Briefwechsel Eck - Übersicht Reformationsgeschichte
Nr. 302

Eck an Nikolaus Ellenbog
Ingolstadt
04-05-1535


Paris BN ms lat 8643, 2, fol 142v - 143v
CCath 19/21 (Münster 1938), 354f Nr 100;
GEIGER, Ellenbog 195 Nr 21

Es ist zwar nichts Geringfügiges, wenn Briefe verloren gehen, aber Ecks Freundschaft zu Ellenbog berührt das überhaupt nicht. Wegen Blarers »Apologeticum« will er Ellenbog nicht mehr zusetzen, da er inzwischen zwei Exemplare erhalten hat. Er wird Blarer zusammen mit Bucer kräftig Antwort erteilen. Alberts des Großen »Speculum« besitzt Eck leider nicht, nur »Parva philosophia« und »Commentaria dialectices maioris«. Die Schriften »De immortalitate animae>, >De partibus philosophiae«, »De virtutibus herbarum« und »De gradibus formarum« hat er verloren. Im Augenblick werden ungefähr 8000 Soldaten ausgehoben. Witzel, der, wie vorher Augustinus eine Zeit lang Manichäer, neun Jahre lang Lutheraner war, setzt diesen jetzt unter dem Patronat des Grafen Hoyer von Mansfeld sehr geschickt zu. In kurzer Zeit hat er elf Bücher gegen sie herausgegeben. Die Universität Tübingen verliert immer mehr ihr Niveau. Sollten die Verhältnisse ruhig sein, will Eck in den Sommerferien nach Ottobeuren kommen. Der Abt soll kein Aufhebens davon machen, daß Eck Johannes Wideman verdientermaßen sehr schätzt. Übrigens hat er soeben vom Herzog und vom apostolischen Nuntius Vergerio eine briefliche Einladung an den Hof des Freisinger Bischofs Pfalzgraf Philipp erhalten, um mit dem Nuntius über das Generalkonzil zu beratschlagen.



D. Ioannes Eckius fratri Nicolao Ellenbog S.D.

Literas intercipi mihi est res non parva, reverende pater. Ideoque non opus fuit tanta excusacione, potissimum cum amicitiam ex animo, non ex literis metiamur.

 De perverso et fucato Blarerii libello nolo te de cetero esse sollicitum; etenim duo allata sunt mihi exemplaria; hominem suis depingam coloribus, ut simplicibus non imponat, cum Bucero.

Quod polihystoris illius Alberti Magni librum petis, qui Speculum inscribitur, noverit devotio tua me carere hoc libro; pauca enim habeo illius viri libros, parvam videlicet eius philosophiam et commentarios dialectices maioris; perdidi autem eius opuscula de immortalitate animae, de partibus philosophiae, de virtutibus herbarum, de gradibus formarum. Si quicquam esset museo nostro litterario, quod paternitati tuae usui esset, ad arbitrium et placitum obsequerer.

Coniicio statim milites esse deligendos 8000.

Wicelius, qui novem annis obsorduerat apud Lutheranos, sicut Augustinus apud Manichaeos, is gratia Dei ad saniora reversus egregie molestus est Luteranis patrono comite Hoiero de Mansfeld. Edidit in brevi undecim libellos.

Nobile studium Tibingense in lupanar abiit.

Si res manserint pacatae, vos invisam sub institio aestivali. Reverendo patri domino abbati verbis meis dicito non oportere gratias agere, si qua benivolentia M. Ioannem prosequor, quia et parva est, quod maiora nequeam; et virtutes suae merentur, ut huic bene velim.

Vale et salve faelicissime.

Ingolstadii 4. Maii anno gratiae 1535.

Illa hora, hoc est quinta mane quinta Maii accaepi literas a principe et nuncio apostolico, quod illis visiss mox me conferam ad episcopumm Frisingensem illic super concilio generali futuro tractaturus cum eodem nuncio. Deus aspiret principibus christianis, ut hoc opus pium et necessarium perficiant.

Johannes Eck grüßt Nikolaus Ellenbog!

Daß Briefe verloren gehen, ist für mich nichts Neues, verehrter Pater. Daher war eine solche Entschuldigung nicht nötig, zumal wir Freundschaft an der Gesinnung, nicht an Briefen messen.

Mit dem verkehrten und aufgeputzten Büchlein BLARERS will ich Euch nicht länger Kummer bereiten, denn ich habe inzwischen zwei Exemplare erhalten. Ich werde den Mann so zeichnen, wie er wirklich ist, damit er nicht zusammen mit BUCER die Einfältigen belastet.

Da Ihr die Schrift »Speculum« jenes Universalgelehrten ALBERTUS MAGNUS erbittet, so möchte ich Euch wissen lassen, daß ich dieses Buch nicht besitze. Ich habe von diesem Autor nur wenige Bücher: seine »Philosophia pauperum« und seine Kommentare zu den logischen Schriften des ARISTOTELES. Seine kleinen Schriften »Über die Unsterblichkeit der Seele«, die »Teile der Philosophie«, die »Natur der Pflanzen«, die »Stufen der Formen« habe ich verloren. Wenn sich etwas in meiner Bibliothek befände, was Eurer Väterlichkeit von Nutzen wäre, würde ich Euren Wünschen entsprechen.

Ich vermute, es werden sofort achttausend Soldaten ausgehoben.

WITZEL, der sich neun Jahre bei den Lutheranern beschmutzt hat, wie AUGUSTINUS bei den Manichäern, ist durch Gottes Gnade zu Heilbringenderem zurückgekehrt und fällt unter seinem Patron, dem Grafen HOYER VON MANSFELD, den Lutheranern jetzt mächtig auf die Nerven: er hat in kurzer Zeit elf Bücher gegen sie verfaßt.

Die edle Tübinger Hochschule ist zu einem Bordell verkommen.

Wenn alles friedlich bleibt, werde ich zu Beginn des Sommers zu Euch kommen. Sagt dem hochwürdigen Herrn Vater Abt mit meinen Worten, er müsse mir nicht danken, wenn ich freundliche Beziehungen zu Magister JOHANNES WIEDEMANN unterhalte: es ist eine kleine Sache mangels einer größeren; seine Tugenden verdienen es, daß ich ihm wohl will.

Lebt wohl und glücklich!

Ingolstadt, 4. Mai im Jahr der Gnade 1535.

In dieser Stunde, das heißt am 5. Mai morgens, erhielt ich einen Brief vom Fürsten und apostolischen Legaten, daß ich mich nach der Lektüre bald zum Bischof von Freising begeben solle, um dort mit ihm über das bevorstehende ökumenische Konzil zu sprechen. Gott erleuchte die christlichen Fürsten, daß sie dieses fromme und notwendige Werk vollbringen!