Briefwechsel Eck - Übersicht Reformationsgeschichte
Nr. 307

Eck an Pietro Paolo Vergerio
Ingolstadt
01-06-1535



Venedig Bibl Marciana lat cl. IX, cod 66 fol 33 (Orig-Ms)
FRIEDENSBURG, Beiträge 221f Nr 120

Über die Reichstagsverhandlungen um die Wahl des Konzilsortes will sich Eck jetzt nicht auslassen; in einem Reichstagsrezeß wird letztlich nur kurz berührt, was den Beteiligten schon lange bekannt ist. Sollten jedoch Einzelheiten der Zusammenkunft bekannt werden, etwa durch Erzbischof Albrecht von Mainz in seiner Funktion als Reichskanzler, wird er Nachricht geben. Die Reichsstände haben als Konzilsort Straßburg, Köln, Worms und Konstanz vorgeschlagen; der Kaiser Bologna, Piacenza, Mailand und Mantua. Vergerio soll nur die erfolgversprechenden Wege zu den deutschen Fürsten beschreiten, sich im Hinblick auf das Konzil zu nichts zwingen lassen; bei Erwähnung von Namen wie Albrecht von Mainz, Herzog Georg oder Erich von Braunschweig nicht von menschlicher Bosheit täuschen lassen. Er wird auch gute und der Sache aufgeschlossene Fürsten finden. Immer soll er auf das Verhalten der Fürsten bei der ersten Begegnung achten: ob sie ihm ehrlich und offen gegenübertreten oder mit Schmeicheleien und Unbeständigkeit. Wichtig ist zu wissen, mit wem der Fürst Umgang pflegt, etwa mit Lutheranern wie Melanchthon, der Campeggio zweimal durch seine falsche Unterwürfigkeit getäuscht hat, indem er die Antwort des Kardinals in lügenhafter Weise veröffentlichte. Sollte Vergerio Neuigkeiten über die Entwicklung im Reich haben, bittet er um Nachricht; er hofft, ihn bald in Ingolstadt begrüßen zu dürfen. Briefe kann er ruhig Perneder, Gleichberger oder Kteßdorfer anvertrauen: das sind Ingolstädter Bürger und vertrauenswürdig. Eck schreibt über Freising und empfiehlt sich und seinen Neffen Michael Knab. Sollte sich in den Briefen aus Würzburg etwas finden, das Eck angeht, soll Vergerio das an Bonaventura Michiele weitergeben.


Parata obsequia pro salute.

Reverendissime pater:

Verti in recessibus conta quantum ad conciliumm attinet, verum colluctatio de loco concilii quae in tractatu habito cum Caesare et statibus, non est hic inserta. Solent enim in recessu breviter attingi quae aliquanto diutissime versantur a partibus, sed si quis haberet ephemerides totius conventus, sicut habet Reverendissimus Moguntinus cancellarius imperii, hic certior fieret de omnibus. Nam obtulerunt status Argentinam, Coloniam, Wormatiam, Constantiam; Caesar contra Bononiam, Placentiam, Mediolanum et Mantuam.

Estote fortess in proposito vestro et Deo coadjutore perficietis. Solum compendiosiorem viam adeundi principes querite, ne videamini non dico neglecte vel remisse agere, sed velle non cogi concilium. Non curate si is vel alius dixerit de Moguntino, de Saxone Georgio, Brunsvicensi etc. Haec est hominum malicia. Reperietis bonos principes et huic sancto negotio adfectos. Solent ita nugari, in monoribus personis ludere, ut vel amicitias dirimant aut existimationem extenuent. Dolendum est hoc malum in Germanos migrasse ut sciant fraudibus et dolis uti ac nihil interea mentiri verentur, adeo ut res tangi possit.

Quare in primo congressu animadvertite: si obviat homo candidus, syncerus, sibi semper constans, inadulabilis, apertus, aperite et cor vestrum; si blanditur, si nugatur, si sibi minus constat, si bonos semper habitos proscindit, una manu panem ostentat, altera lapidem gerit: disquirite quorum habeat familiaritatem, an non colludat cum Lutheranis, an non nequiter se humiliet, ut aliquid clementiae aut indulgentiae extorqueat, uti Melanchton bis fecit Champegio, multis mendaciis Simon ille responsum cardinalis promulgans.

Utinam essem semper cum Paternitate Vestra Reverendissima, cum quis esset allocuturus vos, ut describerem hominis ingenium. Novi ferme omnes majores et minores, doctores et laycos, Luteranos, Zvinglianos, Catholicos et Semichristianos, quemque suis depingerem coloribus.

Quo in statu sit negotium, aveo scire cum casualem nuncium habueritis, et omnino spero vos videre in aedibus nostris. Literas Peredero credite aut Gleichbergio aut Martino Kressdorffio: hi norunt, quando adsunt Ingolstadiani. Mirum illiss diebus nullus nuncius mihi occurrit. Per Frisingam hec scribo et me et nepotem meum Michaelem Knab Reverendissima P.V. commendatos habeat.

Ingolstadii 1. Junii anno 1535.

Eiusdem Reverendissimae Paternitatis
servitor humilis
I. Eckius.


Si in literis Herbipolitanis est quippiam quod me respicit, per Bonaventuram agite ut sciam.

Bereitwilligster Gehorsam und Heil!

Hochwürdigster Vater,

was auf den Reichstagen im Hinblick auf das Konzil verhandelt wurde, wahrhaftig ein Ringen mit dem Kaiser und den Reichsständen um den Ort, an dem es stattfinden soll, soll hier nicht angeschnitten werden. Auf dem Reichstag pflegen die Fragen, die ja von den Parteien bis ins Einzelne sehr ausführlich behandelt werden, nur beiläufig berührt zu werden; aber wenn jemand einen detaillierten Plan aller Sitzungen des Reichstages besäße, wie der Hochwürdigste Kardinal von Mainz in seiner Funktion als Reichskanzler, könnte er über das alles Genaueres berichten. Die Reichsstände haben nämlich Straßburg, Köln, Worms und Konstanz vorgeschlagen, der Kaiser dagegen Bologna, Piacenza, Mailand und Mantua.

Steht fest in Eurem Vorsatz und vollendet ihn mit Gottes Hilfe! Sucht allein nach dem geeignetsten Weg für die Zusammenkunft der Fürsten, damit es nicht so aussieht, ich will nicht sagen: daß Ihr nachlässig oder zu locker vorgeht, sondern daß ihr nicht zum Konzil zwingen wollt. Macht Euch nichts daraus, wenn der eine oder andere über den Mainzer, den Sachsen GEORG oder den Braunschweiger usf. lästert. Das ist die Bosheit der Menschen. Ihr werdet gute und für diese heilige Sache des Konzils aufgeschlossene Fürsten finden. Sie pflegen zu lästern, niedriger Gestellte lächerlich zu machen, um so Freundschaften zu zerstören oder eine bestimmte Meinung in Umlauf zu bringen. Leider hat diese Unart unter den Deutschen um sich gegriffen, so daß sie es jetzt gut verstehen, Betrug und List anzuwenden; sie fürchten sich inzwischen vor keiner Lüge, sogar, wenn es dabei um die Sache selbst gehen kann.

Achtet daher bei der ersten Begegnung auf Folgendes: wenn Euch der Mensch lauter, ehrlich, gleichbleibend beständig in seiner Haltung, ohne Schmeichelei und offenherzig entgegentritt, öffnet auch Ihr ihm Euer Herz; wenn er schmeichelt, lästert, unbeständig im Urteil ist, solche, die sich anständig verhalten, niedermacht, mit der einen Hand Brot reicht, mit der anderen aber einen Stein umklammert, bemüht Euch, etwas über seine Herkunft in Erfahrung zu bringen, ob er nicht mit den Lutheranern konspiriert, sich nicht nur scheinbar unterwürfig verhält, um Euch eine Gunst oder einen Erlaß abzutrotzen, wie MELANCHTHON das zweimal gegenüber CAMPEGGIO getan hat: mit vielen Lügen durchsetzt hat nämlich jener SIMON die Antwort des Kardinals in Umlauf gesetzt.

Wenn ich doch immer dann in der Nähe Eurer Hochwürdigsten Väterlichkeit wäre, wenn jemand im Begriff ist, Euch anzusprechen, damit ich Euch Mitteilung machen könnte über die Geistesart dieses Menschen! Ich kenne nämlich fast alle Großen und weniger Bedeutenden, Gelehrte und Laien, Lutheraner, Zwinglianer, Katholiken und Halbchristen: ich würde Euch von jedem ein passendes Porträt malen.

Wie die Dinge auch stehen mögen: ich bin sehr begierig zu erfahren, wenn Ihr eine gelegentliche Nachricht habt, und überhaupt hoffe ich, Euch in meinem Hause zu sehen. Vertraut mir ruhig Briefe an PARNEDER, GLEICHBERG oder MARTIN KRESSDORF an: diese wissen nämlich nicht, wann sie in Ingolstadt weilen. Ich wundere mich, in diesen Tagen keine Nachricht erhalten zu haben. Ich schreibe dieses auf dem Umweg über Freising und empfehle Eurer Hochwürdigsten Väterlichkeit meine Person und die meines Neffen Michael KNAB.

Ingolstadt, 1. Juni 1535.

Eurer Hochwürdigsten Väterlichkeit gehorsamer Diener J. Eck.


Wenn unter den Würzburger Briefen etwas ist, das mich betrifft, laßt es mich durch BONAVENTURA MICHIELE wissen.