Briefwechsel Eck - Übersicht Reformationsgeschichte
Nr. 294

Eck an Nikolaus Ellenbog
Ingolstadt
19-02-1535


Paris BN ms lat 8643, 2, fol 132
CCath 19/21 (Münster 1938), 346ff Nr 83

Melchior Fattlin, Weihbischof von Konstanz, hat Eck von Ambrosius Blarers »Libellus apologeticus super sua palinodia« Mitteilung gemacht, von dem er gern eine Kopie hätte. Der französische Kg. geht streng gegen die Lutheraner und Zwinglianer vor. Auch der Pariser Bischof wurde festgenommen, aber auf Intervention seines Bruders Wilhelm du Bellay-Langay, Berater Franz I., und nach eigenem Widerruf wieder freigelassen. Nach brieflicher Mitteilung Hg. Antons von Lothringen sind zahlreiche Wiedertäufer nach England geflohen, um dort Asyl zu finden, jedoch hat der englische Kg. eine große Zahl von ihnen verbrennen lassen. Der Augsburger Bischof hat Eck gestern geschrieben, Graf Wilhelm von Fürstenberg sei in Dole hingerichtet worden und Christoph, der jüngere Hg. von Württemberg, in Gefangenschaft geraten; auch der hessische Landgraf Philipp verdient als Zwinglianer einen solchen Tod. Der jüdische Konvertit Antonius Margarita hat ein fehlerhaftes Buch gegen die Juden verfaßt; Bücher von Katechumenen oder Neophyten sollten besonders sorgfältig überprüft werden. Der Kardinal von Trient hat Eck im letzten halben Jahr sieben Briefe geschrieben, um ihn an seinen Hof zu holen. Eck hat ihn zu Weihnachten getroffen: er bietet 600 Gulden und einige Nebeneinkünfte, jedoch handelt es sich um eine kleine Diözese mit nur 80 Kirchen und drei Prälaturen. Eck überlegt noch. Sollte die Pest ausbrechen, will Eck Deutschland nicht verlassen, sondern auf eigene Kosten in schwäbischen Klöstern Zuflucht suchen. Ellenbog möge auch dem Abt seine Empfehlung übermitteln.


D. Ioannes Eckius fratri Nicolao Ellenbog S.D.

Observande pater:
Scribit mihi dominus suffraganeus Constantiensis editum [a Blarero] »libellum apologeticum super sua palinodia«. Cuperem eius mihi copiam fieri.
Arbitror dudum vos intellexisse, quam severiter rex Galliae exequatur contra Lutheranos et Zwinglianos. Ceperat etiam episcopum Parrhisiensem, sed interventione fratris domini Langii liberatus est post factam revocacionem.

Scribit ad me praesidens Lotharingiae multitudinem parabaptistorum traiecisse in Angliam velut ad sacram anchoram et asylum; sed rex certior factus in magno numero eos combussit.

Scripsit heri ad me episcopus Augustensis Wilhelmum comitem Furstenbergii Dolae esse capite truncatum et ducem iuniorem Wirtenbergi captum; sic convenit mori Zwinglianum Hessicum regi rebellem.

Antonius Margarita contra Iudaeos aedidit, sed hui, quam hallucinatur in verbis, in personis, in adfixis. Asserit Isa. 63 textum corruptum per Iudaeos, qui pro »lo« (cum waw) reposuerint »lo« (cum aleph), et ita contenditt affirmative legi, cum sicc etiam nostra byblia et Septuaginta esset falsa, quia legit negative. Non est bonum cathecuminos seu neophitos aedere libros nisi bene revisos.

In dimidio anno Tridentinus cardinalis septenis me evocavit literis. Accessi eum sub festis nataliciis. Offert 600 florenos ex camera et accidentalia suffraganeatus ac vicariatus; parva est diocesis, habet solum 80 ecclesias et tres praelaturas. 20 florenos dumtaxat me sequerentur, alia, quae essent Bavarici iuris, essent relinquenda. Adhuc sum in deliberacione. Si mansero hic et lues pestis ingruerit, statui non egredi Germaniam, sed hospitarier in monasteriis Sueviae meis expensis.

Scripta volo et haec reverendo domino abbati, cui me commendo.

 Ingoldstadii 19. Februarii 1535.


Johannes Eck grüßt Bruder Nikolaus Ellenbog!

Hochgeschätzter Pater!
Der Weihbischof von Konstanz schreibt mir, BLARER habe eine Apologie seines Widerrufes verfaßt. Ich hätte gern eine Abschrift davon.

Ich glaube, Ihr habt längst erfahren, wie streng der französische König gegen Lutheraner und Zwinglianer vorgeht. Er hat auch den Bischof von Paris gefangennehmen lassen, der aber nach Intervention seines Bruders WILHELM DU BELLAY-LANGAY nach vollzogenem Widerruf freigelassen wurde.

Der Herzog von Lothringen schreibt mir, zahlreiche Wiedertäufer seien nach England übergesetzt wie zu einem heiligen Rettungsanker und Asyl; der davon benachrichtigte König hat sie aber in großer Zahl verbrennen lassen.

Der Bischof von Augsburg hat mir gestern geschrieben, Graf WILHELM VON FÜRSTENBERG sei zu Dole hingerichtet und der jüngere Herzog von Württemberg gefangengenommen worden: so sollte auch Landgraf PHILIPP, der hessische Zwinglianer, der gegen den König rebelliert, sterben!

ANTONIUS MARGARITA hat gegen die Juden geschrieben, aber ach, wie schludert er in Worten, Personen, eigentlich feststehenden Dingen!
Er behauptet, der Text Jesaja Kapitel 63 sei von den Juden verstümmelt worden, die statt »lo« (lamed-waw-cholem) »lo« (lamed-aleph-cholem) gesetzt hätten: und so behauptet er, es müsse als Bejahung gelesen werden, was unsere Bibel und die Septuaginta fälschlich als Negation lesen. Es ist nicht gut, wenn Katechumenen und Neubekehrte Bücher schreiben, die nicht sorgfältig überprüft werden.

In der Jahresmitte hat mich der Kardinal von Trient in sieben Briefen zu sich gerufen. Zu Weihnachten stimmte ich ihm zu. Er bietet sechshundert Gulden aus der bischöflichen Kammer und etwas aus dem Budget des Weihbischofs und der Vikars. Die Diözese ist klein, hat nur achtzig Kirchen und drei Prälaturen. Zwanzig Gulden würde ich mitbringen; das andere müßte ich nach bayerischem Recht zurücklassen. Ich bin bis jetzt noch am Überlegen. Wenn ich hier bleibe und die Pest käme, habe ich beschlossen, Deutschland nicht zu verlassen, sondern in den mir teuren schwäbischen Klöstern Zuflucht zu suchen.

Dieser Brief soll auch dem hochwürdigen Herrn Abt mitgeteilt werden, dem ich mich empfehle.

Ingolstadt, 19. Februar 1535