Briefwechsel Eck - Übersicht Reformationsgeschichte
Nr. 292

Nikolaus Ellenbog an Eck
Ottobeuren
20-01-1535

Paris BN ms lat 8643, 2, fol 131f
CCath 19/21 (Münster 1938), 345f Nr 82

Im Zusammenhang der üblichen jährlichen Zusammenkunft des Abtes mit seinen leibeigenen Untertanen in Eck hat Ecks Schwester Ellenbog Mitteilung gemacht, sie werde ihrem Bruder einen Brief zukommen lassen. Seit der Wahl Pauls III. wartet man in Ottobeuren auf Ecks Besuch, da er nach der Rückkehr aus Trient dort Station machen wollte. Aber wahrscheinlich halten ihn andere Verpflichtungen zu Hause fest. Ellenbog hat gerade mit Genuß Agrippa von Nettesheims drei Bücher »De secreta philosophia seu magia naturali« gelesen, die ihm der Memminger Arzt Jakob Stopel hat zukommen lassen. Der gelehrte Autor scheint da mehr zu behaupten als er beweisen kann. Wenn Eck mehr Schriften über Geheimphilosophie besitzt, besonders jene des Albertus Magnus, möge er sie ihm zusenden.


Frater Nicolaus Ellenbog omnifariam doctissimo viro domino Ioanni Eckio salutem plurimam dicit.

Cum de more annuo dominus et abbas meus rationem poneret cum subditis nostris in Eck, soror tua, dignissime vir, per famulum quendam monasterii certiorem me fecit de certo ad te nuncio ituro et, si literas tuae dominationi missurus essem, illas tuto per eum tibi praesentandas.

Imprimis gratias habeo sorori tuae, quae hac parte mei curam habuit.

Secundo gaudeo occasionem mihi oblatam tuae humanitati scribendi. Itaque imprimis te salvum opto, virorum doctissimee et mei studiosissime. Praestolabamur hic tuum adventum singulis ferme diebus ab eo tempore, quo electus denuntiabatur summus pontifex Paulus tertius. Ita enim literis significabas te petiturum Tridentum et in reditu hic te diversurum. Sed forsan alia te negotia domi detinuerunt.

Caeterum noveris me hisce diebus perlegisse (et quidem quam diligentissime) tres libros Henrici Agrippae »de secreta philosophia seu magia naturali«, qui beneficio doctoris Iacobi Stopel, physici Memingensis, mihi obvenerunt. Quorum lectione mirum in modum oblectatus offendi auctoris ingenium versatile, acre et doctum, abstrusae insuper philosophiae secreta suspicienda et admiranda. Et vere nunc secretis illis lectis completur in me illud Sapientis: »Qui addit scientiam, addit et dolorem.« Excutior enim non parum pro illis secretis addiscendis et noscendis, quae peritissimus vir ille potius proponit quam elucidet aut edoceat. Et prudenter id quidem; nec enim »margaritae« passim »proiiciendae sunt ante porcos«, sed communicanda mysteria quaerentibus dignisque.

Itaque tuam humanitatem rogatam habeo supra quam possim aut valeam, ut, si tibi fuerint libri magiam naturalem continentes, tu eos mihi comunes facias. Albertus Magnus non paucos in hac re conscripsit libros; sed ad manus meas venire dedignantur.

Vale faelicissime, virorum optime doctissimeque. Abba meus te bene valere optat.

Ex Ottenpurrha ipso die sanctorum martyrum Fabiani et Sebastiani 1535.

Bruder Nikolaus Ellenbog grüßt vielmals den allseitig gelehrten Herrn Johannes Eck!

Als mein Herr und Abt wie alle Jahre mit unseren Landsassen in Egg Besprechungen führte, würdigster Herr, hat Eure Schwester mir durch einen gewissen Boten des Klosters Nachricht gegeben, die an Euch gelangen soll, nämlich, wenn ich Briefe an Euch zu senden gedächte, sie durch ihn überbringen zu lassen.

Besonders danke ich Eurer Schwester, die sich in dieser Angelegenheit meiner angenommen hat.

Zweitens freue ich mich über die mir gebotene Gelegenheit, Euch zu schreiben. Daher wünsche ich insbesondere, Gelehrtester und um mich so Besorgter, daß es Euch gut gehe. Wir erwarteten hier Eure Ankunft einige Tage, nachdem die Wahl Papst PAULS III. gemeldet wurde. So kündigtet Ihr mir brieflich an, Ihr wollet nach Trient reisen und auf dem Rückweg hier Station machen. Aber vielleicht haben Euch andere Pflichten zu Hause festgehalten.

Weiterhin sollt Ihr wissen, daß ich in diesen Tagen drei Bücher des HEINRICH AGRIPPA VON NETTESHEIM über die Geheimphilosophie und Naturmagie gelesen habe (und das mit großer Sorgfalt). Diese sind mir als Geschenk des Memminger Arztes JAKOB STOPEL in die Hände gekommen. Deren Lektüre hat mich wunderbar ergötzt, und ich habe den wendigen, scharfen und gelehrten Verstand des Autors bewundert, die Geheimlehren dieser überaus seltsamen Philosophie, die es zu bedenken und zu bestaunen gilt. Und gerade bei der Lektüre dieser Geheimlehren erfüllt sich bei mir der Sinn des Wortes des alttestamentlichen Weisen: »Wer das Wissen voranbringt, erzeugt auch neuen Schmerz.« Nicht wenig bin ich für diese Geheimlehren eingenommen, die man erlernen und kennen sollte und die der sehr erfahrene Mann mehr behauptet als erleuchtend dargestellt oder erklärt hat. Und das in kluger Weise: er hat nämlich nicht »Perlen vor die Säue« geworfen, sondern seine Mysterien, die vermittelt werden sollen, nur an Fragende und Würdige gerichtet.

Daher bitte ich Euch inständig, falls Ihr Bücher über die Naturmagie besitzt, mir diese freundlich zu zeigen. ALBERTUS MAGNUS hat in dieser Sache nicht wenige Bücher verfaßt: sie sind mir aber nicht in die Hände gekommen.

Lebt wohl, Bester und Gelehrtester! Mein Abt will, daß ich Euch freundlich grüße.

Aus Ottobeuren, am Tag der heiligen Märtyrer Fabianus und Sebastianus 1535.