheri, in quo octo annos absorduit, ad unitatem Ecclesiae redierit. Si hanc traderes gratiam a Deo ut benevolenter ac pro animo legeres, non dubito ex te rediturum. Blarer revocavit haeresia Capharnaitarna. Aiunt et D. Jacobum Sturmium a Zuinglianismo recessisse, ita hodie per literas ex Nurmberga venientes intellexi. Utinam ista blasphemia et horrenda haeresis esset extincta, quod tamen fiet, quando Deus voluerit. Vereor autem plurimum ne per dolum revocaverit Blarer, quo sibi liber puteat aditus in Wirtembergum. Nam ex pacto tenet Dux Ulricus cavere a Zuinglianis et Parabaptistis alioquin ex ducatu excideret.

Ego de gratia Dei quiete in Baioaria ago, ubi nullas patior haereticorum molestias. Licet zelus Dei me urgeat, ut non possim non laborare in vinea Domini, ut fideles in fide confortentur ubique gentium, ut habeant, quod respondeant adversariis Ecclesiae, in quem finem quatuor tomos homiliarum absolvi de tempore, de sanctis et sacramentis. Proxima hyeme curabo, ut nova aliqua ex me accipiant Catholici, sed huiusmodi quae veteribus proceribus Ecclesiae consentiant.

Vale.

Ingolstadii XXV. Septembris 1534.

Tuus Joh. Eccius.

Herrn Matthäus Zell aus Kaisersberg, dem alten Freund!

Ich würde Dich ja ermahnen, Schisma und Häresie zu verlassen und in den Schoß der Kirche zurückzukehren, wenn Du nicht inzwischen in jenen tief verwurzelt wärest und dem Heiligen Geist somit einen Riegel vorgeschoben hättest. Denn wenn Du einsehen würdest, daß die Wahrheit und Einheit der Kirche, ihr immerwährender Sieg über die Häresien, der Beistand, den sie von seiten ihres Bräutigams, Christus, empfängt, uns von Christus selbst, den Propheten und Aposteln vorhergesagt worden sind, würdest Du erkennen, wie jetzt nicht Pflanzer des Evangeliums, sondern Pseudopropheten aufstehen, die viele verführen, indem sie verkünden: »Hier bei LUTHER ist Christus, hier bei ZWINGLI, hier bei den Wiedertäufern!« Warum glaubt ihr nicht der Auslegung der Heiligen Schrift, die uns HIERONYMUS, CYPRIAN, BASILIUS, CHRYSOSTOMUS, AUGUSTINUS und andere Lichter der Kirche hinterlassen haben, sondern den eitlen Verdrehungen, wie wir glauben, und neumodischen geistigen Verrenkungen LUTHERS, WICLIFS, ZWINGLIS, BUCERS und ähnlicher Ungeheuer.

Du hast, so nehme ich an, die Apologie WITZELS gesehen, in der dieser die Gründe anführt, warum er nach Abkehr vom lutherischen Schisma, in das er acht Jahre verstrickt war, zur Einheit der Kirche zurückgekehrt ist. Wenn Du die Gottesgnade besäßest, diese Schrift wohlwollend und in frommer Gesinnung zu lesen, glaube ich auch an Deine Rückkehr! BLARER hat die kapharnaitische Häresie widerrufen. Es heißt, daß sich auch Jakob Sturm vom Zwinglianismus abgekehrt hat; ich habe das heute einem Brief aus Nürnberg entnommen. Wenn doch jene gotteslästerliche und schreckliche Häresie ausgetilgt wäre, was ja doch eines Tages geschehen wird, wenn Gott es will! Ich befürchte auch sehr, daß BLARER nur mit listigen Hintergedanken widerrufen hat: seine jüngst in Württemberg erschienene Schrift deutet das an. Denn Herzog ULRICH hält sich an die jüngst geschlossene Vereinbarung, sich vor Zwinglianern und Wiedertäufern in Acht zu nehmen und sie gegebenenfalls des Landes zu verweisen.

Ich selbst kann durch Gottes Gnade in Ruhe in Bayern leben und wirken, wo ich unter keiner der von den Häretikern verursachten Unannehmlichkeiten zu leiden habe. Denn der Eifer für das Haus des Herrn soll mich antreiben, unaufhörlich im Weinberg zu Herrn zu arbeiten, damit die Gläubigen in ihrem Glauben bestärkt werden und alle Völker Instrumente in die Hand bekommen, um den Feinden der Kirche entgegenzutreten: zu diesem Zweck habe ich vier Bände Predigten de tempore, de sanctis und de sacramentis herausgegeben. Im nächsten Winter werde ich dafür sorgen, daß die Katholiken neues Schrifttum von mir erhalten, aber solches, das mit den Kirchenvätern in Einklang steht.

Leb wohl!

Ingolstadt, 25. September 1534.

Dein Johannes Eck.